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Chemische Fabrik in Helfenberg bei Dresden, Eugen Dieterich

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Textdaten
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Autor: Diverse
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Titel: Chemische Fabrik in Helfenberg bei Dresden, Eugen Dieterich
Untertitel:
aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Chemische Fabrik in Helfenberg, Eugen Dieterich
Helfenberg bei Dresden.


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Chemische Fabrik in Helfenberg bei Dresden
Eugen Dieterich
Helfenberg bei Dresden.

Nicht bloß diese Fabrik, sondern überhaupt der ganze Industriezweig, welcher heute die fabrikmäßige Herstellung chemisch-pharmazeutischer und galenischer Präparate umfaßt, ist eine Schöpfung Eugen Dieterichs. Er war der Erste, welcher begann, jene Präparate, die man bisher in den Apotheken mühselig und mangelhaft mit der Hand fabrizierte, exakt und gleichmäßig im Großen herzustellen, und sein Etablissement hat in der von ihm neugeschaffenen Branche den ersten Platz ehrenvoll bis heute behauptet. Eine Schilderung des Entstehens und der Thätigkeit der Dieterichschen Anlagen ist gleichbedeutend mit einer Biographie ihres Begründers, und die Aufgabe, ein Bild dieser Werkstätte angewandter Wissenschaft zu zeichnen, wird am besten dadurch gelöst, daß wir den Lebens- und Entwicklungsgang jenes thatkräftigen Mannes darzustellen versuchen.

Gustav Heinrich Wilhelm Eugen Dieterich wurde am 6. Oktober 1840 zu Waltershausen (Unterfranken) geboren und ist von Haus aus Apotheker. Auf der Universität München, ein Schüler Liebigs und Jollys, vor allem aber ein eifriger Praktikant in den Laboratorien Buchners und Wittsteins, legte er schon frühzeitig den Grund zu umfangreichen technischen Kenntnissen. Nachdem er das Staatsexamen bestanden, mußte er zu seinem Schmerze, da ihm die Mittel fehlten, weiteren Studien entsagen und eine Stellung annehmen. Er trat in eine Münchener Mineralfarbenfabrik als Chemiker ein, in der er später zum Betriebsleiter avancierte. Nach einiger Zeit vertauschte er diese Stellung mit einer ähnlichen in einer böhmischen Paraffinfabrik. Als Frucht dieser kurzen praktischen Thätigkeit entstand in ihm der Plan, einen neuen eigenartigen Zweig der Großtechnik dadurch hervorzurufen, daß er pharmaceutische Präparate fabrikmäßig herstellte. Schneller als er gedacht, fand er Gelegenheit, ihn zu verwirklichen. Im Jahre 1869 erhielt er den Auftrag, die Papierfabrik Helfenberg in eine Fabrik chemisch-pharmaceutischer Präparate umzuwandeln. Er führte die Aufgabe durch, und als die Fabrik 1872 veräußert werden mußte, übernahm er sie gemeinsam mit E. Schnorr v. Carolsfeld in eigenen Betrieb. Achtzehn Jahre lang blieben beide Gesellschafter vereint; im Jahre 1890 aber zog sich E. Schnorr v. Carolsfeld von dem Geschäft zurück und Eugen Dieterich führte die Fabrik unter der Firma: „Chemische Fabrik in Helfenberg bei Dresden“ allein weiter.

[Ξ] Eugen Dieterich hat durch seine Thätigkeit in dem Apothekerberufe eine vollständige Wandelung hervorgerufen, indem er an Stelle des Laboratoriumbetriebes durch Stößer, Lehrlinge und Gehilfen, den Maschinenbetrieb setzte. Dieser Gedanke wäre an sich schließlich nichts Bedeutsames und hätte ebensogut dem Kopfe eines findigen Industriellen entspringen können, wenn – diese Maschinen bereits vorhanden gewesen wären. Aber sie mußten erst erdacht und konstruiert, mindestens verbessert werden! So hat dieser seltene Mann denn nicht weniger als ein Dutzend selbstständiger Maschinen geschaffen und über vierzig fertige Präparate, Präparatformen, Herstellungs­-Verfahren, Verpackungen und Anwendungen erdacht und in der Pharmacie eingeführt. Seine Bestrebungen fanden durchaus nicht den ungeteilten Beifall der Zeitgenossen. Das Hinauswandern der galenischen Präparate aus dem Laboratorium in die Fabrik hat ihm manche Gegner wachgerufen, und gewandt mit der Feder, schlagfertig in der Polemik, hat er manchen harten Strauß ausgefochten.

Es liegt in der Natur der Sache, daß ein Mann von so grundlegendem Schaffen auch eine reiche litterarische Thätigkeit entfalten mußte. Eugen Dieterich wird denn auch mit unter den besten pharmaceutischen Schriftstellern der Gegenwart genannt. Er begründete für seine Bestrebungen ein eigenes Organ „Die Helfenberger Annalen“, in welchem er sein analytisches Material zur Diskussion stellte; die berühmtesten Ergebnisse auf diesem Gebiete sind die „Helfenberger Morphinbestimmungsmethode“ und die „Kalk-Äther-Methode“. Mehr das praktisch-pharmaceutische Gebiet vertritt sein „Neues pharmaceutisches Manual“, welches Herstellungsverfahren behandelt und mit dem er einen beispiellosen Erfolg errang. Hand in Hand mit der Fertigstellung dieser beiden Zeitschriften gingen noch zahlreiche größere Publikationen, teils Analyse, teils Herstellungsverfahren behandelnd, von denen sein Biograph E. Bosetti aus der ersten Kategorie 26, aus der letzteren 15 aufzählt.

Werfen wir noch einen flüchtigen Blick auf das Etablissement selbst. Als Eugen Dieterich es auf eigene Rechnung übernahm, repräsentierten eine kleine einpferdige Dampfmaschine und wenige Hilfskräfte den gesamten Betrieb. Heute finden wir dort in einer stattlichen Reihe von Gebäuden eine fünfzigpferdige und drei kleinere Dampfmaschinen sowie Hilfsmaschinen, zwei große Laboratorien, elektrisches Licht, Telegraphen- und Fernsprechanschluß. Nicht weniger wie 28 Fabrikbeamte, darunter 3 examinierte Chemiker und gegen 200 Arbeiter und Arbeiterinnen bilden das Personal der Firma, deren Absatzgebiet sich über alle fünf Erdteile erstreckt und deren Erzeugnisse mannigfache Auszeichnungen erhielten. (1871 Ehrendiplom und 1875 bronzene Medaille der Industrieausstellung Dresden, 1876 bronzene Medaille in Philadelphia, 1883 silberne Medaille in Wien, 1888 silberne Medaille in Brüssel.) Auch der Besitzer selbst hat sich schmeichelhafter Anerkennungen zu erfreuen gehabt: Er erhielt 1892 die Carola-Medaille und 1893 das Ritterkreuz I. Klasse des Albrechtsordens.

Möge dem Manne, der einst das treffende Wort aussprach: „Ich halte die Arbeitskraft wissenschaftlich gebildeter Männer für zu schade, um sie zur Herstellung von Verreibungen (des Quecksilbers zu grauer Salbe) zu verwenden!“ noch ein langes, erfolgreiches Wirken beschieden sein.