Zum Inhalt springen

Brief des Rabulas an den Bischof Gemellinus von Perrha

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Rabbula von Edessa
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Brief des Rabulas an den Bischof Gemellinus von Perrha
Untertitel:
aus: Bibliothek der Kirchenväter, Band 38, S. 250–258.
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: 5. Jh.
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Jos. Koesel’sche Buchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Kempten
Übersetzer: Gustav Bickell
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Faksimile auf den Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[250]
Brief des Rabulas an den Bischof
Gemellinus von Perrha.
[1]

Ich habe gehört, daß bei euch in der Gegend von Perrha gewisse Brüder, welche ihr Kloster nicht kennen, und [251] Andere aus der Zahl der Archimandriten, sowie auch dortige Diakonen, lügenhafter Weise den eitlen Anspruch erheben, als ob sie kein Brod äßen, und für sich fälschlich den nichtigen Ruhm beanspruchen, als ob sie kein Wasser tränken, und von sich ausrufen, sie enthielten sich des Weines. Ich zittere nun zwar, das zu erwähnen, was ich über ihren Frevel an dem Leibe und Blute Jesu, des Sohnes Gottes, gehört habe; weil mich aber die Nothwendigkeit dazu zwingt, so darf ich wohl wagen, Dasjenige auszusprechen, vor dessen Ausübung Jene nicht zurückschaudern, indem sie den Leib und das Blut Christi, unseres Herrn, wahnsinnig und ohne Unterscheidung darbringen. Denn mit diesem heiligen und seine Empfänger heiligenden Leibe und mit dem lebendigen und den Trinkenden Leben verleihenden Blute sättigen sich Jene, deren so ungeheuere Gottlosigkeit mir unbegreiflich ist, frevelhafter Weise zur steten Befriedigung ihres natürlichen Hungers und Durstes. In Folge dieses ihres Entschlusses können sie ihre Nahrung nur dadurch finden, daß sie täglich das Opfer feiern, und fortwährend an jedem Tage entnehmen sie aus der Eucharistie viele Speise. Deßhalb bereiten sie auch ihre Hostie mit reichlichem Sauerteig, machen sie recht nahrhaft und backen sie tüchtig, damit sie ihnen zur Speise diene, nicht aber zum Sakrament des Leibes Christi, welches durch das Ungesäuerte dargestellt wird.[2] Übrigens [252] legen sie sogar, wo immer sie sich niederlassen, gewöhnliches Brod ganz unterschiedslos einander auf die Hände, um es zu opfern und dann zu essen. Auch kommt es vor, wenn sie von einem Ort zum anderen wandern oder eine lange Reise unternehmen, daß sie zwei- oder dreimal an einem Tage ihren natürlichen Hunger und Durst mit dem Leibe unseres Herrn stillen. Wenn sie dann am Ziele ihrer Reise angelangt sind, bringen sie Abends wieder das Opfer dar und nehmen davon, als ob sie nüchtern wären. Auch in den heiligen Tagen der vierzigtägigen Fastenzeit wagen sie so zu thun, da sie weder Gott fürchten noch sich vor den Menschen schämen. So werden also diese Menschen, welche nach ihrer Behauptung niemals Brod oder Wasser genießen, als Verzehrer des heiligen Brodes und Trinker des heiligen Weines sogar an diesen hehren Tagen erfunden, an denen sich selbst die Schlechtesten der Nahrung enthalten.

Es bezeugt mir aber der Geist in mir, o heiliger Bruder, daß es mich schaudert, deiner Herrlichkeit Alles zu schreiben, was ich über Jene gehört habe, weil mein Gewissen sich noch nicht entschließen kann, es für sichere Wahrheit zu halten. Wäre es doch möglich, daß du ohne briefliche oder mündliche Mittheilungen von mir das erfahren könntest, über dessen Wahrheit ich dich befragen wollte, und Jene dann durch deine Zurechtweisung ihre Strafe erhielten! Denn ich wünschte, daß sogar Dasjenige, was ich über sie gehört habe, weder du, o Herr, noch Jene erfahren möchten. Du mögest also nicht denken, und auch Jene mögen nicht annehmen, daß ich dir Dieses über sie geschrieben hätte, weil ich die schlimme Nachrede gegen sie glaubte, sondern ich befrage auch Andere darüber, weil ich noch immer an ihrer Wahrheit zweifle. Denn es scheint ja doch unmöglich, daß je eine so furchtbare Sünde von Menschen, die in Christo getauft sind, begangen werden könne. Man sagt nämlich, wenn sie die Hostie aus der Patene zubereitet hätten, so äßen sie davon leichtsinnig, so viel sie wollten; aber den Kelch des Blutes mische sich ein Jeder, wenn es möglich sei, mit heissem Wasser und trinke ihn wie gemischten Wein, [253] fülle ihn dann wieder und reiche ihn seinem Gefährten, so daß sie oft wegen der Menge des Weines, den sie unter dem Vorwand der Kommunion trinken, genöthigt seien, ihn aus dem Munde wieder auszuschütten. O über diesen entsetzlichen Frevel, wenn es sich wirklich also verhält, daß Jene gegen ihre Seligkeit gleichgiltig genug sind, um die ehrwürdigen Gefäße des Heiligthums, welchen sich zuversichtlich zu nahen selbst die himmlischen Geister wegen des darin enthaltenen Sakramentes Scheu tragen, zu Tischgefäßen Behufs Stillung ihres Durstes zu machen, ohne der Strafe zu gedenken, mit welcher der heidnische König Baltassar heimgesucht wurde, weil er es sich hatte einfallen lassen, in frecher Empörung Gott zu verhöhnen, indem er die Gefäße Seines Dienstes zu einem verächtlichen Gebrauch benutzte. Die Erscheinung einer schreibenden Hand wurde ihm vom Himmel zugeschickt, um das gerechte Strafurtheil der göttlichen Barmherzigkeit an die Wand seines Hauses zu schreiben. Wie können aber die gottesdienstlichen Gefäße des jerusalemitischen Tempels mit den glorreichen Gefäßen für den Dienst des Leibes und Blutes des Gottessohnes verglichen werden? Denn auch das Schaubrod der israelitischen Priester verdient in keiner Beziehung der Herrlichkeit des erhabenen Geheimnisses gleichgestellt zu werden. Wenn Jemand jenes Schaubrod, welches David von dem Tische hinweg aß, als er hungerte, mit dem lebenverleihenden Leibe des Gottes Logos vergleichen wollte, so müssen wir ihn als einen thörichten Menschen betrachten, welcher den Leib und das Blut des Herrn nicht von dem Schaubrode unterscheidet und deßhalb des Leibes und Blutes unseres Herrn schuldig wird. Denn jenes vermochte nur von der leiblichen Befleckung zu reinigen, in Verbindung mit den verschiedenartigen Abwaschungen und sonstigen Ceremonien; aber dieses lebenspendende Fleisch und Blut des Herrn Jesu entsühnt nicht nur Leib und Seele von der Sünde und heiligt Die, welche es gläubig empfangen, sondern bewirkt auch, daß Gott in uns ist durch seinen Geist, so wie wir in ihm sind durch unseren Leib. Denn der Sohn Gottes sagt: „Wer meinen Leib ißt [254] und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm; und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage.“ Umgekehrt können wir die Größe dieses neuen, von dem Gotte Logos uns überlieferten Dienstes auch aus der Strafandrohung des heiligen Paulus gegen Diejenigen, welche ihn verachten, erkennen, wonach Diese härter gestraft werden sollen, als Die, welche gegen das alte Gesetz Moysis gesündigt hatten. Er sagt nämlich:[3] „Wenn der Übertreter des Gesetzes Moysis auf den Mund zweier oder dreier Zeugen hin ohne Erbarmen sterben muß, einer wie viel härteren Strafe macht sich dann Derjenige schuldig, welcher den Sohn Gottes mit Füßen tritt, das Blut seines Bundes wie gewöhnliches achtet und den Geist seiner Gnade, durch welchen wir geheiligt sind, lästert?“ Wer könnte also dieses Brod des Lebens, welches wegen seiner Vereinigung mit dem Gotte Logos vom Himmel herabgestiegen ist und der Welt das Leben gibt, mit dem aus irdischem Stoffe zusammengesetzten Schaubrode vergleichen? Aber als Gesinnung dessen, der solches ausdenkt oder thut, ergibt sich klar und deutlich diese, daß er die Eucharistie in der That für gewöhnliches Brod hält, wie es ihm der Augenschein angibt, da er sie so wahnsinnig empfängt und dem Worte des Sohnes nicht glaubt: „Das Brod, welches ich geben werde, ist mein Leib, der für das Leben der Welt hingegeben wird.“ Es ist also nicht bloßes Brod in dem Leibe Christi, wie es Jenen scheint, sondern in dem Brode ist der unsichtbare Leib Gottes, wie wir glauben, indem wir ihn einfach als Leib empfangen.

Ferner essen Jene gewöhnlich geschmelztes Gemüse. Statt des Brodes sättigen sie sich mit Käse; ausserdem befriedigen sie ihren Appetit mit Fischen aller Art. Auch erquicken sie sich sehr an frischen, noch mehr an getrockneten Früchten, sowie an Honigscheiben und Eiern. Und weil die Hitze des Weines, welchen sie unter dem Vorwand der Kommunion trinken, sie den ganzen Sommer hindurch mit [255] entsetzlichem Durste quält, so trinken sie fortwährend Schafs- oder Ziegenmilch, wenn sie dazu Gelegenheit haben. Dieses thun sie aber absichtlich und versuchen, ob sie durch die Feuchtigkeit und Kälte des Brodes den steten inneren Brand, den sie sich durch ihr unmäßiges Weintrinken zugezogen, abkühlen können. Wegen dieser Dinge und zur Strafe dafür wird seiner Zeit zu Jenen gesagt werden, wenn die gerechte Strafe Gottes, welche er einst über Heli wegen seiner Söhne verhängte, auch sie trifft: „Siehe, ich habe euch alle Güter der Erde gegeben, so daß ihr sie ohne Sünde gebrauchen durftet, gleichwie ich Jenen alle Opfer der Israeliten verliehen hatte, so daß sie dieselben ohne Vorwurf genießen konnten. Warum nun frevelt ihr an meinem Leibe und meinem Blute, gleichwie Jene sich an den für mich bestimmten Opfern und Gaben vergriffen?“ Und obgleich der Frevel, welchen Diese gegen Gott begehen, weit größer ist als der, welchen Jene im Volke Israel verübten, so würde ihnen doch schon ein großes und entsetzliches Strafgericht zu Theil werden, wenn auch nur eine gleiche Strafe über sie verhängt würde, wie über Jene. Denn es heißt: „Deßhalb redet der Herr, der Gott Israels, also: Ich hatte gesprochen, daß dein Haus und deines Vaters Haus vor mir dienen sollten in Ewigkeit. Nun aber sagt der Herr: Das sei ferne von mir; denn ich will ehren, die mich ehren, und die mich verachten, sollen zur Schmach werden.“ Da siehst du, wie er sie auf ewig von dem Priesterthume verworfen und sie zu Verachteten und seinem Hause Fremden gemacht hat. Was sollte er aber über Diese sagen, welche weder mit den Propheten des alten Bundes übereinstimmen, noch den Aposteln des neuen Bundes gleichen? Es gebührte ihnen dann doch, wenigstens von Petrus, dem Haupte der Apostel, zu lernen, womit er sich genährt habe. Denn er bezeichnete deutlich seinen irdischen Lebensunterhalt, als ihn sein Jünger, der auserwählte Klemens, um die Erlaubniß bat, ihn ausschließlich bedienen zu dürfen. Hierauf antwortete Petrus, indem er den Eifer des Klemens lobte und über seine eigene Nahrung scherzte: „Wer wäre wohl im Stande, die Last dieser [256] ganzen Haushaltung allein zu übernehmen? Essen wir nicht fortwährend Brod und Oliven, ja zuweilen auch Kohl, wenn es sich trifft, daß wir solchen erhalten?“ Aber auch an Paulus, dem Verkündiger der Wahrheit, haben sie sich kein gutes Beispiel genommen. Denn auch dieser ließ oft wegen seiner großen Dürftigkeit sein Gewand verkaufen, und es steht geschrieben, daß man von dem Erlös nur Brod nebst Kohl einkaufte und ihm brachte. So wollte er uns auch durch sein Beispiel die Vorschrift einprägen, welche er uns durch diesen seinen Ausspruch[4] gegeben hatte: „Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, so möge uns Dieß genügen.“ Doch wenn es Jenen zu gering scheint, den Aposteln, welche die Welt getauft haben, nachzuahmen, so mögen sie wenigstens dem Herrn der Apostel, dem Schöpfer der Welt und alles Dessen, was in ihr ist, nacheifern, wenn nicht etwa sogar der menschliche Wandel unseres Gottes in ihren Augen allzu gering und verachtet ist. Denn wir sehen überall, daß unser Herr Brod aß und zwar nicht einmal von Waizen, sondern von Gerste,[5] wie bei den fünf Broden, welche durch sein Wort vermehrt wurden, so daß Fünftausend davon aßen und noch zwölf Körbe übrig blieben, sowie bei den sieben anderen Broden, welche sich durch sein Wort vervielfältigten und mehrten, so daß Viertausend davon gesättigt wurden und sieben mit Brod gefüllte Körbe übrig blieben. Als er mit seinen Jüngern das Pascha hielt, legte er ihnen ungesäuertes Brod vor; auch nach seiner Auferstehung von den Todten aß er während der vierzig Tage Brod mit ihnen, damit ihnen die wahre Menschwerdung unseres Herrn und seine reale Leiblichkeit gewiß werde, gleichwie Diese auch erklärt haben:[6] „Jesus ist mit uns ein- und ausgegangen.“ [257] Und nachdem er zuvor von Kleophas und dessen Begleiter, mit denen er auf dem Wege wanderte, nicht erkannt sein wollte, ließ er sich im Hause am Segnen und Brechen des Brodes von ihnen erkennen.

Diese aber schließen sich, wie ich höre, weder offen den Irrlehrern an, noch auch stimmen sie in ihren Werken mit der Wahrheit überein. Denn sie halten sich zwar nicht von uns getrennt, wie die Marcioniten, sind aber auch nicht frommgläubig, wie Christen. Weder gleichen sie jenen Apostaten, welche nur Gemüse oder Brod essen, und betheiligen sich an ihren falschen Opfern, noch sind sie den Gläubigen ähnlich. Es ist uns gestattet, gewöhnliches Brod mäßig zu genießen; aber den Schatz unseres wahren Lebens sollen wir mit Unterscheidung empfangen. Weßhalb haben sich diese Gierigen nicht darin geübt, an wenig Nahrung genug zu haben? Oder weßhalb haben sich diese Schlemmer dann nicht wenigstens daran gewöhnt, ihren Magen mit einer geringen und gemeinen Speise anzufüllen? Weßhalb essen sie nicht lieber nur Brod, welches doch eine leicht zu erlangende, einfache und angemessene Nahrung ist? Aber es ist klar, daß sie nur deßhalb so verkehrt handeln, um jede Abtödtung zu vermeiden. Denn wenn sie wirklich ihren Leib abtödten wollten, so sollten sie sich nicht sättigen und sollten ausschließlich Brod essen; dann würden sie schon recht eingefallen, abgezehrt und zusammengeschrumpft aussehen. So aber ergibt sich klar und deutlich, daß Jene weder gegen ihren Leib noch gegen den Teufel kämpfen, sondern nur durch böse, listige Kunstgriffe, nicht durch fromme Ascese sich eitlen Ruhm zu erwerben streben[7] . . .


  1. Diesen Brief erwähnt auch der jakobitische Patriarch Dionysius von Telmachar (im achten Jahrhundert) in seiner Chronik, aber zum Jahr 510, indem er nicht Rabulas, sondern den damaligen monophysitischen Bischof von Edessa, Paulus, als den Bekämpfer jener sakrilegischen Asceten bezeichnet. Derselbe Irrthum fand sich wahrscheinlich schon in der Kirchengeschichte des Johannes von Ephesus (im sechsten Jahrhundert), aus welcher Dionysius seine Notiz entlehnt hat. Daß aber unser Brief wirklich von Rabulas, nicht von Paulus herrührt, beweisen nicht nur die beiden alten, spätestens aus dem siebenten Jahrhundert stammenden Handschriften, welche Fragmente desselben aufbewahrt haben, sondern auch der Name des Bischofs Gemellinus (nicht Gamalinus oder Gamalianus, wie die Herausgeber Overbeck und Land den syrischen Namen wiedergeben). Denn da Dieser Bischof von Perrha, einer [251] vierundzwanzig römische Meilen von Samosata entfernten Stadt war, so ist er höchst wahrscheinlich Derselbe, welchen Andreas von Samosata in einem Briefe an Alexander von Hierapolis (bei Mansi V, S. 882) erwähnt. Andreas sagt hier nämlich, er sei durch die Anschuldigungen des Gemellinus gegen seine Orthodoxie in eine so unhaltbare Lage versetzt worden, daß er sich entschlossen habe, nach Edessa zu reisen und sich allen Forderungen des Rabulas zu unterwerfen. Dagegen führte der zur Zeit des Paulus lebende monophysitische Bischof von Perrha den Namen Eustathius.
  2. Aus dieser Stelle ergibt sich, daß im fünften Jahrhundert wenigstens in den Kirchenprovinzen von Osrhoene und Euphratesia, ungesäuertes Brod consecrirt wurde.
  3. Hebr. 10, 28—29.
  4. I. Tim. 6, 8.
  5. Die Erwähnung der fünf Brode ist aus Versehen in der Handschrift ausgelassen, wird aber durch den Ausdruck „die sieben anderen Brode“ nothwendig gefordert.
  6. Apstlg. 1, 21
  7. Die Handschrift beschließt hier das Brieffragment mit der Bemerkung: „Der Rest des Briefes enthält wieder Beweisstellen aus den heiligen Schriften.“ Diesem Schlußtheil des Briefes muß folgendes Fragment angehört haben, welches sich in einer anderen Handschrift findet: „Diejenigen, welche im Glauben das heilige Brod essen, die essen in und mit demselben den lebendigen Leib des heiligmachenden Gottes. Welche es aber ohne Glauben [258] essen, die empfangen Nahrung gleich sonstigem Leibesunterhalt. Denn wenn Feinde dieses Brod gewaltthätig rauben und verzehren würden, so würden sie gewöhnliches Brod essen, weil ihnen der Glaube fehlt, welcher dessen Süßigkeit empfindet. Das Brod wird nämlich vom Gaumen, aber die darin verborgene Kraft vom Glauben gekostet. Denn das, was gegessen wird, ist nicht allein der Leib unseres Erlösers, wie wir schon kurz vorher gesagt haben, sondern das, was damit verbunden ist, wie wir glauben. Denn es verbindet sich die Kraft, welche nicht gegessen wird, mit dem eßbaren Brode und wird damit zu einem Einzigen für die Empfänger, gleichwie sich die verborgenen Namen der Trinität mit dem sichtbaren Wasser verbinden, so daß dieses die Wiedergeburt verleiht, indem der Geist im Verborgenen über den sichtbaren Wassern schwebt, um daraus auf neue Weise das Ebenbild des himmlischen Adam herzustellen.“ Diese Stelle scheint auf den ersten Blick einen Widerspruch gegen die Kirchenlehre zu enthalten; aber die sonstigen so bestimmten Aeusserungen des Rabulas über die hl. Eucharistie lassen wohl keinen Zweifel, daß daran nur die unvollkommene Fixirung des damaligen theologischen Sprachgebrauchs Schuld ist, welcher von den Accidentien Ausdrücke brauchte, die nur der sinnlichen Wahrnehmung entsprechen. Daß Rabulas die zwei Bestandtheile der Eucharistie, von denen er in allerdings ungenauer Ausdrucksweise spricht, nicht lutherisch als zwei neben einander bestehende Substanzen, sondern katholisch als Substanz und Accidenz auffaßt, ergibt sich schon daraus, daß nach seiner ausdrücklichen Erklärung beide zu „einem einzigen“ Objekte werden. Was er über die Ungläubigen sagt, soll vielleicht nur bedeuten, daß sie die Eucharistie ohne jede sakramentale Heilswirkung empfangen; vielleicht aber war er wirklich der irrigen Meinung, die Gegenwart Christi höre durch ein Wunder auf, wenn Ungläubige (Nichtgetaufte) die Eucharistie genießen wollten. Der Vergleich mit der Taufe endlich ist selbstverständlich nicht zu pressen. Wenn wir freilich unseren Brief mit Johann von Ephesus nicht dem Rabulas, sondern dem monophysitischen Bischof Paulus von Edessa zuschreiben dürften, so würde die ganze syrische Patristik nicht einmal einen scheinbaren Widerspruch gegen die katholische Abendmahlslehre darbieten. Da das Brieffragment des Rabulas an Andreas von Samosata bereits in der Einleitung (S. 159) vollständig übersetzt ist, so haben wir nun sämmtliche noch vorhandenen Prosaschriften dieses Kirchenvaters mitgetheilt.