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Bretonische Gavotte

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Textdaten
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Autor: Felix Vogt
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Titel: Bretonische Gavotte
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 141, 147
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[141]

Bretonische Gavotte.
Nach dem Gemälde von T. L. Deyrolle.

[147] Bretonische Gavotte. (Zu dem Bilde S. 141.)

Neben dem Baskenlande ist die Bretagne diejenige Provinz Frankreichs, wo sich die eigene Sprache, die alten Gebräuche und Kleidertrachten am stärksten behauptet haben. Der allgemeine Militärdienst und die obligatorische Volksschule haben freilich auch hier schon manchen Sieg errungen zu gunsten der französischen Sprache, der französischen Mode und der den Pariser Kaffeekonzerten entstammenden Gassenhauer, aber doch trifft man hier und da an Kirchenfesten und Jahrmärkten große Vereinigungen des Landvolkes, bei welchen alt und jung den altväterischen Staat der Landestracht anhat, wo man noch die alten Tänze tanzt und aus unförmigen weißen Steinkrügen den Apfelwein trinkt. Von einem solchen ländlichen Tanzvergnügen giebt uns der Maler Deyrolle in seiner „bretonischen Gavotte“ ein lebhaftes und anschauliches Bild. Dieser Maler ist ein so eifriger Bewunderer des bretonischen Volkslebens und der dortigen malerischen Volkstracht geworden, daß er nun schon seit langen Jahren in Concarneau, d. h. in der Mitte der bretonischesten Bretagne, seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat und nichts anderes malt als ländliche Genrebilder aus seiner nächsten Umgebung. Er versteht es meisterhaft, derartige Volksscenen mit Kraft und ohne Schönfärberei, aber auch ohne realistische Uebertreibung wiederzugeben.

Daß wir uns auf dem Bilde in der Bretagne befinden, verrät – ganz abgesehen vom Kostüm der Personen – dem Kenner der Landschaft das in der Mitte emporragende mit Figuren reich geschmückte steinerne Kreuz. Solche „Calvarien“ stehen fast neben jeder bretonischen Kirche und sehr oft zeigen sie mehr Originalität und künstlerischen Charakter als die Kirche selbst. Bei den großen Bittgängen, den sogenannten „Pardons“, bilden diese Calvarien den Mittelpunkt der religiösen Zeremonie. Ein solcher „Pardon“ ist ohne Zweifel das ernste Vorspiel zu dem heiteren Nachspiel gewesen, das der Maler hier dargestellt hat. Bauern und Bäuerinnen haben sich für den lieben Gott in ihren schönsten Staat geworfen. Stickerei und reicher Bänderbesatz ist an den Kleidern der Frauen und den Jacken der Männer sichtbar. Frisch gewaschen und gebügelt prangen die weißen Hauben der Bäuerinnen, welche für einige französische Nonnenorden zum Vorbild geworden sind. Auf zwei großen Mostfässern haben die Musikanten Platz genommen. Sie handhaben die beiden nationalen Instrumente, die Bombarde und das Biniou, das erstere eine Art von Fagott, das letztere ein Dudelsack. Der Maler läßt den Bombardenbläser sich abmühen, während der Biniouspieler sich gütlich thut. Auch das ist ganz richtig beobachtet, denn die Ablösung ist die Regel bei dieser primitiven Tanzmusik, das Zusammenspiel die Ausnahme. Die Ohren gewinnen dabei, denn die beiden Instrumente sind gewöhnlich in der Stimmung um einen halben Ton auseinander. Zwei ältere Bauern eröffnen mit zwei ländlichen Schönen den alten Tanz der Gavotte, der seine Benennung von den Gavots, den Bewohnern der Landschaft Gap im Departement Hautes Alpes, erhalten haben soll. Lange Zeit nur als Volkstanz geübt und zu scenischen Darstellungen auf der Bühne verwendet, wurde die Gavotte zur Zeit des ersten Kaiserreichs in Paris zu einem Gesellschaftstanz ausgebildet. In der Bretagne war sie seit jeher beliebt. Wären bei dem Feste, das unser Bild darstellt, deutsche Ohren zugegen, so würden sie mit Ueberraschung aus dem Munde des jungen Bauern, der den Musikern zujubelt, mehr als ein heimatliches „ch“ hören, an denen die bretonische Sprache so reich ist, während der eigentliche Franzose diesen Laut kaum zu sprechen vermag. Schließlich bemerken wir noch, daß die obenstehende bretonische Gavottenmelodie dem trefflichen Buche von Quellien „Chansons et danses des Bretons“ (Paris, 1889) entnommen ist. Felix Vogt.