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Zur Geschichte der Lebensmittelversorgung der Stadt Dresden

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Briefe eines fürstlichen Kunstfreundes Zur Geschichte der Lebensmittelversorgung der Stadt Dresden (1900) von Robert Bruck
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900)
Die früheste dichterische Schilderung Dresdens
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Zur Geschichte der Lebensmittelversorgung der Stadt Dresden.
Von Robert Bruck.
I. Getreidehandel.
Inhalt: Getreidehändler-Ordnung. Vorrathhaltung. Verproviantirung bei außerordentlichen Gelegenheiten. Getreidemaß. Stapelrechte. Branntweinbrennen und Poudre. Ausfuhrverbote, Nothjahre. Verordnungen zur Erleichterung des Verkehrs. Hunger- und Nothjahre 1771, 1772, 1804, 1805. Kommunbäckerei. Aufhebung der städtischen Abgaben und Errichtung einer Getreidebörse.

Wie bei den meisten deutschen Städten, kann auch bei Dresden, trotz seiner günstigen Lage am Elbstrome, von einem eigentlichen Getreidegroßhandel in früheren Jahrhunderten nicht gesprochen werden. Die Getreidepolitik der Fürsten war reine Konsumentenpolitik und[WS 1] hinderte das Emporkommen eines bedeutenden Getreidehandels. Sie schützte das Interesse des städtischen Konsumenten durch Ausfuhrverbote, Zwang der Bauern, das Getreide auf den Markt zu bringen, Verbot des Zwischenhandels, Verbot des Vorkaufs, Magazinirungszwang, Taxen und Maximalpreise. Gemäß dieser Politik der Fürsten war die städtische Getreidepolitik eine absolut absperrende. Das Hauptbestreben der Stadtobrigkeit war es, dem Bürger einen möglichst billigen und direkten Getreideeinkauf vom Bauern zu verschaffen.

Nur in den besten Erntejahren reichte das in Sachsen angebaute Getreide für das Bedürfniß seiner Bewohner aus. Sachsen war deshalb meistens auf die Zufuhr fremden Getreides angewiesen und bezog dieses namentlich aus Böhmen und der Mark[1]. Auch Rußland tritt als Getreidelieferant auf.

In Dresden, das keinen wesentlichen Getreidehandel trieb, stand stets der Kurfürst und der Rath auf Seiten der Bürger gegen die wenig zahlreichen Getreidehändler, die auf jede Weise unterdrückt und deren Handelsbetrieb fast zu allen Zeiten einseitig zu Gunsten der Stadt ausgenützt wurde. Man muß sich wundern, daß es überhaupt Leute gab, die trotz alledem diesen Getreidehandel betrieben. Es kann nur die eine Erklärung dafür gefunden werden, daß der Gewinn zu gewissen Zeiten ein ganz enormer war.

Es war den Bauern, die Getreide zur Stadt brachten, nach der Willkür vom 3.  April 1553 verboten, [218] das Getreide auf Theuerung bei den Bürgern einzulegen. Dieses Verbot wurde in der Markt- und Polizei-Ordnung von 1570 erneuert. Unterm 7. Juli 1574 veröffentlichte der Rath eine erste Getreidehändlerordnung[2] mit folgenden 14 Vorschriften:

1. Ohne Erlaubniß des Raths soll kein Getreidehändler oder die Seinen in Böhmen oder Sachsen reisen zum Zwecke des Einkaufs von Getreide. 2. Wer die Erlaubniß zum Reisen erhalten hat, jedoch selbst nicht reisen kann, darf nur einen einzigen Einkäufer halten. 3. Es darf Niemand Getreide besprechen, d. h. zum Zwecke der Lieferung an ihn bestellen. 4. Keiner darf sich in den Kauf eines anderen mischen oder höhere Preise bieten. 5. Keiner darf mehr wie ein Schiff auf der Elbe, es sei auf- oder abwärts, haben und mit einem zweiten erst dann abfahren, wenn das ausgeschickte heimgekehrt ist. 6. Ein jeder soll sein erkauftes Getreide sofort vom Wagen ins Schiff laden und auf dem Lande kein Getreide aufschütten. Auch das Umladen von einem Schiff ins andere ist verboten. 7. Wer in Böhmen oder Sachsen Getreide kaufen will, soll seinen Kauf so einrichten, daß er nach der in Dresden geltenden Taxe wieder verkaufen kann. 8. Wer mit Getreide ankommt, muß dieses 3 Sonnenscheine d. h. 3 Tage und Nächte lang auf der Elbe feil halten[3], und 9. vorher sich bei dem verordneten Schatzherrn angeben und das Getreide nach Menge und Güte von diesem schätzen lassen. 10. Das Getreide darf den Bürgern und Einwohnern der Stadt nicht theurer überlassen werden, wie diese Schätzung es besagt und wie solches Getreide auf Schiff oder Boden zu kaufen ist. 11. Wer auf Borg sein Getreide ablassen will, soll keinen übermäßigen Gewinn nehmen und bedenken, was Wucher für große Sünde ist. 12. Jeder Händler soll von dem hierher gebrachten Getreide nicht mehr als den dritten Theil an Fremde verkaufen, die anderen 2/3 aber zum Verbrauch für die Stadt aufschütten und behalten. 13. Von dem, was nach Raths Gebot auf den Markt zu bringen war, darf nichts unverkauft wieder abgeführt werden. 14. Kein Getreidehändler soll von den Böhmen oder anderen Händlern, welche Getreide auf der Elbe nach Dresden bringen, kaufen oder diese bei sich aufschütten lassen.

Uebertreter dieser Verordnung wurden um 50 Guldengroschen oder Thaler gestraft.

Der Gefahr einer unregelmäßigen Zufuhr suchte man einerseits durch Errichtung staatlicher Kornmagazine, andererseits durch Zwangsspeicherung des Getreides zu Konsumzwecken – während man die Einlagerung zu Spekulationszwecken verbot – zu steuern. Im Jahre 1551 ordnete Kurfürst Moritz an, daß sich ein jeder Bürger für seinen Hausbedarf, besonders aber die Bäcker für ein Jahr hinreichend mit Getreide versehen sollten[4]. Auch Kurfürst August verordnete am 7. März 1564 unter Hinweis auf die momentane Wohlfeilheit des Getreides, daß 10 000 Scheffel Getreide auf einigen Böden und in den Häusern aufgeschüttet würden[5]. Doch nicht allein die einzelnen Bürger wurden zum Vorrathhalten verpflichtet, sondern auch der Rath, sowie die Innungen je nach ihrer Bedeutung und der Anzahl der Meister. In der oben angeführten Getreideordnung von Kurfürst August von 1574 wurde bestimmt, daß der Rath jährlich ungefähr 3000 oder 4000 Scheffel Korn und Weizen im Vorrath für die Stadt halte. Es wird ausdrücklich hervorgehoben, daß dieser Vorrath nur allein für die Stadt da sein soll, damit, wenn Noth auf dem freien Markte wäre, man diesen Vorrath einzeln verkaufen könne. Gleichzeitig wurde dem Rathe strengstens untersagt, selbst mit Getreide zu handeln, indem er solches kaufe und wieder verkaufe.

Als am 10. März 1588 Kurfürst Christian dem Rathe „vorstehender Kriegsgefahr halben“ den Befehl, 4000 Scheffel Korn im Vorrath zu halten, wiederholte, wurde gleichzeitig vom Rathe verlangt, daß er angeben möge, was er für Räumlichkeiten zum Aufschütten habe und was diese fassen könnten. Damit war es im alten Dresden aber schlecht bestellt. 1588 hatte Dresden 782 Häuser, die Vorstädte, sowie Altendresden 750 Häuser, demnach zusammen 1532 Häuser mit etwa 11 500 Einwohnern[6]. Es wurden Bau- und Werkleute beauftragt, die Böden der Kirchen zu besichtigen; sie stellten folgendes Verzeichniß auf: Es können aufgeschüttet werden 2000 Scheffel auf des Raths Mälzhaus, 3000 Scheffel auf dem Gewandhaus- und dem Gotteskastenboden (1000 Scheffel), 1000 Scheffel auf der Pfarre zum heiligen Kreuz. Die Viertelsmeister reichten je ein Verzeichniß ein, wonach in den Bürgerhäusern Raum für 10 300 Scheffel war, so daß mit den Rathsgebäuden und Kirchen zusammen 16 300 Scheffel Getreide gelagert werden konnten[7]. Ursprünglich war das Halten von Vorrath nach Quantität folgendermaßen vertheilt. Es sollten aufschütten 2000 Scheffel der Rath, 1400 die Bäcker, 1300 die Schiffhändler, 500 die Vorsteher des gemeinen Kastens, 300 die Tuchmacher, 100 die Fleischer, [219] 100 die Schmiede, 80 die Schneider, 80 die Schuster, 80 die Leinweber, 60 die Lohgerber, 60 die Goldschmiede, 60 die Maurer und Steinmetzen, 60 die Tischler, 40 die Büttner, 30 die Kürschner, 30 die Fischer, 24 die Sattler, 24 die Barbiere, 24 die Seiler, 20 die Schlosser und Sporer, 18 die Riemer, 18 die Beutler, 12 die Tuchscherer, 12 die Weißgerber, 12 die Hutmacher, 12 die Kannengießer, 12 die Wagner, 12 die Töpfer, 12 die Kupferschmiede, 8 die Messerschmiede, 8 die Schwertfeger, 100 die Platzbäcker. Dazu legte der Kurfürst auf jedes Gebräude Bier, welches die Hausbesitzer zu brauen berechtigt waren, 2 Scheffel Korn, halb in Körnern und halb in Mehl. Die Anzahl der auf den Häusern haftenden Gebräude betrug 1211, so daß dieses 2422 Scheffel ausmachte; mit dem obigen zusammen hätte der Vorrath demnach 9030 Scheffel betragen. Ein ausreichender Vorrath ist jedoch in Wirklichkeit fast niemals gehalten worden; bereits im Jahre 1590 erinnerte Kurfürst Christian daran, da die Revision ergeben habe, daß bei vielen Handwerken, Zünften und Bürgern die bestimmte Quantität nicht vorhanden gewesen sei. Das meiste Getreide sei bei den Schiffhändlern, die damit Handel trieben, gefunden worden. Er verwarnte den Rath bei 5000 Thaler Strafe, auf genaue Einhaltung der Vorschrift zu sehen, daß der festgesetzte Vorrath, halb in Korn und halb in Mehl, immer vorhanden sei. Damit die Stadt besser zum Mehlvorrath komme, befahl der Kurfürst seinem Hausmarschall Hans von Kitzscher, dem Rathe eine der fürstlichen Mühlen mit einigen Mahlgängen einzuräumen. Diese Mühle konnte vom Rathe, gegen die übliche Abgabe von Mehl und Kleie, so lange ausschließlich benutzt werden, bis die Stadt mit genügendem Mehlvorrathe versorgt wäre. Die angedrohte hohe Strafe hatte sofortige Wirkung. Der Rath sandte seinen Bürgermeister Hans Plansdorff nach Lehnin, um Getreide daselbst einzukaufen. Der Kurfürst von Brandenburg hatte ein sehr gutes Erntejahr gehabt und bot daher in einem Briefe aus Cölln a. d. Spree vom 4. Oktober 1590 dem Rathe von Dresden Getreide zum Kaufe an. Daraufhin kaufte der Rath auch 150 Wispel Korn zum Preise von je 18½ Thalern[8].

Der Vorrath in der Festung Dresden (der jetzigen Altstadt) wird im Jahre 1608 auf 5644 Scheffel (bei einer Einwohnerzahl von 8168 Personen) angegeben[9]. Um einen Ueberblick über das in Dresden vorhandene Getreide zu gewinnen, wird bei 100 Thalern Strafe am 15. Oktober 1623 den Schiff- und Getreidehändlern befohlen, binnen 3 Tagen richtige spezifizirte Verzeichnisse ihres Getreidevorrathes einzureichen. Ferner sollen sie angeben, wie hoch sie dieses Getreide eingekauft hätten und was sie noch vor Beginn des Winters zur Ablieferung erwarteten.

Während des 30jährigen Krieges, in dem sich Dresden als uneinnehmbare Festung bewährte, war es den Bürgern unmöglich, größere Vorräthe zu halten. Die Handwerker waren herabgekommen, die Zahl der Meister hatte sich in den schweren Kriegsjahren sehr verringert, Handel und Gewerbe stockte, auch waren viele Bürger durch Armeelieferungen verarmt und in Schulden gerathen. Im Jahre 1636 berichten die Tuchmacher an den Rath, daß sie nicht mehr als 36 Scheffel Getreide auf Vorrath halten könnten. Sie seien nur noch 9, welche das Handwerk betrieben. Bei den Bäckern wurden nur 437 Scheffel Mehl vorgefunden. Die Zahl der Meister der Corduan-Lederarbeiter war auf 2 zurückgegangen. Die Schuhmacher berichteten, daß die meisten von ihnen in dieser schweren Zeit verarmt seien, sie hätten kein Geld in der Lade, auch hätten sie erst kürzlich 1000 Paar Schuhe für die kurfürstliche Armee verfertigt, wovon sie noch meistens das Geld für Leder schuldig seien. Die Lohgerber sagten, die Soldaten hätten sie so in Armuth verstoßen, daß sie wöchentlich nicht ¼ Korn oder Mehl zu ihrem eigenen Unterhalte bezahlen könnten. Sehr bezeichnend für die herrschenden Zustände ist der Bericht der Fischer: „Nun ist am vergangenen Sonntag unser Handwerk beisammen gewesen und befunden, daß in unserm Handwerk nicht mehr als drei arme, alte, verlebte Meister übrig, so nicht in Defension oder der Artolleria sein. Und weil wir Defensioner nunmehr ins 8. Jahr Zug und Wacht verrichten müssen, darneben aber das unserige versäumt und eingebüßet, auch keine große Besoldung hiervor empfangen, dannenhero mehrentheils das liebe Brod von einer Zeit zur andern borgen müssen und ist bei uns nicht mehr als das liebe Leben übrig.“ Und ähnlich berichten die Nadler, die Seifensieder, die Zimmerleute und die anderen Handwerke[10]. Nach Beendigung des Krieges scheint sich die Lage der Einwohner anhaltend gebessert zu haben, denn eine Visitation im Jahre 1656 ergab an Vorrath von Weizen 360½ Scheffel, Korn 2024¾, Hafer 1075½, Heidekorn 177½, Erbsen 13, Wicken 5, Mehl 158¾, Gerste 30¼[11]. Im Jahre 1665 wurden 2763 Scheffel Korn für 4507 Gulden 4 Groschen 6 Pfennig zum Vorrath erkauft[12]. Auf eine Mahnung des Kurfürsten erklären die Handwerke im Jahre 1682, daß sie sich gern mit Vorrath versehen würden, umsomehr, als sie Geld dazu in ihren Laden hätten. Auch berichtet der Rath, daß er „wegen des Erbfeindes entstandener Gefahr“ 4302 Scheffel [220] Getreide vorräthig halte[13]. Das am 17. Dezember 1684 eingereichte Vorrathsverzeichniß ist deshalb von Interesse, weil es bereits 49 Handwerksinnungen aufweist. Es sind gegenüber dem vom Jahre 1588 mit 31 Handwerken 18 neue Gewerbe, zum Theil durch Spaltung der alten infolge Arbeitstheilung, hinzugekommen. 15 Jahre später, 1699, wurde wieder bei den Aeltesten der Handwerke nach dem Getreidevorrath gefragt. Darauf erhielt der Rath den Bescheid, daß sie durch das Miethen von Räumlichkeiten zu große Unkosten gehabt hätten, ferner sei ein großer Theil des Vorrathes von Würmern und Mäusen verdorben und verzehrt worden. Aus diesen Gründen hätten sie keinen Vorrath mehr gehalten. Um das Getreide vor Würmern und Mäusen zu schützen und das Halten von Vorrath zu erleichtern, wurde im Jahre 1714 der Boden der Sophienkirche als Lagerraum ausersehen und bestimmt, daß der Vorrath nur in Mehl aufbewahrt werde, weil man dieses öfters gegen frisches umtauschen könne. Der ganze Vorrath konnte leicht von 1 bis 2 Personen bewahrt und im Nothfalle den Zünften zugemessen werden. In früheren Jahren hatte jeder Meister sein eigenes Haus gehabt, wo ihm immer noch irgend ein Kämmerchen verblieb, in dem er den nach Befehl der Obrigkeit zu haltenden Vorrath aufbewahren konnte. Dies hatte sich insofern geändert, als jetzt die meisten Handwerksmeister in gemietheten Wohnungen lebten, wo sie mit dem Raume auf das Nöthigste beschränkt waren, zumal die Gesellen und Lehrlinge, wie von jeher, die Wohnung des Meisters theilten. Die Miethen waren bedeutend im Preise gestiegen. Um 1600 zahlte ein Meister für Miethe etwa 18 Thaler, während er nunmehr gegen 50 Thaler dafür aufwenden mußte. Bei Wohnungswechsel, der viel häufiger als früher stattfand, mußte der Vorrath mitgenommen werden, was auch leicht Verluste ergab[14]. Der Vorrath des Rathes in der Kreuzkirche war 1724: 1284¾ Scheffel, also auch gegen frühere Jahre bedeutend geringer. Dagegen wurde bei einer Revision im Jahre 1740 ein beträchtlicher Vorrath vorgefunden. Im Oktober 1740 waren nach guter Ernte 20 000 Scheffel aus Böhmen und 12 819 Scheffel elbaufwärts nach Dresden gebracht worden. Die mit 1000 Thalern nach Böhmen gesandten Bäcker kauften den Strich Weizen daselbst zu 2 Thalern 22 Gr., Korn zu 2 Thalern 5 Gr. und berichteten, daß in dem Schutthause zu Lowositz und bei mehr als 200 Getreidehändlern in Aussig viele Tausend Scheffel auf Vorrath lägen. „Sobald nur trigesimum a morte Imperatoris Romani die gewöhnliche Sperrung aufgehoben sei, könne noch viel Getreide nach Dresden gebracht werden.“ Der Rath schreibt an den Kurfürsten, daß die Hospitäler, Waisen- und Findelhaus mit Vorräthen versorgt seien und er habe noch 2000 Scheffel aufschütten lassen. Bei den Bäckern wurde am 7. Dezember eine Revision vorgenommen, die einen größeren Getreidevorrath ergab. Vom 20.–26. November 1740 wurden in Dresden eingeführt: 390 Scheffel Weizen, 2851 Korn, 3803 Gerste, 3598 Hafer 35 Linsen, 137 Erbsen.

In guten Jahren kamen die Vorschriften über Vorrathhaltung mehr und mehr in Vergessenheit, doch sobald schlechte Ernten eintraten, wurden sie wiederholt und, zumal in den Jahren 1771 und 1772, wo in Sachsen infolge Mißernte Theuerung und Hungersnoth herrschte, aufs schärfste durchgeführt. Sie wirkten dann aber meistens nur durch ihre Strafen, ohne dem Mangel in Wirklichkeit abzuhelfen. Dies mußten im Frühjahre 1772 sämmtliche Bäcker Dresdens hart empfinden. Bei einer am 21. September 1771 stattgefundenen Getreiderevision hatte es sich herausgestellt, daß nur ganz geringe Vorräthe beim Bäckerhandwerke vorhanden waren[15]. Die Bäcker sagten jedoch, daß sie mehrere Schiffe mit Getreide erwarteten und sich getrauten, die Stadt mit dem nöthigen Bedarf zu versorgen. Das schien aber eine leere Ausrede gewesen zu sein, besonders wohl, um das Volk zu beruhigen, das bereits am 24. und 25. September mit Ungestüm auf die Bäcker eindrang und Brod verlangte. An diesen beiden Tagen hatten nur 8 Bäcker den Markt bezogen, und da keine Landbäcker dagewesen waren, so war dieser kleine Brodvorrath in der kürzesten Zeit vergriffen, obwohl ein Pfund Brod 2 Groschen kostete[16]. Als auch die folgenden Monate keine Besserung brachten, bestrafte am 7. Mai 1772 der Kurfürst sämmtliche Bäckermeister wegen Unterlassung des Vorrathhaltens mit 14 Tagen Gefängniß. Es waren nur drei ausgenommen, die wahrscheinlich den vorgeschriebenen Vorrath besaßen; zwei Meister, die ihr Unvermögen, Vorrath zu halten, nachwiesen, wurden nur mit drei Tagen Gefängniß bestraft[17]. Alle Bitt- und Gnadengesuche der übrigen wurden abschlägig beschieden. Der Kurfürst wollte durch dieses Beispiel für alle Zeit enthoben sein, die alten Vorschriften immer wieder zu erneuern. So wanderten vom Mai 1772 ab immer je vier Bäckermeister auf 14 Tage ins Gefängniß, worüber der Stockmeister Stübler genauen Bericht an den Rath abstattet. Im Ganzen haben 55 Meister die 14tägige Gefängnißstrafe in Bürgergehorsam abgesessen[18]. Doch noch eine weitere Folge [221] hatte der Vorfall für die Bäcker. Es wurde bestimmt, daß niemand mehr in Zukunft Meister der Weißbäcker werde, der nicht 1000 Thaler Vermögen nachweisen könne[19]. Diese Vorschrift wurde am 19. Juni 1793 mit dem Zusatze wiederholt, daß er auch mindestens einen Mehlvorrath von 100 Scheffeln außer dem in der Mühle sich befindenden Getreide in Besitz haben solle[20].

Im Jahre 1775 wurden, wie in ganz Sachsen, so auch in Dresden Getreidedepots angelegt. Der Stadtrath mußte für tüchtige Böden zum Aufschütten sorgen und eine Magistratsperson wurde mit deren Beaufsichtigung betraut.[21] Für Gründung eines neuen Depots wollte der Rath eine Summe aus dem Fonds des Leihhauses entnehmen, was jedoch der Kurfürst nicht zuließ[22]. Die Jahre 1804 und 1805 zeichneten sich wiederum durch große Theuerung aus, doch war der Verkehr bereits zu entwickelt, die Einrichtungen zu sehr gebessert, um eine eigentliche Hungersnoth, wie 1771 und 1772, aufkommen zu lassen. Zum Stadtmagazin hatte der Kurfürst Friedrich August am 27. April 1804 ein größeres Quantum von Getreide und Mehl aus eigenen Mitteln zugeschossen, auch vom Rathe war die Mitwirkung zur guten Erhaltung des Magazins erfolgt[23]. Von den Bäckern, 81 an Zahl, wurde nicht mehr die gleiche Vorrathhaltung für alle verlangt, sondern sie wurden nach ihrem Vermögen in vier Klassen eingetheilt: zu Klasse I mit 150 Scheffeln Vorrath gehörten 42 Meister, zu Klasse II mit 100 Scheffeln Vorrath gehörten 24 Meister, zu Klasse III mit 50 Scheffeln Vorrath gehörten 6 Meister, zu Klasse IV mit 25 Scheffeln Vorrath gehörten 9 Meister[24]. Um dem Rathe den Ankauf eines größeren Quantums russischen Getreides zu ermöglichen, lieh ihm der Kurfürst am 27. November 1805, und zwar zinslos, 36 000 Thaler, welche Summe Ostern 1807 zurückgezahlt werden sollte. Die Rückzahlung, welche ratenweise stattfand, verzögerte sich jedoch sehr, so daß noch am 11. Januar 1820 der Rath um eine Restforderung von 5304 Thalern 21 Groschen gemahnt wurde[25].

Als Ersatz für Getreide wurde am 5. Dezember 1816 in Nr. 49 der „Freiberger gemeinnützigen Nachrichten“ zum ersten Mal auf die Kartoffeln mit dem Hinweis aufmerksam gemacht, „man könne damit die Menge des Brodes vermehren, ohne mehr Mehl nöthig zu haben“. Aber es dauerte noch lange, ehe die Kartoffel den bedeutungsvollen Platz erlangte, den sie in unserer heutigen Wirthschaft einnimmt. Als im Jahre 1842 wegen der „Witterungskalamität“ ein Nothstand für die Residenz befürchtet wurde, trat aus den städtischen Behörden ein Komité zusammen, welches ein Mitglied behufs Einkauf von Kartoffeln in die Gegend von Magdeburg und Stettin absandte[26].

Bei außerordentlichen Gelegenheiten, wie bei großen Festlichkeiten, wo die Mauern Dresdens, wenn auch nur auf kurze Zeit, eine größere Anzahl Menschen aufnahmen, oder wenn es sich in Kriegszeiten um die Verproviantirung von Truppen handelte, machten sich besondere Maßnahmen und Vorschriften nothwendig. Im 30jährigen Kriege war 1639 Dresden von jeglicher Zufuhr zu Wasser und zu Lande abgeschnitten. Die durchziehenden Truppen nahmen, was sie finden konnten, für sich in Besitz, die Bürger und Händler hielten den Getreidevorrath, den sie noch hatten, versteckt, um sich vor äußerster Noth zu schützen[27]. Der Kurfürst Johann Georg  I. befahl daher, daß diejenigen, welche noch Getreide im Vorrath hätten, denselben verkaufen sollten, und zwar zu der von ihm festgesetzten Taxe: den Scheffel Korn zu 5 Thalern, den Scheffel Gerste zu 4 Thalern, den Scheffel Hafer zu 2 Thalern. Wer diesem Befehle nicht nachkomme, bei dem sollte nachgesucht und das gefundene Getreide zwangsweise zu dieser Taxe verkauft werden. – Eine umfangreiche Verproviantirung von Truppen mußte 1683 stattfinden. Der Kurfürst war mit 10 000 Mann dem Kaiser gegen die Türken, die bereits vor Wien standen, zu Hilfe geeilt. Für diese Truppen und zur Verproviantirung der festen Plätze sollten von jeder steuerbaren Hufe 1 Metze Korn und 1 Metze Hafer in das Militärmagazin geliefert werden. Mit der Lieferung blieben jedoch viele Bürger rückständig, und da die im Jahre 1684 angedrohte militärische Exekution nichts fruchtete und 1686 diese Rückstände immer noch nicht gedeckt waren, wurden in diesem Jahre je ein Unteroffizier und zwei Mann so lange in die betreffenden [222] Häuser eingelegt, bis die Besitzer ein genaues Verzeichniß über ihre Anzahl Hufen, Steuerlasten hierauf und Angabe des aufgeschütteten Getreides eingereicht hatten[28]. Eine allgemeine Verproviantirung auf die Dauer von vier Wochen wurde am 30. September 1709 befohlen. Man befürchtete den Einfall der Schweden unter General Crassau, welcher nach der Schlacht bei Poltawa mit seinem Korps aus Polen nach Pommern geflüchtet war[29]. Weitere Verproviantirungen wurden am 2. Juni 1711, am 14. November 1712 und im Herbste 1714 angeordnet[30]. Letztere sollte dazu dienen, den heimkehrenden sächsischen Truppen, welche mit Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1714 Stettin und 1715 Stralsund erobert hatten, den nothwendigen Getreidevorrath in der Heimath billig zu sichern[31].

Im September 1719 sah Dresden aus Anlaß der Vermählung des Kurprinzen glänzende Feste in seinen Mauern. Da hierbei eine unbillige Steigerung der Preise zu befürchten war, wurden eigene Faktoren selbst in entlegene Gegenden gesandt, um Getreide einzukaufen. Der Rath wurde angewiesen, „alles unnütze Gesindel, insonderheit die schädlichen Juden“ von der Stadt abzuhalten; den Wirthen war es bei 10 Thalern Strafe verboten, einen Fremden ohne Wissen des Raths aufzunehmen[32]. Ebenso lockte das prunkvolle Lustlager von Zeithain im Jahre 1730 zahllose Besucher herbei. Zu diesem militärischen Feste, das durch den Besuch des Königs von Preußen einen besonderen Glanz erhielt, sowie zu dem damals abgehaltenen Landtage wurde wiederum durch Ermahnung zur Vorrathhaltung vorgesorgt. Die Getreidehändler hatten anzugeben: 1) wieviel Getreide sie auf Schiffen und Böden hätten; 2) wieviel sie von auswärts noch zu erwarten hätten; 3) wiewiel Getreide ein jeder noch bis Fastnachten herbeischaffen könne[33]. Ein Gleiches fand bei dem Landtage 1749 statt. Der Befehl zur Verproviantirung wurde vom Rathe insbesondere allen Speisewirthen, Gastwirthen, Fleischern und Bäckern bekannt gemacht[34].

Die Unruhen des siebenjährigen Krieges brachten für Sachsen wiederum großen Mangel und Theuerung. Rotten von Raubgesindel durchzogen das Land, stehlend und plündernd, was den armen Einwohnern noch geblieben war. Der Landmann konnte, weil ihm das nöthige Saatkorn fehlte, seine Felder nicht bestellen, zum Theil unterließ er es auch aus Kleinmuth. Der Kurfürst ermahnte 1756 seine Unterthanen eindringlich zur Standhaftigkeit und zu gehöriger Bestellung der Felder; sie sollten sich unter einander unterstützen und sich gegenseitig das nöthige Samengetreide borgen. Es wurde den benachbarten Städten und Dörfern erlaubt, daß Jedermann Mehl und Brod zum öffentlichen Verkauf in die Stadt bringen könne. Die Accise wurde aufgehoben, so daß das Eingebrachte ohne Vertheuerung verkauft werden konnte. Die Bäcker, die sich daraufhin beschwerten, wurden abgewiesen, da sie sich nicht verpflichten konnten, die Stadt ohne fremde Einfuhr mit dem Nöthigen zu versorgen[35]. Diese freie Mehleinfuhr war aber nur von kurzer Dauer. Sachsen befand sich in des Königs von Preußen Hand, die Kassen waren weggenommen, die Einkünfte an das preußische Feldkriegsdirektorium in Torgau abgeliefert. Am 21. Mai 1757 schreibt das königlich preußische General-Feldkriegsdirektorium an den Rath: der Mühleninspektor Böhme zu Dresden hätte angezeigt, daß ihm durch die gestattete freie Mehleinfuhr ein großer Schaden erwachse, weshalb er, wenn dies nicht abgestellt würde, die Pacht nicht zahlen könne; der Rath erhalte daher den Befehl, sofort nach Empfang dieses Schreibens zu verfügen, daß alles wieder auf den vorigen Fuß gesetzt würde. Der Rath kam diesem Befehle sofort nach. Der Mühleninspektor Böhme mußte täglich 30 Malter Mehl für das preußische Militärmagazin liefern, nur was er mehr fertig brachte, durfte er für die Bäcker der Stadt Dresden mahlen. Die Bäcker und Fuhrleute mußten sich mit preußischen Pässen versehen, um sich damit auszuweisen, daß das Mehl, das sie führten, zur Konsumtion des Hofes und der Bürgerschaft gebraucht werde[36].

Wenn auch die Vorrathhaltung und Magazinirung nur unvollkommen ihren Zweck erfüllt haben, so waren sie doch immerhin gute Mittel, die Stadt vor allzugroßem Mangel zu schützen. Ein Hauptaugenmerk mußte aber die Stadt auf den Getreidehandel selbst richten. Der beim Getreidehandel waltenden Oeffentlichkeit entsprach eine obrigkeitliche Kontrole über Maß und Gewicht, die durch verordnete Messer und Wieger ausgeübt wurde. Diese Beamten hatten die Meßgelder und die Abgaben für die Niederlage einzukassiren und nach Abzug des ihnen als Besoldung zustehenden Theiles an den Rath abzuführen[37]. Um die Mannigfaltigkeit des Getreidemaßes, wodurch der Verkehr sehr erschwert war, abzuschaffen, wurde mit einer kurfürstlichen Verordnung vom 8. Dezember 1707 für das ganze Land ein einheitliches Maß nach Dresdner Scheffel und Kanne verordnet (Scheffel, Viertel, Metzen, Kannen und Kännchen). Die Maße wurden geaicht und mit dem Stadtzeichen versehen[38]. Nach dem geaichten Dresdner Maß schafften dann die sächsischen Städte Maße an, so ließ Leipzig noch im Jahre 1745 genau nach [223] Dresdner Maß einen Scheffel, eine Metze und ein Viertel aus Kupfer in Dresden anfertigen und mit Jahreszahl versehen[39]. Auf eine Beschwerde der Dresdner Bäckerinnung, daß an der Elbe das Messen des Getreides, welches aus dem niederen Lande käme, nicht wie früher mit der Schaufel, sondern mit der Mulde geschähe, wodurch ihnen an dem Scheffel ein Verlust von 6 bis 8 Pfund entstünde, wurde vom Kurfürsten befohlen, daß das Getreide an der Elbe nur mit der Schaufel gemessen werden durfte. Im Jahre 1818 werden dann zur Erlangung größerer Sicherheit und Genauigkeit beim Messen statt der seitherigen Holzmaße geaichte Meßviertel von Eisenblech eingeführt[40]. Das Meßgeld war für 250 Gulden jährlich an den Marktmeister verpachtet[41], doch wurde es für das ausgeschiffte, nicht durchgeführte, Getreide am 6. August 1823 dem Stadtrathe für 100 Thaler pro Jahr in Erbpacht gegeben; das Meßgeld von 2 Pfennig durfte nicht erhöht werden[42].

Von großer Bedeutung für die Regelung des Getreidehandels war das Stapelrecht. Es entstand dadurch ein regerer Verkehr, da Kaufleute, Schiffer und Fuhrleute an dem Orte Halt machen und verkaufen mußten. Die erhöhte Zufuhr drückte auf die Preise, was dem Bürger zu Gute kam, und auch die Stadtkasse hatte durch Niederlagsgebühren und Zölle ihren Vortheil. Im Jahre 1594 schließt der Rath von Dresden mit dem von Pirna eine Vereinbarung, womit die beiden Städte sich Gleichheit in den Geleitsabgaben und der Verzollung der wichtigsten Handelswaaren, sowie den Niederlagsbedingungen zusicherten. Es wurde bestimmt, daß das Getreide nicht nach Wispeln, sondern wie von Alters nach Scheffeln verzollt und von jedem Scheffel 1 alter Heller gegeben und genommen werde. Bauern, welche Getreide in Kähnen führen, sollen nicht in Geleit passiren dürfen, sondern nur die Schiffe mit Getreide. Die Kähne müssen angehalten werden und die Bauern ihr Getreide feil halten, denn mit den Kähnen sei es leicht, nächtlicherweile fortzukommen und das Getreide dann irgendwo zu landen. Handelsleute aus Dresden müssen vom Rathe ihrer Stadt einen Schein haben, um in Pirna durchgelassen zu werden, und umgekehrt[43]. Als im Jahre 1816 ein böhmischer Schiffer, der böhmisches Obst nach Berlin und Hamburg verschiffen wollte, in Dresden um die Erlaubniß nachsuchte, auf dem Rückwege mehrere Schiffsladungen Getreide stromaufwärts nach Böhmen zu transportiren, wurde ihm dies für das laufende Jahr nur unter der Bedingung erlaubt, daß er in Dresden und Pirna die Stapelzeit richtig halte und sein Getreide zum feilen Verkauf aussetze[44]. In demselben Jahre wurde nochmals ein Regulativ „wegen des Meßgeldes und der Niederlage“ vom Rathe erlassen[45].

Die Vereinbarungen zwischen Nachbarstädten gaben aber auch häufig Grund zu gegenseitigen Fehden. Eine solche tritt uns in nachstehenden Unterhandlungen Dresdens mit Pirna entgegen. Am 28. Juni 1595 fragte der Rath von Pirna bei dem von Dresden an, ob er sich damit einverstanden erkläre, daß man, wie früher, genau die gleiche Zeit für beide Städte bestimme, in welcher die Handelsleute ihre Getreideeinkäufe im niederen Lande machen dürften. Hierauf antwortete der Rath von Dresden am 3. Juli 1595, sie hätten, um eine Theuerung, die durch das zeitige „Versprechen“ des Getreides verursacht werden könne, abzuwenden, den Händlern bei 50 Gulden Strafe verboten, weder selbst, noch durch Einkäufer Getreide im niederen Lande oder Böhmen vor Egidi zu besprechen, Geld darauf zu geben oder zu kaufen. Diese Verordnung erläßt die Stadt Pirna gleichlautend am 21. Juli 1595. Bereits am 19. August 1595 aber sendet der Rath von Pirna einen Boten nach Dresden mit einem Schreiben, worin er sich beschwert, daß von den Dresdner Handelsleuten das Abkommen nicht gehalten würde. Doch auch den Dresdner Getreidehändlern gab die Verordnung Anlaß zu einer Beschwerdeschrift, die am 22. August 1595 dem Rathe überreicht wurde. Darin erhoben die Getreidehändler die Frage, warum gerade ihnen verboten sein solle, Getreide anders als nach Egidi einzukaufen, während doch die Nachbarstädte, wie Schandau, Meißen und Ortrand, dieses ungestraft thun könnten. Wenn sie keinen genügenden Vorrath hätten, könnten die Bierbrauer kein Malz bei ihnen kaufen. Dies bringe aber dem Fürsten einen Ausfall bei der Biersteuer. Ferner sei es Sitte, daß die Getreidehändler um Pfingsten den Junkern und Bauern Geld auf Getreide gäben und den Einkauf mit ihnen beschlössen. Ja oft hätten die Bauern sie selbst darum gebeten, daß sie „vor der Ernte" zu ihnen kommen und mit ihnen handeln sollten. Zur Erntezeit brauche der Bauer Geld für Arbeiter- und Gesindelohn und gäbe gerne das Getreide billiger, was ja doch wiederum nur dem Bürger zum Besten wäre. Wenn es jedoch bei dem Befehle bleiben müsse, so bitten die Getreidehändler, daß dieser Befehl für alle Städte des ganzen Landes gegeben werde, dann würden sie sich jederzeit gerne in Gehorsam fügen[46].

Um das Getreide der Verwendung als Brodnahrung nicht zu entziehen und um durch vergrößerte Nachfrage die Getreidepreise nicht steigen zu lassen und dadurch Theuerung zu verursachen, wurden Verordnungen gegen das Branntweinbrennen aus Getreide erlassen. [224] Ein landesherrlicher Befehl vom 12. Januar 1595 verbot die Herstellung des Branntweins aus jeder Art von Getreide, weil dadurch „viel herrliches Getreide“ verbraucht und der Branntwein zu ganzen Fässern in großem Ueberfluß erzeugt würde. Auch fände beim Ausschänken ein gottloses und ärgerliches Leben statt, und durch das Füttern der Schweine mit den verbleibenden Trebern würde die Krankheit des Aussatzes bei den Menschen verbreitet[47]. Der Kampf gegen den Branntwein wurde durch eine Rathsverordnung vom 28. August 1609 fortgeführt[48]. In dieser wird beklagt, daß es jetzt eine unglaubliche Menge Branntweinbrenner in der Stadt gebe, obwohl vor etlichen Jahren das Branntweinbrennen, besonders aber das Brennen von Weizen, Korn, Gerste und Malz gänzlich verboten worden wäre. Denjenigen, die gegen dieses Verbot gehandelt, hätte man die Branntweinblasen genommen. Die Erfahrung zeige, daß jährlich eine große Menge von Getreide zu Branntwein gebrannt und dadurch Theuerung verursacht würde. Die Branntweinbrenner kauften und bezahlten auf den Markttagen das Getreide zu jedem ihnen angebotenen Preise, wodurch die Getreidepreise in die Höhe getrieben würden, auch ständen sie in Verdacht, in den Mühlen und Malzhäusern „Partiererei“ zu treiben. Der Rath verordnete deshalb: Es soll in Dresden und den Vorstädten nicht mehr als 12 Personen erlaubt sein, Branntwein, Wachholder oder Aniswasser oder wie sonst die Namen seien, für den Verkauf und um Lohn zu brennen. Die Erlaubniß hierzu muß beim Rathe eingeholt werden, der in Ansehung der Person, der Wohnungen (wegen der Feuersgefahr) und dergleichen Umständen nach, die Erlaubniß gebe oder verweigere. Diejenigen, denen die Erlaubniß ertheilt wird, werden bei hoher Strafe verpflichtet, keinerlei Getreide, sondern nur Wein- oder Bierhefen, Wachholder, Hollunder oder andere Beeren zum Branntwein zu verwenden. Wer ohne Erlaubniß Branntwein aus Getreide brennt, soll dem Rathe angezeigt und schwer bestraft werden. Den Bürgern und Einwohnern ist es bei 10 Schock Strafe verboten, Branntweingäste in ihren Häusern zu setzen, wenn nicht vom Rathe die Erlaubniß hierfür ertheilt ist. Für diese Erlaubniß sind dem Rathe jährlich 2 Gulden zu entrichten, halb zu Ostern und halb zu Michaelis. Die Branntweinbrenner dürfen bei Strafe von 2 Schock guter Groschen keine Gäste in ihren Häusern setzen, sondern sind angewiesen, den Branntwein öffentlich auf dem Markte feil zu halten. Das Feilhalten auf dem Markte ist ihnen, außer des Sonntags, täglich gestattet und zwar zwischen Ostern und Michaelis bis 8 Uhr, von Michaelis bis Ostern bis 9 Uhr. Den Fremden (Böhmen, Lausitzern, Schlesiern) ist jeglicher Verkauf, außer an den 3 Jahrmärkten, überhaupt untersagt. Diese Verordnung wurde am 4. August 1612 und am 31. Januar 1621 wiederholt. Das Verbot des Branntweinbrennens aus Getreide wurde zu Ende des 17. und im 18. Jahrhundert nur noch für Zeiten der Theuerung aufrecht erhalten; so bringt eine kurfürstliche Verordnung vom 23. Dezember 1684 die alte Verordnung von 1595 in Erinnerung[49]. Bei der Theuerung im Jahre 1714 wurde außerdem noch darauf aufmerksam gemacht, daß man sich mit der Verfertigung von Stärke und Poudre einschränken müsse, da auch hierzu sehr viel Weizen verbraucht würde. Es wurden konsumirt: Weizen im Jahre 1711 für Branntwein 3767 Scheffel, für Stärke und Poudre 7083/4 Scheffel, im Jahre 1712 für Branntwein 38501/4 Scheffel, für Stärke und Poudre 6161/2 Scheffel, im Jahre 1713 für Branntwein 4100 Scheffel, für Stärke und Poudre 6411/4 Scheffel. Am 20. Dezember 1719 wurde vom Kurfürsten die Zubereitung des Poudres aus Getreide oder Stärke gänzlich verboten. Wer der Verfertigung solchen Poudres überführt würde, sollte für jedes Pfund mit 1 Thaler bestraft werden[50]. Das Branntweinbrennen aus Getreide wurde am 25. September 1772 wieder gestattet, doch der Branntwein mit einer Steuer belegt. Für jede Kanne, sowohl für den im Lande gebrannten, als auch für den von auswärts eingeführten, mußten 6 Pfennige gegeben werden[51]. Ein Ausfuhrverbot für Branntwein wurde am 5. Oktober 1789 erlassen, dessen Uebertretung mit Konfiskation des Branntweins bestraft wurde. Der konfiszirte Branntwein wurde taxirt und von dem Geldbetrage dem Denunzianten 1 Viertel, der untersuchenden Obrigkeit 1 Viertel und den Stadtarmen die Hälfte überwiesen[52]. Aus einem Extrakt der General-Accis-Haupteinnahme vom Jahre 1792 ersieht man, daß der Bedarf an Weizen zum Branntweinbrennen, im Vergleich zum allgemeinen Konsum für Brod, ein ganz enormer war. Es wurden im Jahre 1792 versteuert[53]:

  Scheffel.
Weizenmehl zum Verkauf an Hauskonsumenten 181 5/8
Weizen zum Branntweinschroten 8 154 1/4
Weizen zum Brodbacken 39 028 0
Weizenmehl, das vom Lande kommt und zur Bank vergeben ist      4 247 3/4
Weizen zum Hausbacken 171 3/4
Weizen zum Stärkemachen 737 1/4
Weizen zum Essigbrauen 185 1/2
Summa      52 706 1/8

[225] Das Ausfuhrverbot auf Stärke und Poudre wurde nochmals 1804 (9. Oktober) und 1805 (27. Mai) wiederholt[54].

Zur Bekämpfung von Hungersnoth, besonders nach schlechten Ernten, waren Getreideausfuhrverbote ein beliebtes und für die damalige Zeit berechtigtes Mittel. Nach einem allgemeinen Mißwachs brachte das Jahr 1617 Noth und Theuerung über Sachsen. Der Kurfürst schreibt am 13. Mai 1617 an den Rath, „daß um der begangenen Sünden willen, aus Gottes gerechtem Zorn, eine Theuerung über das Land gekommen sei, wie solche seit Menschengedenken nicht stattgefunden habe. Es hätte den Anschein, als wolle aller Vorrath an Frucht und Viktualien geradezu zerrinnen, die Armuth erhebe Klagen und Lamentiren, das Land sei mit Bettlern gleichsam überhäuft.“ Als Urheber dieser schlimmen Zustände bezeichnete man die Getreidehändler, welche zwar, dem Scheine nach, einen ansehnlichen Vorrath aus dem Fürstenthum Anhalt und dem Erzstift Magdeburg nach Dresden gebracht, diesen jedoch, des Gewinnes wegen, nach auswärts verkauft hätten[55]. Die hierauf erlassene Verordnung vom 16. Mai 1617 nimmt in allen Paragraphen auf die Verordnung vom Jahre 1574 Bezug und fügt noch Nachstehendes hinzu[56]: 1. Es soll Niemand, er sei Edel oder Unedel, Einwohner oder Auswärtiger, Bürger oder Bauer, Getreide im Lande auf Gewinn besprechen, einkaufen oder aufschütten. 2. Der Rath darf zwar Getreide auf Vorrath einkaufen, aber solches einzig und allein zum Unterhalt der Gemeinde. 3. Die, welche keinen Ackerbau treiben oder auf ihren Gütern nicht soviel erbaut haben, wie sie zu ihrem jährlichen Haushalt benöthigen, dürfen soviel Getreide, wie sie dazu gebrauchen, kaufen, aber nicht mehr. 4. Wenn Jemand über seinen Jahresbedarf hinaus Getreide übrig hat, so soll er diesen Ueberschuß zu einem billigen Preise auf den Wochenmarkt der ihm zunächst liegenden Stadt bringen und nichts auf etwaige Steigerung behalten. 5. Weder Adel, Bürger noch Bauer soll sein Getreide aus dem Lande verkaufen, weder scheffel- noch fuderweise, auch nicht heimlich in Fässern, als wäre es Zentnergut. 6. Wer vor Erlaß dieses Mandats Getreide an Verkäufer oder Auswärtige versprochen hätte, soll sich zur Ausfuhr vom Rathe Erlaubniß einholen. 7. Auswärtigen ist es ohne ausdrückliche Erlaubniß nicht gestattet, Getreide im Lande zu kaufen und auszuführen, ausgenommen Fuhrleute, die unentbehrliche Waare in das Land bringen, denen kann auf obrigkeitliche Ausstellung eines Scheines hin bewilligt werden, als Rückladung ein Fuder oder Karren einzukaufen und auszuführen. 8. Den Erlaubnißschein müssen die Fuhrleute an allen Zollstätten und Geleiten vorlegen. Die Zöllner und Geleitsleute müssen diesen Schein handzeichnen und den Namen des Käufers und Fuhrmanns, auch wo und wieviel er geladen, aufschreiben, damit dieser Schein nicht mehrere Male gebraucht wird. 9. Wer einen Fuhrmann oder Kärrner, der ohne Erlaubniß Getreide aus dem Lande führt, anhält und beim nächsten Amt oder Gericht anzeigt, erhält die Hälfte des Getreides als Belohnung. 10. Alles Getreide, das die Händler elbab- und aufwärts erkaufen, einladen und hierherführen, muß an die Einwohner und darf nicht an Fremde verkauft werden. Bei Uebertretung werden sowohl Käufer, als auch Verkäufer schwer bestraft, das Getreide konfiszirt und die Hälfte davon dem Denunzianten gegeben. 11. Es werden „etzliche sonderbare gewisse Personen“[57] beauftragt, die monatlich berichten müssen, ob von den Obrigkeiten eines jeden Ortes die Bestimmungen getreulich gehalten werden.

Zu den furchtbaren Verheerungen, die der 30jährige Krieg und die Pest über Dresden brachten, kam in den Jahren 1638 und 1639 wiederum eine Hungersnoth. Um einer übermäßigen Preissteigerung entgegen zu wirken, setzte man eine feste Taxe für Getreide fest und zwar den Scheffel Korn zu 5 Thalern, Gerste zu 4 Thalern, Hafer zu 2 Thalern. Wer anders als zu dieser Taxe verkaufe, dessen Getreide solle konfiszirt und um den Taxpreis an die Bäcker und Bürger, die es benöthigten, verkauft werden[58]. Als nach Beendigung des Krieges gute Ernten ein starkes Fallen der Preise herbeiführten, verschaffte sich einmal das entgegengesetzte Interesse des Landmannes Geltung. Durch Mandat vom 26. Juni 1656 ward vorübergehend die Einfuhr fremden Getreides und Malzes gänzlich verboten. Man nahm an, daß durch die Einfuhr das baare Geld aus dem Lande gezogen und das einheimische Getreide entwerthet würde. In Folge dessen seien die Erbauer nicht in der Lage, ihre Verpflichtungen gegenüber dem Landesherrn zu erfüllen[59]. Nach dem Mißwachs im Jahre 1662 wurde am 19. Juni das Ausfuhrverbot erneuert[60], im folgenden Jahre aber, nach besserer Ernte, die Ausfuhr wieder gestattet[61]. Ein Einfuhrverbot, wie im Jahre 1656, ist jedoch nicht mehr erfolgt.

Die Kornhändler beschwerten sich 1684, daß sie das Getreide theurer einkaufen müßten, als sie es nach der festgesetzten Taxe verkaufen könnten. Daraufhin wurden ihre Böden geöffnet, wobei jedoch nur ein geringer Vorrath gefunden wurde. Sechs Getreidehändler [226] hatten zusammen nur 735 Scheffel Weizen, an Korn wurden nur bei zwei Getreidehändlern 95 Scheffel ermittelt. Die Händler mußten unter Eid aussagen, wie viel sie über ihren eigenen Bedarf an Vorrath hätten, wie hoch ihnen der Einkauf und die Fracht zu stehen komme und mit wieviel Gewinn sie es zu verkaufen gedächten. Im Theuerungsjahre 1692 ließ Kurfürst Johann Georg IV. das im Vorrath befindliche Magazingetreide verkaufen und zwar den Scheffel um 4 Groschen billiger, als der derzeitige Marktpreis war[62], und im darauffolgenden Jahre wurde das Aufkauf- und Ausfuhrverbot wiederum erneuert. Zur Versorgung der Stadt boten die Kammerräthe im Jahre 1697 dem Rathe 8000 Scheffel Korn und 8000 Scheffel Hafer vom kurfürstl. Kornboden zum Kaufe an, den Scheffel um 2 Groschen billiger, als die geringste Markttaxe war. Der Rath sollte, da der Kurfürst Geld brauchte, einstweilen auf das zu verkaufende Getreidequantum Vorschuß leisten. Aus folgenden Gründen glaubte jedoch der Rath dieses Angebot ablehnen zu müssen: Erstens hätte er die Mittel nicht. Zweitens hätten die Brod- und Mehlhändler die vorgezeigte Probe als geringwerthig bezeichnet, weshalb man erst untersuchen müsse, wieviel Mehl man daraus bringe. Als dritten Grund führte der Rath an, das Korn nütze der Einwohnerschaft nur wenig, da man ja doch keine Gelegenheit hätte, es zur Mühle zu bringen. Früher seien Mühlesel durch die Gassen getrieben worden, die das Korn bei den Bürgern abgeholt und das Mehl wieder gebracht hätten. Seitdem aber die Mühlesel abgeschafft worden wären, hätten sich die Einwohner, sehr zu ihrem Schaden, an Bäcker und Mehlhändler gewöhnt[63]. – Um dem Mangel im Jahre 1719 abzuhelfen, wurde der Hoffaktor Meyer nach Stettin und Danzig geschickt, damit er daselbst eine Quantität Getreide einkaufe. Böhmen hatte in diesem Jahre wegen schlechter Ernte die Kornsperre gegen Sachsen angeordnet, was Sachsen mit einem Ausfuhrverbot nach Böhmen beantwortete[64]. Von dem Getreide, das der Hoffaktor Meyer nach Dresden gebracht hatte, wurden vom 29. Juni 1720 ab verkauft[65]: 36231/2 Scheffel Weizen, 49561/2 Korn, 53903/4 Gerste, 15821/2 Hafer, 11203/4 Heidekorn. Die gegenseitige Sperre wurde 1720 wieder aufgehoben und mit Mandat vom 27. November 1720 vom Kurfürsten die Ausfuhr des Getreides und der auswärtige Handel wieder freigegeben[66]. Es war mit Generalverordnung vom 22. Mai 1720 bestimmt worden: Da man zur Zeit doch noch Bedenken trage, den Getreidehandel ohne Taxpreise frei zu geben, so sei vorläufig noch nach den festgesetzten Taxen zu verkaufen. Denen jedoch, welche Getreide nach der Stadt brächten, sei es gestattet, für Fuhrlohn, Reisekosten und dergleichen pro Meile 1 Groschen 6 Pfennige auf jeden Scheffel aufzuschlagen, den Aufkäufern und Händlern seien außerdem noch 2 Groschen für ihre Mühe gestattet[67]. Durch diese Verordnung war die Einfuhr sehr gestiegen und die Dresdner Händler suchten nach Mitteln, die auswärtige Konkurrenz abzuwehren. In einer Beschwerde vom 2. Dezember 1722 geben die Händler von Dresden an, nach dem amtlichen Verzeichniß seien vom 1. Januar bis mit dem 17. November 28 545 Scheffel ausländisches Getreide hierhergebracht worden. Bei der Theuerung aber in den Jahren 1719 und 1720 hätten die Fremden nur 35751/4 Scheffel, sie dagegen 40 1271/2 Scheffel nach Dresden gebracht, und zwar hätten sie es oft bis von Bernburg und der Gegend um Calbe herholen müssen[68]. Aus diesem Grunde bäten sie die accisfreie Einfuhr den Fremden fernerhin nicht mehr zu gestatten. Ihre Eingabe war jedoch ohne Erfolg.

Nach und nach gelingt es den Getreidehändlern, sich immer mehr Handelsfreiheit zu erringen. Bereits die am 7. Juli 1574 gegebene Getreidehändlerordnung wurde am 15. August desselben Jahres dahin abgeändert, daß es dem Getreidehändler erstens freistehen sollte, das ganze Jahr nach Böhmen zu reisen, um Getreide einzukaufen (früher durfte der Händler vor Egidi kein Getreide einkaufen), zweitens sich soviel Einkäufer zu halten, wie er wollte, und drittens mit beliebig vielen Schiffen Getreide nach Dresden zu führen. Dem Rathe sollte es aber jederzeit freistehen, das Getreide nach Gelegenheit und Umständen, wie es der Markt, die Zeit und die Güte mit sich brächten, zu taxiren und zu schätzen. Hierbei sollte man sich bei den umliegenden Städten und auf dem Lande erkundigen und sich bei der kurfürstlichen Regierung Rath und Befehl erholen. – Im Jahre 1726 werden die Händler von dem Marktzwange entbunden. Bislang mußten sie alle Wochenmarkttage einen Malter Korn zum feilen Kaufe auf den Markt bringen und solange, bis er verkauft war, feil halten, auch durften sie nichts davon wieder nach Hause zurücknehmen. Die Getreidehändler machten in einer Eingabe geltend, daß, wenn sie nicht gezwungen wären, auf dem Markte feil zu halten, wobei sie zum Auf- und Abladen immer 2 bis 3 Leute halten müßten, sondern in ihren Häusern verkaufen dürften, sie den Scheffel Getreide um 2 Groschen billiger, als der Marktpreis wäre, geben könnten. Es wurde ihnen darauf der Verkauf in ihren Häusern, Wohnungen und Böden unter der Bedingung [227] gestattet, daß sie an den beiden Markttagen, Montags und Freitags, einen Kasten mit Proben von dem Getreide, von dem sie Vorrath hätten, auf öffentlichem Markte aufstellten. Bei den einzelnen Proben mußte auf Zetteln der Name und die Wohnung des Verkäufers angegeben werden. Den Mehlhändlern und Bäckern dagegen, die sofort um dieselbe Vergünstigung eingekommen waren, wurde eingeschärft, stets ausreichende Vorräthe auf den Markt zum feilen Kaufe zu bringen[69]. Zur Unterstützung der Bürger ließ der Kurfürst im Jahre 1727 aus dem kurfürstlichen Futterboden den Scheffel Korn zu 2 Thalern 19 Groschen und Gerste zu 2 Thalern 10 Groschen verkaufen. Auch wurde den Unterthanen, unter Erlaß der Stempelbogengebühren und Sporteln, bis nach der Ernte Getreide geliehen. Es geschah dies gegen Bestellung gerichtlicher Hypotheken auf die Grundstücke und mit der Bedingung, daß nach der Ernte, längstens bis Bartholomäi, Bezahlung erfolge[70]. Es finden späterhin noch häufig Verkäufe aus dem kurfürstlichen Futterboden statt, so 1736 300 Scheffel, das gute Korn pro Scheffel zu 2 Thalern 18 Groschen, das geringere pro Scheffel zu 2 Thalern 10 Groschen, jedoch nur an Hauskonsumenten, und an einen Käufer nicht über 4 bis 5 Scheffel. Die Vergünstigung dieses Verkaufs wurde jedoch deshalb nur ganz wenig in Anspruch genommen, weil der Müller die kleinen Posten von 1/4 und 1/2 Scheffel zusammenschüttete und zusammen vermahlte, wodurch es oft vorkam, daß derjenige, der gutes Getreide zur Mühle gebracht hatte, schlechtes Mehl erhielt und umgekehrt. Aus diesem Grunde zogen es die Leute vor, lieber Mehl als Korn in kleinen Quantitäten zu kaufen. Weitere kurfürstliche Verkäufe fanden 1737, 1739, 1740 und 1746 statt. Anhalt und Preußen hatten im Jahre 1748 die seit 2 Jahren verhängte Grenzsperre aufgehoben. Da sich das Jahr 1748 allgemein durch Fruchtbarkeit auszeichnete, war auch die Zufuhr aus Böhmen eine erhöhte. Vom 1. bis 14. August 1748 wurden aus Böhmen nach Dresden auf der Elbe Getreide gebracht: 36 Scheffel Weizen, 1403 Scheffel Korn und 772 Scheffel Gerste, demnach in 14 Tagen 2211 Scheffel Getreide[71]. Wiederum wurde bei der Theuerung im Jahre 1756 ein strenges Ausfuhrverbot erlassen. Der Preis für Mehl war pro Viertel auf 21 Groschen gestiegen. Der Kurfürst ließ deshalb 150 Scheffel Magazinmehl, je 50 Scheffel an drei aufeinanderfolgenden Markttagen, auf den Markt bringen und das Viertel zu 16 Groschen verkaufen. An jedem dieser drei Markttage erhielten 200 arme Leute einen auf den Namen lautenden, vom Rathe abgestempelten Zettel, gegen dessen Abgabe ein Viertel Mehl verabreicht wurde[72]. Das im Jahre 1756 erlassene Ausfuhrverbot auf Getreide wurde erst im Jahre 1762 wieder aufgehoben[73].

Wie bereits erwähnt, berührten die Hungerjahre 1771 und 1772 um so empfindlicher, als Dresden gänzlich ohne Vorrath und die Ernten nicht nur in ganz Sachsen, sondern auch in den angrenzenden Ländern die schlechtesten waren. In den vorhergehenden Jahren, besonders 1769, waren die Ernten so vorzüglich gewesen, daß man eine große Menge Korn auf dem Felde hatte verderben lassen. Dagegen brachte das Jahr 1770 eine sehr schlechte Ernte, deren schlimme Folgen noch durch große Nässe und Ueberschwemmungen vermehrt wurden. Eine Revision bei den Bäckern am 28. August 1770 ergab nur 293 Malter 10 Scheffel oder 3526 Scheffel Getreide, mithin einen nur für ganz kurze Zeit ausreichenden Vorrath. Der Kurfürst ließ am 4. September 1000 Scheffel, am 5. September 900 Scheffel Korn aus dem Landmagazin verabfolgen und versuchte mit allen Mitteln, besonders aber durch die verschiedensten Vorschriften, Verbote und Befehle, dem Lande die nöthige Körnerfrucht, den Städten Nahrungsmittel zu verschaffen[74]. Diese waren am schlimmsten daran, da in ihnen so gut wie nichts von Nahrungsmitteln produzirt wurde und sie allein auf die Zufuhr von außen angewiesen waren. Am 1. Mai 1771 wurde den Dorfbäckern und Mehlhändlern der Handel mit Brod in der Stadt Dresden ohne jede Einschränkung gestattet. Die schon vorher mit dem Privileg des Verkaufs nach Dresden ausgestatteten Dorfbäcker und Mehlhändler wurden von der Abgabe der Mahlmetze befreit, denjenigen, die dieses Privileg nicht besaßen, wurde der Verkauf in die Stadt am 18. Juli 1771 freigegeben[75]. Die Dorfschaften um Dresden wie z. B. Kötzschenbroda, Zitzschewig u. a. mußten ein genaues Verzeichniß ihrer Vorräthe in die Dresdner Rathsstube einreichen. Bei unrichtigen Angaben sollte das Getreide konfiszirt und dem Denunzianten der vierte Theil davon gewährt werden[76]. Die Weißbäcker wurden auf die strenge Einhaltung ihrer Innungsartikel aufmerksam gemacht und ihnen befohlen, daß jeder seine Waare mit einem Stempel versehe, damit man diejenigen, die zu leicht befundenes Gebäck in den Handel brächten, leichter finden und bestrafen könne. Auch wurden die Vorschriften über das Vorrathhalten von 1571 erneuert und zum Theil verschärft[77]. Um zu verhindern, daß jemand das noch im Felde stehende unausgedroschene Getreide erhandeln [228] und, wie es oft geschah, Getreide deshalb ausdreschen helfe, damit er es leichter vom Bauer kaufen könne, wurden im Jahre 1771 Scheine ausgegeben, und jeglicher Kauf und Verkauf ohne einen solchen auf das strengste verboten. Diese Scheine mußten mit genauen Angaben versehen und dann an die Kreis- und Amtshauptleute eingesandt werden [78]. Jedoch der Mangel nahm von Woche zu Woche, ja täglich zu. Obwohl man den Dorfbäckern erlaubt hatte, täglich gebackenes Brod und Mehl, völlig frei von jeder Abgabe, zur Stadt zu bringen, so fand sich nur wenig auf dem Markte. Der Marktmeister berichtet am 25. August 1771, daß nichts in die Brodbänke geliefert worden sei[79]. Die Mehlhändler baten, das Viertel Mehl mit 2 Thalern verkaufen zu dürfen, da der Roggenpreis auf dem Lande bereits auf 7 Thaler gestiegen sei und es ihnen dadurch unmöglich wäre, zu der bisher festgesetzten Taxe zu verkaufen[80]. Nach kurfürstlichem Befehle wurden überall in der Stadt, den Vororten, Mühlen, Weinbergen und wo nur Getreide oder Mehl zu vermuthen war, Visitationen angestellt und alles Getreide, das gefunden wurde und nicht zur Konsumtion des Eigenthümers nöthig war, den Bäckern um einen billigen Taxpreis übergeben. Die Bürgerschaft wurde aufgefordert, Exzesse und Gewaltthätigkeiten zu unterlassen, das „ungebührliche“ Zudringen zu den Bäckerläden ward strengstens verboten. Die Bäcker reisten in die benachbarten Städte, wie Meißen, Großenhain, Torgau, Oschatz u. a., doch konnten sie nur ganz geringe Quantitäten, den Scheffel zu 7 Thalern, auftreiben[81]. Der Senator und Kaufmann Richter brachte zwar 8000 Scheffel Getreide aus Hamburg, doch linderte dieses Quantum nur für einige Tage die allgemeine Noth[82]. Die anhaltend nasse Witterung hatte an vielen Orten Ueberschwemmungen verursacht, wodurch die Bestellung der Felder unmöglich wurde und die Aussicht auf das kommende Jahr sich noch trostloser gestaltete. Durch die hohen Getreidepreise ließen sich viele verleiten, das unentbehrlich nöthige Samengetreide zu verkaufen. Der Kurfürst forderte in einem Mandat vom 25. September 1771 alle Vasallen, Beamte, Räthe in den Städten und andere Gerichtsobrigkeiten auf, den Unterthanen von diesem so nachtheiligen Beginnen abzurathen und sie zur tüchtigen Bearbeitung und Bestellung ihrer Felder zu ermahnen, sowie diejenigen, die solches unterließen, durch Zwangsmittel dazu anzuhalten. Denen, die ihre Aecker wegen der Nässe nicht bestellen oder das Saatkorn und was sie zu ihrer Nahrung brauchten, nicht erkaufen konnten, wurden die Mittel dazu auf alle mögliche Art verschafft und ihnen auch sonst jegliche Hilfe zu Theil. Alle, welche den Bedürftigen mit Saat- oder Brodkorn, sei es in Natur oder mit Geld zum Kaufe desselben, beisprangen, wurden bei Gericht in den Handelsbüchern eingetragen, damit sie am Vermögen des Schuldners ein Unterpfand hätten. Das spätere Eintreiben der Schuld sollte unentgeltlich von Gerichtswegen besorgt und „ohne prozessualische Weitläuftigkeiten durchgehends schleunige Justiz“ geübt werden[83]. Das Ausfuhrverbot auf alle Getreidearten wurde auch auf die Ausfuhr von Brod, Mehl, Graupen, Grütze, Erdäpfeln und Erdbirnen ausgedehnt. Wer dem Ausfuhrverbot zuwiderhandelte, wurde nicht mehr allein mit Konfiskation der Waare, wobei auch Pferde, Wagen, Schiff oder Geschirr einbegriffen waren, bedroht, sondern auch je nach Befund mit Gefängniß, Ausstellung an den Pranger oder Zuchthaus und Festungsbaustrafe, ohne Ansehung der Person[84]. Da die Landmagazine gänzlich erschöpft waren, konnten die Städte dem Militär den bisherigen Zuschuß an Brod, Mehl und Korn nicht liefern, weshalb eine Abgabe von 1/2 Scheffel oder 8 Metzen Korn auf jede steuerbare Hufe gelegt wurde, die in Geld abgeführt werden konnte[85]. In der Absicht, die Zufuhr zu erhöhen, wurde eine außerordentliche Befreiung von Abgaben festgesetzt und das diesbezügliche Mandat am 5. Oktober 1771 unter ungeheurem Andrang der Bürgerschaft veröffentlicht. Das Mandat bestimmte: 1. Alle, welche von auswärts Getreide, Mehl und Brod zum Verkauf an die Grenze oder in das Land bringen, brauchen sich nicht, wie früher, an den Grenzen zu melden und sind von allen Grenzabgaben befreit. 2. Wer Getreide, Mehl und Brod in die Städte zum Verkauf bringt, ist von jeder Abgabe, wie Zöllen, Geleiten, Wege-, Brücken-, Fahr- und Pflastergeldern sowie den städtischen Abgaben, der Land-, General-Handlungs- und General-Eingangsaccise befreit. 3. Das von auswärts eingebrachte Getreide soll, sobald es an [229] seinen Bestimmungsort gelangt ist, wie inländisches behandelt werden, damit diejenigen, die mehr als zu ihrem Unterhalte haben, den Ueberschuß auf den gewöhnlichen Wochenmarkt bringen und ihn den Einwohnern zum leidlichen Kaufe zukommen lassen[86].

Der König von Preußen ordnete, durch die Theuerung in seinem Lande veranlaßt, an, daß für Getreide, welches von Hamburg nach Sachsen geführt würde, bei Passirung der preußischen Landesgrenze Pässe zu lösen wären. Diese Maßregel vertheuerte das nach Sachsen eingeführte Getreide beträchtlich. Es mußten für diese Pässe bezahlt werden: für den Wispel Weizen 2 Thaler 11 Groschen 11/2 Pfennig, für den Wispel Roggen 1 Thaler 19 Groschen 24/5 Pfennig, für den Wispel Gerste 1 Thaler 19 Groschen 22/5 Pfennig, für den Wispel Hafer 1 Thaler 1 Groschen 83/5 Pfennig. Die Juden, deren ausgedehnte Handelsbeziehungen der Regierung bekannt waren, wurden durch eine Verordnung vom 2. Oktober 1771 angehalten, ihre auswärtigen Bekanntschaften zum Besten der Stadt auszunutzen. Es wurde ihnen bekannt gemacht, daß sie sofort ein Verzeichniß einzureichen hätten, mit der deutlichen Erklärung, wieviel, binnen welcher Zeit, woher und zu welchem Preise sie Korn und Weizen gegen Bezahlung nach Dresden schaffen könnten. Bei etwaiger Renitenz droht der Kurfürst mit Ausweisung sämmtlicher Juden aus Sachsen[87]. Obwohl diese alle Mittel anstrengten, um Getreide nach Dresden zu bringen, war es ihnen doch nur in beschränkter Weise möglich. Als sie nach Verlauf einiger Zeit obrigkeitlich an den Befehl erinnert wurden, sandten sie zwei der ihrigen an den Rath ab, welche erklärten, es fehlten ihnen die Geldmittel, um Getreide herbeizuschaffen, dann sei dieses auch, der preußischen Pässe und der vorgerückten Jahreszeit halber, unmöglich[88]. Der Rath scheint diese Aussagen als begründet erkannt zu haben, da die Akten keinerlei Maßregeln gegen die Juden aufweisen. – Die Geistlichen wurden aufgefordert, ein Verzeichniß der am meisten bedürftigen Armen einzureichen; diesen wurden täglich 2 Scheffel Roggenmehl unter Aufsicht der Polizeikommission zugetheilt, auch Brod in halben Pfunden unter sie vertheilt[89]. Mit dieser Mehl- und Brodvertheilung wurde bis nach der Ernte fortgefahren, die im Jahre 1772, wenn auch nicht hervorragend, so doch ziemlich gut ausfiel. Am 6. September 1772 wurde die Abgabenbefreiung vom 1. Oktober ab wieder aufgehoben, ebenso durften die Bauern und Bauernbäcker wiederum nur wie vor 1771 in beschränkter Weise in die Stadt liefern[90]. Die Ausfuhr von Hülsenfrüchten, Graupen und Erdäpfeln wurde am 23. Juni 1773 wieder freigegeben, doch blieb das Getreideausfuhrverbot bestehen[91]. – Zur Erinnerung an die Hungerjahre 1771 und 1772 sind in Sachsen verschiedene Medaillen geprägt worden. Der Avers der einen zeigt einen Obelisk mit dem kursächsischen Wappen und der Schrift: „Sachsens Denkmahl 1 ℔ Brod 2 gr.“, der Revers die Schrift: „Die sächsische Theuerung 1 Sch. Korn 13 Thl., 1 Sch. Weitze 14 Th., 1 Sch. Gerste 12 Th., 1 Sch. Haber 6 Th. von 1770 bis 1772.“ Auf anderen Medaillen befinden sich Sprüche wie: „Gottes Hand Schlägt das Land“ oder: „1771, den 29. Mai und 29. Juni schickte Gott durch Gewitter eine Wasserfluth, welche an Gebäude, Aecker und Wegen großen Schaden thut“, oder: „72 klein Brod 73 Mäuse Noth.“ Andere wieder zeigen auf dem Avers eine schreitende männliche Figur, mit einem Stabe in der Hand und einem Sack auf der Schulter; auf dem Sacke sitzt der Teufel, der ihn aufschneidet, so daß das darin befindliche Getreide zur Erde fällt; dabei die Umschrift: „Du Korn Jude.“ Unter dem Bilde: „Theure Zeit 1624 : 1772.“ Auf dem Revers die Schrift in einer Kornmetze: „Wer Korn inne haelt, dem fluchen die Leute, aber Seegen komt über den, der es verkauft. Spruch Salom. XI. 26.“

In den folgenden Jahren, bis 1789, hatte Sachsen anhaltend gute Ernten, weshalb sich bis dahin keine besonderen Verordnungen oder Vorschriften nöthig machten. Im Jahre 1782 wurden zum ersten Mal gedruckte Zettel angeheftet, wodurch die, welche Ueberfluß an Getreide hatten, dieses zum Kaufe ausboten. Auch die Getreideeinfuhr war wieder bedeutend gestiegen. Es wurde vom 1. Mai 1783 bis Ende April 1784 Getreide auf der Elbe nach Dresden gebracht, 1783: im Mai 8383 Scheffel, im Juni 8257 Scheffel, im Juli 4650 Scheffel, im August 4831 Scheffel, im September 11 080 Scheffel, im Oktober 20 520 Scheffel, im November 18 024 Scheffel, im Dezember 3971 Scheffel; 1784: im Januar – Scheffel, im Februar – Scheffel, im März 5778 Scheffel, im April 10 966 Scheffel. Demnach 96 460 Scheffel, welche dem Rathe an Meßgeld (pro Scheffel 2 Pfennig) 669 Thaler 20 Groschen 11 Pfennig einbrachten[92].

Doch die Jahre 1789 und 1790 brachten theils in Folge ungeheurer Trockenheit, theils durch später eingetretene Ueberschwemmungen sehr schlechte Ernten. Der Kurfürst überließ am 12. September 1789 den Bäckern vom Hof-Futterboden 1000 Scheffel Korn zu je 2 Thalern 16 Groschen. Eine weitere Aushilfe wurde am 16. September 1789 geleistet und zwar 1000 Zentner Roggenmehl, in Fässern zu 450 Pfund zu 9 Thalern [230] 16 Groschen 81/22 Pfennig das Faß oder 2 Thalern 8 Groschen 101/2 Pfennig der Zentner[93]. Die günstige Ernteaussicht von 1792 benutzte der Kurfürst, um an die nöthige Vorrathhaltung zu mahnen, wobei er verordnete, daß der Rath zwar von Zeit zu Zeit die Brod- und Mehltaxen bestimmen, aber diese nicht sofort bei der geringsten Getreidepreissteigerung erhöhen sollte. Wenn die Bäcker einmal wieder die Stadt nicht genügend mit Brod versorgen würden, sei der Rath ermächtigt, ohne weiteres uneingeschränkte Konkurrenz der Landbäcker eintreten zu lassen und den Dorfschaften das Einbringen von Mehl und Brod zu gestatten[94]. Zum Ausbau der Kreuzkirche wurden nach kurfürstlichem Reskript vom 17. Dezember 1793 bei Einfuhr von jedem Scheffel Weizen, Weizenmehl, Weizensemmel oder Kuchen 1 Groschen erhoben[95]. Nach guten Ernten brachte der Herbst 1804 über Sachsen wieder schwere Zeiten, die im Jahre 1805 in einer Theuerung ihren Höhepunkt erreichten. Obwohl die Fristen für die Getreideausfuhrpässe noch nicht abgelaufen waren, erhielt der Kurfürst unterm 3. September 1804 eine Mittheilung des k. k. Landesguberniums in Prag, wonach Böhmen sich durch den schlechten Ernteausfall genöthigt sähe, kein Getreide mehr über die Grenze zu lassen. Der Kurfürst ließ dieses Schreiben am 6. September der Bäckerinnung bekannt machen und antwortete seinerseits auf die böhmische Maßregel am 15. September mit einem strengen Ausfuhrverbot für alle Getreidearten nach Böhmen und den angrenzenden Ländern[96]. Im Dezember 1804 kostete der Scheffel Korn bereits 7 Thaler, aus welchem Grunde der Rath seinen Subalternbeamten eine Gehaltszulage von 8–20 Thalern und je 1 Scheffel Korn von dem Leubnitzer Amtsgetreideboden zuwies[97]. Zur Verhütung von Unterschleif erließ der Kurfürst eine strenge Verordnung für Fuhrleute, die Getreide von auswärts in das Land führten und dabei fremde Territorien berührten. Die Fuhrleute mußten sich mit Pässen versehen, diese genau visiren lassen und nach Vorschrift wieder zurückliefern[98]. Im Mai 1805 war der Scheffel Korn bereits auf 9 Thaler gestiegen, und am 22. trat eine Kommission zusammen, um über die Mittel zur Abwehr der Nothlage zu berathen[99]. Die Kommission stimmte darin überein, daß die Ursache der Theuerung zu suchen sei in der Ausfuhr des Getreides nach Böhmen und Schlesien, in dem in der Lausitz eingetretenen großen Mangel und in dem Aufkauf in Dresden und Umgebung durch die mit Schiebeböcken aus der Lausitz kommenden Leute. Um die Stadt vor weiterem Mangel zu bewahren und um Ruhe und Sicherheit zu erhalten, wurde verordnet: Jeden Mittwoch sollte eine Getreiderevision bei den Bäckern und in den Mühlen stattfinden[100]; es sollte mit aller Strenge auf die Bestimmung über das Einhalten der 3 Sonnenscheine gewacht und die Vorräthe, die in Dresden auf Böden in den Häusern lagerten, versiegelt werden, damit ein Verkaufen an Fremde, die nicht in Dresden wohnten, ohne vorgängige Legitimation vermieden würde. Die Bäcker mußten täglich das von ihnen verbackene Quantum dem Oberältesten der Innung angeben, der seinerseits wieder dem Rathe zu berichten hatte. Das Ausfuhrverbot nach Böhmen und Schlesien wurde noch dadurch verschärft, daß man den Cordon an der Grenze durch kurfürstliche Jagdbediente verstärkte. Vorherrschend war der Grundsatz, mit Hinweis auf die Marktordnung von 1603, daß an niemanden etwas verabfolgt werde, der nicht durch obrigkeitliche Attestate oder Pässe bescheinigen konnte, daß er das zu erholende Quantum zur eigenen Konsumtion gebrauche. – Für den Fall, daß die Polizeiaufseher nicht genügen sollten, um den Verkauf vor den Schlägen, auf den Gassen und Straßen, sowie vor den Thoren zu verhindern, wurden Kavalleriepatrouillen in Aussicht genommen. Man zog auch in Erwägung, ob nicht eine geringere Brodart, mit etwas Kleien vermischt, eingeführt werden könnte. Brodwaaren über 8 Groschen an Werth durften von einer Person nicht auf einmal aus Dresden ausgeführt werden[101].

Die Stände der Oberlausitz hatten in Dresden mehrere Niederlagen, wo für sie Getreide in plombirten Säcken aufbewahrt stand. Es wurde nunmehr nur dann erlaubt, Getreide in die Lausitz zu führen, wenn Zeugnisse und Pässe von der betreffenden Behörde vorgelegt wurden[102]. Ein Bürger aus Bautzen hatte 300 Scheffel Getreide unter Siegel in Dresden liegen. Der dortige Bürgermeister bat am 27. Mai 1805 um die Erlaubniß zur sofortigen Versendung dieser 300 Scheffel und schilderte die Nothlage von Bautzen, wo es am 25. bereits zu den bedenklichsten Auftritten gekommen sei. Vermeintliche Aufkäufer von Getreide seien theils auf freiem Markte, theils in ihren Behausungen lebensgefährlich mißhandelt worden, es sei nöthig gewesen, Militär zu requiriren. Diese 300 Scheffel gebrauchten sie für die höchste Noth, sie seien nur für den Bedarf des nächsten Markttages bestimmt[103]. Am 27. Mai 1805 wurde auch die Ausfuhr von Brod aus Sachsen verboten, wobei dem Denunzianten, der eine Uebertretung zur Bestrafung brachte, unter Verschweigung [231] seines Namens die Hälfte der konfiszirten Waare zugesichert wurde[104]. Alle durchfahrenden Getreideschiffe wurden zur Vermeidung von Unterschleif je von 1 Unteroffizier und 3 bis 4 Soldaten eskortirt[105]. Eine beträchtliche Unterstützung ließ der Kurfürst den Armen der Stadt angedeihen. Es wurde wöchentlich eine größere Quantität Getreide aus dem Militärmagazin an die Bäcker gegeben, um daraus 3- und 6-Pfundbrode zu backen. Diese wurden gegen Zettel verabfolgt, welche vorher bei den dazu angestellten Personen (Viertelsmeistern, Richtern und Gerichtsschöppen) geholt werden konnten. Für einen rothen Zettel wurde ein 6-Pfünder zu 60 Pfennig, für einen blauen Zettel ein 3-Pfünder zu 30 Pfennig verkauft, je nach der festgestellten Bedürftigkeit der Personen. Die Zettel wurden dann durch den Quatembersteuer-Erheber wieder auf dem Rathhause abgeliefert[106]. Auch im Juni 1805 überließ die Regierung der Stadt wiederum 4000 Scheffel Korn aus dem Militärmagazin zum Preise von 6 Thalern pro Scheffel[107] und 2000 Zentner Mehl für die Armen. Neben der Erniedrigung der Brodtaxe, die durch den kurfürstlichen Zuschuß an Getreide gerechtfertigt erschien, wurden die Geleits-, Zoll- und Landaccis-Abgaben aufgehoben und die General-Handlungsaccise nicht wie bisher nach dem Ein- und Verkauf, sondern nach einer festgesetzten Taxe erhoben. Dieses kam, da die Taxe verhältnißmäßig sehr niedrig angesetzt war, einer beträchtlichen Ermäßigung gleich. Die Taxe war: der Scheffel Roggen 2 Thaler - Groschen, Weizen 2 Thaler 16 Groschen, Gerste 1 Thaler 12 Groschen, Hafer 1 Thaler - Groschen, Roggenmehl 2 Thaler 12 Groschen, Weizenmehl 3 Thaler 8 Groschen[108]. Die Nachfrage nach den Brodzetteln stieg so sehr, daß man gezwungen war, zwei Abtheilungen zu bilden und für jede einen Vertheilungstag einzurichten. Auch das Höchstquantum, das einer Person aus Dresden auszuführen erlaubt war, wurde um die Hälfte (4 Groschen Werth) verringert. Von dem Brode, welches gegen Brodzettel verkauft wurde und mit einem besondern Stempel versehen war, durfte nichts aus der Stadt ausgeführt werden[109]. Die Vorräthe in der Nähe Dresdens waren völlig erschöpft, so daß die Bäckerinnung sich genöthigt sah, im September 1805 400 Scheffel Korn und 400 Scheffel Weizen von der Gegend um Mansfeld und Querfurt zu holen[110]. Von Böhmen war es selbst noch im Jahre 1808 unmöglich, Getreide zu erhalten, obwohl sich der in Wien akkreditirte sächsische Gesandte für die Ausfuhr von 2000 Scheffeln Roggen nach Sachsen verwendet hatte[111]. Der Preis für Korn war noch im April 1808 4 Thaler 20 Groschen, für Weizen 6 Thaler 10 Groschen.

Der Getreidemarkt, der allwöchentlich Montags und Freitags auf dem Altmarkt, seit 1766 auf der Breitegasse stattfand, wurde durch ein Publikandum vom 9. Dezember 1816 ab auf den Neumarkt verlegt „zur größeren Bequemlichkeit für Käufer und Verkäufer“. Dieses Publikandum bestimmte ferner: Es ist den Oekonomen und Landleuten gestattet, so große Quantitäten, als sie wollen, nach Dresden einzuführen. An den Schlägen und Thoren ist für Quantitäten, die nicht über 4 Scheffel betragen, die Generalaccise zu zahlen. Für größere Quantitäten müssen ohne Aufenthalt Ansagezettel von den Acciseinnehmern ausgestellt und die Verkäufer damit an die Haupteinnahme gewiesen werden. Jedem Verkäufer ist es von nun an erlaubt, sein Getreide auf dem Markte nach seinem Willen entweder im Ganzen zu verkaufen oder im Einzelnen zu vermessen, jedoch darf bis 10 Uhr Vormittags nur an Dresdner Einwohner verkauft werden, von 10 Uhr ab an Jedermann. Von 12 Uhr ab dürfen die Landleute das ihnen verbliebene Getreide, das nach den alten Bestimmungen nicht mehr aus der Stadt ausgeführt werden durfte, in Dresden einsetzen. Das eingesetzte Getreide mußte jedoch am nächsten Markttage wiederum zum Kauf gestellt werden. Der Verkauf des eingesetzten Getreides aus den Gewölben und Niederlagen war bei 5 Thalern Mindeststrafe verboten[112].

Um dem Getreidemarkt eine größere Bedeutung zu verschaffen, ward im Jahre 1817, unter beifälligem Berichte des Stadtraths, von den Viertelsmeistern eine Eingabe um Befreiung des eingebrachten Getreides von Accise, Zoll, Geleite und Chausseegeld eingereicht, doch vermittelst Reskripts vom 18. März 1817 abgelehnt. Die Eingabe wies hauptsächlich auf die Konkurrenz der Märkte von Radeburg (Mittwochs), Kamenz (Donnerstags) und Pirna (Sonnabends) hin, Städte, die von jeher weit beträchtlichere Getreidemärkte besaßen als Dresden. Erst im Jahre 1831 ist ein weiterer Versuch gemacht worden, dem Dresdner Getreidemarkte eine größere Ausdehnung zu geben. Damals reichten die Kommunrepräsentanten einen Bericht ein, in welchem sie die Vortheile eines erweiterten Getreidemarktes folgendermaßen darlegten. Der Stadt würde durch eine vermehrte Zufuhr und dadurch erhöhte Konkurrenz der Verkäufer ein den Umständen gemäß möglichst billiger Preis des Getreides gesichert werden. Die Transportkosten würden erspart, da das Getreide nicht geholt werden müßte, sondern gebracht [232] würde, wodurch die Bäcker um 1 Thaler und mehr pro Scheffel billiger kaufen könnten, was wiederum auf die Brodpreise einwirke. Der Hökerei und dem Kornwucher würden durch eine möglichst freie Konkurrenz am besten Grenzen gesetzt. Auch hätte die Stadt durch die größere Zahl der Verkäufer, die nach Dresden kommen würden, insofern Vortheil, als ein Theil des Erlöses von den Verkäufern zum Ankauf von allerhand Waaren und Gewerbeprodukten verwendet werden würde. Die Kommunrepräsentanten machten deshalb folgende Vorschläge: 1. Alle und jede Accisabgabe, mit Ausnahme der hier nachzuzahlenden Grenzaccise, ferner alle und jede städtische Abgabe, mit Ausnahme des Meßgeldes und des sogenannten Hafergroschens[113] müßten aufgehoben werden. Wenn die Schiffer an Markttagen Getreide übrig behielten, so müßten sie es feilbieten, ohne indeß genöthigt zu werden, es zu einem bestimmten Preise zu verkaufen. 2. Es solle nur ein wöchentlicher Markttag stattfinden, damit alle Verkäufer an einem bestimmten Tage hier vereinigt würden. 3. Der Neumarkt solle als Getreidemarkt beibehalten, aber der Ausschiffungsplatz an der Elbe vom rechten auf das linke Ufer verlegt werden, damit er dem Getreidemarkte möglichst nahe sei. 4. Es solle für Anschaffung einer tüchtigen Getreidewaage gesorgt werden[114].

Die von den Kommunrepräsentanten erstrebte Abgabebefreiung trat theilweise 1847, vollständig aber erst 1855 ein.

Im Jahre 1842 hatte eine große Trockenheit und schlechte Ernte einen vorübergehenden Mangel herbeigeführt, der zum größten Theil jedoch seinen Grund darin hatte, daß wegen der Trockenheit die Mühlen nicht mahlen konnten. Auf Vorschlag des Ministeriums des Innern wurden den beiden in Dresden liegenden Dampfschiffen die Schaufelräder abgenommen, an die Triebwellen interimistische Verlängerungen angekuppelt und auf zu beiden Seiten vorgelegte Elbkähne geleitet. Auf diesen Kähnen wurden je 2 Mahlgänge errichtet. Nächstdem wurde die Dampfmaschine des kommunlichen Steinröhrenbohrwerks durch Anbauung ähnlicher Mahlgänge zum Getreidemahlen nutzbar gemacht[115]. – Bei einer allgemeinen Theuerung im Jahre 1847 wurde besonders durch das energische Handeln des damaligen Ministers des Innern von Falkenstein die höchste Noth abgewendet[116]. Es trat ein Hilfsverein zusammen, der in den ersten 9 Wochen seines Bestehens 261 116 Brodmarken austheilte. Die Armenkommission hatte 982 Scheffel 7 Metzen Korn im Militärmagazin lagern, welche ebenfalls zum Besten der Armen verwendet wurden[117]. Vom Kriegsministerium wurde die Verfügung getroffen, daß vom 16. April 1847 ab an allen Wochentagen früh von 7–10 Uhr vor der Hauptwache in Neustadt 2000 dreipfündige Militärbrode zum Preise von 3 Neugroschen 8 Pfennig zum Verkaufe ausgelegt wurden[118]. Der Rath errichtete am 3. Mai 1847 eine Bäckerei auf kommunliche Kosten, in welcher täglich bis 2500 Pfund Brod gebacken wurde. Dieses Brod wurde, nachdem es 48 Stunden gelegen, an jedem Morgen für 131/3 Pfennig pro Pfund in 3- und 6-Pfündern auf dem Gewandhause verkauft. Den Getreidebedarf hierzu schaffte man aus Prag herbei. Außerdem wurden täglich 8–10 Scheffel Kartoffeln, das Mäßchen für 10 Pfennig, verkauft. Die außerordentliche Geldunterstützung an Arme von der Armenversorgungsbehörde betrug vom Monat Oktober 1846 bis Mitte Mai 1847 7238 Thaler[119]. Am 14. Juli 1847 wurden zur Errichtung von zwei weiteren Kommunbacköfen 1235 Thaler 24 Neugroschen 9 Pfennig bewilligt[120]. Bereits am 14. April 1847 war die Taxe für Roggenbrod aufgehoben und der Verkauf desselben freigegeben worden[121]. Dazu wurde am 4. August bekannt gemacht, daß von der Bedingung zunftmäßiger Erlernung der Bäckerei Abstand genommen würde und einem Jeden die Herstellung und der Verkauf von Roggenbrod gestattet sei[122]. Die Bäcker waren mit ihren verschiedenen Eingaben gegen [233] die Kommunbäckerei abschlägig beschieden worden und fingen am 18. April 1848 an, durch billigere Verkaufspreise dem Weiterbetriebe der Kommunbäckerei entgegen zu arbeiten, und zwar mit Erfolg: die Kommunbäckerei stellte ihren Betrieb, auch noch anderer Gründe wegen, am 25. Oktober 1848 ein. Sie hatte große Getreidevorräthe auf Lager, und da in 8 Monaten der Preis für Roggen von 5 Thaler 20 Neugroschen auf 2 Thaler 20–25 Neugroschen heruntergegangen war, arbeitete sie zuletzt mit großen Verlusten. Auch war ein Brodmangel nicht mehr vorhanden und für einen Zuschuß aus der Staatskasse keine begründete Veranlassung mehr[123]. Bei Einstellung des Betriebs der Kommunbäckerei wurde der jährliche Bedarf an Getreide für die Stadt Dresden genau festgestellt; er war für das Jahr 1848: Roggen und Weizen 350 000 Scheffel, Gerste 50 000 Scheffel, Hafer 100 000 Scheffel, Erbsen 10 000 Scheffel, zusammen 510 000 Scheffel.

Bevor man sich entschloß, die Abgaben für den Getreidehandel völlig aufzuheben, erkundigte sich der Rath 1849 bei den benachbarten Städten Bautzen, Löbau, Pirna, Radeburg, Roßwein, Döbeln, Leisnig, Zwickau und Altenburg nach den dortigen Verhältnissen. Von den eingelaufenen Antworten ist besonders die des Bürgermeisters von Löbau bemerkenswerth, der statistisch nachweist, wie sehr sich die Einfuhr von Getreide nach Löbau seit Aufhebung der Abgaben erhöht hatte. Er bemerkt unter anderem: „Der Getreidehandel ist in Löbau schon seit 1843 frei, nur werden für jeden Wagen 6 Pfennig, für jeden Schiebebock 3 Pfennig erhoben. Unser Getreidemarkt ist uns nicht eine Geldquelle für unsere Kämmerei, sondern in seinem lebendigen Verkehre lediglich eine Verdienstquelle für unsere Bürgerschaft und für Stadt und Umgegend das wohlfeilste Getreidemagazin“[124].

In Dresden erfolgte dann am 1. September 1855 eine Aenderung des Regulativs über die Erhebung der indirekten städtischen Abgaben, und damit der Wegfall von Abgaben auf Körnerfrüchte[125].

Am 21. Juni 1850 hatte der Vorsitzende des landwirthschaftlichen Kreisvereins den Antrag gestellt, eine Getreidebörse zu errichten, die beschränkende Einrichtung des Marktwisches zu beseitigen, einen Lagerplatz für Getreide zu errichten und eine Vorschußkasse für eingesetztes Getreide damit zu verbinden[126]. In der Rathssitzung vom 6. November 1850 wurde darauf beschlossen: es wird allwöchentlich Freitags eine Getreidebörse im Hôtel de Pologne, Schloßgasse 6, abgehalten; zur Einsetzung unverkauft gebliebenen Getreides stellt die Direktion der Zuckersiederei Packhofstraße 1 gegen tarifmäßig billige Vergütung passende Lokalitäten[127]; der Marktwisch hat auf den Ein- und Verkauf von Getreide keinen Bezug. Am 15. November 1850 wurde die Getreidebörse im Hôtel de Pologne eröffnet. Schon früh hatte sich eine große Zahl von Ein- und Verkäufern eingefunden. Um 11 Uhr eröffnete Bürgermeister Pfotenhauer die neue Einrichtung mit einer Ansprache. Zur Förderung des Instituts und zur Vorbereitung passender Vorschläge wurde ein Komitee von 6 Mitgliedern (2 Kaufleuten, 2 Bäckermeistern, 1 Amtsinspektor und 1 Oekonom) gebildet. Am 28. Februar 1851 wurde dem Vorstande der Getreidebörse zur Bestreitung der erforderlichen Ausgaben ein für alle Mal 200 Thaler aus der Stadtkasse gewährt und Getreidemäkler nach einer Instruktion verpflichtet. Eine Erklärung des Raths vom 29. April 1853 machte, um Mißverständnissen zu begegnen, darauf aufmerksam, daß auf den Getreidemärkten ein Verbot des Vor- und Aufkaufs nicht mehr bestände, daß es daher an jedem Markttage Fremden wie Einheimischen ohne Unterschied gestattet sei, von Beginn des Marktes an Einkäufe zu machen[128].

Zu einer Getreidevorschußkasse ist es nicht gekommen. Am 16. Januar 1854 wandte sich der Dresdner Rath an die Präfektur von Paris um Auskunft über die dort eingerichtete Getreidevorschußkasse. Am 15. November 1854 erhielt er durch die sächsische Gesandtschaft die darauf bezüglichen Druckschriften, doch erschien ihm die Einrichtung einer solchen Kasse zu schwierig[129].

[285]
II. Kleinhandel mit Lebensmitteln (Höckerei).

In den frühesten Zeiten der Stadt hat sich der Marktverkehr zweifellos lediglich nach den an anderen Orten herrschenden Gewohnheiten vollzogen. Auch als sich im 14. Jahrhundert das Bedürfniß einer schriftlichen Regelung herausstellte, wurden nur einzelne Bestimmungen der in Leipzig geltenden Vorschriften für den Marktverkehr herübergenommen. Diese und eine weitere landesherrliche Verordnung aus der Zeit zwischen 1460 und 1480 richten sich vor allem gegen den Vorkauf. Es herrschte der Grundsatz, daß möglichst öffentlich und aus erster Hand gekauft werden müsse. Vorkauf ist ein Kauf von landwirthschaftlichen Produkten, bevor dieselben zur Versorgung der Bürger auf den Markt gebracht sind. Hierbei ist zu unterscheiden das Aufkaufen größerer QUantitäten, namentlich Getreide, auf Spekulation, also zum Zweck der Einlagerung und des Wiederverkaufs bei günstigerem Preise – was übrigens verboten war – und das Kaufen von Lebensmitteln wie Butter, Eier, Käse, Gemüse, Kohlen, Salz etc. zum Zweck des Detailverschleißes, also um sie wieder einzeln und im Kleinen pfund-, loth-, stück- oder pfennigweise zu einem höheren als dem Einkaufspreise zu verkaufen oder „auszuhöcken“. Wir finden daher die Namen Obsthöcke, Häringshöcke, Käsehöcke. Der Name „Höcke“ oder „Höcker“ wird von hocken, d. h. niedersitzen, oder Hocke, d. h. Bürde, abgeleitet. Diese Höcker übernahmen für den Armen, der von der Hand in den Mund lebte, das Halten von Vorrath zum allmählichen stückweisen Verkauf. Trotzdem wendet sich das Mißtrauen des Gesetzgebers immer wieder auch gegen den Detaillisten und stellt ihn häufig dem „Monopolisten“ gleich. Auch die Dresdner Polizeiordnung vom 27. Februar 1570 ist hauptsächlich gegen die „Hockelei“ als schädlichen Zwischenhandel gerichtet. Diese Marktordnung wurde am 23. August 1603 vom Kurfürsten Christian II. in ausführlicher Weise erneuert, sowie mit einer Lebensmitteltaxe versehen.[130] Der Kurfürst schreibt, der Rath hätte ihm berichtet, daß in Dresden alles aufs Höchste gestiegen sei und jedermann mit Kaufen und Verkaufen nach seinem Gefallen lebe, Aufsätze mache, Schinderei und Wucher treibe. Auf Mittel und Wege bedacht, diesem abzuhelfen, besonders um die langwierige Theuerung und Steigerung abzuwenden, habe er diese Ordnung aufgestellt und erlassen.

Hinsichtlich der „unartigen und mißgebräuchlichen Höckerei“ wurde bestimmt, daß solche niemand treiben soll, wenn er nicht ansässiger Bürger sei, sich beim Rathe angemeldet habe und ausdrücklich zum Höckereibetriebe zugelassen worden sei. Damit man die Höcker von den Bauern oder anderen fremden Leuten, die etwas zum Markte brächten, unterscheiden könne, wurde den einheimischen Höckern der Neumarkt zum Verkaufsplatz angewiesen, den Bauersleuten und Fremden dagegen der Altmarkt. Jeder Vorkauf vor den Thoren der Stadt wurde mit Konfiskation der Waaren bestraft, vor allem aber, ebenfalls bei Konfiskation der Waaren und weiterer Strafe, davor gewarnt, innerhalb einer [286] Meile im Umkreise der Stadt Eßwaaren oder dergleichen zu erkaufen oder zu „besprechen“, ferner den zu Markte kommenden Bauersleuten vor die Thore entgegen zu laufen und mit ihnen Kauf abzuschließen. Besprechen der Waare bedeutete, daß die Höcker sie beim Bauer vorausbestellten. Ferner mußten die Höcker mit dem Einkaufen warten, bis die Bürger sich versorgt hatten, weshalb ihnen der Kauf nur zwischen 11 und 12 Uhr gestattet war. Der zweite Abschnitt verordnet, daß alles, was aus Böhmen in die Stadt auf den Markt zum feilen Verkauf gebracht würde, daselbst drei Sonnenscheine lang feilgehalten werde, ehe es an die Höcker oder Vorkäufer verkauft werden dürfe. Die auswärtigen Händler mußten sich bei dem verordneten Geleitsmann oder bei dem Richter der Vorstadt an der Elbe anmelden. Der dritte Abschnitt behandelt noch für sich den „schädlichen und schändlichen Entgegenlauf“, der auch für die Folge strengstens verboten sein soll, bei Verlust der Waaren und bei Geldbuße. Die Aufseher sowie die Wächter an den Thoren und die, welche die Schläge aufziehen, werden angewiesen, selbst keinen Markt noch Kauf zu machen und darauf genau Aufsicht zu führen, daß niemand die Bauern, welche Fische, Vögel, Butter, Käse, Getreide, Rüben, Kraut, Erbsen, Heidekorn, Grütze, Hanf, Mohn, Aepfel, Birnen, Quitten zur Stadt bringen, daran hindere oder ihnen die Waaren zuvor abkaufe. Die konfiszirte Waare gehörte zur Hälfte den Aufsehern, zur Hälfte wurde sie in die Spitäler und Schulen gegeben. Der Waisenhausaufseher quittirt im Jahre 1700 einmal über 18 Hühner, dann über 11 Eier, 4 Semmeln, 15 Pfund Brod (zu leicht befundene Brode) oder eine „halbe Mahlzeit“ saure Kirschen und dergleichen mehr.[131]

Im Abschnitt IV, „essende Waaren“, giebt die Verordnung, um der Uebertheuerung der Bürger vorzubeugen, eine genaue Festsetzung der Lebensmittelpreise, nämlich für Geflügel, Eier, Butter, Käse und Speck, im Abschnitt VII für alle Arten Fische, im Abschnitt IX für Holz, im Abschnitt X eine Taxe für die Tagelöhner und Arbeiter, im Abschnitt XI für die Boten. Es heißt darin, da das Korn das „edelste und fürnehmste“ Getreide sei, das kein Mensch entbehren könne, und wenn es im Preise steige, alles andere nachfolge, so hätte man die Taxe am füglichsten nach dem Kornkauf eingerichtet. So kostete nach den beigefügten Tabellen, wenn der Scheffel Korn 20 Groschen galt, z. B. eine gerupfte und gemästete Gans klein 6 Gr., groß 8 Gr., 1 Pfund Lachs 3 Gr., eine Stadtfuhre Holz 1 Gr., Briefträgerlohn bei gutem Wege 11/2 Gr. u. s. w.

Wie wenig diese Verordnung von 1603 trotz der harten Strafandrohung befolgt wurde, erhellt daraus, daß die Viertelsmeister bereits im Jahre 1617 sich mit einer Eingabe an den Kurfürsten wenden, worin sie bitten, doch der Höckerei steuern zu wollen. Am 11. Mai 1637 erging eine kurfürstliche Verordnung, in der das Elend, das der 30jährige Krieg über das Land gebracht, sich nur zu deutlich spiegelt.[132] Es soll nur nach fester Taxe verkauft werden, damit die künstlich durch Vorkauf erzeugte Theuerung nicht die vielen abgebrannten und ausgeplünderten Leute zu sehr beschwere und diese ganz verkommen müßten. Die Vorkaufsverbote und die Verordnungen gegen die Höckerei wiederholen sich im Laufe der Jahrhunderte noch häufig, ein Beweis, wie wenig Geltung sie sich erwarben. Eine Verordnung vom 8. Januar 1653 richtet sich auch gegen Wittwen, Kinder, Hausgenossen und starke, dienstlose Mägde, die die Höckerei als leichten Erwerb betrieben.[133] Eine andere vom 10. Juli 1693 ermahnt die Bewohner, ihre Nahrung lieber durch Arbeit als durch das „unehrbare“ Gewerbe des Vorkaufs und Aushöckens zu suchen; wer aber doch aus gewissen Gründen von der „Krämerei“ nicht lassen könne, der solle sich vor 10 Uhr unter keiner Bedingung und unter keinerlei Vorwande auf dem Markte finden lassen. Uebertreter wurden „jedermann zum Abscheu“ im Halseisen an den Pranger gestellt, zu ihren Füßen die von ihnen vorgekauften Waaren. Im Wiederholungsfalle wurden sie der Stadt verwiesen.[134]

Durch die Höckerordnung vom 19. August 1700 wurden die Höcker erneut vom Altmarkt auf den Neumarkt verwiesen, damit sie den Bauersleuten nicht zu nahe seien und mit ihnen keinerlei Kauf und Handel abschließen könnten.[135] Neue Höcker wurden nur zugelassen, wenn alte abstarben, damit eine gewisse feste Zahl bleibe. Im Jahre 1691 gab es nach einer Zählung des Marktmeisters bereits 100 Höcker, wovon 29 Soldatenfrauen und –Töchter, 21 Wittwen und 12 Siebmacher und andere Professionisten, 38 Bürgerfrrauen und –Töchter, sowie Stallknechte und Trabanten waren.[136] In derselben Verordnung wurde bestimmt, daß kein Butterhöcke Donnerstag nachmittags, wenn die Fremden die Butter auf den Markt brächten, daselbst feil halte, auch daß nicht mit Käsen und gedörrten Fischen in den Straßen hausirt werde, da dadurch dem Rathe das Marktgeld entgehe.[137] Noch im Jahre 1839 sieht sich der Rath veranlaßt, ein Regulativ „das Höckerwesen betreffend“ zu erlassen, wozu ihn viele Beschwerden von Dresdner Einwohnern über den Vor- und Aufkauf der Viktualienhändler und Höcker und dadurch hervorgerufene Vertheuerung der zu den Märkten gebrachten Lebensmittel [287] drängten.[138] Dieses Regulativ wiederholt lediglich die Verordnungen der früheren Zeiten, so daß es seiner Form nach ebenso für das Jahr 1639 als für 1839 Geltung haben könnte. Selbst die uralte Bestimmung, daß man Fische nur stehend feilhalten durfte, wodurch die Händler um so schneller zum Losschlagen ihrer Waare genöthigt werden sollten, kehrte wieder. Den Höckern blieb der Einkauf in der Stadt und einer Meile im Umkreise verboten. Den zu Markte ziehenden Landleuten entgegenzugehen, um ihnen unterwegs ihre Waaren abzukaufen, wurde mit sechs Tagen Gefängniß und Verlust der Waaren bestraft. So lange der Marktwisch, das Zeichen der Dauer des Marktes, aufgesteckt war, also bis Mittags 12 Uhr, durften die Höcker nicht kaufen; nur die sogenannten „Gründer Weiber“ waren davon ausgenommen, doch war auch ihnen nur gestattet, grüne Waaren zu kaufen, dagegen durften sie trockenes Zugemüse, Obst, Weintrauben ebenfalls erst nach gefallenem Marktwisch einkaufen; diese Gründer Weiber (wahrscheinlich so genannt, weil sie aus dem Plauenschen Grunde kamen) waren Frauen, die den Einkauf von Lebensmitteln zur Versorgung der Stadt Freiberg betrieben. Die Landleute mußten ihre Erzeugnisse selbst zu Markte bringen oder den Transport begleiten und durften die Waaren nicht in Wohnungen oder Gewölben von Viktualienhändlern oder Höckern einstellen. Das Obst, das meist in Schiffsladungen aus Böhmen nach Dresden gebracht wurde, mußte erst 24 Stunden, nachdem das Schiff angelegt, dem freien Verkauf zur Versorgung der Bürger überlassen werden, ehe es die Viktualienhändler oder Höcker kaufen konnten. Der Verkauf auf Straßen und Gassen war schlechterdings verboten, doch durften die täglich gebrauchten Lebensmittel wie Milch, Butter, Eier von den Landleuten ihren Kunden ins Haus gebracht werden, wenn diese keine Viktualienhändler oder Höcker waren.[139] Der freie Verkauf von Milch auf den Straßen wurde erst 1854 allgemein gestattet.[140] Bei Anzeigen von Uebertretungen des Regulativs erhielt der Denunziant ein Drittel der konfiszirten Waare, zwei Drittel fielen wohlthätigen Anstalten zu. Der Rath wendet sich am Schlusse des Regulativs an das Publikum mit der Aufforderung, ihn in Aufrechterhaltung der Ordnung zu unterstützen, was die Folge hatte, daß sich die Denunziationen ganz bedeutend mehrten: im Jahre 1839 sind nicht weniger als 45 Anzeigen über Vorkauf und verbotene Höckerei bei der Stadtpolizei-Deputation eingegangen.[141]

Die Höcker, meist Höckerinnen, wurden, da sie für den kleinen Mann als Zwischenhändler nicht zu entbehren waren, als nothwendiges Uebel betrachtet und verachtet. Meistens ist es nicht der leichte Erwerb, der die Frauen bestimmte, Höckerei zu treiben, sondern die bitterste Noth und der Zwang, für den Unterhalt der Familie zu sorgen. Im Jahre 1700 werden 102 Höcker gezählt, von denen nur 5 Männer, meist Invaliden, waren.[142]

Ein fortgesetzter Streit wird um die besseren Marktplätze geführt. Meist sind es die jüngeren Elemente, die die alten von ihren Stammplätzen verdrängen wollen. 1680 war der Markt einmal der Schauplatz eines heftigen und erbitterten Kampfes. Rathsknechte hatten sich in den Streit der Höckerinnen eingemischt und wollten einige vom Markte wegweisen. Die Frauen wurden aber von ihren Männern, den Soldaten, geschützt und erst der Dazwischenkunft des Generalwachtmeisters von Schönberg gelang die Wiederherstellung der Ruhe.

Was manchen Höckerinnen heute noch nachgerühmt wird, eine große Zungenfertigkeit, das besaßen sie auch schon vor 200 Jahren. Es wird in einer Eingabe von Bürgern an den Rath Beschwerde geführt, wie die Höckerinnen zu dreien und vieren um eine Bauerfrau herumstehen, den Korb abhelfen, aufdecken und wenn eine Bürgersfrau oder Magd etwas von der Bauersfrau kaufen will, „selbige mit höhnischen Worten und Höckengekeife“ abzuweisen wissen, des „Schimpfes“ zu geschweigen, den solche boshafte Leute öfters ehrlichen Leuten anzuthun gewohnt seien.[143] Es war aber auch nicht leicht, einen solchen Handel, bei dem fast alles verboten war, zu betreiben, und es erforderte eine rührige Thätigkeit, um dabei seine Rechnung zu finden. Als besonders vielseitig und tüchtig wird 1703 die Höckerin Dorothea Angermann und ihre Tochter gerühmt, über welche der Marktmeister berichtet: „Handeln mit allerhand, wie die Jahreszeit mit sich bringet, itzo mit Erdbeeren, sonsten ganze Jahr mit Hasen und andern Wildpret, im Herbste in der Vogelzeit ist sie nicht auszugründen, da nimmt sie alles weg, was sie erschnappen kann, und hat fast alle Bauersleute an sich, wird auch fast alle kennen, die Vogel zu Markte bringen; so bald sie siehet kommen, wird sie ihnen ein Zeichen geben an den Fingern, wie sie die Vogel geben sollen, oder mit den Augen winken, daß sie fort gehen, da schleicht sie ihnen nach und kauft“.[144]

Die Gesetze des Vorkaufs waren aber vielfach noch dadurch verschärft, daß die Höcker sich des Kaufes von Lebensmitteln, deren Zufuhr selten oder, wie bei dem jungen Liebenwerdischen Kraut, gering war, mindestens einen Tag enthalten mußten, was mit gänzlicher Enthaltung gleichbedeutend war.[145] Denn die kleinen [288] Quantitäten waren schnell von den Bürgern aufgekauft und für die Höcker blieb nach einem Tage nichts mehr übrig. Bei diesem Vorkaufsverbot wurde gleichzeitig darauf hingewiesen, daß die Weiber, welche auf dem Markte und den Gassen Kuchen feil hatten, sich neuerdings unterstanden hätten, neben den Kuchen auch saure Gurken zu verkaufen. Da man befürchtete, es möge dahin kommen, daß die Kuchenweiber alle frischen Gurken auf dem Markte und in den Gärten aufkauften und die Bürgerschaft für ihre Haushaltungen nichts bekommen könnte, wurde den Kuchenweibern der Verkauf von Gurken verboten.[146] Der Verkauf von Kartoffeln beim Viktualienhandel wird zuerst 1790 erwähnt.[147] Erdäpfel wurden seit 1785 in der Nähe von Dresden, in Kötzschenbroda, angebaut und das Mäßchen um einen Groschen verkauft.

Im Jahre 1836 wurde endlich der Höckereid (im Umkreise einer Meile von der Stadt nichts einzukaufen), der seit 1793 bei Konzessionsertheilungen abgelegt werden mußte, aufgehoben, 1845 fiel auch der Marktwisch. Mehr und mehr zog man die veränderten Verkehrsverhältnisse in Betracht. Man findet in den Akten hervorgehoben, daß es vom nationalökonomischen Standpunkte für den Produzenten ein Vortheil sei, wenn er die bisher auf den Verkauf gerichtete Thätigkeit auf die Produktion verwenden könne, und daß z. B. die Gärtnerwaaren beim Höcker oder Händler nicht theurer wie beim Produzenten seien, da dieser den Arbeits- und Zeitverlust beim Selbstverkauf auf die Waare schlagen müsse. Man sah ein, daß durch den auf jede Weise zu erleichternden Absatz die Einfuhr gesteigert und durch die Steigerung der Einfuhr die Preise auf dem natürlichen Wege der Konkurrenz ermäßigt werden.

Aus solchen Erwägungen entschloß man sich im Jahre 1859, die Verbote des Vor- und Aufkaufs, sowie die Vorschriften über die Höckerei aufzuheben.[148]


  1. „Da die Regenten der Krone von Böhmen die Ausfuhr nach Sachsen verboten, viele aber dieses nicht wissend Waaren nach Böhmen führen und auf zu holendes Getreide Geld geben", durch dieses Ausfuhrverbot aber zu Schaden kommen, verbietet Herzog Georg 1531 bei „ernstlicher Straf“ die Ansfuhr nach Böhmen. – Patent Kaiser Ferdinands vom 10. Dezember 1558: Auf des Kurfürsten August Ansuchen wurde gestattet, daß 4000 Scheffel Gerste in Böhmen für das Markgrafthum Meißen aufgekauft und ausgeführt wurden. (Rathsakten C. XXXII. 90c.) – Extract des Getreides, was in diesem umstehenden 1709. Jahre vom 5. April bis 4. September ist angebracht worden, als:

    0 5985 Scheffel Weizen,
    0 2267       “       Korn,
    0 9905       “       Gerste,
    0 9949       “       Erbsen,
          07       “       Hafer,
    018213 Scheffel Getreide.

    Dieses Getreide ist alles aus der Prettinischen, Mühlberg- und Strehlischen Pflege geholt und anher geschafft worden. Ferner: 3650 Scheffel Hofhafer und 2172 Scheffel Edelmannsgetreide. (Rathsakten C. XXXI. 15 Bl. 27.)

  2. C. XXXII. 90 c.
  3. Im Jahre 1682 beschweren sich sämmtliche schifffahrende Getreidehändler, daß die böhmischen Bauern sich über die 3 gewöhnlichen Sonnenscheine in Dresden aufhielten, wodurch ihrem Handel großer Abbruch geschehe (C. XXXI. 5). – Eine Beschwerde der Dresdner Getreidehändler vom Jahre 1716, daß die Fremden die 3 Sonnenscheine lang nicht feil hielten, sondern an den Dörfern anlegten und verkauften. (C. XXXI. 20).
  4. C. XXXII. 90 c. Bl. 7.
  5. C. XXXII. 90 c.
  6. O. Richter, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Dresden, Bd. I S. 194.
  7. C. XXXII. 1.
  8. C. XXXII. 1.
  9. C. XXXII. 90 y.
  10. C. XXXII. 3.
  11. C. XXXII. 6.
  12. C. XXXI. 6.
  13. C. XXXII. 7.
  14. C. XXXII. 2.
  15. 684 Scheffel Korn, 1451 Weizen, 669 Roggenmehl, 470 Weizenmehl.
  16. C. XXXII. 32.
  17. C. XXXII. 31. Bl. 36.
  18. C. XXXII. 40. Bl. 3.
  19. C. XXXII. 31. Bl. 30.
  20. C. XXXII. 57.
  21. C. XXXII. 55.
  22. C. XXXII. 57.
  23. Eine abermalige Revision am 21. Mai 1805 ergab einen Magazinvorrath von 25981/2 Scheffel Korn und 49581/2 Scheffel Weizen (C. XXXI. 77. Bl. 68).
  24. C. XXXII. 68.
  25. C. XXXII. 62. Bl. 24.
  26. C. XXXII. 80.
  27. Rathsbericht vom 27. Mai 1640: „Wie so gar übel die Soldaten vor den Thoren mit den armen Bauers- und andern Leuten, so uns etwas von Viktualien zubringen, umgehen, wie sie dieselben niederwerfen, plündern, schlagen und gar erbärmlich traktiren, wie Bauern niedergestochen, so daß sie große Klage führen und dadurch großer Mangel und Theuerung verursacht, daß sich die bösen Thäter noch öffentlich verlauten lassen und mit den geraubten Kleidern einen öffentlichen Trödel anfangen und die in den Gärten gestohlenen Viktualien und abgenommenen Zwiebeln und ander Gewächse auf öffentlichen Markt bringen und wenn wir durch unsern Marktmeister solches verwehren wollen, sich mit Gewalt widersetzen, daß er seines Lebens nicht sicher ist, so bitten wir E. Churfürstl. Durchl. dieses durch scharfe Verordnung zu remediren“. (C. XXXII. 2).
  28. C. XXXII. 8.
  29. C. XXXII. 90 v.
  30. C. XXXII. 90 f.
  31. C. XXXI. 18.
  32. C. XXXII. 89 k.
  33. C. XXXII. 12.
  34. C. XXXII. 21.
  35. C. XXXII. 26.
  36. C. XXXII. 26.
  37. C. XXXI. 23.
  38. C. XXXI. 12.
  39. C. XXXI. 40.
  40. C. XXXI. 92, Bl. 4–27.
  41. C. XXXI. 33.
  42. C. XXXI. 102 f.
  43. C. XXXI. 2.
  44. C. XXXI. 93. Bl. 4.
  45. C. XXXI. 93. Bl. 24.
  46. C. XXXI. 101 q.
  47. Cod. Aug. I. S. 1438.
  48. C. XXXI. 3.
  49. C. XXXI. 6.
  50. C. XXXI. 4.
  51. C. XXXII. 33.
  52. C. XXXII. 47.
  53. C. XXXII. 57.
  54. C. XXXII. 57.
  55. C. XXXII. 89 b.
  56. C. XXXI. 1.
  57. Im Volksmunde „Getreidespione“ genannt.
  58. C. XXXI. 1.
  59. Cod. Aug. I. S. 1554.
  60. C. XXXI. 1.
  61. Cod. Aug. I. S. 1619.
  62. C. XXXII. 10.
  63. C. XXXII. 10.
  64. C. XXXI. 1.
  65. C. XXXII. 89 8.
  66. C. XXXII. 89 0.
  67. C. XXXI. 1.
  68. C. XXXI. 24.
  69. C. XXXII. 11.
  70. C. XXXI. 28.
  71. C. XXXI. 42.
  72. C. XXXII. 26.
  73. C. XXXII. 28 b.
  74. C. XXXII. 30.
  75. C. XXXII. 31. Bl. 31.
  76. C. XXXII. 31. Bl. 74.
  77. C. XXXII. 31. Bl. 36.
  78. Die Scheine waren wie nachstehend vorgedruckt:
    Vorzeiger dieses N. N. so allhier wohnet, gehet mit
    zu N. N.
    ___ Wagen und ___ Pferden von hier ab, um
    ___ Schubkarren
    für sich zur eigenen Konsumtion
    für N. N. zur eigenen Konsumtion
    für hiesige Kommun zu deren Konsumtion

    Getreide einzukaufen, und werden diejenigen, so dergleichen an ihn überlassen, ersuchet, hierunter, was und zu welchem Preiße an ihn verkaufet worden, anzumerken, inmaßen derselbe bey seiner Zurückkunft diese Bescheinigung zurückzugeben und dadurch den davon gemachten Gebrauch beyzubringen hat.

    Sig. N. N. den   1771.      
    N. N.  

    (C. XXXII. 32. Bl. 73.)

  79. C. XXXII. 32.
  80. C. XXXII. 32. Bl. 111.
  81. C. XXXII. 32.
  82. C. XXXII. 90 I.
  83. C. XXXII. 32. Bl. 123.
  84. C. XXXII. 32. Bl. 120.
  85. C. XXXII. 33.
  86. C. XXXII. 33.
  87. C. XXXII. 33. Bl. 1.
  88. C. XXXII. 33. Bl. 29.
  89. C. XXXII. 33. Bl. 54.
  90. C. XXXII. 33. Bl. 82.
  91. C. XXXII. 29.
  92. C. XXXI. 33 a.
  93. C. XXXII. 46.
  94. C. XXXII. 57.
  95. C. XXXII. 57. Bl. 25.
  96. C. XXXI. 77. Bl. 2 und 9.
  97. C. XXXII. 90 o.
  98. C. XXXI. 77. Bl. 15.
  99. C. XXXI. 77.
  100. Die erste Revision ergab 25981/2 Scheffel Korn und 49581/2 Scheffel Weizen.
  101. C. XXXI. 77.
  102. C. XXXI. 77. Bl. 53.
  103. C. XXXI. 77. Bl. 12 flg.
  104. C. XXXI. 77. Bl. 61 a.
  105. C. XXXI. 77. Bl. 93.
  106. C. XXXI. 77. Bl. 208 und 212.
  107. C. XXXI. 77.
  108. C. XXXI. 77. Bl. 123.
  109. C. XXXI. 77. Bl. 231.
  110. C. XXXI. 85. Bl. 1.
  111. C. XXXII. 66.
  112. C. XXXI. 95. Bl. 27.
  113. Ein Groschen pro Scheffel Hafer zum Besten des Stadtkrankenhauses.
  114. C. XXXI. 98.
    Die Eingabe der Kommunrepräsentanten richtete sich gegen eine Handelsgesellschaft, welche ein Kaufmann Friederici im Jahre 1829 gegründet hatte. Friederici war von Schlesien nach Dresden gekommen, hatte die Erlaubniß zum Getreidehandel nachgesucht und erhalten und mehrere große Magazine in Dresden errichtet. Er schloß mit mehreren ausländischen und sämmtlichen sächsischen Getreidehändlern (mit Ausnahme von zweien) Verträge, wonach alles Getreide, das zu Wasser in Dresden eintraf, von ihm übernommen wurde und er den Verkauf allein leitete. Jeder in diese Kompagnie aufgenommene Getreidehändler zahlte mehrere tausend Thaler ein, wodurch die Gesellschaft in Stand gesetzt war, im Auslande (meist Rußland) große Parthien Getreide zu kaufen und in die Friederici’schen Magazine zu bringen. Den Bauern zahlte die Kompagnie gute Preise, so daß diese ihr Getreide gerne in die Magazine lieferten. Kamen jedoch Getreideschiffer nach Dresden, die nicht zur Kompagnie gehörten, so wurden von der Handelsgesellschaft so niedrige Verkaufspreise veröffentlicht, daß der Schiffer womöglich mit Verlust losschlagen mußte und Dresden in Zukunft fern blieb. Auf diese Weise hatte die Gesellschaft fast ein Getreidemonopol erlangt, so daß Bäcker, Brauer, Brenner und Mehlhändler von ihr zu kaufen gezwungen waren.
  115. C. XXXII. 81. Es waren dies damals die einzigen Dampfkräfte Dresdens.
  116. Denkschrift des Regierungsraths Reuning.
  117. C. XXXII. 82.
  118. C. XXXII. 92 d.
  119. C. XXXII. 82. Bl. 74.
  120. C. XXXII. 83. Bl. 1–7.
  121. C. XXXII. 82.
  122. C. XXXII. 83.
  123. C. XXXII. 83. Bl. 25.
  124. C. XXXI. 98.
  125. C. XXXI. 102 f.
  126. C. XXXI. 98. Bl. 122.
  127. C. XXXI. 98 Bl. 138.
  128. C. XXXI. 98. Bl. 139.
  129. C. XXXII. 89.
  130. Rathsakten C. XXVII. 1.
  131. C. XXVII. 2. Bl. 69–77, 111.
  132. C. XXVII. 1. Bl. 24.
  133. C. XXIX. 1. Bl. 4.
  134. C. XXVIII. 5.
  135. C. XXIX. 6. Bl. 6.
  136. C. XXVII. 2. Bl. 83.
  137. C. XXVII. 2. Bl. 93.
  138. C. XXVIII. 21 b Bl. 44. ff.
  139. C. XXVIII. 21 b Bl. 30.
  140. C. XXIX. 51. Bl. 57.
  141. C. XXVIII. 21 b Bl. 1–7.
  142. C. XXVII. 2. Bl. 40.
  143. C. XXVIII. 5.
  144. C. XXIX. 1. Bl. 12.
  145. C. XXVII. 2. Bl. 129.
  146. C. XXVII. 2. Bl. 129.
  147. C. XXIX. 27. Bl. 3.
  148. C. XXIX. 51. Bl. 101.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: doppelt und