Chemische Briefe/Zweiunddreissigster Brief

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Zweiunddreissigster Brief.


Brod und Fleisch, oder vegetabilische und animalische Nahrung, wirken, in Beziehung auf die Functionen, welche die Menschen mit den Thieren gemein haben, auf einerlei Weise, sie erzeugen in dem lebendigen Leibe dieselben Producte. Das Brod enthält in seiner Mischung in dem Pflanzen-Albumin und -Fibrin des Klebers zwei Hauptbestandtheile des Fleisches, und in seinen unverbrennlichen Bestandtheilen die für die Blutbildung unentbehrlichen Salze in gleicher Beschaffenheit und in ähnlichem Verhältniss wie das Fleisch; aber das Fleisch enthält ausser diesen noch eine Anzahl Stoffe, welche in der vegetabilischen Nahrung völlig fehlen, und es sind von diesen anderen Fleischbestandtheilen gewisse Wirkungen abhängig, durch welche sich das Fleisch von anderen Nahrungsmitteln sehr wesentlich unterscheidet.

Wenn man fein gehacktes Muskelfleisch mit kaltem Wasser auslaugt und auspresst, so bleibt ein weisser faseriger Rückstand, der aus der eigentlichen Muskelfaser, aus Bindegewebe, Gefässen und Nerven besteht.

Bei vollkommener Auslaugung löst das kalte Wasser 16 bis 24 Gewichtsprocente des trockenen Fleisches auf; das Fleischfibrin oder der Hauptbestandtheil der Muskelfaser macht über ¾ von dem Gewicht des ausgelaugten Fleischrückstandes aus. Wird dieser nach dem Auspressen auf 70 bis 80° C. erhitzt, so ziehen sich die Fasern zusammen, schrumpfen ein und werden hornartig hart; es tritt eine Veränderung, eine Art von Gerinnung ein, in deren Folge die Fleischfaser ihre Fähigkeit verliert, Wasser schwammartig einzusaugen und zurückzuhalten, es fliesst Wasser aus; ohne dass Wasser zugesetzt worden ist, schwimmt der erhitzte Fleischrückstand in Wasser. Das ausgelaugte und gekochte Fleisch ist wie die Brühe, in welcher es gekocht wurde, geschmacklos oder von schwach ekelerregendem Geschmacke, es lässt sich nicht kauen und wird selbst von Hunden nicht mehr berührt.

Alle schmeckenden Bestandtheile des Fleisches sind im Fleischsafte enthalten und können durch kaltes Wasser hinweggenommen werden.

Wenn man den wässerigen, von Blutfarbstoff gewöhnlich roth gefärbten Fleischauszug allmählich bis zum Sieden erhitzt, so scheidet sich, wenn die Flüssigkeit die Temperatur von 56° C. angenommen hat, das aufgelöste Fleischalbumin in beinahe weissen käsigen Flocken ab; erst bei 70° C. gerinnt der Blutfarbstoff; die Flüssigkeit wird schwach gelblich, klar, und färbt Lakmuspapier roth, ein Zeichen von dem Vorhandensein einer freien Säure.

Die Menge des in der Hitze als Gerinnsel sich ausscheidenden Fleischalbumins ist je nach dem Alter der Thiere sehr verschieden. Das Fleisch

[283] von alten Thieren liefert oft nur 1 bis 2 Procent, das junger Thiere bis 14 Procent.

Der Fleischauszug, nach dem Aufkochen von Blutfarbstoff und Fleischalbumin befreit, besitzt den aromatischen Geschmack und alle Eigenschaften der durch Kochen des Fleisches bereiteten Fleischbrühe. Beim Abdampfen, selbst in gelinder Wärme, färbt er sich dunkel, zuletzt braun und nimmt einen Bratengeschmack an; zur Trockene gebracht bleiben 12 bis 13 Procent des Fleisches (trocken gedacht) einer braunen etwas weichen Masse, welche in kaltem Wasser leicht löslich ist, und in etwa 32 Theilen heissem Wasser gelöst, nach dem Zusatz von etwas Kochsalz, diesem Wasser den Geschmack und alle Eigenthümlichkeiten einer vortrefflichen Fleischbrühe wiedergiebt. Die Intensität des Geschmacks des trockenen Fleischextracts ist sehr gross; kein Hülfsmittel der Küche ist demselben vergleichbar an würzender Kraft.

Der mit kaltem Wasser erschöpfte Fleischrückstand von verschiedenen Thieren ist von gleicher Beschaffenheit, so dass es nicht möglich ist in diesem Zustande das Ochsenfleisch vom Vogelfleisch oder von Reh, Schwein etc. zu unterscheiden.

Die Fleischbrühe hingegen von dem Fleisch verschiedener Thiere besitzt neben dem allgemeinen Geschmack, indem sich alle Fleischbrühen gleichen, noch einen besonderen Geschmack, welcher deutlich an den Geruch oder Geschmack des gebratenen Fleisches dieser Thiere erinnert, so dass, wenn dem gekochten Fleisch vom Reh die concentrirte Fleischflüssigkeit vom Ochsenfleisch oder Hühnerfleisch zugesetzt wird, es von gebratenem Ochsenfleisch oder Hühnerfleisch am Geschmack nicht mehr zu unterscheiden ist.

Die Fleischfaser ist, wie aus diesem Verhalten sich ergiebt, im natürlichen Zustande getränkt und umgeben von einer albuminhaltigen Flüssigkeit, und es hängt die zarte Beschaffenheit des gekochten oder gebratenen Fleisches von der Menge des in ihrer Substanz gelagerten und gerinnenden Albumins ab, wodurch das Zusammenschrumpfen, das Hart- und Zähwerden der Fleischfaser gehindert wird. Das Fleisch ist blutig gar, wenn es bis auf die Temperatur des gerinnenden Albumins, auf 56° C., es ist vollkommen gar, wenn es bis auf 70 bis 74° erhitzt worden ist, bei welcher Temperatur der Blutfarbstoff gerinnt.

Es ergeben sich hieraus einige für die Zubereitung des Fleisches nicht unwichtige Beziehungen, welche ihres allgemeinen Interesses wegen der Erwähnung vielleicht nicht unwerth sind. Wird das zur Speise bestimmte Fleischstück in den Topf gethan, wenn das darin befindliche Wasser sich in starkem Aufwallen befindet, das Sieden einige Minuten unterhalten und der Topf sodann an einen warmen Ort gestellt, so dass die Temperatur des Wassers sich auf 70 bis 74° C erhält, so sind die Bedingungen vereinigt, um dem Fleischstück die zum Genusse geeignete Beschaffenheit zu ertheilen.

Beim Einbringen in das siedende Wasser coagulirt sogleich von der Oberfläche einwärts das Fleischalbumin und bildet eine Hülle, welche das Ausfliessen des Fleischsaftes und das Eindringen des Wassers in das Fleischstück nicht mehr gestattet. Das Fleisch bleibt saftig und so schmackhaft

[284] als es überhaupt werden kann; der grösste Theil der schmeckenden Bestandtheile bleibt im Fleisch.

Wird das Fleischstück hingegen in kaltem Wasser aufgesetzt und dieses langsam zum Sieden gebracht und im Sieden erhalten, so verliert das Fleisch an seinen löslichen und schmeckenden Bestandtheilen, indem die Brühe reicher daran wird; von der Oberfläche nach dem Innern hin löst sich das Albumin auf; die Fleischfaser verliert mehr oder weniger von ihrer kurzen Beschaffenheit und wird hart und zähe. Je dünner das Fleischstück ist, desto grösser ist der Verlust an schmeckenden Bestandtheilen.

Es erklärt sich hieraus die bekannte Erfahrung, dass die Methode des Kochens, welche die beste Fleischbrühe liefert, das trockenste, zäheste und fadeste Fleisch giebt, und dass, um geniessbares Fleisch zu haben, auf gute Fleischbrühe verzichtet werden muss.

Wird fein gehacktes Fleisch mit seinem gleichen Gewicht kaltem Wasser langsam zum Sieden erwärmt, einige Minuten im Sieden erhalten und dann abgeseiht und ausgepresst, so hat man die kräftige und wohlschmeckendste Fleischbrühe, die sich aus dem Fleisch darstellen lässt. Bei längerem Kochen lösen sich aus dem Fleisch einige Procente mehr an organischen Bestandtheilen auf, allein der Geschmack und die Eigenschaften der Fleischbrühe werden dadurch in keiner Weise erhöht und verbessert. Durch die Einwirkung der Hitze auf die Fleischfaser fliesst stets eine gewisse Menge Wasser oder Fleischsaft aus, woher es kommt, dass das Fleisch beim Kochen, selbst im Wasser eingetaucht, am Gewichte (bis 15 Procent von dem Gewichte des frischen Fleisches) verliert; bei grösseren Stücken ist dieser Verlust geringer.

Auch beim Braten des Fleisches muss die einwirkende Hitze im Anfang am stärksten sein, sie kann später sehr gemässigt werden. Der wie beim Kochen ausfliessende Fleischsaft verdunstet beim vorsichtigen Braten an der Oberfläche des Fleischstücks, und giebt dieser die dunkelbraune Farbe, den Glanz und den starken gewürzhaften Bratengeschmack.

Die Bestandtheile des Fleischsaftes oder der Fleischbrühe sind sehr zahlreich, und nur unvollkommen bekannt; was man übrigens davon weiss, erregt grosses Interesse. Es giebt keinen Körpertheil, welcher zusammengesetzter ist als das Gebilde, welches wir mit Muskel bezeichnen. Unzählige Nerven, so wie feine, mit gefärbten und ungefärbten Flüssigkeiten angefüllte Gefässe verzweigen sich in der eigentlichen Muskelsubstanz; was wir mit Wasser daraus auslaugen, enthält die löslichen Bestandtheile des ganzen Gebildes. Die Fleischbrühe ist, wie das Fleisch selbst, von sehr zusammengesetzter Natur. Die meisten Bestandtheile derselben sind sehr reich an Stickstoff; zwei davon, das Kreatin und das Kreatinin, lassen sich in schönen, durchsichtigen, farblosen Krystallen daraus erhalten. Ganz besonders reich ist die Fleischbrühe an unverbrennlichen Bestandtheilen, sie machen über ¼ von dem Gewichte des trockenen Fleischextractes aus.

Die freie Säure der Fleischbrühe scheint erst in Folge einer Veränderung zu entstehen, welche ausnehmend rasch nach dem Tode eintritt, oder durch das Kochen bewirkt wird; die Muskeln frisch getödteter Thiere, vor dem Eintreten der Todtenstarre, färben blaues Lakmuspapier nicht roth.

[285] Das Kreatin ist, was man eine indifferente Substanz nennt, in dem Sinne jedoch nur, dass es weder die Rolle einer Säure, noch die einer Basis spielt.

Das Kreatinin hingegen, welches in viel kleinerer Menge als das Kreatin in der Fleischbrühe vorkommt, ist eine starke organische Basis; es reiht sich der Classe der stickstoffhaltigen organischen Basen des Pflanzenreiches an, zu welcher die furchtbarsten Gifte und wirksamsten Arzneien gehören; es reagirt alkalisch und bildet mit Säuren krystallisirbare Salze; es findet sich nur in thierischen Organismen. Kreatin und Kreatinin sind Producte des Lebensprocesses und Bestandtheile des Fleisches aller bis jetzt untersuchten Wirbelthiere. Das Fleisch des Menschen ist besonders reich an Kreatin. Beide Stoffe stehen in einer sehr engen Beziehung zu einander; sie enthalten dieselben Elemente, bis auf Wasserstoff und Sauerstoff, in dem nämlichen Verhältniss; das Kreatin enthält aber die Elemente von 4 Aeq. Wasser mehr als das Kreatinin; beide können das eine in das andere verwandelt werden. Bei Berührung des Kreatins mit einer starken Säure trennen sich 4. Aeq. Wasser von seinen Elementen und es entsteht Kreatinin, welches einen Theil der Säure neutralisirt. Letzteres nimmt bei der Abscheidung aus seiner Verbindung mit Chlor-Zink Wasser auf und geht rückwärts in Kreatin über [1]. (Heintz.)

Das Vorkommen dieser beiden Körper, so wie das eben erwähnte merkwürdige Verhalten lässt vermuthen, dass sie für den Lebensprocess Bedeutung besitzen, und es scheint namentlich mit dem Uebergang des Kreatins in Kreatinin eine Wirkung verbunden zu sein.

Aus der Fleischflüssigkeit (von Ochsenherz) hat man durch Destillation mit Schwefelsäure noch geringe Mengen an flüchtigen Säuren, Buttersäure, Essigsäure, Ameisensäure, und aus dem Rückstand Inosit (Scherer) einen stickstofffreien Körper erhalten, der in seiner Zusammensetzung dem Milchzucker gleicht und in den unreifen Bohnen (Phaseolus vulgaris) im Pflanzenreiche vorkommt, aber in vielen Eigenschaften von demselben verschieden ist; die Fleischbrühe enthält ferner eine der Milchsäure ebenfalls sehr ähnliche, aber in ihren Salzen abweichende stickstofffreie, und in der Inosinsäure (namentlich in der Fleischflüssigkeit des Huhnes) eine stickstoffhaltige Säure.

Alle diese Substanzen machen nur einen kleinen Theil des Fleischextractes aus; die bei weitem grössere Masse desselben besteht aus unkrystallisirbaren Verbindungen, deren Eigenschaften noch nicht hinlänglich studirt sind, so dass man die Mittel noch nicht kennt, um sie von einander zu scheiden. Zu diesen gehören namentlich die schmeckenden Bestandtheile des Fleischsaftes und die unter ihnen, welche in gelinder Wärme sich so leicht bräunen, sodann eine Substanz, welche mit dem Leime die Eigenschaft theilt, in dicken zusammenklebenden Flocken von Gerbstoff oder einem Auszuge von Galläpfeln gefällt zu werden. In dem ausgelaugten Fleischrückstande lässt sich keine Harnsäure und in dem wässerigen

[286] Fleischauszuge weder Harnsäure noch Harnstoff entdecken, und es scheint dies anzuzeigen, dass diese Producte des Stoffwechsels, welche zur Excretion bestimmt sind, mit eben der Schnelligkeit hinweggeführt werden, als sie sich bilden. Der Fleischsaft enthält, wie früher bemerkt, eine Chlorverbindung, und zwar nicht Chlornatrium (Kochsalz), sondern vorzüglich Chlorkalium. Es ist dies um so bemerkenswerther, da das Blut, welches in den Muskeln circulirt, verhältnissmässig so reich an Kochsalz ist[2].

Die Fleischflüssigkeit enthält in ihrer Mischung unzweifelhaft die zur Bildung des ganzen Muskels und zur Vermittelung aller seiner Eigenthümlichkeiten nothwendigen Bedingungen, in dem Fleischalbumin die zum Uebergang in Fleischfibrin und in den anderen Bestandtheilen die zur Erzeugung der Bindegewebe und Nerven dienenden Materien.

Der Fleischsaft enthält die Nahrung des Muskels, das Blut die Nahrung des Fleischsaftes; das Muskelsystem ist die Quelle aller Kraftwirkungen im thierischen Körper, und es kann in diesem Sinne der Fleischsaft als die nächste Bedingung der Krafterzeugung angesehen werden.

Von diesem Gesichtspunkte aus erklärt sich die Wirkung der Fleischbrühe; sie ist die Arznei des Genesenden. Niemand schätzt ihren Werth höher, als der Arzt in den Spitälern, für dessen Patienten die Fleischbrühe, als Mittel zur Hebung der erschöpften Kräfte, durch keine anderen Materien des Arzneischatzes ersetzt werden kann; ihre belebende Wirkung auf den Appetit, auf die Verdauungsorgane, die Farbe und das Aussehen der Kranken ist in die Augen fallend.

Es ist einleuchtend, dass die Bestandtheile des Blutes, welche so verschieden von denen des Fleischsaftes sind, eine ganze Reihe von Veränderungen erleiden müssen, ehe sie die zur Erzeugung des belebten Muskels geeignete Form und Beschaffenheit erhalten, ehe sie zu Bestandtheilen des Fleischsaftes werden. In dem Fleische geniessen wir diese Producte fertig zubereitet, nicht in unserem, sondern in einem anderen Organismus, und es ist ausnehmend wahrscheinlich, dass sie oder ein Theil derselben die Fähigkeit behalten, in einem zweiten Organismus ähnliche Wirkungen hervorzubringen, wie in dem, in welchem sie gebildet wurden.

Darin liegt offenbar der hohe Werth, den das ganze Fleisch als Nahrungsmittel besitzt; Heu und Hafer, Kartoffeln, Rüben, Brod etc. bringen im lebenden Leibe Blut und Fleisch hervor, aber keines von allen diesen Nahrungsmitteln erzeugt wieder Fleisch mit gleicher Schnelligkeit wie Fleischnahrung, und es stellt die in der Arbeit verbrauchte Muskelsubstanz mit einem gleich geringen Aufwand von organischer Kraft wieder her.

Einsichtsvolle und erfahrene Aerzte und Chemiker, darunter vorzüglich Parmentier und Proust, haben sich vor Jahren bemüht, dem

[287] Fleischextract eine ausgedehntere Anwendung zu verschaffen. „Im Gefolge eines Truppencorps“, sagt Parmentier, „würde der Fleischextract dem schwerverwundeten Soldaten ein Stärkungsmittel bieten, welches mit etwas Wein seine durch grossen Blutverlust geschwächten Kräfte augenblicklich heben und ihn in den Stand setzen würde, den Transport in’s nächste Feldhospital zu ertragen.“ „Es giebt keine glücklichere Anwendung, die sich erdenken liesse“, sagt Proust. „Welche kräftigendere Arznei, welche mächtiger wirkende Panacee, als ein Stück des ächten Fleischextractes aufgelöst in einem Glase edlen Weines? Die ausgesuchtesten Leckerbissen der Gastronomie sind alle für die verwöhnten Kinder des Reichthums! Sollten wir denn nichts in unseren Feldlazarethen haben für den Unglücklichen, den sein Geschick verurtheilt, für uns die Schrecken eines langen Todeskampfes im Schnee und im Koth der Sümpfe zu erdulden?“

Jetzt, nachdem uns die Wissenschaft mit der Natur und Beschaffenheit des Fleischsaftes genauer bekannt gemacht hat, erscheint es als eine wahre Gewissenssache, die Vorschläge dieser edlen Männer der Aufmerksamkeit der Regierungen wiederholt zu empfehlen.

In Podolien, in Buenos Ayres, in Mexico, in Australien[3], in vielen Gegenden der Vereinigten Staaten Nordamerika’s, wo das Rindfleisch oder das Fleisch von Schafen kaum einen Werth besitzt, liessen sich mit den einfachsten Mitteln die grössten Quantitäten des besten Fleischextractes sammeln, dessen Zufuhr für die kartoffelessende Bevölkerung Europa’s vielleicht eine ganz besondere Bedeutung gewinnen dürfte. Für die zahlreichen Hospitäler des Continents und die bedauernswürdigen Bewohner derselben würde dieser Fleischextract die Fleischbrühe ersetzen und der Arzt darin das Mittel haben, stets und unter allen Umständen eine Fleischbrühe von gleichförmiger Beschaffenheit und beliebiger Stärke zu verordnen.

Es ist mehrmals schon versucht worden, in Gegenden, wo das Fleisch sehr wohlfeil ist, Fleischextract im Grossen zu fabriciren, und unter dem Namen Suppentafeln einen Gegenstand des Handels daraus zu machen; aber das Product dieser Fabriken erwarb sich keine Freunde und wurde gerade in den Hospitälern, wo man es vorzugsweise hätte gebrauchen können, nicht angewendet. Der Grund hiervon lag in dem Product selbst; es war zu theuer und man wurde bald gewahr, dass es die Eigenschaften und Wirkungen der Fleischbrühe nicht hatte. Die schlechte Beschaffenheit der sogenannten Suppentafeln wurde vorzüglich durch eine ganz irrige Ansicht über die Ursache der Wirksamkeit der Fleischbrühe herbeigeführt. Man hatte nämlich gesehen, dass die durch Kochen vom

[288] Fleisch bereitete Fleischbrühe bei einer gewissen Concentration, ähnlich wie alle stark und gewürzhaft schmeckenden Fleischsaucen, zu einer Gallerte gesteht, und man gab sich, ohne eigentlich einen Grund dafür zu haben, der Meinung hin, dass diese am meisten in die Augen fallende Substanz auch die wirksamste und wichtigste und der Hauptbestandtheil der Fleischbrühe sei; so kam es denn nach und nach, dass man die gelatinirende Substanz für die Fleischbrühe selbst nahm, und da die Fabrikanten der Suppentafeln bald wahrnahmen, dass das beste Fleisch nicht die schönsten Tafeln gebe, dass das weisse Fleisch dieselben härter und leichter aufzubewahren machte, und die Sehnen, Füsse, Knorpel, Knochen, Elfenbein und Hirschhorn die schönsten, klarsten, durchsichtigsten Gallerttafeln lieferten, die man wohlfeil gewann und zu hohem Preis verkaufte, da verwandelte der Unverstand und die Liebe zum Gewinn die kostbaren Bestandtheile des Fleisches in Leim, der sich vom gewöhnlichen Tischlerleim nur durch seinen hohen Preis unterschied. Es war kein Wunder, dass dieses Product sich keinen Eingang verschaffen konnte.

Die irrige Ansicht, dass die Leimsubstanz das wirkende Princip in der Fleischbrühe sei, führte in dem Hospitale St. Louis in Paris zu dem Versuch, die ächte, wahre Fleischbrühe zur Hälfte durch Leim, den man aus Knochen durch Kochen bereitet hatte, zu ersetzen; aber von da an wurde die Wirksamkeit der Leimsubstanz Gegenstand der Beobachtung wissenschaftlicher Männer (Donné), und die von ihnen ermittelten Thatsachen führten zu einem Widerstreite der Meinungen, und in Folge desselben zu werthvollen Untersuchungen (worunter die einer Commission der französischen Akademie, an deren Spitze Magendie stand, besonders hervorzuheben sind) über die Ernährungsfähigkeit des Leims und die Ernährung überhaupt, wodurch die früheren Irrthümer berichtigt und eine Menge neuer Thatsachen über den Ernährungswerth vieler animalischer und vegetabilischer Nahrungsmittel festgestellt und gewonnen wurden. Es ist jetzt durch die überzeugendsten Versuche bewiesen, dass die an sich geschmacklose und beim Genusse Ekel erregende Leimsubstanz keinen Ernährungswerth besitzt, dass sie, selbst begleitet von den schmackhaften Bestandtheilen des Fleisches, den Lebensprocess nicht zu unterhalten vermag und als Zusatz zu der gewöhnlichen Lebensordnung den Ernährungswerth der Speisen nicht erhöht, sondern im Gegentheil beeinträchtigt, unzureichend und unvollständig macht; dass ihr Genuss eher schädlich als nützlich ist, weil sie nicht, wie die von der Natur zur Respiration bestimmten stickstofffreien Substanzen, in dem Leibe ohne Rückstand verschwindet, sondern das Blut mit stickstoffhaltigen Producten überladet, deren Gegenwart die organischen Vorgänge stört und hindert.

Wir wissen jetzt, dass die wirksamen Bestandtheile der Fleischbrühe in dem wässerigen Auszug fertig gebildet enthalten und nicht Producte der Küche sind, und dass der Leim der Fleischbrühe erst beim anhaltenden Kochen des Fleisches aus dem Bindegewebe der Muskeln entsteht. Seit dieser Zeit ist man von der Anwendung der Leimsubstanz als Ernährungs- und Stärkungsmittel völlig zurückgekommen, sie hat sich jetzt nur noch in der Form von schleimigen sehr wenig ansprechenden Suppen aus Fischflossen und Schildkrötenfleisch in China und England,

[289] als die selten richtig gewürdigte Quelle von Störungen des Verdauungsprocesses, in dem Bereiche der unwissenschaftlichen Kochkunst erhalten[4].

Es ist durch Erfahrung anerkannt, dass der Ernährungswerth des gekochten Fleisches sich vermindert, wenn es ohne die Fleischbrühe genossen wird, und durch directe Versuche bewiesen, dass das völlig ausgekochte und ausgelaugte Fleisch kaum einen Ernährungswerth noch besitzt. In den Versuchen der französischen Akademiker verlor ein Hund, der 12,6 Pfund wog und täglich ½ Pfund gekochtes Muskelfleisch erhielt, welches in Wasser eingeweicht, ausgepresst und möglichst von Fett befreit worden war, in 43 Tagen ¼ von seinem Gewichte, nach 55 Tagen war seine Magerkeit auf’s äusserste gekommen, der Hund vermochte kaum noch den vierten Theil seiner Ration zu fressen und die völlige Erschöpfung war sichtbar; das Thier blieb dabei lebhaft, sein Haar glänzend und es zeigte keineswegs die Erscheinungen der Schwindsucht, genau so, wie wenn es täglich eine gute Nahrung, aber in zu kleiner, dem Bedürfniss nicht entsprechender Menge empfangen hätte. Auf der anderen Seite beobachtete man an Hunden, die täglich eine gleiche Menge rohes Fleisch (welches mehr Wasser und weniger feste Substanz als gekochtes enthält) der schlechtesten Qualität (von Schafköpfen) erhielten, nach 120 Tagen kein Zeichen eines gestörten Gesundheitszustandes, ihr Gewicht blieb unverändert. Es ist ganz gewiss, dass auch das erstere Thier gesund geblieben wäre, wenn es das gar gekochte aber ausgelaugte Fleisch mit der Brühe bekommen hätte, und es war somit die Abnahme der Ernährungsfähigkeit des Fleisches offenbar herbeigeführt durch die Entziehung der Bestandtheile des Fleisches.

Keiner von allen organischen Bestandtheilen der Fleischbrühe macht, so weit die gegenwärtigen Untersuchungen reichen, einen Bestandtheil der Blutflüssigkeit aus; wir nehmen an, dass diese Bestandtheile zur Wiedererzeugung eines Muskels im lebendigen Körper beitragen können, aber sie sind unfähig in Blutalbumin oder Blutfibrin überzugehen; sie lassen sich eben so wenig als nothwendige Bedingungen des Verdauungs- und Ernährungsprocesses betrachten, da Milch und die vegetabilischen Nahrungsmittel vollen Ernährungswerth besitzen, ohne eine diesen Bestandtheilen ähnliche Materie zu enthalten.

Es lässt sich demnach nicht behaupten, dass die Abnahme des Ernährungswerthes des Fleisches durch Entfernung der organischen

[290] Bestandtheile des Fleischsaftes bedingt werde, und wir haben sonach den Grund dieser Erscheinung in den unverbrennlichen Bestandtheilen der Fleischbrühe oder des Fleischsaftes zu suchen.

Es genügt, einen Blick auf die Analysen der Asche des Fleisches, der Fleischbrühe und des ausgekochten und ausgelaugten Fleisches zu werfen, um sogleich wahrzunehmen, dass beim Kochen des Fleisches und Auslaugen die überwiegende Menge der Salze des Fleisches in die Fleischbrühe übergeht.

Vergleicht man nun die Aschenbestandtheile des Fleisches mit denen des Blutes der fleischfressenden Thiere, so findet man, dass beide (bis auf das Kochsalz im Blute) die nämlichen Elemente, sehr nahe in derselben Menge und demselben Verhältnisse enthalten. Das Fleisch enthält die Salze des Blutes und, wie die Fütterung mit Fleisch unwiderleglich darthut, in einem zur Blutbildung geeigneten und die vitalen Vorgänge in keiner Weise störenden Verhältnisse.

Wenn aber das Fleisch ausgekocht und ausgelaugt wird, so tritt eine Theilung dieser Salze ein, das rückständige Fleisch behält ein weit kleineres Verhältniss davon zurück, als wie das Blut enthält.

Das ganze Fleisch enthält nach dem Einäschern 3½ Procent (des trockenen Fleisches) an Salzen, das ausgekochte Fleisch noch nicht ganz 1 Procent. Von zehn Pfund frischem Fleisch erhält man im Ganzen 42,92 Gramm Asche; wenn diese zehn Pfund ausgelaugt und ausgekocht werden, so gehen 35,28 Gramm von diesen 42,92 Gramm in die Fleischbrühe über; in dem ausgekochten Fleisch bleiben 7,64 Gramm; das ganze Fleisch enthält in seiner Asche über 40 Procent Kali; das ausgekochte Fleisch nur 4,78 Procent [5].

Die ganze Menge der Salze des Fleisches wäre nöthig und zureichend gewesen, um aus dem Fleischfibrin und Albumin Blut von gleichen Eigenschaften, wie das im lebendigen Leibe vorhandene Blut zu erzeugen, und es ist vollkommen einleuchtend, dass mit der Hinwegnahme von ⅘ (82 Procent) von diesen zur Blutbildung unentbehrlichen Salzen das Fleisch um eben so viel an seinem Blutbildungswerth verlor. Durch den Mangel an Salzen wurde die Fähigkeit des Fleisches, eine Veränderung in dem Leibe zu erleiden, nicht aufgehoben, aber seine

[291] Hauptbestandtheile (Fleischfibrin und Albumin) konnten aus Mangel an den nöthigen Vermittlern nicht zu Bestandtheilen des Blutes werden, und indem das Fleisch in ein (sehr unvollkommenes) Respirationsmittel überging, verlor es an seiner ernährenden Kraft; sein Blutbildungswerth nahm ab mit der Quantität der entzogenen Salze und um eben so viel vielleicht in Folge des durch die Theilung derselben herbeigeführten für die Blutbildung ungeeigneten Verhältnisses. Das ausgekochte Fleisch enthält in seiner Asche über 17 Procent Phosphorsäure mehr als zur Hervorbringung von Salzen von alkalischer Beschaffenheit, wie sie das Blut verlangt, erforderlich ist; durch eine Spaltung der Salze dieser Fleischasche in ein saures Salz, von dem wir uns denken können, dass es durch die Nieren abgesondert werde, und in ein Salz von alkalischer Beschaffenheit, welches zur Blutbildung verwendbar wäre, musste die wirksame Menge dieser Aschenbestandtheile noch verringert werden [6].

Man versteht jetzt den Grund der Abnahme des Ernährungswerthes des eingesalzenen Fleisches, so wie den Einfluss, den dessen ausschliesslicher Genuss auf die Beschaffenheit der Säfte und des Blutes ausübt.

Jede Hausfrau weiss, dass frisches Fleisch mit Kochsalz bestreut, ohne dass ein Tropfen Wasser zugesetzt wird, nach einigen Tagen in einer Salzlake schwimmt; dass das Gewicht des Fleisches in Salzwasser gelegt beträchtlich ab- und das des Wassers zunimmt. Das frische Fleisch enthält nämlich über ¾ von seinem Gewicht an Wasser, welches darin wie in einem Schwamme aufgesaugt enthalten ist; das Vermögen des Fleisches, salzhaltiges Wasser aufzusaugen und zurückzuhalten, ist weit geringer; unter gleichen Verhältnissen nimmt es nur halb so viel gesättigtes Salzwasser als reines Wasser in seine Poren auf. Daher kommt es denn, dass das frische Fleisch in Berührung mit Kochsalz, indem das Wasser desselben zu Salzwasser wird, Wasser ausfliessen lässt; aber dieses austretende Wasser, das wir in der Salzlake haben, ist nicht reines Wasser, sondern es ist Fleischsaft, es ist Fleischbrühe mit allen ihren wirksamen organischen und unorganischen Bestandtheilen; das Fleisch verliert durch das Einsalzen in Folge der Entziehung und Theilung der darin vorhandenen zur Blutbildung nöthigen Salze gerade wie durch Auskochen an seinem Ernährungswerth. Von drei Centnern Fleisch kann durch die vollständige Wirkung des Salzes ein Centner für den Lebensprocess unwirksam und in ein schädliches Respirationsmittel

[292] umgewandelt werden. Es lässt sich diesem Verlust vorbeugen (was mit Erfolg versucht worden ist), wenn die Salzlake bis zum Auskrystallisiren des Kochsalzes abgedampft und die rückständige syrupdicke Mutterlauge (welche eine sehr concentrirte Auflösung von Fleischextract darstellt) nach dem Garkochen des Salzfleisches diesem zugesetzt und mit genossen wird. Es ist natürlich bequemer, obwohl kostbarer, dem Salzfleisch die entzogenen Bestandtheile des Fleischsaftes in Form von reinem Fleischextract zuzusetzen.

Das Fleisch enthält in seiner Mischung gewisse allgemeine Bedingungen der Verdauung und Ernährung, in denen ihm andere thierische oder vegetabilische Nahrungsmittel gleichen; durch das Fleischfibrin und Fleischalbumin besitzt es einen bestimmten Werth für die Erzeugung des Blutalbumins und -Fibrins, in dem Fett einen Werth für die Wärmebildung und in den Salzen einen Werth für die Vorgänge der Blut- und Wärmebildung und der Secretionsprocesse; ausser diesen besitzt das Fleisch in den so merkwürdigen Bestandtheilen des Fleischsaftes einen besonderen Werth für Vorgänge höherer Art, durch welche es sich von allen anderen, namentlich vegetabilischen Nahrungsmitteln unterscheidet.

Nicht alle Fleischsorten sind sich in diesen verschiedenen Werthen gleich. Das Kalbfleisch ist z. B. in Beziehung auf das Verhältniss der darin enthaltenen Salze grundverschieden von dem Rindfleisch; die Menge der Aschen von beiden Fleischsorten ist zwar nahezu gleich, aber das Rindfleisch ist weit reicher an Alkalien. Unter den unverbrennlichen Bestandtheilen des Kalbfleisches[7] befinden sich über 15 Procent mehr Phosphorsäure, als zur Hervorbringung eines alkalischen Salzes dieser Säure gehört; es enthält verhältnissmässig wenig von dem eigentlichen leicht verdaulichen Fleischfibrin; die grösste Masse der Kalbfleischfaser besteht aus einer dem Blutfibrin ähnlichen Substanz, die in salzsäurehaltigem Wasser aufquillt ohne sich zu lösen; es ist reich an löslichem Bindegewebe und in der Regel arm an Fett.

Sehr wesentlich unterscheidet sich ferner das Kalbfleisch von dem rothen Fleisch, dem Rindfleisch z. B., durch seinen weit kleineren Eisengehalt.

Unter den unorganischen Substanzen macht das Eisen im oxydirten Zustande einen Hauptbestandtheil des Blutes aus, es beträgt (nach Abzug des Kochsalzes) über 20 Procent der ganzen Blutasche (von Menschen-, Ochsen-, Schaf- etc. Blut) und die Beständigkeit des Vorkommens, so wie die so grosse Quantität von Eisen im Blute deuten den hohen Werth, den es für die vitalen Processe besitzen muss, hinlänglich an.

[293] Das Eisen ist einer der Hauptbestandtheile des Blutfarbestoffs und durch diesen der Blutkörperchen. Die Blutkörperchen sind die Vermittler aller Wirkungen des Blutes, sie vermitteln den Austausch der Gase in der Respiration und den ganzen Stoffwechsel, die Wärme- und Krafterzeugung. Die Stärke und Intensität dieser Vorgänge steht in einem ganz bestimmten Verhältniss zu der Anzahl der Blutkörperchen und durch diese zum Eisengehalt des Blutes. Es giebt Krankheiten, wie viele Fälle der Bleichsucht, in welchen die Anzahl der Blutkörperchen um ¼ und der Eisengehalt der Blutasche in ganz gleichem Verhältniss vermindert ist, und es hat die Erfahrung gezeigt, dass die Symptome derselben, grosse körperliche Ermüdung und Schwäche, bleiches Aussehen, niedrige Temperatur in diesen Fällen durch kleine Gaben von Eisensalzen vollständig gehoben und die Gesundheit wieder hergestellt werden kann.

Die Wirkung des Eisens und seine Nothwendigkeit als Bestandtheil der Nahrung ist hiernach offenbar. Wir können uns die Bildung der Blutkörperchen nicht denken ohne Eisen. Eine kräftige Nahrung muss unter allen Umständen eine gewisse Menge Eisen enthalten, entsprechend der Menge, welche täglich unwirksam geworden und durch den Darmcanal ausgetreten ist; es ist gewiss, dass bei Ausschluss des Eisens in der Nahrung das organische Leben nicht besteht.

Die vegetabilische Nahrung, namentlich die Getreidesamen und durch diese das Brod, enthalten eben so viel Eisen wie das Rindfleisch, überhaupt wie das rothe Fleisch; das Kalbfleisch enthält ⅓ weniger als das Rindfleisch; der Käse, die Eier und namentlich die Fische enthalten im Verhältniss zu den Alkalien noch weit weniger als das Kalbfleisch.

Die Milch (0,47 Procent Eisen), der Käse die Eier und Fische gehören zu den sogenannten Fastenspeisen und es ist höchst wahrscheinlich, dass die Zwecke, welche religiöse Vorschriften durch den Ausschluss des Fleisches und namentlich des rothen Fleisches erzielen, in dem Mangel des Eisens ihre Erklärung finden[8].

Die anderen unverbrennlichen Bestandtheile des Fischfleisches sind die nämlichen wie die des Ochsenfleisches. Wenn die Fische gekocht werden, so geht ein Theil der löslichen Bestandtheile ihres Fleisches in die Brühe über, welche in der Regel nicht genossen wird, und ihr Blutbildungswerth wird dadurch vermindert. Besonders niedrig stellt sich

[294] der Ernährungswerth der getrockneten (Stockfisch) und gesalzenen Fische, welche vor dem Genusse gewässert und ausgelaugt werden müssen[9].

In vielen Theilen Deutschlands wässert man den Stockfisch mit Kalkwasser, und es hat der Instinct darin das von der Wissenschaft gebotene Mittel gefunden, um einen grossen Theil der Phosphorsäure in der Form von Knochenerde in der Speise zu behalten, so wie denn dieser untrügliche Rathgeber der Menschen und Thiere dem Mangel des Kalbfleisches, der Fische, der Eier an Alkalien durch Zugabe von grünen Gemüsen, Kartoffeln, Salat zu begegnen gelehrt hat. Die Küchenkräuter füllen in dieser Beziehung viele Lücken aus; die Quantität von Salzen, von alkalischen Erden und Alkalien, welche manche Küchengewächse enthalten, erregt Erstaunen; der Sellerie enthält 16 bis 20 Procent, der gewöhnliche Schnittsalat 23 bis 24 Procent, der Rosenkohl (Kohlknospen) bis 10 Procent der trockenen Pflanze an Aschenbestandtheilen.

Um zu einem klaren Begriff des Ernährungswerthes des Käsestoffs, Blutfibrins und der leimgebenden Gebilde zu gelangen, ist es nöthig, von einem höheren Gesichtspunkte aus ihre Zusammensetzung in’s Auge zu fassen.

Ordnet man die Bestandtheile des thierischen Körpers, welche seine Hauptmasse ausmachen, so wie den Käsestoff und die Endproducte des Stoffwechsels nach ihrem Stickstoffgehalte und dem Verhältnisse desselben zu dem Kohlenstoff, und stellt diejenigen voran, welche die kleinste Menge Stickstoff enthalten, so hat man folgende Reihe:

Aeq. Aeq.
1. Blutalbumin enthält 1 Stickstoff auf 8 Kohlenstoff
2. Fleischalbumin " 1 " " 8 "
3. Eieralbumin " 1 " " 8 "
4. Fleischfibrin " 1 " " 8 "
5. Casein (Käsestoff) " 1 " " 8 "
6. Chondrin " 1 " " 8 "
7. Blutfibrin " 1 " " 7 3/7 "
8. Horngebilde und Haare " 1 " " 7 "
9. Leimgewebe, Membranen " 1 " " 6⅓ "
10. Inosinsäure " 1 " " 5 "
11. Glycocoll " 1 " " 4 "
12. Kreatin und Kreatinin " 1 " " 2⅔ "
13. Harnsäure " 1 " " "
14. Allantoin " 1 " " 2 "
15. Harnstoff [10] " 1 " " 1 "

[295] Mit dem Albumin beginnt, mit dem Harnstoff endigt die Reihe der in dem lebendigen Leibe gebildeten Stickstoffverbindungen. Das Albumin ist die höchste, der Harnstoff die niedrigste Verbindung. Der Organismus der Pflanze fügt niedere zu höheren Verbindungen zusammen, in dem Kreislauf des thierischen Lebens fallen die höheren in niedere auseinander. Die Verbindungen von dem Albumin abwärts enthalten den Stickstoff des Albumins, sie sind aus dem Albumin entstanden unter dem Einfluss des Sauerstoffs, durch allmähliches Austreten von Kohlenstoff oder einer Kohlenstoffverbindung, und es ist für diese Stoffe der thierische Lebensprocess ein Process der Rückbildung in niedere und unorganische Verbindungen. Von der Inosinsäure abwärts besitzen die folgenden keine organische Form mehr; das Glycocoll, die Harnsäure, Allantoin und Harnstoff sind krystallisirbar, d. h. ihre Gestalt ist bedingt durch eine unorganische Kraft.

Wir verstehen hiernach, wie aus Fleischfibrin Blutfibrin, aus Blutfibrin die Substanz der Membranen und Bindegewebe entstehen könne, aber aus Leimsubstanz oder Blutfibrin kann kein Albumin gebildet werden; aus der höheren kann die niedere, aber nicht umgekehrt entstehen; eine solche Aufwärtsbildung steht im Widerspruch mit den im thierischen Leibe wirkenden Kräften.

Wir sind im Stande, unter Mitwirkung der nämlichen Bedingungen, welche in dem Organismus wirken, aus Harnsäure Allantoin, aus Kreatin und Harnsäure Harnstoff darzustellen, und wir haben allen Grund zu glauben, dass wir Harnsäure und Harnstoff aus Leimgebilden, die Substanz der Membranen aus Blutfibrin werden darstellen können, eben weil es Bildungen abwärts in der organischen Reihe sind. Die Gesetze des Zerstörens ermitteln wir immer zuerst; ob wir die des Aufbauens jemals kennen lernen, steht dahin.

Es wird häufig behauptet, und ist in den vorhergehenden Briefen gesagt, dass das Albumin und Casein identisch seien; dies ist in strengem Sinne nicht richtig, nur Fleischfibrin und Blutalbumin sind identisch, das Albumin der Eier hingegen nicht, denn es enthält auf dieselben Elemente die Hälfte mehr Schwefel. Es ist sicher, dass dieser Schwefel austreten muss, wenn Eieralbumin in Blutalbumin übergeht. Ein ähnliches, wiewohl umgekehrtes Verhältniss zeigt das Casein; auf die gleiche Menge Schwefel enthält es mehr Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff als das Blutalbumin, und es ist vollkommen gewiss, dass aus diesem Bestandtheil der Milch, wenn er zu Blutalbumin in dem Organismus des jungen Thieres wird, nothwendig eine kohlenstoff-, wasserstoff- und stickstoffhaltige

[296] Verbindung austreten muss, weil nur auf diese Weise eine Substanz mit höherem Schwefelgehalt daraus entstehen kann.

Von den beiden Säuren in der Galle ist die eine, die Choleinsäure, schwefelhaltig; es ist ganz gewiss, dass die Schwefelverbindung aus dem schwefelhaltigen Blutfibrin oder Blutalbumin, und nicht aus der schwefelfreien Substanz der Membranen und Bindegewebe entspringt.

Wenn wir nun nach dem Mittel der vorhandenen besten Analysen die procentische Zusammensetzung der Hauptbestandtheile des Thierkörpers, des Caseins, der Bestandtheile der Galle und des Harns in Aequivalenten ihrer Elemente ausdrücken, so finden wir, dass diese zu jenen in folgenden Verhältnissen zu einander stehen:

In dem befinden sich auf
Schwefel Stickstoff Kohlenstoff Wasserstoff Sauerstoff
Blutalbumin
Fleischalbumin
Fleichfibrin
2 Aeq. 27 Aeq. 216 Aeq. 169 Aeq. 68 Aeq.[11]
Eieralbumin 3 " 27 " 216 " 169 " 68 "
Casein 2 " 36 " 288 " 228 " 90 "
Blutfibrin 2 " 40 " 298 " 228 " 92 "
Chondrin " 9 " 72 " 59 " 32 "
Leimgebilde " 13 " 82 " 67 " 32 "
Choleinsäure 2 " 1 " 52 " 45 " 14 "
Cholsäure " 1 " 52 " 43 " 12 "
Harnsäure " 4 " 10 " 4 " 6 "
Harnstoff " 2 " 2 " 4 " 2 "

In diesen Formeln liegt nichts Hypothetisches; es sind Zahlenausdrücke für Thatsachen, und eben so wahr wie die Analysen auf dem gegenwärtigen Standpunkte der Wissenschaft es sind; sie bieten uns den

[297] Vortheil dar, die Abweichung in der Zusammensetzung dieser verschiedenen Körper mit einem Blick übersehen zu können, aber es liegt in ihnen vielleicht noch etwas mehr.

Wenn wir mit Bestimmtheit wüssten, dass diese Formeln für Albumin, Blutfibrin, Casein, Chondrin, Leimgebilde nicht blos die nächsten Ausdrücke des relativen Verhältnisses ihrer Elemente wären, was sie wirklich sind, sondern auch richtige Ausdrücke für die Anzahl der Aequivalente ihrer Elemente in einem kleinsten Theilchen oder Atom derselben, so würden sie geeignet sein, uns eine weit tiefere Einsicht in das Wesen des Ernährungsprocesses und des organischen Stoffwechsels zu verschaffen, als wir bis jetzt besitzen.

Einige Andeutungen werden genügen, um das, was hier gemeint ist, zu erläutern.

Wenn wir z. B. von der vorstehenden Formel des Caseins die Elemente des Blutalbumins, von dem wir wissen, dass es daraus entsteht, abziehen, so erhalten wir:

Schwefel Stickstoff Kohlenstoff Wasserstoff Sauerstoff
Formel des Caseins 2 Aeq. 36 Aeq. 288 Aeq. 228 Aeq. 90 Aeq.
ab Formel des Blutalbumins 2 " 27 " 216 " 169 " 68 "
es bleiben übrig " 9 " 72 " 59 " 22 "

Wie man hieraus sieht, müssen sich, unseren Analysen nach, von dem Casein gewisse Verhältnisse Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff trennen, wenn es in Blutalbumin übergehen soll; aber es dürfte vielleicht einige Verwunderung erwecken, dass die austretenden Elemente, bis auf eine gewisse Menge Sauerstoff, genau die nämlichen sind, wie sie das Chondrin enthält, so zwar, dass wenn wir den Elementen des Caseins 10 Aeq. Sauerstoff hinzurechnen, eine Formel erhalten wird, welche gerade auf die Elemente des Blutalbumins und Chondrins in sich einschliesst.

Schwefel Stickstoff Kohlenstoff Wasserstoff Sauerstoff
Formel des Chondrins Aeq. 9 Aeq. 72 Aeq. 59 Aeq. 32 Aeq.
Formel des Blutalbumins 2 " 27 " 216 " 169 " 68 "
zusammen 2 " 36 " 288 " 228 " 100 "
Formel des Caseins 2 " 36 " 288 " 228 " 90 "
plus 10 Aeq. Sauerstoff 10 "

Es würde vielleicht hieraus der Schluss gezogen werden können, dass die Natur dem jugendlichen Thiere in der Milch nicht blos den Hauptbestandtheil seines Blutes, sondern auch die Elemente zur Erzeugung seiner Knochen fertig gebildet liefert.

Nicht minder auffallend wird man die folgenden Zusammenstellungen finden:

Die Formel des Albumins
plus 10 Aeq. Wasser
enthält die Elemente von 2 Leimsubstanz
1 Choleinsäure
Die Formel des Blutfibrins
plus 8 Aeq. Wasser
" " " " 1 Blutalbumin
1 Leimsubstanz
Die Formel des Chondrins " " " " 1 Cholsäure
2 Harnsäure
8 Wasser
Die Formel der Leimsubstanz
plus 10 Aeq. Sauerstoff
" " " " 1 Cholsäure
3 Harnsäure
12 Wasser
Die Formel des Albumins
plus 10 Aeq. Wasser
plus 56 Aeq. Sauerstoff
" " " " 1 Choleinsäure
2 Cholsäure
12 Harnstoff
36 Kohlensäure

WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Tabelle wurde hier vervollständigt

[298] Wir halten es für eine Wahrheit, welche keines besonderen Beweises bedarf, dass aus dem Albumin Leimsubstanz und Choleinsäure, so wie Blutfibrin, dass aus Leimsubstanz und Chondrin Harnsäure und Harnstoff entstehen; die Formeln drücken nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen aus, in welchen Verhältnissen dies geschehen kann, nicht in welchen es wirklich geschieht; darin liegt das Hypothetische dieser Formeln, dass wir für die Richtigkeit dieser Spaltungen in den angedeuteten Verhältnissen keine Beweise besitzen; sie haben nur Gründe der Wahrscheinlichkeit für sich.

Mit der grössten Bestimmtheit geht aber daraus hervor, dass das Albumin mit 10 Aeq. Wasser gerade auf die Elemente der Substanz der Membranen und der Choleinsäure enthält, dass Blutfibrin vielleicht zur Hälfte in Leimsubstanz übergegangenes Blutalbumin ist, dass Leimsubstanz unter dem Einfluss des Respirationsprocesses gerade auf in Cholsäure, in Harnsäure oder in Harnstoff, Kohlensäure und Wasser zerfallen kann, dass wenn sich Harnsäure aus Leimsubstanz im Stoffwechsel bildet, die Elemente der Cholsäure übrig bleiben, dass die Bestandtheile des Harns und der Galle mit einander in einer sehr nahen Beziehung stehen müssen.

Aus diesen Formeln schliessen wir ferner, dass der Ernährungswerth des Caseins der Milch für das Kind grösser, für den Erwachsenen kleiner ist, als der des Albumins; denn es ist vollkommen sicher, dass die Natur den Ueberschuss an Elementen, den das Casein mehr als das Albumin enthält, im jugendlichen Leibe zu gewissen Zwecken bedarf und verwendet, welche für das erwachsene Thier keine Bedeutung mehr haben; wir schliessen daraus, dass die in den Speisen genossene Leimsubstanz für die Blutbildung ungeeignet ist und die Erzeugung der Galle und des Harns vermehrt, wie dies durch die Erfahrung für die letzteren längst schon erkannt ist[12].

Der Kleber der Getreidearten, so wie das Albumin der Pflanzensäfte sind in ihrer Zusammensetzung mit Blutalbumin identisch; das Pflanzencasein besitzt die Zusammensetzung des Thiercaseins.

In Beziehung auf ihren Gehalt an Salzen oder unverbrennlichen Bestandtheilen sind sich die Getreidearten nicht gleich. Im Weizen wechselt der Gehalt an Phosphorsäure von 40 bis 48 (Th. Way und

[299] Ogston) bis 60 Procent[13] (Erdmann); es giebt Weizen, dessen Aschenbestandtheile in Beziehung auf Beschaffenheit und Menge die nämlichen sind, wie die des ausgekochten und ausgelaugten Fleisches, und es lässt sich nicht behaupten, dass Brod aus diesem Mehl, ausschliesslich genossen, das Leben auf die Dauer erhalten könne[14].

Das feinste Weizenmehl enthält mehr Stärkmehl als das gewöhnliche; die Weizenkleie ist verhältnissmässig am reichsten an Kleber.

Das feine amerikanische Weizenmehl gehört zu den kleberreichsten und damit zu den nahrhaftesten Mehlsorten.

Roggenmehl und Roggenbrod enthalten eine dem Stärkegummi (dem sog. Dextrin) in den Eigenschaften ähnliche Substanz, welche ausnehmend leicht in Zucker übergeht; das Stärkmehl der Gerste nähert sich in manchen Eigenschaften der Cellulose und ist minder verdaulich. Der Hafer ist besonders reich an plastischen Bestandtheilen, der schottische reicher als der in Deutschland und England gebaute (R. Th. Thomson); diese Getreideart enthält in ihrer Asche, nach Abrechnung der Kieselerde der Bälge, sehr nahe die Aschenbestandtheile des Fleischsaftes.

Um die Absonderung des Mehles von den Hülsen zu befördern, wird von vielen Müllern das Getreide vor dem Mahlen schwach angefeuchet; wenn diese Feuchtigkeit durch sehr sorgfältiges Trocknen mittels künstlicher Wärme nicht vollständig aus dem Mehle wieder entfernt wird, so veranlasst sie beim Aufbewahren die Verderbniss des Mehls; es bekommt einen mulsterigen Geschmack, ballt sich zu Klumpen und fühlt sich rauh an wie Gyps. Der Teig aus diesem Mehl wird schmierig und giebt ein schweres, dichtes, nicht poröses Brod. Diese Verderbniss beruht auf einer durch die Feuchtigkeit vermittelten Einwirkung des Klebers auf das Stärkmehl, durch welche in dem Mehle Essigsäure und Milchsäure entstehen, die den Kleber löslich in Wasser machen, was er für sich nicht ist.

Manche Salze machen den Kleber wieder unauflöslich, indem sie damit eine chemische Verbindung einzugehen scheinen, und es entdeckten vor etwa 20 Jahren die belgischen Bäcker in dem (giftigen) Kupfervitriol als Zusatz zum Teig ein Mittel, aus verdorbenem Mehle ein dem Ansehen und der äusseren Beschaffenheit nach eben so schönes Brod wie aus dem besten Weizenmehle zu backen. Diese Verbesserung der physikalischen Eigenschaften ist natürlich eine Verschlechterung seiner chemischen. Aehnlich wie Kupfervitriol wirkt Alaun; dem Teige zugesetzt

[300] macht der Alaun das Brod sehr weiss, elastisch, fest und trocken, und es scheinen die Bäcker in London durch die Nachfrage nach weissem Brode, weisser als es das gewöhnliche, so vortreffliche englische und amerikanische Weizenmehl liefert, gezwungen worden zu sein, allem Mehle beim Brodbacken Alaun zuzusetzen. Ich sah in einer Alaunfabrik in Schottland kleine Berge von feingemahlenem Alaunmehl, welches für den Verbrauch der Londoner Bäcker bestimmt war.

Da die Phosphorsäure mit der Thonerde eine durch Alkalien und Säuren kaum zersetzbare chemische Verbindung bildet, so erklärt sich vielleicht hieraus die Schwerverdaulichkeit des Londoner Bäckerbrodes, welche Ausländern auffällt. Eine kleine Menge Kalkwasser, dem mulsterigen Mehle zugesetzt, hat dieselbe Wirkung wie Alaun und Kupfervitriol, ohne ihre Nachtheile mit sich zu führen.

Die sorgfältige Mischung mit dem Speichel beim Kauen des Brodes ist eine Bedingung für die rasche Verdauung des Stärkmehls; daher denn die Erhöhung der Verdaulichkeit des Mehls durch die Form, welche es in dem porösen Brode empfängt.

Die Auflockerung des Brodteiges wird durch einen Gährungsprocess bewirkt. Man setzt dem Teige Bierhefe zu, welche den durch Einwirkung des Klebers auf das Stärkmehl entstehenden Zucker in Gährung versetzt, und es wird durch die in allen Theilen des Teiges sich bildende Kohlensäure die blasige Beschaffenheit desselben hervorgebracht.

Zum Roggenbrod bedient man sich des Sauerteiges; man setzt nämlich dem frischen Mehlteige eine Portion in Gährung befindlichen Teig von einem früheren Gebäck zu, und es wird durch die Wirkung desselben aus dem Zucker stets eine gewisse Menge Essigsäure und Milchsäure gebildet, wodurch das Brod eine schwach saure Reaction erhält.

Manche Chemiker sind der Meinung, dass das Mehl durch die Gährung des Teiges einen Verlust an nahrhaften Bestandtheilen erleide, in Folge einer Zersetzung des Klebers, und es ist der Vorschlag gemacht worden, den Teig ohne Gährung mittels Substanzen porös zu machen, welche bei ihrer Zusammenmischung kohlensaures Gas entwickeln. Bei näherer Betrachtung des Vorgangs erscheint aber diese Ansicht sehr wenig begründet.

Beim Einteigen des Mehles mit Wasser geht beim Stehen in gelinder Wärme in dem Kleber des Teiges eine ähnliche Veränderung vor sich, wie nach dem Einquellen der Gerste, beim beginnenden Keimen der Körner, in der Malzbereitung, und es wird in Folge derselben das Stärkmehl (in der Malzbereitung grossentheils, in dem Brodteige nur wenige Procente) in Zucker übergeführt. Ein kleiner Theil des Klebers geht hierbei in den löslichen Zustand über, in welchem er die Eigenschaft des Albumins gewinnt, wodurch er an seiner Verdaulichkeit und seinem Ernährungswerthe nicht das Geringste verliert.

Man kann Mehl mit Wasser nicht zusammenbringen, ohne dass sich Zucker aus dem Stärkmehl bildet, und es ist dieser Zucker und nicht der Kleber, von dem ein Theil in Gährung kommt und in Kohlensäure und Alkohol zerlegt wird.

Man weiss, dass das Malz in seinem Ernährungswerth der Gerste, aus der es dargestellt ist, nicht nachsteht, obwohl der darin enthaltene

[301] Kleber eine viel weiter gehende Veränderung erlitten hat, und die Erfahrungen in der Branntweinbrennerei aus Kartoffeln beweisen hinlänglich, dass die plastischen Bestandtheile der Kartoffeln und die des zugesetzten Malzes, nachdem sie den vollständigen Verlauf des Zuckerbildungs- und Gährungsprocesses mitgemacht haben, an ihrem Ernährungswerthe kaum verloren haben. Von einem Verlust an Kleber kann hiernach in der Brodbereitung nicht die Rede sein. In der Brodbereitung wird nur eine sehr kleine Menge Stärkmehl für den Zweck der Zuckerbildung verbraucht, und es ist das Gährungsverfahren nicht blos das einfachste und beste, sondern auch das ökonomischste unter allen Mitteln, die man empfohlen hat, um das Brod porös zu machen. Chemische Präparate sollten von Chemikern überhaupt nicht zu Küchenzwecken vorgeschlagen werden, da sie im gewöhnlichen Handel beinahe niemals rein vorkommen. So ist z. B. die käufliche rohe Salzsäure, die man mit doppeltkohlensaurem Natron dem Brodteige zuzumischen empfohlen hat, immer höchst unrein, sehr häufig arsenikhaltig, so dass sie der Chemiker zu seinen weit minder wichtigen Arbeiten niemals ohne weitläufige Processe der Reinigung anwendet.

Die Vorschläge, welche man in Zeiten des Mangels und der Hungersnoth bis jetzt gemacht hat, um das Mehl im Brode zu ersetzen und das Brod wohlfeiler zu machen, beweisen, wie weit man noch von einer vernünftigen, auf wissenschaftliche Grundsätze gebauten Diätetik entfernt ist, und wie unbekannt die Gesetze der Ernährung sind. Mit dem Preis der Nahrungsmittel verhält es sich ähnlich, wie mit dem des Brennmaterials. Wenn man sich die Mühe giebt, den Preis der verschiedenen Steinkohlensorten, oder der Brennhölzer, Braunkohlen und des Torfes mit einander zu vergleichen, so wird man finden, dass die Anzahl der Kreuzer, die man für ein gegebenes Gewicht oder Maass von diesen Brennstoffen bezahlt, so nahe wie möglich im Verhältniss zu ihrem Brennwerthe, d. h. zu der Zahl der Wärmegrade steht, die sie in der Verbrennung entwickeln; an einem Orte, wo man Buchenholz, Eichenholz und Tannenholz brennt, ist es dem Preise und dem Brennwerthe nach ganz gleichgültig, welches Holz gewählt wird: der Vortheil in der Wahl liegt in dem Zweck; für grosse, weite oder lange Feuerräume ist Tannenholz vortheilhafter, dessen Flamme den weitesten Raum ausfüllt; für kleine, enge Feuerräume giebt man der Kohlen wegen dem Buchenholz den Vorzug. In der Schätzung solcher Werthe irrt sich ein Einzelner leicht, aber die tägliche Erfahrung von vielen Tausenden gleicht die Irrthümer aus.

Der Mittelpreis der Nahrungsmittel in einem grösseren Lande ist in der Regel das Maass ihres Ernährungswerthes; die Abweichung des Preises an verschiedenen Orten rührt von localen Ursachen (Schwierigkeit oder Leichtigkeit des Transportes, guten oder schlechten Wegen, Canälen, Flüssen etc.) her. Für die Zwecke der Ernährung ist der Roggen nicht wohlfeiler als Weizen; Reis und Kartoffeln sind nicht wohlfeiler als Korn; Weizenmehl kann in Qualität mit Vortheil durch keine andere Mehlsorte ersetzt werden; nur in Zeiten des Mangels oder der Hungersnoth ändern sich diese Verhältnisse in etwas; es gewinnen alsdann Kartoffeln und Reis einen höheren Preis, weil zu ihrem

[302] Ernährungswerth ein zweiter Werth sich gesellt, den sie als Respirationsmittel zwar immer besitzen, der aber in Zeiten des Ueberflusses nicht angeschlagen wird.

Man hat, um das Brod wohlfeiler zu machen, vorgeschlagen, dem Brodteig Kartoffel-Stärkmehl oder Dextrin, Reis, Rübenmark, ausgepresste rohe Kartoffeln, oder gekochte Kartoffeln zuzusetzen, aber alle diese Zusätze vermindern den Ernährungswerth.

Kartoffel-Stärkmehl, Dextrin oder Rübenmark, dem Mehle zugesetzt, geben eine Mischung, deren Ernährungswerth dem der Kartoffeln gleich oder noch niedriger ist; aber die Verwandlung des Getreidemehls in eine den Kartoffeln oder dem Reis gleichwerthige Nahrung wird Niemand eine Verbesserung nennen können. Die wahre Aufgabe ist: die Kartoffeln, den Reis dem Weizenmehl in dessen Wirkung ähnlich oder gleich zu machen, und nicht umgekehrt; es bleibt unter allen Umständen besser, die Kartoffeln abgekocht aus der Hand zum Brod zu essen; ihr Zusatz zum Brode sollte geradezu, des unvermeidlichen Betruges wegen, polizeilich verboten werden. Der Zusatz von Erbsen- oder Bohnenmehl zum Roggenmehl oder von weissem Käse, wie dies in Bayern geschieht (Dr. Vogel), entspricht weit eher dem Zweck; es wird aber im Preise damit nichts gewonnen,

Ein wahres Ersparniss und wirklichen Nutzen gewähren im Grunde nur diejenigen Abfälle, die im gewöhnlichen Laufe der Dinge von den Menschen zu ihrer Ernährung nicht verwerthet werden.

In England werden z. B. viele tausend Centner des feinsten und besten Weizenmehls auf Stärkmehl für die Appretirung der Baumwollenzeuge verarbeitet, und der bei dieser Fabrikation abfallende Kleber (12 bis 20 Procent des trockenen Mehls) geht meistens als Nahrungsstoff für die Menschen verloren. In den Versuchen der französischen Akademiker wurden Hunde 90 Tage lang ausschliesslich mit Weizenkleber gefüttert, welcher roh ohne Widerwilen und ohne Unterbrechung von den Thieren gefressen wurde, ohne irgend bemerkliche Störung ihrer Gesundheit[15].

Von den organischen Bestandtheilen des Fleischsaftes abgesehen giebt es keine Substanz, welche dem Fleischfibrin in Beziehung auf Eigenschaften und Ernährungswerth näher steht als Weizenkleber. In etwas Salzwasser abgekocht, getrocknet und in grobes Mehl verwandelt, lässt sich der Kleber leicht aufbewahren und giebt bei Zusatz von etwas Fleischextract und den gewöhnlichen Küchenkräutern die kräftigste, schmackhafteste und nahrhafteste Suppe. Als Mundvorrath für Schiffe und Festungen würde der trockene Weizenkleber (mit Fleischextract) eine Masse von Fleisch entbehrlich machen.

In der Bierbereitung findet bekanntlich eine Trennung der blutbildenden Bestandtheile der Gerste von dem Stärkmehl statt; von den ersten gehen die in der Bierwürze gelösten, welche in der Gährung als

[303] Hefe sich abscheiden, für die Ernährungszwecke verloren. Nur der Theil derselben, welcher in den Trebern bleibt, wird als geschätztes Viehfutter, namentlich für Milchkühe, benutzt. In der Würzebereitung lagert sich über den Trebern eine teigartige Masse ab, die aus feinen abgeschlämmten Mehltheilen des Malzes besteht und unter dem Namen „Oberteig“ den deutschen Bierbrauern wohl bekannt ist. Dieser Oberteig enthält bis 26 Procent plastische Bestandtheile und 4 bis 8 Procent Stärkmehl und liefert, mit Beachtung seines grossen Wassergehaltes dem Mehle zugesetzt (zu gleichen Theilen), ein tadelloses Brod. Die Brauereien Würtembergs liefern jährlich an 30,000 Ctr. Malzteig, welche 17,000 Ctr. Brod liefern könnten. (Schlossberger.) Alle diese Hülfsmittel, um in Hungerjahren die Noth der ärmeren Classen zu lindern, sind nur localer Natur und machen für die Bewohner eines grossen Landes im Verhältniss zum Verbrauch nur wenig aus; es giebt nur Ein nachhaltiges Mittel für die weitesten Kreise, das darin besteht, dass das feingemahlene Korn ungebeutelt, d. h. das Mehl mit der Kleie zu Brod verbacken und der ganze im Korn vorhandene Nahrungsstoff dem Menschen zugewendet wird.

Im Jahre 1668 verbot eine Verordnung Ludwig’s XIV. unter Androhung schwerer Geldstrafen, die Kleie noch einmal zu mahlen, was nach der damaligen Mühleneinrichtung einen Verlust von 40 Procent nach sich zog; im siebenzehnten Jahrhundert schätzte Vauban den jährlichen Verbrauch eines Mannes nahe auf 712 Pfund Weizen, eine Quantität, welche jetzt beinahe für zwei Mann ausreicht, und es werden heutzutage durch die Verbesserung unserer Mühlen ungeheure Massen Nahrungsstoff, viele hundert Millionen jährlich an Werth, für die Menschen gewonnen, welcher früher blos für die Thiere diente, für welche derselbe unendlich leichter durch andere Nahrungsmittel ersetzbar ist, die sich für den Genuss des Menschen durchaus nicht eignen. Es ist schon lange, namentlich durch Millon, auf den hohen Werth der Kleie als Nahrungsmittel aufmerksam gemacht worden. Der Weizen enthält nicht über 2 Procent unverdauliche Holzsubstanz, und eine vollkommene Mühle im weitesten Sinne sollte nicht über diese Quantität an Kleie geben; aber unsere besten Mühlen geben immer noch 12 bis 20 Procent (10 Theile grobe, 7 Theile feine Kleie und 3 Theile Kleienmehl), die gewöhnlichen Mühlen bis 25 Procent an Kleie, welche 60 bis 70 Procent der nahrhaftesten Bestandtheile des Mehls enthält[16].

Es ist einleuchtend, dass mit dem Verbacken des ungebeutelten Mehls die Brodmasse mindestens um ⅙ bis ⅕ vergrössert, und der

[304] Preis des Brodes um den Unterschied des Preises der Kleie (als Viehfutter) und des Mehls erniedrigt werden kann. Als Zusatz zum Mehl hat die Kleie in Zeiten des Mangels einen weit höheren Werth und ist durch keinen anderen Nahrungsstoff ersetzbar. Die Absonderung der Kleie vom Mehl ist eine Sache des Luxus, und für den Ernährungszweck eher schädlich als nützlich. Im Alterthum, bis zur Kaiserzeit, kannte man kein gebeuteltes Mehl. In Deutschland wird in vielen Gegenden, namentlich in Westphalen, die Kleie mit dem Mehle zu dem sogenannten Pumpernickel verbacken, und es giebt kein Land, in welchem die Verdauungswerkzeuge der Menschen sich in besserem Zustande befinden. Die Grenzen des Niederrheins und Westphalens lassen sich an der ganz besonderen Grösse der Ueberreste genossener Mahlzeiten erkennen, welche Vorübergehende an Hecken und Zäunen hinterlassen, und es sind diese ausgezeichneten Documente des Verdauungswerthes, welche den Aerzten in England vielleicht die Idee eingeflösst haben, den englischen Grossen Brod aus ungebeuteltem Mehl zu empfehlen, welches in vielen Häusern einen Bestandtheil des Frühstückes ausmacht.

Unter allen Künsten der Menschen giebt es keine, die sich einer richtigeren Beurtheilung erfreut und deren Producte allgemeinere Anerkennung geniessen, als die, welche sich mit der Zubereitung der Speisen beschäftigt. Geleitet durch den beinahe zum Bewusstsein gelangten Instinct, den wegekundigen Führer, und durch den Geschmack, den Wächter der Gesundheit, ist der erfahrene Koch in Beziehung auf die Wahl, Zusammenstellung und Zubereitung der Speisen und ihre Aufeinanderfolge zu Errungenschaften gelangt, welche Alles übertreffen, was Chemie und Physiologie in Beziehung auf die Ernährungslehre geleistet haben. In der Suppe und den Fleischsaucen ahmt er den Magensaft nach, und in dem Käse, womit er die Mahlzeit schliesst, unterstützt er die Wirkung des auflösenden Magen-Epitheliums. Die mit Speisen besetzte Tafel erscheint dem Beobachter gleich einer Maschine, deren Theile harmonisch zusammengefügt und so geordnet sind, dass damit, wenn sie in Thätigkeit gesetzt sind, ein Maximum von Wirkung hervorgebracht werde könnte; der geschickte Kochkünstler begleitet die blutbildenden mit denjenigen Stoffen, welche den Process der Auflösung und Bluterzeugung vermitteln, in dem richtigen Verhältniss; er vermeidet alle Arten von unnöthigen Reizen, die nicht selbst wieder ausgleichend wirken, er sorgt für das Kind, den Greis und für beide Geschlechter.

Gleich naturgesetzlich wählt die verständige und erfahrene Mutter oder Wärterin die Speisen für das Kind; sie gestattet ihm Milch und Mehlspeisen und begleitet letztere stets mit Obst; das Fleisch von ausgewachsenen Thieren, welches reich ist an Knochenerde (phosphorsaurem Kalk), zieht sie dem Fleisch von jungen Thieren vor und begleitet es stets mit grünen Gemüsen; sie giebt dem Kinde vorzugsweise die Knochen zum Abnagen[17] und schliesst Kalbfleisch, Fische und Kartoffeln von seiner Nahrung aus; für das reizbare Kind mit schwachen

[305] Verdauungsorganen setzt sie dem Mehlbrei einen Malzaufguss zu, anstatt des Rohrzuckers giebt sie ihm Milchzucker, dieses vortreffliche, von der Natur selbst für seinen Respirationsprocess zubereitete Respirationsmittel[18], sie gestattet ihm ohne Einschränkung den Genuss von Kochsalz.

Die ungleichen Wirkungen der Speisen in Beziehung auf die körperlichen und geistigen Functionen der Menschen, so wie ihr Zusammenhang mit physiologischen und chemischen Ursachen sind unbestreitbar, aber es ist bis jetzt kaum der Versuch zu einer Erklärung nach den Gesetzen der Naturforschung gemacht worden.

Manche Schriftsteller behaupten, dass das Fleisch und Brod Phosphor, die Milch und Eier ein phosphorhaltiges Fett, gleichwie das Gehirn, enthalten, und dass an das phosphorhaltige Fett die Entstehung, folglich auch die Thätigkeit des Gehirns geknüpft sei. Daher lasse sich z. B. bei Denkern (weil sie viel Phosphor verbrauchen) kein Ueberfluss an Phosphor annehmen, und es bleibe immer wahr: ohne Phosphor kein Gedanke (s. Lehre der Nahrungsmittel für das Volk von Dr. Jac. Moleschott. Erlangen 1850. Seite 116.) Die Wissenschaft kennt keinen Beweis, dass der thierische Körper und die Nahrung der Menschen und Thiere Phosphor als solchen enthalten, in der Form wie etwa Schwefel darin enthalten ist. Es ist längst dargethan, dass die Phosphorsäuremenge, die man bei der Einäscherung thierischer Körper oder von Nahrungsmitteln weniger als auf nassem Wege erhält, ein blosser Verlust ist, welcher durch Zersetzung und Verflüchtigung von Phosphorsäure in Folge der Einwirkung der Hitze bei Gegenwart von Kohle verursacht wird, und der durch einfachen Zusatz von Alkalien und alkalischen Erden, welche die Phosphorsäure binden, verhütet werden kann. Niemals ist bis jetzt in irgend einem Fett des Körpers, des Gehirns oder der Nahrung ein Phosphorgehalt (nicht Phosphorsäure-Gehalt) wirklich nachgewiesen worden. Die Ansichten, dass solche Verbindungen existieren und dass ihre Gegenwart mit der Erzeugung von Gedanken im menschlichen Gehirn in Beziehung stehe, gehen in der Regel von Dilettanten in der Naturwissenschaft aus und beruhen auf oberflächlichen Anschauungen ohne den geringsten wissenschaftlichen Grund.

Gewiss ist es, dass drei Menschen, von denen der eine sich mit Ochsenfleisch und Brod, der andere mit Brod und Käse oder Stockfisch, der dritte mit Kartoffeln gesättigt hat, eine ihnen entgegenstehende Schwierigkeit unter ganz verschiedenem Gesichtspunkte betrachten; je nach gewissen, den verschiedenen Nahrungsmitteln eigenthümlichen Bestandtheilen ist ihre Wirkung auf Gehirn und Nervensystem verschieden.

Ein Bär, welcher auf der hiesigen Anatomie gehalten wurde, zeigte, so lange er ausschliesslich Brod zur Nahrung erhielt, eine ganz sanfte Gemüthsart; ein paar Tage mit Fleisch gefüttert, machten ihn bösartig, beissig und selbst für seinen Wärter gefährlich; es ist bekannt, dass die vis irascibilis der Schweine durch Fleischnahrung so gesteigert werden kann, dass sie Menschen anfallen.

[306] Die Fleischfresser sind im Allgemeinen stärker, kühner, kriegerischer als die pflanzenfressenden Thiere, die ihre Beute werden; in gleicher Weise unterscheiden sich die Nationen, welche von Vegetabilien leben, von denen, deren Hauptnahrungsmittel aus Fleisch besteht.

Wenn die Stärke der Individuen in der Summe von Kraftwirkungen besteht, die sie zur Ueberwindung von Widerständen ohne Nachtheil für ihre Gesundheit täglich hervorbringen können, so steht dieselbe offenbar in directem Verhältniss zu den plastischen Bestandtheilen ihrer Nahrung. Die Völker, die sich von Weizen und Roggen nähren, sind in diesem Sinne stärker als die Reis- und Kartoffelesser, und diese stärker als die Couzcouz-, Maniok-, Cassave-, Taro-essenden Neger.

Andere Verhältnisse bestehen für die Respirationsmittel; sie unterscheiden sich vorzüglich durch die Schnelligkeit und Dauer ihrer Wirkungen.

Es dauert Stunden, bis das Stärkmehl des Brodes im Magen und den Eingeweiden löslich in das Blut gelangt und verwendbar geworden ist; der Milchzucker und Traubenzucker bedürfen einer Vorbereitung durch die Verdauungswerkzeuge nicht mehr; sie gehen rascher in das Blut über; die Wirkung des Fettes ist am langsamsten, sie hält aber weit länger an; der Weingeist ist unter allen das am raschesten wirkende Respirationsmittel.

Durch seinen Gehalt an Alkalien, an organischen Säuren und gewissen anderen Stoffen, welche die Chemie noch näher zu bezeichnen hat, unterscheidet sich der Wein und überhaupt die gegohrenen Pflanzensäfte von dem Branntwein; das Bier ist eine Nachahmung des Weins. Der Branntwein besteht aus Wasser und einem Bestandtheil des Weins.

Vermöge der ihm eigenthümlichen Bestandtheile enthält der Wein in seiner Mischung eine Anzahl von Bedingungen, durch deren Vereinigung im Leibe des Menschen die Folgen der durch die Wirkung des Alkohols auf das Nervensystem gesteigerten Functionen des Rückenmarks und Gehirns nach einer gewissen Zeit mehr oder weniger ausgeglichen werden, so dass also der Genuss von Wein weit weniger Nachtheile in seinem Gefolge hat, als der des Branntweins.

Der Handelswerth des Weins steht in geradem Verhältniss zu seinen unmittelbaren Wirkungen und im umgekehrten zu seinen Nachwirkungen[19]; unter gleichen Verhältnissen ist sein Preis um so höher, je vollkommener seine Wirkungen unschädlich gemacht werden durch entsprechende Steigerung des Secretionsprocesses der Lunge und der Nieren.

Der Weingeist kommt bei der Werthbestimmung stets in Betracht; aber bei den edlen Weinen steht der Preis in keinem Verhältniss zum Alkoholgehalt, weit eher im Verhältniss zu seinen nicht flüchtigen Bestandtheilen[20].

[307] Die Blume oder das Bouquet des Weins hat nur in so fern Einfluss auf den Preis, als sie der Anzeiger aller seiner Wirkungen zusammengenommen ist.

Vor allem ausgezeichnet durch ein Minimum von schädlicher Nachwirkung sind die edlen Rheinweine und manche Bordeauxweine; es ist kaum glaublich, welche Quantitäten Wein am Rhein von Individuen jedes Alters genossen werden, ohne wahrnehmbare Nachtheile für die Gesundheit des Geistes und Körpers; Gicht und Steinkrankheiten sind nirgends seltener als in der von der Natur so bevorzugten Gegend des Rheingaues; in keiner Gegend Deutschlands haben die Apotheken verhältnissmässig einen so niedern Preis als in den reichen Städten des Rheins; denn der Wein gilt dort als die Universalarznei für Gesunde und Kranke, als die Milch für die Greise. (Siehe Anhang.)

Seinem Respirationswerth nach steht der Alkohol dem Fett am nächsten; sein Genuss zieht eine entsprechende Verminderung stärkmehl- und zuckerreicher Nahrungsmittel nach sich; er ist unverträglich mit Fett.

Dem Preise nach sind Alkohol und alkoholhaltige Getränke die kostspieligsten Respirationsmittel; was sie im Körper als solche leisten, kann in stärkmehl- und zuckerreichen Nahrungsmitteln mit dem vierten bis fünften Theil ihres Preises gekauft werden.

Wie bei den Pflanzen und Thieren, so sollten die Nahrungsmittel des Menschen eine indifferente Beschaffenheit und weder eine chemische noch eine besondere Wirkung auf den gesunden Organismus besitzen, sie sollten weder den Umsatz beschleunigen noch verlangsamen.

Von diesem Gesichtspunkte aus ist der Genuss von Wein und alkoholhaltigen Getränken dem Menschen vollkommen entbehrlich; wenn auch nicht immer nachtheilig für die Gesundheit der Individuen, ist er stets schädlich für ihren Kraftverbrauch.

Diese Getränke beschleunigen den Stoffwechsel im Körper und haben einen Verbrauch an Kraft nach innen zur Folge, welche aufhört productiv zu sein, da sie nicht zur Ueberwindung äusserer Schwierigkeiten, d. h. zur Arbeit verwendbar ist[21].

[308] Man hat die Verarmung und das Elend in vielen Gegenden dem überhand nehmenden Genuss von Branntwein zugeschrieben; dies ist ein Irrthum.

Der Branntweingenuss ist nicht die Ursache, sondern eine Folge der Noth. Es ist eine Ausnahme von der Regel, wenn ein gut genährter Mann zum Branntweintrinker wird. Wenn hingegen der Arbeiter durch seine Arbeit weniger verdient, als er zur Erwerbung der ihm nothwendigen Menge von Speise bedarf, durch welche seine Arbeitskraft völlig wieder hergestellt wird, so zwingt ihn eine starre unerbittliche Naturnothwendigkeit seine Zuflucht zum Branntwein zu nehmen; er soll arbeiten, aber es fehlt ihm wegen der unzureichenden Nahrung täglich ein gewisses Quantum von seiner Arbeitskraft. Der Branntwein, durch seine Wirkung auf die Nerven, gestattet ihm die fehlende Kraft auf Kosten seines Körpers zu ergänzen, diejenige Menge heute zu verwenden, welche naturgemäss erst den Tag darauf zur Verwendung hätte kommen dürfen; er ist ein Wechsel, ausgestellt auf die Gesundheit, welcher immer prolongirt werden muss, weil er aus Mangel an Mitteln nicht eingelöst werden kann; der Arbeiter verzehrt das Capital an Statt der Zinsen, daher denn der unvermeidliche Bankerott seines Körpers.

In ihrer Wirkung auf die Lebensprocesse unterscheiden sich von dem Wein der Thee, der Kaffee und die Chocolade.

Wenn man in Erwägung zieht, dass in Europa und Amerika aber 80 Millionen Pfund Thee, und im Zollverein über 60 Millionen Pfund Kaffee jährlich verbraucht werden, dass in England und Amerika der Thee einen Bestandtheil der täglichen Lebensordnung des geringsten Arbeiters so wie des reichsten Grundadels ausmacht, dass in Deutschland das Volk auf dem Lande und in Städten um so hartnäckiger am Kaffeegenuss hängt, je mehr die Armuth die Fälle der Auswahl der Lebensmittel beschränkt, und dass der allerschmalste Taglohn immer noch in einen Bruchtheil für Kaffee und in einen andern für Brod und Kartoffeln gespalten wird, – im Angesichte solcher Thatsachen lässt sich schwerlich die Behauptung rechtfertigen: es sei der Genuss von Kaffee und Thee eine Sache der blossen Angewöhnung. (Knapp etc. Die Nahrungsmittel. Braunschweig 1847.)

Es ist wahr, es haben Tausende von Millionen Menschen gelebt, ohne Kaffee und Thee zu kennen, und die tägliche Erfahrung lehrt, dass sie unter Umständen ohne Nachtbeil für die blos thierischen Lebensfunctionen entbehrt werden können; aber es ist sicher falsch, hieraus zu schliessen, dass sie überhaupt, in Beziehung auf ihre Wirkungen, entbehrlich seien, und es ist sehr die Frage, ob, wenn wir keinen Thee

[309] und keinen Kaffee hätten, der Volksinstinct nicht Mittel aufsuchen und finden würde, um sie zu ersetzen. Die Wissenschaft, welche uns in diesen Beziehungen so Vieles schuldet, wird erst zu erforschen haben, ob es blos auf sündlichen Neigungen beruht, dass jedes Volk der Erde sich ein solches auf das Nervenleben einwirkendes Mittel angeeignet hat, von dem Ufer des stillen Oceans an, wo sich der Indianer viele Tage lang aus dem Leben zurückzieht, um das Glück des Kokarausches zu geniessen, bis zu den arktischen Regionen, wo sich Kamtschadalen und Koriaken aus dem giftigen Fliegenschwamm einen Trank der Aufregung bereiten.

Wir halten es im Gegentheil für höchst wahrscheinlich, um nicht zu sagen gewiss, dass der Instinct der Menschen, in dem Gefühl gewisser Lücken oder gewisser Bedürfnisse des gesteigerten Lebens in unserer Zeit, welche durch Quantität nicht befriedigt werden können, eben in diesen Erzeugnissen des Pflanzenlebens das wahre Mittel aufgefunden hat, um seiner täglichen Nahrung die erforderliche und vermisste Beschaffenheit zu geben.

Eine jede Substanz, in so fern sie Antheil an den Lebensprocessen nimmt, wirkt in einer gewissen Weise auf unser Nervensystem, auf die sinnlichen Neigungen und den Willen des Menschen ein.

Macaulay, der grosse Forscher in dem Gebiete der Geschichte, hat zwar in seinem classischen Werke dem Einfluss der Kaffeehäuser auf den politischen Zustand Englands im 17. Jahrhundert verdiente Berücksichtigung geschenkt, aber der Antheil, den die Bestandtheile des Kaffee’s auf die Geistesrichtung damals hatten, dies ist ein Problem, welches noch zu lösen ist.

Was wir von den physiologischen Wirkungen dieser Getränke wissen, ist nicht des Erwähnens werth; gewöhnlich knüpft man sie an das Vorhandensein des Theïns (identisch mit Caffeïn im Kaffee und im Maté oder Paraguay-Thee), und dies vielleicht mit Recht; es giebt keine Getränke, welche in ihrer Zusammengesetztheit und in gewissen Bestandtheilen mehr Aehnlichkeit mit Fleischbrühe haben als Thee und Kaffee, und es ist sehr wahrscheinlich, dass ihr Gebrauch als Bestandtheil der Nahrung auf der erregenden und belebenden Wirkung beruht, welche diese Getränke mit der Fleischbrühe gemein haben.

Wenn man gewöhnliche Theeblätter in einem Uhrglase mit Papier leicht bedeckt, auf einem heissen Bleche bis zur Bräunung allmählich erhitzt, so sieht man lange weisse glänzende Krystalle sich an das Papier und die Theeblätter anlegen; dies ist das Theïn.

Seinen Eigenschaften nach gehört das Theïn zu der Classe der organischen Basen, welche alle ohne Ausnahme eine Wirkung auf das Nervensystem ausüben. Nach ihren Wirkungen in eine Reihe geordnet, welche mit dem Theïn beginnt, wirken die Endglieder derselben, das Strychnin, Brucin, als die furchtbarsten Gifte, das Chinin, mehr in der Mitte stehend, als die geschätzteste Arznei; die Bestandtheile des Opiums haben in gewissen Gaben arzneiliche, in grösseren Gaben giftige Wirkungen. Die giftig und arzneilich wirkenden Pflanzenbasen enthalten auf 1 Aequivalent Stickstoff mehr als 8 Aequivalente Kohlenstoff. Theïn und Caffeïn und die ihnen ähnlichen Stoffe, welche ohne

[310] Nachtheil genossen werden können, enthalten hingegen auf dieselbe Menge Stickstoff weniger Kohlenstoff als die Blutbestandtheile.

Zu keiner organischen stickstoffhaltigen Basis steht das Theïn hinsichtlich seiner Zusammensetzung in einer näheren Beziehung als zum Kreatinin, zu der so merkwürdigen, im Muskelsystem der Thiere vorhandenen und im thierischen Lebensprocess erzeugten Verbindung, so wie zum Glycocoll, von dem wir voraussetzen dürfen, dass es einen Paarling der Leimsubstanz ausmacht, wie dies aus den folgenden Formeln anschaulich ist:

Theïn C8 N2 H5 O2
Kreatinin C8 N3 H7 O2
Glycocoll (wasserfrei) C8 N2 H8 O6
Kreatin C8 N3 H11 O6
Theobromin im Cacao. C7 N2 H4 O2

Man bemerkt bei Ansicht dieser Formeln, dass das Kreatinin die Elemente des Theïns und die des Amid (NH2) enthält und dass sich Glycocoll und Kreatin durch die Elemente von 1 Aequivalent Ammoniak unterscheiden, welche das Kreatin mehr enthält.

Das Theïn liefert in gewissen Zersetzungsprocessen eine Reihe von höchst merkwürdigen Producten, die mit den Producten, welche die Harnsäure bei ähnlichen Einwirkungen liefert, grosse Aehnlichkeit haben (Rochleder).

Das Getränk Thee unterscheidet sich von dem Getränke Kaffee durch seinen Eisen- und Mangangehalt. Dampft man einen klaren Theeaufguss von Pecco- oder Souchong-Thee zur Trockne ab und äschert den Rückstand vollständig ein, so bleibt eine Asche, welche oft durch mangansaures Kali grün gefärbt ist und mit Salzsäure – des Gehaltes an dieser Säure wegen – Chlor entwickelt. Der Gehalt des Thee’s an diesen Metallen ist um so merkwürdiger, weil die empfindlichsten Reagentien das Eisen im Thee nicht anzeigen; setzt man ein Eisensalz zu, so wird der Thee wegen seines Gerbstoffgehaltes schwarz wie Dinte; der Theeaufguss enthält eine Eisenverbindung, auf welche der Gerbstoff offenbar ohne alle Wirkung ist.

Wir geniessen demnach in dem Thee (von manchen Theesorten) ein Getränk, welches den wirkenden Bestandtheil der wirksamsten Mineralquellen enthält, und so gering auch die Menge Eisen sein mag, die man täglich darin zu sich nimmt, so kann dieselbe auf die vitalen Vorgänge nicht ohne Einfluss sein[22].

[311] Durch seinen Gehalt an empyreumatischen Substanzen erhält der Kaffee die Eigenschaft, diejenigen Processe der Auflösung und Zersetzung, welche durch Fermente eingeleitet und im Gang erhalten werden, aufzuheben; man weiss, dass alle brenzlichen Stoffe der Gährung und Fäulniss entgegenwirken und dass z. B. geräuchertes Fleisch weniger verdaulich als blos gesalzenes ist. Personen mit schwachen oder empfindlichen Verdauungswerkzeugen werden mit einiger Aufmerksamkeit leicht gewahr, dass eine Tasse starken Kaffee’s nach Tisch die Verdauung augenblicklich aufhebt; erst wenn die Aufsaugung und Entfernung desselben stattgefunden hat, spürt man wieder Erleichterung; für starke Verdauungswerkzeuge, welche für dergleichen Wirkungen keine Reagentien sind, dient der Kaffee nach dem Essen aus demselben Grunde, um die durch Wein und Gewürze über eine gewisse Grenze hinaus erhöhte Thätigkeit zu mässigen. Diese hemmenden Wirkungen auf die Verdauung besitzt der Thee nicht; er erhöht im Gegentheil die peristaltischen Bewegungen der Eingeweide, was nach Genuss von starkem Thee, namentlich nüchtern durch Brechreiz sich zu erkennen giebt[23].

Es ist bereits früher hervorgehoben worden, dass der tägliche Verbrauch von Respirationsmitteln an Quantität das Fünf- bis Sechsfache von dem Gewicht der plastischen Stoffe beträgt, und es wird in Hungerjahren der Mangel der ersteren vorzugsweise und am empfindlichsten in allen Volksclassen gefühlt. Während der Preis des Fettes, der Butter mit dem Kornpreis steigt, und die Kartoffeln verhältnissmässig einen höheren Preis als Korn gewinnen, bleibt der Preis des Fleisches in der Regel derselbe, wie in wohlfeilen Jahren. Ein Grund hiervon ist, dass das Brod das Fleisch ersetzten kann, aber für die Bedürfnisse des Menschen nicht ebenso vollständig ersetzbar ist durch Fleisch[24]. Ein anderer

[312] Grund des niedrigen Preises der Fleischwaaren beruht darin, dass in Jahren der Missernten, in Folge von einem Uebermaass an Feuchtigkeit, wenn die gewöhnlichen Nährpflanzen missrathen, Ueberfluss an grünem Futter, an Klee, Gras, Wurzelgewächsen ist; das Fleisch behält seinen niedern Preis, weil die Nachfrage darnach nicht in dem Verhältniss wie nach Brod steigt; in trockenen Jahren hat der Landwirth kein Futter, er ist genöthigt, sein Vieh zu schlachten oder um jeden Preis zu verkaufen und die Ueberführung des Marktes macht das Fleisch noch wohlfeiler als in gewöhnlichen Jahren.

Der fleischessende Mensch bedarf zu seiner Erhaltung eines ungeheueren Gebietes, weiter und ausgedehnter noch als der Löwe und Tiger, weil er – wenn die Gelegenheit sich darbietet – tödtet, ohne zu geniessen. Eine Nation Jäger auf einem begrenzten Gebiete ist der Vermehrung durchaus unfähig; der zum Athmen unentbehrliche Kohlenstoff muss von den Thieren genommen werden, von denen auf der gegebenen Fläche nur eine beschränkte Anzahl leben kann. Diese Thiere sammeln von den Pflanzen die Bestandtheile ihres Blutes und ihrer Organe und liefern sie den von der Jagd lebenden Indianern, die sie unbegleitet von den Stoffen geniessen, welche während der Lebensdauer des Thieres seinen Athmungsprocess unterhielten. Während der Indianer mit einem einzigen Thiere und einem diesem gleichen Gewichte Stärkmehl eine gewisse Anzahl von Tagen hindurch sein Leben und seine Gesundheit würde erhalten können, muss er, um die für die diese Zeit nöthige Wärme zu gewinnen, fünf Thiere verzehren. Seine Nahrung enthält einen Ueberfluss von plastischem Nahrungsstoff; was ihr in dem grösseren Theil des Jahres fehlt, ist das hinzugehörige Respirationsmittel; daher denn die dem fleischessenden Menschen innewohnende Neigung zu Branntwein.

Die praktische Seite des Ackerbaues kann nicht klarer und tiefer aufgefasst werden, als dies in der Rede des nordamerikanischen Häuptlings geschehen, welche der Franzose Crevecoeur überliefert hat. Jener – seinem Stamme der Missisäer den Ackerbau empfehlend – sprach: „Seht ihr nicht, dass die Weissen von Körnern, wir aber von Fleisch leben? Dass das Fleisch mehr als 30 Monde braucht um heranzuwachsen, und oft selten ist? Dass jedes der wunderbaren Körner, die sie in die Erde streuen, ihnen mehr als hundertfältig zurückgiebt? Dass das Fleisch vier Beine hat zum Fortlaufen und wir nur zwei, um es

[313] zu haschen? Dass die Körner da, wo die weissen Männer sie hinsäen, bleiben und wachsen; dass der Winter, der für uns die Zeit der mühsamen Jagden, ihnen die Zeit der Ruhe ist? Darum haben sie so viele Kinder und leben länger als wir. Ich sage also jedem, der mich hört, bevor die Bäume über unseren Hütten vor Alter werden abgestorben sein und die Ahornbäume des Thales aufhören uns Zucker zu geben wird das Geschlecht der kleinen Kornsäer das Geschlecht der Fleischesser vertilgt haben, wofern diese Jäger sich nicht entschliesen zu säen!“

In seinen beschwerlichen und mühevollen Jagden verbraucht der Indianer durch seine Glieder eine grosse Summe von Kraft, aber der hervorgebrachte Effect ist sehr gering und steht mit dem Aufwand in keinem Verhältniss.

Die Cultur ist die Oekonomie der Kraft: die Wissenschaft lehrt uns die einfachsten Mittel erkennen, um mit dem geringsten Aufwand von organischer Kraft die grössten Wirkungen zu erzielen und mit gegebenen Mitteln ein Maximum von Widerständen zu überwinden. Eine jede Kraftäusserung, eine jede Kraftverschwendung in der Agricultur, in der Industrie, so wie in der Wissenschaft, und namentlich im Staate, charakterisirt die Rohheit und den Mangel an wahrer Cultur. Darin liegt eben das ausserordentliche Uebergewicht an Kraft, welches unsere Zeit von allen früheren unterscheidet, dass die Entwickelung der Naturwissenschaften und der Mechanik, so wie die nähere Erforschung aller der Ursachen, wodurch mechanische Bewegungen und Ortsveränderungen hervorgebracht werden, zur genaueren Bekanntschaft mit den Gesetzen geführt haben, welche den Menschen befähigen, Naturgewalten, die sonst Angst und Entsetzen erweckten, zu seinen gehorsamen und willigen Dienern zu machen.

Einem Promotheus gleich hat der Mensch, mit Hülfe des göttlicher Funkens von Oben, welcher, genährt durch Religion und Gesittung, die Grundlage aller geistigen Vervollkommnung ist, den irdischen Elementen Leben eingeflösst.

Die Dampfmaschine empfängt Speise und Trank, und athmet gleich einem Thier; in ihrem Leib besteht eine Quelle von Wärme und eine Quelle von Kraft, wodurch innere und äussere Bewegungseffecte hervorgebracht werden, und das bestabgerichtete Pferd folgt nicht geduldiger dem Willen des Menschen, als die Locomotive unserer Eisenbahnen; sie geht schnell und langsam, sie steht und gehorcht dem leisesten Druck seines Fingers.

Die Wissenschaft, welche die Sclavendienste den Maschinen überträgt, hat zwischen den Naturkräften und der organischen Kraft ein richtigeres Verhältniss hergestellt[25].

[314] Die Summe von Licht- und Wärmestrahlen, welche die Erde von der Sonne empfängt, ist eine unveränderliche Grösse, aber sie vertheilt sich auf ihrer Oberfläche in Folge von Ursachen, welche man providentielle nennen muss, in ungleicher Weise, daher denn an dem einen Ort ein Ueberschuss, welcher die Production der Lebensbedingungen erhöht, an dem andern ein Mangel, durch welchen sie herabsinkt; sind die Canäle zum Ab- und Zufluss da, so stellt sich von selbst das Gleichgewicht ein; nirgends ein Ueberfluss, nirgends ein Mangel.

In gleicher Weise vertheilt sich auf der Erde der Reichthum und sein Schatten, die Armuth; zu allen Zeiten war das gegenseitige Verhältniss derselben gleich und unveränderlich; einer dauernden Zunahme im Besitz treten Ereignisse entgegen welche ihr eine Grenze setzen. So wie sich das Blut von den grossen Stämmen aus nach den Capillarien hin bewegt, so wird das grösste Einkommen verbraucht und fliesst durch eine unendliche Anzahl von kleineren Canälen der ursprünglichen Quelle wieder zu.

Wo das Licht stark ist, erscheinen die Schatten dunkler; aber die Natur will es, dass in allen Abstufungen des Lichtes kräftige Pflanzen gedeihen; ohne die hohen Bäume giebt es kein Gesträuch, kein Getreide und keine Feldfrüchte; denn sie ziehen den befruchtenden Regen an und machen, dass immer die Quellen fliessen, welche Gedeihen und Wohlstand verbreiten. Die neueren socialistischen Theorien wollen, dass kein Schatten mehr sei; wenn aber das letzte Grashälmchen, welches Schatten wirft, zerstört wäre, dann würde freilich überall Licht, aber auch Tod wie in der Wüste Sahara sein.

Durch die in seinem Leibe erzeugbaren Kräfte setzt der Mensch den Naturkräften, die seine Existenz unaufhörlich zu vernichten streben, einen Widerstand entgegen, welcher täglich erneuert werden muss, wenn sein Fortbestehen auf eine Zeit lang gesichert werden soll.

In jeder Stunde stirbt ein Theil unseres Körpers ab, und auch im Zustand der vollkommenen Gesundheit verfällt die Maschine nach 70 bis 80 Jahren den irdischen Mächten, aller Widerstand hört völlig auf, ihre Elemente kehren in die Atmosphäre, in den Boden zurück. Das ganze Leben ist ein unaufhörliches Ringen mit den Naturkräften, eine ewige Störung und Wiederherstellung eines Gleichgewichtszustandes.

Als Speise und Trank bedarf der Mensch der Mittel zur Wärme- und Krafterzeugung; durch sie erzeugt sich in seinem Leibe der Widerstand gegen die Einwirkung der Atmosphäre, welche täglich einen Theil seines Leibes in sich aufnimmt.

Zur Bewahrung seiner Temperatur und zum Schutz gegen Witterung bedarf er der Wohnung, der Kleidung und Heizung; zur Erhaltung der Gesundheit und ihrer Wiederherstellung die Mittel zur Reinlichkeit und Arznei; Speise und Trank können bis zu einer gewissen Grenze

[315] die Kleidung, Heizung und Arznei vertreten, sie selbst sind aber durch Befriedigung keines der anderen Lebensbedürfnisse ersetzbar, sie sind absolute oder unentbehrliche Lebensbedürfnisse.

Beim Mangel an innerem Widerstand (beim Hunger) wirken die nämlichen Naturkräfte, welche die Lebenserscheinungen bedingen, einem Schwerte gleich, welches allmählich bis zum Mittelpunkte des Lebens unaufhaltsam dringt und dessen Thätigkeit aufhebt.

Der Mensch bedarf für die Entwicklung, Vervollkommnung, Erhaltung der eigenthümlichen Thätigkeiten seiner Sinnorgane gewisser anderen Bedingungen, welche seine angenehmen und nützlichen Bedürfnisse ausmachen. Ausser diesen hat der Mensch noch eine Anzahl anderer Bedürfnisse, welche aus seiner geistigen Natur entspringen, und die durch Naturkräfte nicht befriedigt werden können; es sind dies die mannichfaltigen Bedingungen der Functionen seines Geistes, auf deren Entwickelung, Vervollkommnung und Erhaltung die richtige und zweckmässige Verwendung der Kräfte des Körpers, so wie die Lenkung und Leitung der Naturkräfte zur Hervorbringung aller seiner nothwendigen, nützlichen und angenehmen Bedürfnisse beruhen.

Wie in dem Leibe des Individuums, so geht in der Gesammtheit aller Individuen, welche den Staat ausmachen, ein Stoffwechsel vor sich, der ein Verbrauch aller Bedingungen des Lebens und Zusammenlebens ist.

Silber und Gold haben in dem Organismus des Staates die Rolle der Blutkörperchen in dem menschlichen Organismus übernommen; gleich wie diese runden Scheibchen, ohne selbst einen unmittelbaren Antheil dem Nutritionsprocess zu nehmen, die Vermittler des Stoffwechsels, der Wärme- und Krafterzeugung sind, durch welche die Temperatur erzeugt und die Bewegung des Blutes und aller Säfte bedingt werden, so ist das Geld der Vermittler aller Thätigkeiten im Staatsleben geworden.

Im Mittelalter bezahlte der Steuerpflichtige seine Abgaben in Korn, in Wein, in Eiern und Hühnern, in Frohnden; alle seine unentbehrlichen Bedürfnisse erzeugte er sich selbst. Die Colonialwaaren waren ihm unbekannt; mit einem halben Pfunde Heller bestritt er, was er an Werkzeugen bedurfte. Die Gemeinden besassen ihre Brauhäuser für Bier; an vielen Orten kauften die städtischen Behörden den Wein und verzapften ihn an die Bürger der Stadt. Gold und Silber waren für die grosse Masse Waaren, die sie auf dem Leibe oder in ihren Häusern zur Schau trugen. Seitdem aber das Geld die Function der Sauerstoffträger im Organismus des Staates übernommen hat, bedienen sich die Reichsten an der Stelle der massiven Geräthe aus Silber und Gold des Kupfers und weissen Messings mit einem Anfluge von Silber und Gold.

Der Stoffwechsel im Staate, so wie im Leibe des Menschen, ist die Quelle aller seiner Kräfte, seine Fortdauer beruht in dem Ersatze der verbrauchten Lebensbedürfnisse, in der Erneuerung oder Wiederkehr aller Bedingungen des Lebens und Zusammenlebens. Wie in dem thierischen Körper der Stoffwechsel bemessen werden kann durch die Anzahl der Blutkörperchen, welche in einer gegebenen Zeit den Weg von Herzen zu den Capillarien und von da zurück zu dem Herzen nehmen, so ist der Stoffwechsel im Staatskörper messbar durch die Geschwindigkeit mit welcher die Geldstücke von einer Hand in die andere gelangen.

[316] Alle Ursachen, welche diese Bewegung hemmen, oder welche ähnlich wie die Naturkräfte auf den Stoffwechsel, auf den Verbrauch und Ersatz einwirken, stören den Gleichgewichtszustand und bringen eigenthümliche, den Krankheiten der Individuen ähnliche Zustände hervor.

Gegen die Wirkung gehalten, welche die Geschwindigkeit der Bewegung der Geldstücke hervorbringt, ist ihre absolute Menge eine beinahe verschwindende Grösse. Der Staatskörper, im Zustand der vollkommenen Gesundheit, verhält sich wie der menschliche Körper, durch dessen Herz und Capillarien in 24 Stunden einunddreissig bis achtunddreissigtausend Pfund Blut sich bewegen, während die absolute Menge des Blutes tausendmal weniger beträgt.

Die Summe aller Widerstände, welche die Natur der Fortdauer des Lebens und der Erwerbung der Lebensbedingungen (welche nach der eigenthümlichen Function des Geldes gleichbedeutend ist dem Erwerb an Geld) entgegensetzt, ist genau so gross, dass sich die in dem Menschen erzeugbare thätige Kraft damit in’s Gleichgewicht setzen kann. Der Mensch kann naturgesetzlich, ohne sein Fortbestehen zu gefährden, keinen Theil seiner Kraft zur Ueberwindung von Widerständen verbrauchen, durch deren Beseitigung die Mittel nicht erworben werden, die er bedarf, um seine verbrauchte Kraft wieder herzustellen.

Ein vollkommen gleiches Verhältniss besteht für den Organismus des Staates. Ein jeder Verbrauch von Kraft, welche nicht zur Wiederkehr einer Lebensbedingung des Staates dient, oder ein Nichtverbrauch von Kraft, welche zur Erzeugung einer Lebensbedingung vorhanden und verwendbar ist, wirkt auf die Gesundheit des Staatskörpers störend ein.

So wie jede Muskelfaser, jeder Nerv, jeder Theil des Gewebes im thierischen Körper Antheil nimmt an dem in ihm vorgehenden Stoffwechsel und seinen Theil für Aufrechthaltung und Fortdauer der allgemeinen Vorgänge der Verdauung, Blutbildung, Bewegung der Säfte und Absonderung, so wie aller Wirkungen durch die Glieder, die Sinne und das Gehirn beiträgt, so muss jedes Individuum im Staate, nach dem Maass der von ihm durch seine Glieder, Sinne oder seinen Geist verwendbaren thätigen Kraft, seinen Theil zur Erhaltung und Wiederkehr der Lebensäusserungen des Staatskörpers verwenden: die Wirkung dieser Kräfte ist eben die Arbeit.

Jeder Theil des ganzen Organismus hat ein natürliches Recht auf die freieste Verwendung seiner Arbeitskraft und alle darauf, dass keiner den andern in dieser Verwendung hemmt und hindert; das Maximum der Wirkung der Arbeitskraft steht im umgekehrten Verhältniss zu der Summe der zu überwindenden Widerstände; je grösser die Widerstände sind, desto kleiner ist die Wirkung. Die Aufgabe des christlichen Staates ist die Widerstände zu vermindern, nicht zu erhöhen, aber die Lehren des grössten Staatsmannes unserer Zeit, des weisen Mannes mit dem grossen Herzen, dessen Verlust die Nation, der er angehörte, und die Welt noch ein Jahrhundert lang betrauern wird, scheinen bis jetzt weder in dem Verstande, noch in den Gemüthern der Menschen fruchtbaren Boden zu finden. Es ist die Unbekanntschaft mit den bedingenden Ursachen der Gesundheit, des Gedeihens und der Stärke des Staates, welche die Missverhältnisse herbeigeführt hat, die für manche Staaten

[317] die Quelle so vieler Uebel sind. Anstatt eines harmonischen Ganzen hat man eine Missgestalt, einen grossen Kopf auf einem kleinen Körper, ungeheure Arme und dünne, schwache Beine, einen grossen Magen und eine kleine Lunge. Wenn Laune und Zufall, anstatt Vorhersicht und Ueberlegung, und altherkömmliche Gewohnheiten im Widerspruch mit Naturgesetzen die Bewegung und Kraftverwendung des Staatsorganismus regeln, so stellt sich von selbst Schwäche und Mangel, und in ihrem Gefolge Armuth und Elend ein. Darum führt der barbarische Staat durch unrichtige und ungleich vertheilte Besteuerung ganze Bevölkerungen ihr Lebenlang der Verhungerung entgegen, wenn sie genöthigt sind, eine zu grosse Summe ihrer eigenen Kraft zu ihrer blossen Fortdauer und für Zwecke zu verwenden, durch welche die Kräfte aller einzelnen Theile nicht vollkommen wieder hergestellt werden. Darum haben die Staaten mit grossen stehenden Heeren nur den Schein von Stärke, weil ein dauernder Aderlass den besten Theil ihres Blutes und ihre edelsten Säfte entzieht; ihre Macht ist der Kraft gleich, welche der Wilde im Branntweinrausche findet; wenn der Rausch verfliegt, dann ist die Macht mit der Kraft dahin.

„Alles was dem Zufall, dem freien Willen, den Leidenschaften der Menschen oder dem Grade der Intelligenz anheim gegeben zu sein scheint, ist an eben so feste, unverbrüchliche und ewige Gesetze geknüpft wie die Erscheinungen der materiellen Welt. Niemand kennt den Tag oder die Stunde seines Todes, und nichts erscheint zufälliger als die Geburt eines Knaben oder eines Mädchens. Aber wie Viele von einer Million in einem Lande zusammenlebender Menschen in 10 bis 20 bis 40 bis 60 Jahren gestorben, wie viel Knaben und Mädchen in einer Million Geburten enthalten sein werden, dies ist so gewiss und viel gewisser noch als irgend eine menschliche Wahrheit.“

„Die Statistik der Gerichtshöfe hat uns von der regelmässigen Wiederkehr derselben Verbrechen unterrichtet, und es ergiebt sich daraus die für unsern Verstand, weil die Verbindungsglieder fehlen, unbegreifliche Thatsache, dass man für jedes grössere Land die Zahl der Verbrechen und der einzelnen Arten derselben für jedes kommende Jahr mit derselben Gewissheit voraussagen kann, mit welcher man die Zahl der Geburten und natürlichen Todesfälle bestimmt hat. Von hundert der vor dem höchsten Gerichtshofe in Frankreich Angeklagten werden 61, in England 71 verurtheilt. Die Abweichungen im Mittel betragen kaum den hundertsten Theil des Ganzen. Die Anzahl von Selbstmorden im Allgemeinen, durch Schiesswaffen, durch den Strick lassen sich für 15 Jahre mit Zuverlässigkeit vorher bestimmen.“

„Eine jede grosse Anzahl Erscheinungen derselben Art, welche periodisch auf- und niedergehen, führt auf ein unveränderliches Verhältniss. Dies ist das Gesetz der grossen Zahlen, dem alle Dinge und alle Ereignisse ohne Ausnahme unterworfen sind. Diese Gesetze haben in der moralischen Welt nichts mit dem innern Wesen von Tugend und Laster, sondern mit den äussern Ursachen und den Wirkungen zu thun, die sie in der menschlichen Gesellschaft hervorbringen. Den Einfluss der Erziehung und der Gewöhnung an Ordnung und Arbeit auf die Sittlichkeit der Menschen leugnet Niemand, ohne dass es Jemandem einfällt, diese Sittlichkeit

[318] zu einer blossen Folge jener Gewöhnung machen zu wollen. Eine gute Erziehung, eine erhöhte Cultur mindert die Anzahl der Verbrechen, gleich wie die Anzahl der jährlichen Todesfälle in unsern Mortalitätstabellen.“ (Quetelet, Ueber den Menschen und die Entwickelung seiner Fähigkeiten, deutsch von Riecke. Stuttgart 1838.)

Es ist klar, dass die Erkenntniss der wahren Mittel, um die menschliche Gesellschaft einem bessern Zustande näher zu führen und das Glück der Völker dauernd zu begründen, nur durch die Aufsuchung des Einflusses aller andern Einrichtungen, Gebräuche, Gewohnheiten und Institutionen auf die Moralität des Menschen, auf dem Wege der Zahlen erlangt werden kann. Dies ist die wahre Naturforschung.

  1. In einer nicht ganz reinen Kreatininlösung, welche mehrere Monate lang in einem Schranke stand, verwandelte sich allmählich alles Kreatinin in Kreatin, welches in einem einzigen schönen grossen Krystall sich absetzte; eine schwache Schimmelbildung fand nebenbei statt.
  2. In den Muskeln, namentlich in den Halsmuskeln eines Alligators, der an einer nicht näher zu bezeichnenden Krankheit gestorben war, welcher dem hiesigen anatomischen Museum zukam, zeigte das Fleisch ein eigenthümliches fleckiges Ansehen, und die genauere Untersuchung ergab, dass es von zahllosen kleinen Krystallen von Harnsäure herrührte, welche zwischen den Muskelprimitivbündeln und dem Bindegewebe abgelagert war.
  3. Herr James King, einer der intelligentesten Colonisten Australiens, welcher sich die ausgezeichnetsten Verdienste um die Cultur des Weinstocks in diesem Welttheil erworben hat, schreibt mir Folgendes: „(Irrawang near Raymond Terrace, New South Wales, 26. Oct. 1850.) Die hiesige Gegend ist ein sehr ausgedehntes und vorzügliches Weideland. Hornvieh und Schafe sind zahlreich und wohlfeil. Tausende derselben werden jeden Monat geschlachtet und das Fleisch zur Gewinnung des Fettes ausgekocht; der nahrhafte Theil des Fleisches wird als nutzlos hinweggeworfen; das allerbeste Ochsenfleisch kostet nicht über einen halben Penny (1½ Kr.) das Pfund.“
  4. Es bedarf wohl keiner besonderen Hervorhebung, dass die Personen, welche sich geneigt finden, Fleischextract für den Handel zu bereiten, ihren Zweck völlig verfehlen werden, wenn sie die Fehler ihrer Vorgänger nicht mit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu vermeiden suchen. Ein halbstündiges Kochen des feingehackten Fleisches mit der acht- bis zehnfachen Wassermenge reicht hin, um alle wirksamen Bestandtheile desselben aufzulösen. Die Brühe muss vor dem Abdampfen von allem Fett (welches ranzig werden würde) auf das Sorgfältigste befreit und das Abdampfen im Wasserbade bewerkstelligt werden. Der Fleischextract ist niemals hart und brüchig, sondern weich, und zieht die Feuchtigkeit der Luft stark an. Das Auskochen des Fleisches kann in reinen kupfernen Kesseln geschehen, zum Abdampfen sollten hingegen Gefässe von Porzellan gewählt werden. Wenn der Preis des Pfundes sich nicht höher als etwa vier Thaler preuss. stellt, so würde der Fleischextract sicher einen gewinnreichen Handelsartikel abgeben. In Giessen lässt sich das Pfund, die Kosten der Darstellung ungerechnet, nicht unter 5 bis 6 Thaler darstellen.
  5. Zusammensetzung der Fleischasche nach Keller:
    Phosphorsäure 36,60
    Kali 40,20
    Erden und Eisenoxyd 5,69
    Schwefelsäure 2,95
    Chlorkalium 14,81
    100,25
    davon gehen beim Kochen des Fleisches in die Fleischbrühe es bleiben im Fleisch Rückstand
    Phosphorsäure 26,24 10,36
    Kali 35,42 4,78
    Erden und Eisen 3,15 2,54
    Schwefelsäure 2,95
    Chlorkalium 14,81
    82,57 17,68

    Die Fleischbrühe enthält 0,46, der Rückstand 1,42 phosphorsaures Eisenoxyd.

  6. Ein Nahrungsmittel, welches wie das Eigelb des Hühnereies in seiner Asche Kali und Phosphorsäure im Verhältniss wie die sauren Salze dieser Säure (PO5MO) enthält, kann, indem eine solche Spaltung nicht mehr möglich ist, für sich keinen Blutbildungswerth besitzen. Magendie berichtet in seinen Versuchen: „Da wir viel Eidotter zu unserer Verfügung hatten, so wollten wir uns versichern, ob die Hunde sich damit ernähren liessen. Zu diesem Zwecke gaben wir 12 bis 15 hartgekochte Eidotter gesunden jungen Hunden von vortrefflichem Appetit. Am ersten Tage wurden die Eidotter, wiewohl mit einigen Zeichen von Widerwillen, gefressen, den zweiten war dieser noch stärker und am vierten wurden sie von den Thieren nicht mehr berührt, obwohl sie im höchsten Grade hungrig waren.“ Das Eigelb macht 40, das Eiweiss 60 Procent des Hühnereies aus, das erstere enthält bis 1,5 Procent (siehe die Note S. 264), das andere nur 0,65 Procent an unverbrennlichen Bestandtheilen.
  7. Kalbfleisch-Asche, Analyse von Staffel (nach Abzug des Kochsalzes):
    Phosphorsaures Kali 68,05 PO52MO 73,71
    Phosphorsaures Natron 5,66
    Phosphorsaurer Kalk 3,72 9,97
    Phosphorsaure Bittererde 6,24
    Freie Phosphorsäure 15,10
    Eisenoxyd 0,30
    Kieselerde 0,92
    100,99

    Die Rindfleischasche enthält nach Staffel 1,06 Eisenoxyd.

  8. Asche von Käse nach Abzug des Kochsalzes:
    Labkäse aus saurer Milch
    Schweizer Käse sog. deutscher Handkäse
    (Johnson.) (Johnson.)
    Alkalien 13,48 42,29¹)
    Kalk 39,22 8,92
    Bittererde 1,77 0,00
    Eisenoxyd 0,35 0,40
    Phosphorsäure 45,00 47,88
    Kieselerde 0,18 0,11
    100,00 100,00

    ¹) Unter diesen Alkalien befanden sich 25,68 Procent Natron, welche höchstwahrscheinlich durch Zusetzung des Kochsalzes in die Käseasche gekommen sind; denn die Milch enthält keine oder nur Spuren von Natronsalzen.

  9. Asche des Stockfischfleisches mit Kalkwasser gewässert und ausgelaugt:
    (Zedeler.)
    Phosphorsäure 16,775
    Natron 4,259
    Kali 3,700
    Kalk 40,218
    Magnesia 3,272
    Eisenoxyd 0,537
    Schwefelsäure 1,643
    Kohlensäure 13,555
    Kochsalz 15,112
    99,071

    100 Theile des trockenen Fleisches hinterliessen 7,25 Procent Asche.

  10. Von den in dieser Reihe aufgeführten Stoffen ist das Albumin des Blutes, der Eier und des Fleisches so wie das Casein der Milch häufig ja diesen Briefen schon erwähnt. Das Chondrin ist die organische Substanz der Knochen der Thiere vor der Ossification, es ist der Leimsubstanz in vielen Eigenschaften ähnlich, aber in seiner Zusammensetzung wesentlich davon abweichend. Das Glycocoll ist durch seine Eigenschaften sehr merkwürdig; obwohl weder sauer noch alkalisch, spielt es dennoch die Rolle einer Säure und einer Basis; es kann aus Leimsubstanz, Chlorsäure und Hippursäure dargestellt und als Paarling dieser Verbindungen betrachtet werden; die Cholsäure ist ein Hauptbestandtheil der Galle, die Hippursäure, Harnsäure, Allantoin und Harnstoff sind Bestandtheile des Harns. Die Hornsubstanz ist keine einfache Verbindung; wenn man Hornspäne mit Wasser bedeckt an einen warmen Ort stellt, so gehen sie in Fäulniss über und die Substanz derselben zerfällt in zwei Producte, wovon das eine Aehnlichkeit mit Käsestoff, das andere mit Albumin hat; sie weichen aber beide in ihrer Zusammensetzung davon ab.
  11. Zusammensetzung des
    Blutalbumins Caseins Blutfibrins
    nach obiger Formel Analyse Formel Analyse Formel Analyse
    Schwefel 1,3 1,30 0,9 0,9 0,8 1,0
    Kohlenstoff 53,5 53,50 53,7 53,6 53,4 53,2
    Stickstoff 15,6 15,50 15,7 15,8 16,8 17,2
    Wasserstoff 7,0 7,16 7,1 7,4 6,8 6,9
    Sauerstoff 22,6 22,54 22,6 22,6 22,2 21,7
    100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
    Chondrin Leimsubstanz
    Formel Analyse Formel Analyse
    Kohlenstoff 49,4 49,2 49,3 49,4
    Stickstoff 14,4 14,6 18,3 18,5
    Wasserstoff 6,7 6,9 6,7 6,9
    Sauerstoff 29,5 29,3 25,7 25,2
    100,0 100,0 100,0 100,0

    Die Richtigkeit der Formeln der Cholsäure, Choleinsäure ist durch Strecker erwiesen, und die der Harnsäure, des Allantoins und Harnstoffs durch Prout und Andere dargethan.

  12. Es ist bekannt, dass durch Einwirkung von Oxydationsmitteln auf Cholsterin eine eigenthümliche Säure, die Cholsterinsäure entsteht (Redtenbacher) und dass dieselbe Säure auf ähnliche Weise aus Cholsäure und Choleinsäure (Schlieper) und sonst aus keinem anderen Bestandtheil oder Product des Thierkörpers erhalten werden kann. Dieses Verhalten stellt eine Beziehung zwischen den Säuren der Galle und dem in eben diesem Secrete oft in so grosser Menge vorkommenden Gallenfett fest, und es ist nicht unmöglich, dass das Cholsterin ein Product der Umwandlung der Gallensäuren im organischen Processe ist. Niemand weiss bis jetzt was aus diesen Säuren wird.
  13. Weizenasche.
    Analyse von Erdmann.
    Nach Abzug von Eisenoxyd (1,33 Procent Kieselerde und Sand 3,37)
    Phosphorsaure Alkalien (PO52MO) 49,18
    Phosphorsaure Erden (PO52MO) 23,13
    Freie Phosphorsäure 27,69
    100,00

    Man vergleiche hiermit die trefflichen Analysen von Th. Way und Ogston.

  14. „Ist das feinste Weizenmehl ein eben so vollkommenes Nahrungsmittel als das rohe Mehl? Ich glaube nicht, und ich erinnere in dieser Beziehung an den Versuch Magendie’s, in welchem ein Hund nach 40 Tagen starb, welcher ausschliesslich mit weissem Weizenbrod gefüttert wurde, während ein zweiter Hund, welcher schwarzes Brod erhielt (Mehl und Kleien) am Leben blieb, ohne Störung seiner Gesundheit.“ (Millon, Comptes rendus Tom. 28 p. 40.)
  15. Kleber aus einer Stärkmehlfabrik lieferte 1 bis 1¼ Procent Asche, welche 7,87 Kali, 2,14 Natron, 17,31 Kalk, 12,08 Bittererde, 7,13 Eisenoxyd, zusammen 47,13 Basen mit 52,08 Phosphorsäure, 0,69 Schwefelsäure und 0,09 Chlor enthielt. (Kekulé.)
  16. Zusammensetzung der Weizen-Kleie:
    Millon Kekulé
    Stärkmehl 52,0 67,3
    Kleber 14,9
    Zucker 1,0
    Fett 3,6 4,1
    Holzsubstanz 9,7 9,2
    Salze 5,0 5,6
    Wasser 13,8 13,8
    100 100
  17. In der Provinz Oberhessen, in der Umgegend von Giessen bedienen sich die Bauern als eines wirksamen Hausmittels beim Zahnen der Kinder des reinen Kalkwassers, welches die kleinen Wesen kaffeelöffelweise mit Begierde geniessen.
  18. In den Käsereien Englands gehen jährlich Tausende von Centnern dieses Respirationsmittels in den Molken verloren.
  19. Die Nachwirkungen des Weins bezeichnet man in Deutschland mit dem Worte „Katzenjammer“.
  20. Nach ihrem Preis geordnet enthalten die folgenden Rheinweine
    an Alkohol an festem Rückstand
    Steinberg 1846er 10,87 10,55 (Fresenius.)
    Markobrunn " 11,14 5,18
    Hattenheim " 10,71 4,21
    Steinberg 1822er 10,87 9,94 (Geiger.)
    Rüdesheim " 12,01 5,39
    Markobrunn " 11,6 5,10
    Geisenheim " 12,6 3,06

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  21. Beim Genuss von Leberthran verliert sich bei Personen, welche an den Weingenuss gewöhnt sind, die Neigung und der Geschmack am Wein.

    Seit dem Bestehen der Mässigkeitsvereine wurde es in vielen Haushaltungen Englands für billig erachtet, das Bier, das die Dienstboten täglich erhielten, wenn sie den Mässigkeitsvereinen beitraten und kein Bier mehr tranken, in Geld zu vergüten; aber es wurde von aufmerksamen Hausfrauen sehr bald wahrgenommen, dass der monatliche Brodverbrauch in auffallendem Verhältniss zunahm, so dass also das Bier zweimal bezahlt wurde, einmal in Geld und ein zweites Mal in einem Aequivalent von Brod.

    Bei Gelegenheit des Friedenscongresses in Frankfurt a. M. theilte mir der vormalige Besitzer des berühmten Hotel de Russie mit Ausdrücken der Verwunderung mit, dass damals an seiner Tafel an gewissen Speisen, namentlich Mehlspeisen, ein wahrer Mangel eingetreten sei, ein unerhörter Fall in einem Hause, in welchem die Menge und das Verhältniss der Speisen für eine gegebene Anzahl von Personen seit Jahren festgesetzt und wohlbekannt ist. Sein Haus war nämlich gefüllt mit Friedensfreunden, die alle den Mässigkeitsvereinen angehörten und keinen Wein tranken. Herr Sarg bemerkte, dass Personen, welche keinen Wein trinken, stets im Verhältniss mehr essen. In den Weinländern ist daher der Preis des Weines stets in dem Preis des Essens eingeschlossen, und es wird deshalb dort nicht für unbillig gehalten, an den Wirthstafeln den Wein zu bezahlen, auch wenn man ihn nicht trinkt.

    Shakespeare: König Heinrich IV., Act II. Scene 4. Prinz Heinrich: O, ungeheuer! Nur für einen halben Penny Brod zu dieser unbilligen Menge Sect!

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  22. Ein Theeaufguss von 70 Grm. Peccothee enthielt 0,104 Grm. Eisenoxyd und 0,20 Grm. Manganoxydul. (Fleitmann.)
    Bestandtheile der Asche
    des
    Theeaufgusses Kaffeeabsudes der Cacaobohnen
    (Souchonthee) (Javakaffee) (Guayaquil)
    (Lehmann.) (Lehmann.) (Zedeler.)
    Kali 47,45 51,45 37,14
    Kalk 1,24 3,58 2,88
    Magnesia 6,84 8,67 15,97
    Eisenoxyd 3,29 0,25 0,10
    Phosphorsäure 9,88 10,02 39,65
    Schwefelsäure 8,72 4,01 1,53
    Kieselsäure 2,31 0,73 0,17
    Kohlensäure 10,09 20,50 0,00
    Manganoxyd 0,71 0,00 0,00
    Chlornatrium 3,62 ClK 1,98 Cl 1,66
    Natron 5,03 0,00 0,00
    Kohle und Sand 1,09 0,49 0,00
    100,77 100,68 100,33
    100 Gew.-Theile Theeblätter (Souchong) geben mit siedendem Wasser ausgezogen 15,536 Gew.-Theile trocknen Extract, worin 3,06 Gew.-Theile Asche (=19,69 Procent des Extracts). 100 Gew.-Theile geröstete Kaffeebohnen lieferten mit Wasser ausgekocht 21,52 Gew.-Theile Extract, worin 3,41 Gew.-Theile Asche (16,6 Procent des Extracts). Die Cacaobohnen waren ausgehülst und lieferten 3,62 Procent Asche.

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  23. Nach Dr. Julius Lehmann’s Untersuchungen (Ann. d. Ch. u. Ph. B. 88 S. 250) vermindert der Kaffeegenuss die Absonderung des Harnstoffs und übt demnach eine Wirkung auf den Stoffwechsel aus, welche die entgegengesetzte von der des Weins ist.
  24. Bei Gelegenheit der Beschreibung seines Aufenthaltes in den Pampas erwähnt Darwin in seinem unvergleichlichen Werke, welches eine Fülle der schönsten Beobachtungen enthält: Wir konnten hier (Tapalguen 17. Sept.) etwas Zwieback kaufen. Ich hatte seit mehreren Tagen nichts als Fleisch gegessen, fühlte mich aber ganz wohl bei dieser Nahrung, merkte indessen, dass es nur zu einer sehr thätigen Lebensweise passen möchte; ich habe gehört, dass Kranke in England, die man ganz auf animalische Nahrung gesetzt hatte, diese selbst mit der Hoffung der Gesundheit vor Augen nicht ertragen konnten. Und doch berühren die Gauchos in den Pampas Monate lang nichts als Rindfleisch. Aber ich muss bemerken, dass sie eine sehr grosse Menge Fett essen; sie verschmähen auch besonders mageres trockenes Fleisch, wie das des Aguti. (Naturwissenschaftliche Reisen etc. von Ch. Darwin. Deutsch von D. C. Dieffenbach. Braunschweig bei Fr. Vieweg und Sohn. 1844.)

    Homer versäumt keine Gelegenheit, wenn er die Mahlzeiten und Schmäuse seiner Helden beschreibt, dem „blühenden“ Fett des Schweinerückens die geziemende Lobrede zu halten.

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  25. Die keusche Königin von Ithaka in Abwesenheit ihres Gemahls Ulysses hatte, erzählt uns Homer, zwölf Sclavinnen nöthig, welche Tag und Nacht beschäftigt waren, um das für den Unterhalt ihres Hauses nöthige Korn zu mahlen. Es war ein einfach gehaltenes Haus, und ich übertreibe, wenn ich annehme, dass Penolope dreihundert Personen täglich zu ernähren hatte. Also in diesen Verhältnissen, wo alle Arbeit im Schweisse der Menschen geschah, war eine Person nöthig, um das Korn für fünfundzwanzig, vielleicht nur für die Hälfte, zu mahlen. In unsern Tagen beschäftigt das Mahlen des Getreides unendlich weniger Hände. In der Mühle zu St. Maux bei Paris kann jeden Tag das Getreide für hunderttausend Soldaten von zwanzig Arbeitern gemahlen werden; dies ist eine Person für fünftausend Consumenten. Penelope konnte ohne Zweifel den zwölf Sclavinnen nur einen mageren Unterhalt geben, obwohl sie mit Arbeit überladen waren, eben weil der Ertrag der Arbeit dieser Unglücklichen im Verhältniss so gering war. M. Chevalier, Lettres sur l’organisation du travail. Paris, Capelle 1848. S. 29.

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