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Carl Schmelzer sen., Werdau, Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei

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Textdaten
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Autor: Diverse
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Titel: Carl Schmelzer sen., Werdau, Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei
Untertitel:
aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Carl Schmelzer sen., Werdau
Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei.


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Carl Schmelzer sen., Werdau
Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei.

Werdau ist eine der ältesten Städte Sachsens, aber es zeichnet sich vor seinen Altersgenossinnen dadurch aus, daß es in industrieller Hinsicht trotz alledem durchaus modern ist. Andere sächsische Städte von der gleichen ehrwürdigen Vergangenheit sind greisenhaft geworden und zurückgeblieben. Abseits gelegen von den großen Etappenstraßen des Welthandels und der Industrie, sind sie von jüngeren, frischaufstrebenden Gemeinwesen überflügelt worden. Werdau dagegen ist mit dem Strome der Zeit fortgeschritten und wer es heute sieht mit seinen weit über hundert rauchenden Fabrikschlöten, seinen großen Etablissements, in denen die Dampf­-Maschinen keuchen und die Räder sausen, der erkennt, daß es noch lange nicht am Endpunkte seiner Entwicklung angelangt ist. –

Die industrielle Bedeutung einer Stadt wird durch die Firmen geschaffen, die in ihr seßhaft sind, und eine derjenigen, die schon länger denn ein halbes Jahrhundert dazu beigetragen haben, Werdau zu einer industriellen Zentrale im gewerbfleißigen Sachsen zu machen, ist die Firma Carl Schmelzer sen., der die nachfolgenden Zeilen gewidmet sind.

Die heutige Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei von Carl Schmelzer sen. wurde 1837 von – später mit dem Ehrenkreuz des Verdienstordens ausgezeichneten – Herrn Carl Gottlieb Schmelzer begründet. Das junge Etablissement, das auf sehr bescheidener Basis ins Leben gerufen wurde, begann seine Thätigkeit als Handkämmerei und Spinnerei. In der ersten Zeit besaß es noch den primitiven Göpelbetrieb durch Pferde. In den vierziger Jahren wurde sodann die Pferdekraft durch Dampf ersetzt und von da an datiert sich eine Epoche blühendster Entwicklung, die noch heute nicht ihren Abschluß gefunden hat. Die Fabrik, welche einst über nach unseren heutigen Begriffen so beschränktes Betriebsmaterial verfügte, besitzt gegenwärtig allein eine Dampfkraftanlage, die 500 Pferdekräfte repräsentiert.

Die Firma Carl Schmelzer sen. befindet sich noch immer im Besitze der Familie des Begründers. Sie ging von dem letzteren 1862 auf dessen Sohn, Herrn Carl Hermann Schmelzer über, und nach dessen im Jahre 1888 erfolgten Tode auf die Erben Frau Marie verw. Schmelzer, deren Söhne, die Herren Otto, Carl und Paul Schmelzer, sowie dem einstigen langjährigen Prokuristen, Herrn Bruno Schmelzer.

Die Nachfolger traten in die Fußtapfen des Begründers und es gelang ihnen, ausgestattet mit der gleichen Energie, mit derselben Sachkenntnis und mit demselben weitschauenden Kaufmannsblick, die Firma einer glänzenden Entwicklung entgegenzuführen. Die Fortschritte, welche das [Ξ] Etablissement gemacht hat, werden am besten durch den heutigen Umfang der Anlagen gekennzeichnet. Während die Werdauer Fabrik durch Um- und Neubauten sich nach und nach zu dem auf unserem Bilde ersichtlichen, imponierenden Gebäudekomplex auswuchs, wurde 1890 auch noch in dem nahe gelegenen Ort Lichtentanne eine Zweigfabrik gegründet, die mit den modernsten Einrichtungen, u. a. elektrische Beleuchtung, ausgestattet ist. Dabei verfügt die Werdauer Zentrale über eine Dampf­-Maschine von 200 Pferdekräften, die Filiale in Lichtentanne über eine solche (Compoundsystem) von 300 Pferdekräften. Die Gesamtzahl der Arbeiter in beiden Etablissements beläuft sich auf insgesamt 300. In Thätigkeit befinden sich außer der eigenen Wollkämmerei 16 500 Selfaktorspindeln und 3300 Ringzwirnspindeln.

Das Erzeugnis der Firma Carl Schmelzer sen. ist Kammgarn – dieses aber in allen Qualitäten und Nummern, von den stärksten bis zu den feinsten, einfach und gezwirnt, außerdem werden noch die aus der Kämmerei und Kammgarnspinnerei entfallenden kurzen Wollen und Abgänge zu rohweißen Streichgarnen auf vorhandenen Streichgarnmaschinen gesponnen. Als erstes und Hauptziel wurde von jeher die Herstellung tadelloser Gespinste ins Auge gefaßt.

Die hierdurch bedingte fortwährende Erneuerung und Verbesserung der Maschinen wurde in jeder Entwicklungsperiode strikt durchgeführt, so daß das Etablissement heute ebenso mit dem modernsten und leistungsfähigsten Betriebsmaterial versehen ist, wie es andererseits aber auch einen beneidenswerten flotten Absatz seiner Fabrikate nachweisen kann. Dieser Absatz wird in erster Linie von Deutschland und Österreich vermittelt, wo die Gespinste zu Trikotgeweben, Damenkleiderstoffen und Herrenkonfektion verarbeitet werden. Als Rohprodukt bezieht die Firma Carl Schmelzer sen. Schafwolle deutschen und überseeischen Ursprungs.

An arbeiterfreundlichen Stiftungen besitzt die Firma eine Unterstützungskasse, zu der durch Herrn Carl Hermann Schmelzer 1887 bei seinem 25-jährigen Geschäftsjubiläum mit einem Kapitale von 10 000 Mark der Grundstock gelegt wurde. Dieselbe dient mit ihren Zinsen dazu, langjährigen treuen Arbeitern jährliche Renten zu gewähren.

Nicht vergessen sei endlich, daß im Jahre 1883 Se. Majestät König Albert das Etablissement mit seinem Besuche beehrte und eingehend besichtigte – ein Beweis, daß auch an höchster Stelle die schöpferische Arbeit der Firma die entsprechende Würdigung gefunden hat.