Chemische Briefe/Zweiundvierzigster Brief

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Zweiundvierzigster Brief.


Die Menge der in der Luft enthaltenen Nahrungsstoffe ist, verglichen mit der Luftmasse, sehr gering.

Wenn man alle Kohlensäure- und Ammoniaktheilchen, die in der Luft zerstreut enthalten sind, sich in einer Schicht um die Erde herum

[377] gesammelt denkt, so würden diese Gase, wenn sie dieselbe Dichte wie an der Meeresfläche hätten, die Kohlensäure etwas mehr wie acht Fuss, das Ammoniakgas kaum zwei Linien Höhe haben; beide werden von der Pflanze der Luft entzogen und die Atmosphäre wird natürlich ärmer daran.

Wäre die ganze Oberfläche der Erde eine zusammenhängende Wiese, von welcher jährlich auf einem Hectar 100 Centner Heu geerntet werden könnten, so würde in 21 bis 22 Jahren die Atmosphäre aller darin enthaltenen Kohlensäure durch die Wiesenpflanzen beraubt sein, und alles Leben würde damit ein Ende haben; die Luft würde aufhören für die Pflanzen fruchtbar zu sein, d. h. eine unentbehrliche Lebensbedingung für ihre Entwickelung darzubieten. Wir wissen, dass für die ewige Dauer des organischen Lebens gesorgt ist; der Mensch und die Thiere leben von dem Pflanzenleib; alle organischen Wesen haben nur ein vorübergehendes, verhältnissmässig kurzes Bestehen; in dem Lebensprocess der Thiere verwandelt sich die Nahrung, die ihn unterhält, in das, was sie ursprünglich war; eine ganz gleiche Veränderung wie die Nahrung erleiden die Leiber aller Thiere und Pflanzen nach ihrem Tode; ihre verbrennlichen Elemente werden in Kohlensäure und Ammoniak zurückgeführt; beide sind ihrer Natur nach gasförmig und kehren in das Luftmeer zurück, wo sie zur Bildung und Entwickelung eines neuen Geschlechtes dienen.

Die Dauer des organischen Lebens ist, wie man sieht, in Beziehung auf die verbrennlichen Elemente, aus denen der Pflanzen- und Thierleib sich bildet, auf das Engste geknüpft an die Wiederkehr dieser Bedingungen; für diese hat der Schöpfer einen grossen Kreislauf eingerichtet, an welchem der Mensch sich betheiligen kann, der aber ohne sein Zuthun sich erhält.

Da, wo die Nahrung in der Form von Korn und Feldfrüchten auf dem Boden sich anhäuft und wächst, sind nahebei Menschen und Thiere, die sie verzehren und welche durch das zwingende Naturgesetz ihrer eigenen Erhaltung diese Nahrung immer wieder zurück in die ursprünglichen Nahrungselemente verwandeln.

Die Luft ruht nie, sie ist immer, auch wenn nicht der leiseste Wind weht, auf- oder absteigend in Bewegung; was sie an Nahrungsstoff verlor, empfängt sie sogleich von einem andern Orte aus immer fliessenden Quellen wieder.

In Beziehung auf die Aufnahme der Nahrung und die Richtung ihrer Verwendung besteht zwischen den dauernden Gewächsen und den einjährigen Pflanzen ein beachtungswerther Unterschied; denn wenn auch die Fähigkeit, Nahrung aufzunehmen und in Bestandtheile ihres Organismus übergehen zu machen, bei den verschiedenen Pflanzengattungen gleich sein mag, so ist doch der für ihre Lebenszwecke nöthige Bedarf, der Zeit nach, ungleich; um in der kürzeren Periode ihres Lebens ein Maximum von Entwickelung zu erreichen, bedarf die einjährige Pflanze mehr als die zweijährige, diese mehr als die dauernde Pflanze.

Die günstigen Bedingungen des Pflanzenlebens wirken gleich nützlich auf die perennirende Pflanze, allein ihre Entwickelung hängt nicht in gleichem Grade von zufälligen und vorübergehenden Witterungsverhältnissen ab; in ungünstigen wird ihr Wachsthum nur der Zeit nach

[378] zurückgehalten; sie vermag die wiederkehrenden günstigen abzuwarten und während in ihrer Zunahme einfach ein Stillstand eintritt, hat das einjährige Gewächs die Grenze seines Lebens erreicht und stirbt ab.

In der perennirenden Pflanze wendet sich im Anfang ihrer Entwickelung die stärkste Wirkung ihrer vegetativen Thätigkeit zunächst der Ausbildung ihrer Wurzeln zu; die atmosphärischen Nahrungsmittel, welche die Blätter aufgenommen haben, dienen – wie dies am augenfälligsten bei den Holzpflanzen wahrnehmbar ist, die in der ersten Zeit ihrer Entwickelung so langsam und später so rasch zu wachsen scheinen – zur Ausbreitung und Verlängerung ihrer unterirdischen Aufsaugungsorgane; wenn ihre Wurzeln einen gewissen Umfang gewonnen haben, so nimmt von da an, in weit grösserem Verhältniss als im Anfang, ihr Stamm oder Stengel an Stärke, die Zweige, Triebe und Blätter in ihrer Anzahl zu.

In der Entwickelung der einjährigen Pflanze wird die Nahrung gleichzeitig in zwei Richtungen für die Ausbildung der Triebe, Wurzeln und Blätter verwendet, sie ist darum in Beziehung auf die gleichmässige Zufuhr und das richtige Verhältniss von Nahrung weit abhängiger von der Bodenbeschaffenheit und der Witterung, wie die mehrjährige Pflanze; die Entwickelung aller Theile der einjährigen Pflanze ist an eine ganz bestimmte, verhältnissmässig kurze Zeitdauer gebunden und ihr Wachsthum ist nur dann ganz vollkommen, wenn die äusseren Bedingungen eben so günstig als die Bodenbeschaffenheit sind.

Für die dauernden Rasen- und Wiesenpflanzen erscheint die Bildung unterirdischer Sprossen von der grössten Bedeutung, weil durch sie die Vegetation erhalten wird; sie scheint zumeist in Fällen einzutreten, wo Mangel an Nahrung oder äussere Störungen das einjährige Gewächs gefährden würden. Nur der kleinste Theil der Pflanzen auf einem Rasenstück einer dicht bestandenen Wiese bildet Halme, die meisten entwickeln nur Blätterbüschel; manche ist ganz auf unterirdische Sprossenbildung beschränkt. Eine Landschaft empfängt im Wesentlichen ihren Charakter durch die perennirenden Gewächse, welche überall, wo ihnen der Mensch nicht hindernd entgegentritt, Besitz vom Boden nehmen; abgeholzte Waldstrecken bedecken sich im folgenden Jahre sogleich mit Pflanzen, von welchen viele (z. B. die Himbeere) in demselben Jahre blühen und Früchte tragen und darum nicht aus Samen entstanden sein können; fortsprossende Wurzeltriebe erhalten eine Reihe von Jahren hindurch die Pflanze auf einer niederen Stufe, bis endlich die Bedingungen einer vollkommenen Entwickelung wieder eintraten.

Auf diesem Verhalten beruht die Dauer unserer Wiesen; die Sicherheit ihrer Erträge unter wechselnden Witterungs- und Bodenverhältnissen liegt in der grossen Anzahl Pflanzen, welche sich auf einer niederen Stufe ihrer Entwickelung zu erhalten vermögen.

Während die eine Pflanzenart sich nach aussen hin entwickelt, blüht und Samen trägt, sammelt eine zweite und dritte abwärts die Bedingungen eines gleichen zukünftigen Gedeihens; die eine scheint zu verschwinden, indem sie einer zweiten oder dritten Platz macht, bis auch für sie die Bedingungen des Wachsthums wiedergekehrt sind. Aschendüngung ruft aus der Grasnarbe die kleeartigen Gewächse hervor; bei

[379] einer Düngung mit Knochenmehl, welches durch Schwefelsäure aufgeschlossen war, fand sich Halm an Halm französisches Raigras entwickelt; wo das Knochenmehl zufällig nicht hinkam, war kein Halm der genannten Grasart zu sehen.

In der Aufeinanderfolge und dem Wechsel sichert eine wunderbare Natureinrichtung das Fortbestehen der Gewächse, welche den Boden mit dauerndem Grün bekleiden und in der Cultur der jährigen Gewächse, welche die Nahrung der Menschen und Thiere liefern, unterordnet sich das Thun des Landwirthes in dem Wechsel einem höheren Gesetz.

Der Umkreis, aus welchem die perennirende Pflanze ihre Nahrung zieht, erweitert sich von Jahr zu Jahr; wenn ihre Wurzeln an einer Stelle nur wenig vorfinden, so empfängt sie ihren Bedarf von anderen, daran reicheren Stellen.

Die einjährige Pflanze verliert in jedem Jahr ihre Wurzeln, die perennirende behält ihre Wurzeln, bereit in jeder günstigen Zeit zur Aufnahme ihrer Nahrung; viele behalten ihren Stengel oder Stamm, in welchem sich der aufgenommene und nicht verbrauchte Theil der Nahrung für den künftigen Bedarf der Blätter und Knospen anhäuft; daher gedeihen auf einem verhältnissmässig armen Boden diese Gewächse mit Ueppigkeit, auf welchem einjährige Gewächse einer Zufuhr von Nahrung durch die Hand des Menschen bedürfen.

Einjährige Gewächse können auf die Dauer auf demselben Boden nicht einander folgen, ohne ihn zu erschöpfen, und es folgen in der Wechselwirthschaft am Vortheilhaftesten perennirende Pflanzen den einjährigen und umgekehrt.

Eine einjährige Pflanze ist um so unabhängiger von einer Zufuhr an atmosphärischen Nahrungsmitteln, jemehr sie sich in ihrem Verhalten den perennirenden nähert. So lange eine Pflanze frische Blätter treibt, behält sie und erhält sich ihr Vermögen, Kohlensäure und Ammoniak aus der Atmosphäre zu schöpfen und sie ist in der Zeit dieser Aufnahme um so weniger einer Zufuhr dieser Stoffe durch den Boden bedürftig.

Eine Erbsenpflanze, welche in derselben Zeit, wo ihre Samen reifen, frische Blätter und Blüthen treibt, nimmt und empfängt mehr verbrennliche Elemente aus der Atmosphäre, als die Kornpflanze, deren Blätter und grüne Stengel nach der Blüthe und mit dem Reifen der Samen abwelken und ihre Aufnahmsfähigkeit für die atmosphärische Nahrung verlieren.

Man versteht hiernach, warum die eine Pflanze durch Düngung zur richtigen Zeit mit organischen Stoffen, welche in ihrer Verwesung den Wurzeln Kohlensäure und Ammoniak zuführen, an Pflanzenmasse gewinnt und eine grössere Menge von Samen liefert als eine andere, deren Ertrag dadurch kaum erhöht wird.

Von einer gleichen Fläche Land erntet man in verschiedenen Culturgewächsen eine sehr ungleiche Menge von Blut und Fleischbestandtheilen oder von Stickstoff. Bezeichnet man die Stickstoffmenge, welche auf einem Felde in der Form von Korn und Stroh in Roggen geerntet wird, mit der Zahl 100, so erntet man auf derselben Fläche

im Hafer 114
im Weizen 118
in Erbsen 270
im Klee 390
in Turnips 470. [1]

[380] Die Erbsen, Bohnen und Futtergewächse liefern hiernach in der landwirthschaftlichen Cultur mehr Stickstoff als die Getreidearten; die Erbsen und Bohnen liefern mehr wie doppelt, der Klee und die Turnipsrübe liefern drei bis viermal mehr Fleisch und Blutbestandtheile als der Weizen. Der Klee und die Rüben vermögen auf vielen Feldern diesen höheren Ertrag zu liefern, ohne im Dünger Stickstoff zu empfangen. Durch Asche kann dieser Ertrag bei dem Klee, durch schwefelsaure Knochenerde bei den Turnips noch gesteigert werden.

In der Cultur zeigt sich der stickstoffhaltige Dünger besonders nützlich für die Getreidepflanzen, obwohl auch das Wachsthum der Klee- und Wurzelgewächse auf vielen Feldern mächtig dadurch gesteigert wird; im Allgemeinen beweist das üppige Gedeihen der Futtergewächse auf Feldern, die keinen stickstoffhaltigen Dünger empfangen haben, dass die Nützlichkeit oder Nothwendigkeit dieser Dünger für die Getreidefelder nicht bedingt sein kann durch einen Mangel an Zufuhr von Stickstoff aus natürlichen Quellen, und nicht daraus erklärt werden kann, weil es den Getreidepflanzen an dieser Zufuhr gefehlt habe. Die über einem Klee- und Kornfeld schwebende Luftsäule bietet dem Korn eben so viele Kohlensäure- und Ammoniaktheilchen dar als dem Klee, und auf dem nämlichen Boden, auf welchem der Landwirth einen sehr geringen Ertrag an Stickstoff in Korn und Stroh hatte, wenn er eine Futterpflanze darauf baut, erntet er das Drei- und Vierfache an stickstoffhaltigen Bestandtheilen; die nämliche Quelle, woraus die Kleepflanze ihren Bedarf an Stickstoff schöpfte, stand auch der Kornpflanze offen, und wenn die Kleepflanze das Drei- bis Vierfache empfing, so konnte die Kornpflanze keinen Mangel daran haben. Es ist ganz sicher, dass ein Boden, welcher einen geringen Ertrag an Korn geliefert hat, nicht fruchtbarer wird für Korn, auch wenn demselben die reichlichsten Mengen Ammoniak zugeführt werden.

Der Grund des Nichtgedeihens des Korns muss demnach in anderen Verhältnissen liegen, und die nächstliegende Ursache muss in der Beschaffenheit des Bodens gesucht werden.

Auf der anderen Seite kann es nicht bezweifelt werden, dass zwei an den fixen Nahrungsmitteln der Gewächse gleich reiche Felder dennoch ungleich fruchtbar für Korngewächse sind, wenn das eine derselben mehr kohlenstoff- und stickstoffreiche organische Materien als das andere enthält; das hieran reichere liefert einen höheren Ertrag an Korn und Stroh; es ist ferner gewiss, dass von zwei Feldern, welche eine gleiche Zufuhr an fixen Nahrungsstoffen im Dünger empfangen haben, wenn das eine gleichzeitig, in organischen Materien, noch überdies eine Kohlensäure- und Ammoniakquelle empfängt und das andere nicht, dass dieses eine Feld einen höheren Ertrag an Korn im Allgemeinen liefert als das andere.

Diese Steigerung des Ertrags findet in diesen Verhältnissen statt für Kornpflanzen sowohl wie für andere jährige Gewächse, welche eine schwache Blattentwickelung und Wurzelverzweigung haben, und die Ursache

[381] der Nützlichkeit einer Zufuhr von organischen und stickstoffreichen Materien ist leicht erkennbar.

Der Grund liegt offenbar darin, dass die Menge von stickstoffreichen Producten, welche auf einer gegebenen Fläche Land gewonnen werden kann, in einem bestimmten Verhältniss zur Blattoberfläche, oder im Allgemeinen zu den Organen der Aufsaugung steht und zu der Zeit, in welcher diese Organe thätig sind.

Von zwei Gewächsen von gleicher Vegetationszeit wird das eine mit der doppelten Blattoberfläche doppelt so viel Stickstoff aus der Luft aufnehmen als das andere mit einfacher Oberfläche.

Von zwei Pflanzen von gleicher Blattoberfläche und ungleicher Vegetationszeit wird unter sonst gleichen Verhältnissen diejenige einen höheren Ertrag liefern, welche bei gleicher Zufuhr länger aufnimmt, d. h. mehr Zeit zu dieser Aufnahme hat. Durch die Düngung seiner Felder mit stickstoffreichem Dünger übt der Landwirth einen unmittelbaren Einfluss auf Erträge derselben aus, und es steht die Wirkung dieser Dünger durch ihren Stickstoffgehalt im umgekehrten Verhältniss zu der aufsaugenden Blatt- und Wurzeloberfläche und zu der Vegetationszeit der gebauten Pflanzen.

Auf Pflanzen mit grosser Blattoberfläche (Erbsen, Rüben) oder längerer Vegetationszeit (Wiesenpflanzen, Klee) ist die Wirkung des Stickstoffs im Dünger geringer als auf Halmgewächse. Das Ammoniak ist als Nahrungsmittel für alle Gewächse nothwendig, aber seine Zufuhr im Dünger ist im landwirthschaftlichen Sinne nicht nützlich für alle Culturpflanzen.

Die Erfahrung hat den Landwirth gelehrt in dieser Beziehung einen Unterschied zu machen; er düngt in der Regel ein Kleefeld nicht mit stickstoffreichen Materien, weil der Ertrag an Klee in der Regel nicht merklich oder nur unbedeutend dadurch gesteigert wird, während durch Düngung seiner Kornfelder mit diesen Stoffen, die Erträge derselben zu seinem Vortheil zunehmen.

Der Landwirth benutzt darum die Futtergewächse als Mittel zur Erhöhung der Fruchtbarkeit seiner Kornfelder.

Die Futtergewächse, welche ohne stickstoffreichen Dünger gedeihen, sammeln aus dem Boden und verdichten aus der Atmosphäre in der Form von Blut- und Fleischbestandtheilen das durch diese Quellen zugeführte Ammoniak; indem er mit diesen Futtergewächsen, mit dem Kleeheu, den Rüben etc. sein Rindvieh, seine Schafe und Pferde ernährt, empfängt er in ihren festen und flüssigen Excrementen den Stickstoff des Futters in der Form von Ammoniak und stickstoffreichen Producten und damit einen Zuschuss von stickstoffreichem Dünger oder von Stickstoff, den er seinen Kornfeldern giebt.

Immer stammt der Stickstoff, womit der Landwirth seine Kornfelder düngt, aus der Atmosphäre; jedes Jahr führt er eine gewisse Menge Stickstoff in Schlachtvieh und Korn, in Käse oder Milch von seinem Gute aus; allein sein Betriebscapital an Stickstoff erhält und vermehrt sich, wenn er durch die Cultur von Futtergewächsen, im richtigen Verhältniss, den Ausfall zu ersetzen weiss.

[382] In den gemässigten Zonen sind es gewöhnlich die einjährigen Gewächse, welche die Nahrung des Menschen erzeugen, und es ist die Aufgabe des Landwirths, durch diese seinen Feldern eben so viel an ernährenden Stoffen für den Menschen abzugewinnen, als eine gleiche Fläche Land mit perennirenden Gewächsen an Nahrungsstoffen für die Thiere liefert. Für das Thier, das für sich selbst nicht sorgen kann, sorgt die Natur, während der Mensch für die Sicherung seines Bestehens, das Vermögen empfangen hat, die Naturgesetze zu Dienern seiner Bedürfnisse zu machen.

Das beste Getreidefeld, welches gedüngt worden ist, erzeugt im Ganzen nicht mehr Blut- und Fleischbestandtheile als eine gute Wiese, die keinen stickstoffhaltigen Dünger empfangen hat; ungedüngt würde das Getreidefeld weniger als die Wiese hervorgebracht haben.

Was den Kornpflanzen in der Aufnahme ihrer atmosphärischen Nahrungsstoffe aus natürlichen Quellen, der Zeit nach, fehlt, um ein Maximum an Korn und Stroh zu erzeugen, was die sparsamen Blätter während ihrer kurzen Lebensdauer aus der Luft nicht aufzunehmen vermögen, führt der Landwirth durch die Wurzeln zu.

Was die Wiesenpflanzen in acht Monaten an atmosphärischen Nahrungsmitteln aufnahmen und was die Culturpflanzen, deren Aufnahmezeit auf vier bis sechs Monate beschränkt ist, aus der Luft nicht empfangen konnten, ersetzt der Landwirth demnach im Dünger und er bewirkt damit, dass die Kornpflanzen jetzt, in der kürzeren Zeit ihres Lebens, eben so viel Stickstoff zur Aufnahme und Aneignung vorfanden, als den Wiesenpflanzen aus natürlichen Quellen dargeboten wurde.

Die Wirkung stickstoffreicher Düngmittel und ihre Vortheilhaftigkeit in den einzelnen Fällen, erklärt sich demnach daraus, dass der Landwirth gewissen Pflanzen von schwacher Blatt- und Wurzelentwickelung und kurzer Vegetationszeit in Quantität im Dünger zuführt, was ihnen an Zeit zur Aufnahme aus natürlichen Quellen mangelt.

Nicht in allen Fällen führt der Landwirth den Stickstoff, womit er die Erträge seiner Kornfelder steigert, in der Form von Ammoniak zu, in welcher er in den in Fäulniss übergegangenen Menschen- und Thierexcrementen enthalten ist. Er benutzt dazu häufig noch stickstoffreiche Stoffe wie Horn und Hornspäne, getrocknetes Blut, frische Knochen, Rapskuchenmehl u. dergl.

Wir wissen, dass diese so wie alle stickstoffreichen Stoffe, welche von Thieren und Pflanzen stammen, nach und nach im Boden verwesen, und dass ihr Stickstoff allmählich in Salpetersäure und Ammoniak übergeht, welches letztere von der Ackerkrume aufgesaugt und festgehalten wird.

In allen den Fällen, in welchen das Ammoniak als solches einen günstigen Einfluss auf die Erträge hat, wirken auch diese Stoffe in Beziehung auf ihren Stickstoffgehalt ganz gleich dem Ammoniak, nur ist ihre Wirkung langsamer, weil sie je nach ihrer Zersetzbarkeit im Boden einer gewissen Zeit bedürfen, ehe ihr Stickstoff in Ammoniak übergeht; getrocknetes Blut und Fleisch, so wie die stickstoffreichen Bestandtheile des Rapsmehles wirken schneller wie der Leim der Knochen, dieser schneller wie Horn und Hornspäne.

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