Briefe eines fürstlichen Kunstfreundes
← Zur Geschichte des landesherrlichen Grundbesitzes an der Ostraallee | Briefe eines fürstlichen Kunstfreundes. (1899) von Mitgetheilt von Dr. O. Richter. Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900) |
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„Kunst gehet itzt nach Brod, aber Brod wird ihr wieder nachlaufen und nicht finden“, hat Luther gesagt. In der That, wenn die Kunst in Zeiten politischer und wirthschaftlicher Sorgen Noth leiden muß, verkümmert sie; und verschaffen sich dann endlich die feineren Kulturbedürfnisse wieder Geltung, so steht sie nicht sogleich bereit, sondern will erst mühsam wieder herangezogen sein. So war es bei uns in den Jahrzehnten der Verarmung nach den Napoleonischen Kriegen; nur die Bildnißkunst hatte sich noch auf der Höhe erhalten, denn glücklicherweise hört auch in schlechten Tagen die Freude der Menschen am lieben Ich nicht
ganz auf. Nach solchen Zeiten des Verfalls muß sich die Kunstgönnerschaft anders bethätigen, als etwa nur durch Ankauf von Gemälden auf den Ausstellungen: um der erstarrten Kunst Leben einzuhauchen, kommt es darauf an, langsam erst wieder neue schöpferische Kräfte heranzubilden. Wer es daher mit der Kunst ernst meinte, nahm sich gern eines talentvollen jungen Mannes an, förderte ihn in seiner Ausbildung und ließ sich zum Entgelt an dem Bewußtsein der guten That und den Erzeugnissen seiner Anfängerschaft genügen. Werthvolle Kunstsammlungen konnten auf diese Weise nicht entstehen, aber das persönliche Verhältniß zwischen Kunstfreund und Kunstjünger hatte seinen ethischen Werth.
Zu den wenigen, die in den zwanziger und dreißiger Jahren hier in Dresden für die Kunst etwas übrig hatten, gehörte Prinz Friedrich August, nachher [211] (seit 1836) König Friedrich August II. Er hegte für die Kunst die gleiche aufrichtige Liebe wie für die Natur. Das Landschaftszeichnen, für das er von Jugend auf viel Begabung zeigte, gehörte sein Leben lang zu seinen Lieblingsbeschäftigungen: auf den vielen Reisen war das Skizzenbuch sein treuer Begleiter, und noch am Tage vor seinem Tode (9. August 1854) hat er in Tyrol Landschaften gezeichnet. – Um sich in schöner Umgebung ein eignes friedliches Heim herzurichten, kaufte der Prinz im Jahre 1824 den früher der Familie von Zezschwitz gehörigen Weinberg oberhalb Wachwitz, ließ dort nach eignen Angaben ein Landhaus und eine Kapelle erbauen und schuf sich prächtige Gartenanlagen, zu deren Erweiterung 1827 das Rittergut Wachwitz mit Niederpoyritz und später noch andre Nachbargrundstücke hinzuerworben wurden. Auf diesem idyllischen Landsitze gedachte er seine Mußestunden mit dem Studium der Natur, besonders der Botanik, und im Genusse der Kunst zu verbringen. Dort wollte er sich mit einer Galerie vaterländischer Landschaften umgeben, zu deren Herstellung er mehrere junge Künstler ausersehen hatte. Den Anfang dazu machte 1825 eine Ansicht des Schlosses Kriebstein von Johann Theodor Goldstein (geb. in Warschau 1798), einem tüchtigen Landschafts- und Architekturmaler, der sich in Italien bildete und später in Dresden niederließ. Zahlreiche weitere Beiträge hat dann Oehme geliefert. Neben dieser Galerie von Oelgemälden brachte der kunstsinnige Fürst noch eine reiche Sammlung kleiner aquarellirter Städte- und Landschaftsbilder aus Sachsen zusammen. Alle Punkte, die ihm auf seinen Reisen durch das Land bemerkenswerth erschienen, ließ er in den Jahren 1833 bis 1854 durch die Maler Franz Täubert und Traugott Faber, manche auch durch den Theatermaler Anton Arrigoni aufnehmen: von diesen kleinen Wasserfarbenbildern (im Maßstabe von 10 x 15 cm) sind nicht weniger als 1632 Blatt noch vorhanden, und zwar 1121 Blatt sächsische Städte- und Landschaftsbilder in 20 Bänden und 511 Blatt Ansichten sächsischer Kirchen in 7 Bänden. Die sehr sauber und genau ausgeführten Bildchen haben für die heimathliche Ortskunde hohen Werth. Dresden ist darin allein mit 40 Blatt, die Umgegend mit 75, Pillnitz und Umgebung mit 44 und das Weißeritzthal mit 69 Blatt vertreten. Von merkwürdigen alten Baulichkeiten in Dresden fertigte ihm außerdem F. A. Kannegießer zahlreiche Abbildungen, die 1896 zum Theil in einer Mappe des Geschichtsvereins als „Erinnerungen aus dem alten Dresden“ veröffentlicht worden sind. Aber auch über die Grenzen Sachsens hinaus stellte der Fürst seine Aufgaben: Goldstein und Oehme malten ihm neben den sächsischen auch italienische und schweizerische Landschaften, später Robert Kummer solche aus Dalmatien und Montenegro. Außerdem wurde der Thiermaler F. W. Wegener mit Aufträgen bedacht, und selbst die Monumentalmalerei fand Förderung, indem Eduard Bendemann mit der Ausschmückung der Säle des Residenzschlosses betraut ward. Aber nicht der Malerei allein, fast mehr noch der Griffelkunst wandte der Fürst seine Theilnahme zu: er war ein großer Freund und ausgezeichneter Kenner von Kupferstichen und legte davon eine reichhaltige Sammlung an, die seiner Zeit zu den bedeutendsten in Deutschland gehörte [1].
Unter den Künstlern, denen Friedrich August seine Gunst schenkte, stand ihm Ernst Ferdinand Oehme am nächsten. Er war am 23. April 1797 in Dresden als der Sohn des kurfürstlichen Generalaccis-Revisors. Gustav Adolf Oehme, der auf der jetzigen Johannisstraße wohnte, geboren und arbeitete bis in sein zwanzigstes Jahr als Schreiber. Der bekannte Kunstfreund von Quandt, der durch Proben seiner künstlerischen Begabung auf ihn aufmerksam geworden war, empfahl ihn dem Prinzen Friedrich August und dieser gewährte ihm die Mittel zu seiner Ausbildung in der Malerkunst. Oehme schloß sich Kaspar David Friedrich an, einem bedeutenden Landschaftsmaler, für dessen symbolistische Richtung man erst neuerdings wieder volles Verständniß hat. Die von ihm in den Jahren 1821 und 1822 ausgestellten Bilder fanden soviel Anklang, daß der Prinz sich entschloß, ihn zu einem mehrjährigen Aufenthalte nach Italien zu senden. In Rom, wohin er sich wahrscheinlich noch im Jahre 1822 begab, schloß er mit Ludwig Richter und Karl Peschel jenen schönen Freundschaftsbund, der die drei ausgezeichneten, innerlich ebenso reichen als äußerlich anspruchslosen Männer für das ganze Leben vereinte und ihnen in Künstlerkreisen den Scherznamen der „heiligen drei Könige“ eintrug. Oehme kehrte im Juni 1825 nach Dresden zurück; der Prinz gewährte ihm seitdem ein kleines Jahrgehalt. Der römische Aufenthalt hatte auf seine künstlerische Richtung keinen nachhaltigen Einfluß geübt, er neigte nach wie vor zum Stimmungsbilde, das er sehr poetisch zu gestalten wußte. Die meisten seiner Gemälde erwarb sein fürstlicher Gönner, der ihn 1846 zum königlichen Hofmaler ernannte; jetzt sind sie ebenso wie die große Kupferstichsammlung Eigenthum des Prinzen Georg. Unsre Gemäldegalerie besitzt von Oehme nur einen „Herbstabend im Großen Gehege“ aus dem Jahre 1830. Der treffliche Künstler ist dauernd in Dresden geblieben und hier am 10. September 1855 gestorben[2].
[212] Die unten abgedruckten beiden Briefe hat Prinz Friedrich August an Oehme geschrieben, als dieser sich in Italien aufhielt, den ersten, undatirten, wahrscheinlich im Jahre 1823, den zweiten am 9. März 1825. Sie zeigen, welch liebevolle Antheilnahme der damals selbst noch jugendliche Prinz (geb. 1797) der künstlerischen Entwicklung seines Schützlings widmete und mit welchem Verständniß er den Grundfragen des künstlerischen Schaffens gegenüberstand. Manche seiner Darlegungen berühren sich merkwürdig mit dem, was auch neuerdings wieder bei den Auseinandersetzungen zwischen Jungen und Alten umstritten worden ist[3].
Lieber Oehme! Mit Vergnügen habe ich aus Ihrem Briefe ersehen, daß Sie sich in Rom eingerichtet haben, und daß Sie Stoff zu Ausbildung in Ihrer Kunst finden. Fahren Sie in Ihrem löblichen Fleißes (!) fort, und lassen Sie uns bald einmal eine Frucht des selben im Vaterlande sehen. Sie werden unter dem schönen italiänischen Himmel Ihre Phantasie mit manchen schönen, Ihnen neuen Bildern haben bereichern können; vergessen Sie nur über die südliche Wärme, den nordischen Ernst nicht, der ihre (!) ersten Versuche beseelte. Es giebt
in der Kunst, wie in allen Verhältnissen so manche Klippen zu vermeiden, und heut zu Tage liebt man mehr als je die Extreme, und doch bleibt das alte Sprichwort von der Mittelstraße wahr. Ich kenne die jetzt in Italien lebenden Künstler im Landschaftsfache zu wenig, aber einiges was ich gesehen, scheint mir, theils durch grelle Lichteffekte blendend, von der Wahrheit abzuweichen, theils einem zu großen Détail den Gesammteffekt zu opfern. Ich bin sehr begierig, etwas von Ihnen zu sehen, und werde Ihnen dann, ganz
aufrichtig nach meinem Gefühle, meine Meinung darüber zu (!) schreiben. Dem Künstler, wie dem Dichter muß die Natur das Vorbild seyn, er muß das Schöne in ihr aufsuchen; er darf sie veredeln, idealisiren, aber nie darf er von der Wahrheit abweichen. Leben Sie wohl, lieber Oehme, und verzeihen Sie meine Bemerkungen, welche Lehren ähnlich sehen. Ich nehme so warmes
Interesse an Ihrem Fortschreiten, daß ich Sie gern von allen den Klippen entfernt halten möchte, die Ihre freye Laufbahn zu dem höchsten Ziel der Kunst hemmen könnten. Auch ein Laye kam bisweilen nützlich sein, und wenn einer aufrichtig zu Ihnen sprechen darf, so
glaube ich, ich habe ein Recht dazu.
Lieber Oehme! Ich sitze jetzt eben vor Ihrem Bilde[4], um Ihnen mein Urtheil darüber auszusprechen, welches mir in mancher Hinsicht ziemlich schwer wird, da ich einen Maasstab anlegen soll, den ich nicht kenne[5]; denn wie mag die südliche Gluth nach den Erscheinungen unsers düstern Nordens beurtheilt werden? Ich läugne nicht, daß Ihr Bild mir im ersten Augenblicke etwas so fremdartiges darstellte, und dieß namentlich auf der Ausstellung, in der Umgebung vaterländischer Landschaften, daß ich in diesem Augenblicke vielleicht ungerecht über Ihr Werk geurtheilt haben würde, und dieß war wohl eine der Ursachen, warum ich meine Kritik aufschob. Denn schon mehrere Kunstfreunde, welche jene südlichen Regionen besucht hatten, fanden die Beleuchtung, welche mir etwas grell schien, so treu, daß ich mich etwas beruhigt fühlte; denn schon fürchtete ich, Sie hätten sich von einer jetzt nur zu beliebten Manier verführen lassen, und das Studium der Natur, welches allein den Landschaftkünstler leiten darf, bei Seite gesetzt. Jetzt habe ich aber nun Ihr Bild vor mir, isolirt von den kontrastirenden Umgebungen, und finde zwar eine Natur, eine Beleuchtung die ich nicht kenne, aber im Ganzen Harmonie, und nicht das Grelle, was ich durch die fremdartigen Farbentöne getäuscht, erst zu finden wähnte. Namentlich ist dieß von dem Hintergrunde, der Aussicht nach dem Meere und den Inseln der Fall, welche mir mit jedem Augenblicke harmonischer erscheint. Ganz vorzüglich, und wirklich meisterhaft aber finde ich die große Baumgruppe in der Mitte des Bildes, und vor allen die Krone des vordern Baumes und die Stämme. Freilich sind dieß Erscheinungen über die ich besser zu urtheilen vermag, als über die südliche Beleuchtung der Ferne. Sie haben in diesen Bäumen die Natur treu nachgeahmt; kein Baumschlag aus der Schule, und keine Sucht durch einen gewissen Effekt zu glänzen, keine ängstliche Nachpinselung der Einzelnheiten ist hier sichtbar; es ist die Natur wie Sie (!) sich darstellt. Es freut mich, daß Sie von den beiden Extremen, welche einen großen Theil unserer neuern Künstler, die Alles in einer ängstlichen Nachahmung der Einzelnheiten suchen, und der ältern Schule, welche alle Bäume über einen gewissen konventionellen Leisten schlägt, gleich fern geblieben sind. Ich hoffe, daß Sie nach diesen Aeußerungen überzeugt sind, daß ich Ihr Bild für ein sehr gelungenes Werk halte; nun erlauben Sie mir aber auch, daß ich die wenigen Zweifel, die mir hin und wieder doch geblieben sind, Ihnen offen darlege. Die obern Umrisse der Bäume auf der rechten Hälfte des Bildes, wo
[213] sie mit dem dunkelblauen Himmel abschneiden, scheinen mir etwas zu scharf zu seyn, obwohl ich mich auch hier gerne bescheide, daß die grelle Färbung des südlichen Himmels hier auch einen Unterschied hervorbringen kann. Der kräuterreiche im Schatten gehaltene Vorgrund links scheint mir etwas zu wenig Haltung zu haben, der entferntere Theil desselben weicht nicht gehörig zurück. So dünkt mir auch der aus diesem Vorgrunde emporwachsende Feigenbaum etwas zu flach gehalten, das Laub wölbt sich nicht gehörig, und der Baum sieht dadurch einem aufgeklebten Papierschnitzwerke etwas ähnlich. Als vorzüglich gelungen muß ich doch das einfallende Licht auf den Gräsereyn des rechten Vorgrundes nennen, so wie überhaupt diese Parthie nicht zu wünschen übrig läßt. Ich freue mich sehr, lieber Oehme, bald wieder etwas von Ihrer Arbeit zu sehen, und Sie bald selbst im Vaterlande wieder zu besitzen, dem Sie gewiß Ehre machen werden. Ich gehe jetzt mit der Idee um, auf einer kleinen Besitzung die ich jetzt in der Nähe von Dresden gekauft habe, eine Gallerie vaterländischer Aussichten aufzustellen, und rechne dabei vorzüglich auf Sie, worüber ich das Weitere bei Ihrer Rückkehr mit Ihnen besprechen werde. Schon habe ich einen jungen hoffnungsvollen Künstler, Goldstein, welcher wahrscheinlich auch in diesem Jahre eine Reise nach dem Süden unternehmen wird, für diesen Plan gewonnen, und besitze bereits von ihm eine recht gelungene Ansicht des Schlosses Kriebstein. Leben Sie wohl, lieber Oehme, fahren Sie in Ihrem löblichen Fleiße fort, und seyn Sie versichert, daß ich mir die Erfüllung Ihrer Wünsche werde angelegen seyn lassen.
- Dresden, den 9ten März 1825.
- ↑ J. Schladebach, Friedrich August II. Dresden 1854.– J. G. A. Frenzel, König Friedrich August als Kunstfreund und Kunstsammler. Dresden 1854.
- ↑ Allgemeine deutsche Biographie, Bd. 24, S. 208 (H.A.Lier). Die Angabe, Oehme sei in Friedrichstadt geboren, ist nach Ausweis der Kirchenbücher unrichtig.
- ↑ Die eigenhändig geschriebenen Briefe des Prinzen sind von Oehmes Tochter, Frau Oberlehrer Hahn, im Stadtmuseum niedergelegt worden.
- ↑ Wohl die „Aussicht von Camaldoli nach Bajä, Procida und Ischia“ auf der akademischen Ausstellung von 1824.
- ↑ Der Prinz besuchte Italien erst im Jahre 1828.