Chevy-Chase

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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Chevy-Chase
Untertitel:
aus: Gedichte, S. 163–175
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1851
Verlag: Carl Reimarus’ Verlag. W. Ernst.
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
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[163]
Chevy-Chase

               oder
Die Jagd im Chevy-Forst.
     (Nach dem Alt-Englischen.)

Gott schütz’ den König, unsren Herrn,
Und unser Aller Leben; – –
Im Chevy-Walde hat sich einst
Wehvolle Jagd begeben. –

5
Graf Percy von Northumberland,

Vor Thaue noch und Tage
Zog aus er heut, mit Hund und Horn,
Daß er den Hirsch erjage.

[164]
Er schwur es jüngst an heilger Stätt’
10
– Sorglos um Groll und Knirschen, –

Er woll drei Sommertage lang
Auf schottschem Boden pirschen.

Er woll, was lebt im Chevy-Forst,
Mit Speer und Pfeil erlegen;

15
„Lord Douglas schütze, wenn er kann,

Den Hirsch in den Gehegen!“

Lord Douglas, der in Schottland lag,
Als er das Wort vernommen,
Dem Percy Grafen schwört er da

20
Ein blutiges Willkommen;


D e r aber ist im Walde schon
Mit fünfzehn hundert Mannen,
Wohlausgesucht und wohlgeprobt
Den Bogen straff zu spannen.

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[165]
Schon, von der Meute aufgeschreckt,

Flieht, was die Schlucht geborgen;
Ein Montag war’s, – noch halbe Nacht, –
Es graute just im Morgen.

Und eh’ der Mittag kam, da lag

30
Haufweis das Wild erschlagen;

Doch rastlos, nach gethanem Schmaus,
Begann ein neues Jagen.

Auf’s neu durch Schlucht und Dickicht hin
Stob Huf und Hund nach Beute,

35
Und neuer Angstschrei mischte sich

Dem Lustgeheul der Meute.

Graf Percy nur war satt des Spiels
Mit Hirschen und mit Hinden,
Er sprach: „Lord Douglas gab sein Wort,

40
Hier soll ich heut ihn finden.


[166]
„Bei Gott, nicht länger harrt’ ich sein,

Dächt’ ich, er könn’ es brechen“;
Da thät alsbald ein Ritter jung
Also zum Grafen sprechen:

45
„Schau Herr, dort blitzt es durch den Wald,

Das ist er mit den Seinen;
Schau, wie im Mittagssonnenglühn
Die blanken Speere scheinen.

„Zweitausend sind’s vom Lauf des Tweed,

50
Aus Thälern und aus Glennen,

Und der vorauf ist Douglas selbst
An Roß und Helm zu kennen.“

„Nun denn, wohlan!“ rief Percy da,
„Dies Feld sei unsre Schranke,

55
Noch schlüpfte keiner mir hindurch,

Sei’s Schotte oder Franke.

[167]
„Das ist der Hirsch, den ich gesucht,

Nun lohnt es sich zu jagen,
Es brennt mein Herz Mann gegen Mann

60
Mit ihm die Schlacht zu schlagen.“


Lord Douglas auf milchweißem Roß,
Hält hoch vor den Genossen,
Hell glänzt die Eisenrüstung, wie
Von Golde übergossen;

65
Er ruft: „wer seid ihr, die ihr’s wagt

Mir Hirsch und Reh zu tödten,
Und meines Wortes bar und blos
Den Forst mit Blut zu röthen!“

Drauf Percy schnell: „ein andermal

70
Auf weß Geheiß wir jagen,

Heut denken wir noch manchen Hirsch
Trotz Deiner zu erschlagen.“

[168]
Lord Douglas hört’s, er ruft in Wuth:

„Da soll mich Gott verderben!

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So wahr ein Lord ich bin, wie Du,

Du oder ich muß sterben.“

„Doch hör’ mich Percy, Schande wär’s
Und Schimpf an unsrem Leben,
So vieler Mannen schuldlos Blut

80
Mit in den Kauf zu geben;


„Es sei all unser Streit gelegt
In unsre beiden Speere!“
„Verdammt sei der – rief Percy da –
„Der andren Sinnes wäre.“

85
Da trat ein Rittersmann herfür,

With’rington hieß der Degen,
Der sprach: „hier müßig zuzuschaun,
Dran ist uns nicht gelegen.

[169]
„Wir wollen nicht, dieweil ihr kämpft,
90
Hier Psalm und Lieder singen,

Und unsrem König Heinrich dann
So saubre Botschaft bringen.

„Wohl seid ihr Lords und edle Herrn,
Und wir nur Knapp und Ritter,

95
Doch dächt’ ich traun, auch unser Schwert

Macht Wunden wohl und Splitter!“

Da thät alsbald all englisch Volk
Den Eschenbogen biegen,
Und achtzig Schotten sanken hin

100
Von ihrer Pfeile Fliegen.


Lord Douglas aber, unbewegt,
Sitzt fest im Eisenbügel
Und kehrt zu seinen Mannen jetzt,
Hoch auf des Waldes Hügel.

105
[170]
Schon stehn sie da, nach Kriegesart,

Getheilt zu dreien Rotten,
Und nieder wie ein Hagel jetzt
Fährt Douglas mit den Schotten.

Das gab ein Stechen und ein Haun,

110
Manch’ breite Wunde klaffte;

Längst unser englisch Bogenvolk
Nicht mehr die Senne straffte.

Sie warfen Pfeil und Esche fort,
Und griffen nach dem Eisen,

115
Das spielte jetzt auf Helm und Schild

Takthämmernd seine Weisen.

O Christ, es war für Herz und Sinn
Ein Leid nicht auszusagen,
Wie stöhnend da, in Sand und Blut

120
Die Menschenknäule lagen.


[171]
Und immer schwankte noch die Schlacht; –

Da endlich, – mit Gestampfe, –
Ansprangen, wie zwei Löwen, jetzt
Die Führer selbst zum Kampfe.

125
Sie kämpften bis vernehmbar fast

Ihr Herz im Busen klopfte,
Bis Blut und Schweiß, von Brust und Stirn
Wie Regen niedertropfte;

„Ergieb Dich Percy!“ Douglas rief’s –

130
„Ganz Schottland soll Dich preisen,

Und König Jakob Ehr’ und Ruhm
Am Throne Dir erweisen.“

Doch Percy stolz: „Da wollt’ ich eh’
Wie Kraut am Sumpf verrotten;

135
Mein Wort ist „nein“, und doppelt „nein“

Genüber jedem Schotten.

[172]
Da kam ein Pfeil, aus unsren Reihn,

Verräthrisch durch die Lüfte,
Und bohrte tief in Douglas Herz

140
Durch Rippe sich und Hüfte.


Er sank vom Roß, ein stiller Mann,
Graf Percy sah ihn enden,
Und fasste dann des Todten Hand
Mit seinen beiden Händen.

145
„O Douglas“, rief er, – „solchen Siegs

Des hat mein Herz nicht Labe,
Hin gäb’ ich für dein Leben jetzt
Mein Land und meine Habe.“

Er sprach es kaum, da kam’s wie Sturm,

150
Durch Freund und Feind gestoben,

Den Leib zum Stoß weit vorgebeugt,
Und hoch den Schild gehoben: –

[173]
Wer ist’s? Sir Ralph Montgommeri!

Er sah den Douglas sinken;

155
Da schwur er still, Graf Percy’s Blut

Mit seinem Speer zu trinken.

Und schleudernd jetzt den wuchtgen Schaft
Mit Hasses Kraft und Schnelle,
Durchfuhr die Lanze Percy’s Leib

160
Um eine Weber-Elle.


Hin sank der ritterlichste Held
Auf hufgestampfte Tenne;
Schon aber griff ein braver Schütz
Nach Köcher und nach Senne.

165
Er spannte straff des Bogens Seil,

So straff wie nie er’s spannte,
Und drückte seinen längsten Pfeil
Scharf an die Eschenkante.

[174]
Lang zielt’ er so, daß sichren Flugs
170
Der Pfeil zum Herzen dringe,

Und feucht vom Blut des Schotten jetzt
Bebt in der Brust die Schwinge.

So fiel Sir Ralph Montgommeri,
Und mit ihm sind gefallen

175
Auf beiden Seiten männiglich

Die Ritter und Vasallen.

Von zwanzig hundert schottschen Volks
Die Schild und Speer genommen,
Kaum fünf und funfzig, weh und wund

180
Sind in ihr Land entkommen.


Und unser Volk, nicht siegesfroh
Trug es den Sieg von dannen,
Nur drei und funfzig kehrten heim
Von funfzehn hundert Mannen.

185
[175]
Die andern schliefen fest im Wald

Nach heißem Kampfgewühle;
Und Nachtwind nur und Mondenlicht
Glitt über ihre Pfühle.

Das war die Jagd von Chevy-Chase,

190
Wo Herr und Hirsch gefallen; –

Gott schütz’ den König unsren Herrn
Und sei uns gnädig allen.