Carl Christian Gercken, der Verfasser der Chronik von Stolpen
Zu den Männern, welche sich um die Aufzeichnung der Ortsgeschichte Stolpens hochverdient gemacht haben, gehört in erster Linie Carl Christian Gercken. Auf seinen Namen stößt der Geschichtsforscher wiederholt. Sehr wertvoll ist die Chronik, welche Gercken über Burg und Stadt Stolpen verfaßte. In diesem Werke hat er sich ein dauerndes Denkmal selbst errichtet. Die von Gercken über Stolpen verfaßte Chronik erschien im Jahre 1764 und zählt 788 Seiten. Dieselbe führt folgenden Titel:
„Historie der Stadt und Bergfestung Stolpen, im Marggrafthume Meißen gelegen, aus zuverlässigen Nachrichten entworffen von M. Carl Christian Gercken. Dreßden und Leipzig, zu finden im Adreß-Comtoir 1764.“ – Der Verfasser hat diese Chronik dem damaligen sächsischen Conferenz-Minister gewidmet und zwar mit folgenden Worten:
Herrn Thomas, des Heil. Römischen Reichs Freyherrn von Fritsch, Sr. Churfürstlichen Durchl. zu Sachsen hochbetrautem Conferenz-Ministre und. würklichem Geheimden Rathe etc.
Hochgeborener Freyherr, Gnädiger Herr,
Ew. Hoch-Freyherrl. Excellenz haben jederzeit, wie gegen die Wissenschaften überhaupt, also gegen die Geschichte des Vaterlandes insonderheit, so vorzüglich hohe Gnade geäußert, daß ich mich gegenwärtig erkühne, deroselben die Historie meiner Vaterstadt Stolpen in Unterthänigkeit zuzueignen. Der hohe Beifall, dessen Ew. Hoch-Freiherrl. Excellenz meine geringe Arbeit schon damals zu würdigen geruheten, als ich nur einige wenige Capitel deroselben vorzulegen die Gnade hatte, da ein trauriges Schicksal Ew. Hoch-Freyherrl. Excellenz mit mehreren vornehmen Herrschaften aus der Kgl. Residenz nach Stolpen zu gehen nöthigte, hat mich desto mehr aufgemuntert, das angefangene Werk zu vollenden. Wie glücklich würde ich mich nunmehr schätzen, wenn meine ganze Arbeit in ihrem ganzen Umfange den Beifall eines so großen Kenners erlangen sollte! Ew. Hoch-Freyherrl. Excellenz werden inmittelst gnädigst geruhen, meine gegenwärtigen Bemühungen zur Erläuterung der Geschichte [130] des Vaterlandes mit huldreichen Augen anzusehen und einer gnädigen Aufnahme zu würdigen. Der allerhöchste Gott lasse Ew. Hochwohlgeb. Excellenz und dero Hoch-Freyherrl. Haus zu aller Zeit seiner besonderen gnädigen Aufsicht befohlen sein, und überschütte dieselben aus der Fülle seines Reichtums mit überschwenglichem Segen! Er erfülle die brünstigen Wünsche aller Redlichen des, durch die gesegneten Bemühungen Ew. Hoch-Freyherrl. Excellenz, mit Friede und Ruhe wieder erquickten Vaterlandes,[1] für dero dauerhaftes Glück und hohes Wohlergehen und lasse dieselben, mit vieler vorzüglicher Huld des durchlauchtigsten Chur-Hauses geschmückt, zum Heil des ganzen Landes, mit muntern Kräften, bis in die spätesten Jahre arbeiten! Mit diesem ehrfurchtsvollen Wunsche empfehle Ew. Hoch-Freyherrl. Excellenz mich zu hoher Gnade, und beharre mit tiefstem Respect
Stolpen, den 25. Septbr. 1764
Ew. Hoch-Freyherrl. Excellenz unterthänigster
M. Carl Christian Gercken.“ –
M. Carl Christian Gercken wurde am 19. Oktober 1731 zu Stolpen geboren, wo sein Vater, Christian Ernst Gercken, Archidiakonus war. Seinen ersten Unterricht erhielt er in der Schule seiner Vaterstadt. Diese Stadtschule stand damals unter dem Rektor M. Nestler und hatte weit und breit einen guten Ruf. Im Jahre 1745 kam Gercken wohlvorbereitet auf die Kreuzschule zu Dresden und hat daselbst „als Con-Rector studiret“. Seine Lehrer waren der berühmte Rektor Christian Schoettgen und Eph. Kretzschmar. „Nach getaner öffentlichen Valediction“ (Abschiednehmen, Abschiedsrede) bezog Gercken im Jahre 1750 die Universität Leipzig und hörte die dasigen berühmten Lehrer in Philosophicis und Theologicis, und hielt als Senior am Geyer’schen Freitische sowohl anno 1752 als anno 1753 die gewöhnliche Gedächtnisrede im „Auditorio Philosophico.“
In Wittenberg holte er sich 1753 den Magistertitel unter dem Dekanat Professor Christian Crußi. Darauf verließ Gercken Leipzig und ließ sich den 3. Oktober desselben Jahres „pro Candidatura“ vor dem Oberkonsistorium zu Dresden prüfen. Darauf kehrte er in seine Vaterstadt und in’s Vaterhaus zurück und übte sich hier, wie er selbst erzählt, im Predigen. Das letzte Jahr vor seiner Beförderung in die künftige Amtsstellung war er als „Privat-Informator Gülden“ im Hause des Herrn Amtsmannes tätig. Im Jahre 1755 berief ihn der Rat der Stadt Stolpen „zu dem erledigten Diakonat“, wozu er am 17. Aug. die Probepredigt ablegte, worauf den 22. August zu Dresden die Ordination und Konfirmation, der wirkliche Amtsantritt aber erst am 31. August des genannten Jahres erfolgte. In dieser Stellung war Gercken bis zum Jahre 1771 tätig, darauf wurde er als Pastor von Stolpen angestellt. Als solcher wirkte er hier bis zu seinem Tode, der ihn 1795 in das Jenseits abrief. – Vermählt ward Gercken 1757, den 11. Oktober, mit Christiane Renata, der ältesten Tochter des Kurfürstl. Sächs. Accisinspektors Joh. Gottfried Barthel zu Pulsnitz, der später Amts-Steuer-Einnehmer zu Stolpen wurde.
Carl Christian Gercken muß schriftstellerisch sehr tätig gewesen sein; denn davon zeugt zunächst seine über Stolpen verfaßte Chronik. Es ist dieses Werk aber nicht das einzige von ihm verfaßte Buch. Er führt selbst noch einige Schriften an, z. B.
- „Dissertatio de Justini Matvris ad religionem Christianam conversione admodum memorabili. Lips. 1763. 4to. plag. 2½“,
ferner:
- „Davids Aufmunterung an das Stolpnische Zion, die Werke des Herrn, bei der heilsamen Reformation, dankbarlich zu erzählen.“
Friedrichstadt. 4to. 2½ Bogen.
Diese Arbeit ist eine Predigt über Psalm 138 und wurde von Gercken am Neujahr 1759 gehalten und zwar zum Andenken der vor 200 Jahren im Amte Stolpen vorgenommenen Kirchen-Reformation. Auch noch einige von ihm verfaßte historische Aufsätze führt Gercken an, die er im Jahre 1763 „in den Dreßdner gelehrten Anzeigen“ habe erscheinen lassen.
Den Anfang zu seiner lesenswerten und wertvollen Chronik machte Carl Christian Gercken schon auf der Kreuzschule zu Dresden. Anregung hierzu erhielt er durch seinen Lehrer, den Rektor Schoettgen, der Gerckens Liebe und Neigung zur vaterländischen Geschichte bald kennengelernt hatte. Darum munterte dieser ihn auf, doch die Nachrichten seiner Vaterstadt zu sammeln. Gercken schreibt in dem Vorwort seiner Chronik über Stolpen wörtlich folgendes:
„Der selige Rektor Schoettgen an der Schule zum heil. Creutz in Dreßden, den ich als meinen ehemaligen treuen Lehrer noch in der Grube verehre, hatte daher meine natürliche Neigung zur Geschichte des Vaterlandes kaum vermerket, als er mich aufmunterte, die Nachrichten von meiner Vaterstadt zu sammeln, und versprach mir zugleich, mit Allem willigst an die Hand zu gehen, was ihm etwan davon vorkommen möchte, welches er auch nach der Zeit redlich erfüllet hat. Ich machte demnach, noch auf der Creutz-Schule, einen Anfang mit meiner historischen Arbeit, und da ich durch nur belobten Herrn Rector in die Bekanntschaft des nun auch seeligen Herrn M. Kreißig gerieth, so habe ich nicht nur durch die Willfährigkeit dieser beiden berühmten Männer, von Zeit zu Zeit, feine Nachrichten erhalten, sondern auch an meinem eigenen Fleiße nichts ermangeln lassen, etwas Vollständiges liefern zu können.“
Gercken hat nach Jahren mit der größten Gewissenhaftigkeit seine Arbeit vollendet und durch seine Chronik ein bleibendes Andenken sich gesichert.
Schon im Anfange des 18. Jahrhunderts war von einem Vorgänger Gerckens, dem M. Carl Samuel Senff (geb. den 23. Mai 1666 in Stolpen, gest. den 17. März 1729 als Pastor in Stolpen) Stoff zu einer Chronik von Stolpen mit einem wahren Bienenfleiße und mit großer Sachkenntnis gesammelt worden. Gercken schreibt hierzu: „Der Fleiß und die Geschicklichkeit, so derselbe in andern historischen Schriften sittsam bewiesen, hätte uns allerdings viel Gründliches von seiner geübten Feder erwarten lassen; allein der unglückliche Brand, der unsere Stadt anno 1723, den 4 Martii, verheerete, beraubte ihn auf einmal seiner schönen Sammlung zur Stolpnischen Geschichte. Und ob er wohl anfänglich nicht ungeneigt war, eine neue Sammlung von historischen Sachen, seine Vaterstadt betreffend, zu veranstalten, so verhinderten ihn doch die vielen Geschäfte, die ihm damals oblagen, und vielleicht auch das zunehmende Alter, an wirklicher Ausführung seiner löblichen Absichten. Die Geschichte der Stadt Stolpen blieb also gänzlich liegen, und es war zu bedauern, daß nicht einmal die alten Urkunden, welche der sel. Senff mit vieler Mühe gesammelt hatte, der Flamme waren entrissen worden.“ Jener furchtbare Stadtbrand hatte die Früchte eines jahrzehntelangen Forschens mit einem Male vernichtet. Darum müssen wir Gercken heute noch dankbar sein, daß er in die Arbeit des verdienstvollen M. Carl Samuel Senff eintrat. Es war das nicht leicht, mit vieler Mühe mußten die alten Urkunden aus den umliegenden Orten herbeigeholt [132] und durchforscht werden. Gercken sagt: „Darf ich mir nun gleich nicht schmeicheln, daß meine Stolpnische Geschichte so vollständig, als möglich geraten sei, so verhoffe ich doch, der geneigte Leser werde mit demjenigen zufrieden sein, was ich allhier zu seinem Gebrauche widme, und desto billiger von dem ganzen Werke urteilen, da ich die sämtlichen Nachrichten einzeln und zerstreut habe zusammensuchen, und die meisten von auswärts herbeiholen müssen, weil die vielen Brände, die unsere Stadt betroffen, auch die alten Papiere mit verzehret haben.“ – Der Name Gercken wird unvergeßlich bleiben.
- ↑ Bezieht sich auf den Friedensschluß des 7jährigen Krieges 1763 zu Hubertusburg.