Chemnitzer Aktienspinnerei, Chemnitz
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Chemnitz.
Die Chemnitzer Aktienspinnerei wurde am 30. März 1857 in Chemnitz, der Wiege der deutschen Baumwollspinnerei, von den Herren Maschinenfabrikant August Götze, M. F. Bahse und Carl Knackfuß – letztere beide Teilhaber des Garn- und Geld-Geschäftes Carl Knackfuß – als Aktiengesellschaft begründet. Damals war die deutsche Weberei und Wirkerei für den Bezug von Water- und feineren Schußgarnen, sowie von Zwirnen noch vollständig auf England angewiesen. Aufgabe des groß angelegten Unternehmens bildete daher die Erzeugung von Garnen Nr. 16–120 und von Zwirnen mit dem in dem Prospekte ausdrücklich hervorgehobenen Zwecke, die sächsische Web- und Wirkwarenindustrie von dem Bezug englischer Gespinste möglichst unabhängig zu machen. Gleich bei der Begründung war die Aufstellung von 60 000 Throstle-, Mule- und Zwirnspindeln in Aussicht genommen, welche dann auch nach und nach in Betrieb gesetzt wurden. Das erste Direktorium bestand aus den Herren: M. F. Bahse, August Götze und F. G. Gehrenbeck junior, der erste Aufsichtsrat aus den Herren Louis Benndorf, Professor Theodor Böttcher (später Geheimer Rat, Direktor der 3. Abteilung im Königl. Ministerium des Innern in Dresden), Max Hauschild, Rudolf Heidenreich, Brandversicherungsinspektor Kato, Wilhelm Vogel und Alexander Wiedemann, sämtlich in Chemnitz, endlich Bankdirektor Poppe-Leipzig und Carl Friedrich Solbrig-Harthau.
Kurz nach Gründung des Unternehmens traten Verhältnisse ein, welche die Zukunft desselben in recht trübem Lichte erscheinen ließen. In der That hatte es in der ersten Zeit mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Infolge der übermäßigen englischen Konkurrenz mußte bald zur Erzeugung gröberer Garne übergegangen werden. Als der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, hatte es außerordentlich schwer unter dem herrschenden Baumwollmangel zu leiden, und als 1865 die Zollherabsetzungen eintraten, brach eine neue schwierige Zeit herein. Nur der Energie und Aufopferung des damaligen Direktoriums, vor allem dem verstorbenen Herrn Aug. Götze, ist es zu danken, daß es jene Periode glücklich überstand. Es gelang dem Direktorium, durch strenges Haushalten mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, die Krisis zu überwinden und die Gesellschaft lebenskräftig zu erhalten, bis die Tarifreform 1878 neue Produktions-Verhältnisse schuf.
Aus jenen ungünstigen Verhältnissen heraus erklärt sich auch die Schwankung der Arbeiterzahl, die bei Begründung des Etablissements sich auf 1000 stellte, dann sank, 1886 (inkl. der inzwischen 1884 erworbenen Nefschen Spinnerei) wieder auf 1027 stieg und zur Zeit infolge der Aufstellung neuer Maschinen nur 700 beträgt.
[Ξ] Die neueste Zeit hat die Gesellschaft in sichere Bahnen geleitet und läßt sie einer günstigen Weiterentwicklung entgegensehen. Unter dem jetzigen Direktorium, das aus den Herren Alexander Joseph Gustav Peters und Emil Gustav Stark besteht, produziert das Etablissement, eingerechnet die Lieferung der Filiale, mit 73 000 Spindeln etwa 6 Millionen Pfund Garn, während 1866/67 die Produktion bei 60 000 Spindeln etwa 1½ Millionen Pfund betrug. Sein Absatzgebiet bildet bei einem Jahresumsatz von ca. 4 Millionen Mark – vor allem Chemnitz und Sachsen, sodann Schlesien, die Rheingegend und ein Teil Bayerns und Österreichs.
Die Firma verfügt jetzt über ein Aktienkapital von 1 500 000 Mark und über Reserven von über 1 300 000 Mark. Ihre Fabrikanlagen sind mit Maschinen der neuesten und besten Konstruktion ausgestattet, zu deren Betrieb die Dampfkraft in der bedeutenden Stärke von 1800 indic. Pferdekräften zur Verwendung gelangt. Erzeugt werden rohe baumwollene Garne und zwar einfach und gezwirnt für Weberei und Wirkerei in den Nrn. 4–32. Das hierzu verwandte Roh-Material – rohe Baumwolle – wird aus Amerika und Indien bezogen.
Eine sehr erfreuliche Erscheinung bilden die zahlreichen, lange Jahre bei der Gesellschaft in Diensten stehenden Beamten und Arbeiter. Mehr als 40 Meister, Gehilfen und Arbeiterinnen haben für 25- bez. 30-jährige Thätigkeit in der Spinnerei sowohl von der Regierung, als auch vom Rate der Stadt Chemnitz die hierfür gebräuchlichen Auszeichnungen erhalten. Selbstverständlich hat auch die Firma ihrerseits ihnen eine Belohnung zuteil werden lassen und zwar aus einem zu diesem Zwecke geschaffenen Dispositionsfonds.
An Ausstellungen hat sich die Chemnitzer Aktienspinnerei, dem Prinzipe der meisten Chemnitzer Firmen folgend, nicht beteiligt, ausgenommen ein einziges Mal, als in Chemnitz selbst 1867 eine solche stattfand. Ihre Erzeugnisse erhielten damals den ersten Preis. An Stelle der üblichen Ausstellungsprämien sind jedoch der Gesellschaft mannigfache andere schätzbare Auszeichnungen zuteil geworden. So erhielt der verdiente Mitbegründer und länger denn 20 Jahre als Direktor thätige Herr Aug. Götze von Sr. Majestät dem König den Titel eines Kommerzienrates; sodann wurde am 30. Juni 1874 die Spinnerei durch Se. Majestät König Albert, und 1891 durch Se. Excellenz den Herrn Minister v. Metsch eingehend besichtigt; und im Jahre 1886 statteten ihr auch die Mitglieder der Hamburger und Bremer Handelskammer einen Besuch ab, um ihre musterhaften Fabrikanlagen in Augenschein zu nehmen.