Chinesische Heirathsgebräuche

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Titel: Chinesische Heirathsgebräuche
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aus: Das Ausland, Nr. 147-148 S. 585-586; 590-592
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Chinesische Heirathsgebräuche.

[1]

Die Heirathsgebräuche der Chinesen sind äußerst mannigfaltig und zum Theil von nicht geringer Seltsamkeit. Die Aufmerksamkeit auf die unbedeutendsten Kleinigkeiten, welche die Gesetzgebung, wie alle übrigen Institutionen dieses merkwürdigen Volkes, auszeichnet, zeigt sich auch in den Sitten und Gebräuchen, welche auf die Ehe Bezug haben, und macht das Heirathen zu einem Geschäft von noch ungleich größeren Schwierigkeiten, als demselben in unserem civilisirten Welttheile entgegenstehen.

In dem chinesischen Werke „die ganze Pflicht des Menschen“ (Tsiuen dschin kiu hwo) ist ein Capitel über die Ehe, woraus hervorgeht, daß früher die Männer in einem Alter von dreißig, die Weiber von zwanzig Jahren heiratheten; aber der Verfasser dieses Buches, der ein Vertheidiger des frühen Heirathens ist, empfiehlt, daß die Jünglinge ihre ehelichen Verbindungen mit sechszehn, die Mädchen mit vierzehn eingehen. Diesen Rath befolgen die Reichen, während die Armen die Ehe auf eine spätere Periode hinausschieben.

Der Le-king schreibt fünfzehn als das Alter vor, wo das Haar einer Tochter aufgeflochten werden muß, d. h. wo man sie als erwachsen betrachtet und ihr ein anderer Name gegeben wird. Das zur Ehe geschickte Alter ist indessen nach diesem Autor zwanzig Jahre: wenn ein Frauenzimmer verlobt ist, fügt er hinzu, so trägt sie eine Leibbinde (Schärpe) zum Zeichen, daß sie einem andern verbunden ist. Wenn ein junges Mädchen ein Geschenk annimmt, so heißt dieß heu-ying, ein Versprechen, die Schärpe umzubinden. Wenn dieses stattgefunden hat, so verwirkt der Mann, welcher mit Zustimmung der Eltern oder Vormünder die einem andern Verlobte heirathet, nach den chinesischen Gesetzen eine Strafe von hundert Bambusstreichen; die Eltern oder Vormünder erhalten dieselbe Züchtigung.

Als das Alter der Reife betrachtet man bei dem Frauenzimmer zweimal sieben Jahre; als die Periode, wo sie aufhören, Mütter zu werden, siebenmal sieben, oder neunundvierzig. Wenn in früherem oder späterem Alter Fälle von Schwangerschaft vorkommen, so sieht man dieß als etwas widernatürliches an. Der Le-king enthält eine alte Vorschrift in Bezug auf die Erziehung des weiblichen Geschlechts, worin es heißt: das Verschließen der Frauenzimmer in ihre Häuser soll mit ihrem zehnten Jahre anfangen; sie sollen dann von einer Erzieherin unterrichtet werden, in sanfter Rede, ein gefälliges Betragen anzunehmen, aufmerksam zuzuhören und zu gehorchen, Flachs zu spinnen und die Seidencocons zu bereiten.

Der ehelose Stand wird nur den Bonzen der Buddhisten und den Lehrern der Taousecte auferlegt, welche, wenn sie sich verheirathen, oder nur Beischläferinnen zulegen, den Priesterstand aufzugeben gezwungen werden, und außerdem achtzig Stockschläge empfangen. Die Ehelosigkeit wird gebilligt bei Töchtern, welche ihr ganzes Leben damit zubringen, ihre Eltern zu pflegen.

Obwohl gegenwärtig in China die Polygamie herrschend ist, scheint es doch, daß sie durch die früheren Gesetze verboten war. In der Clausel des Ta-tsing-leuh-le, welche sich auf den Verlust des Rangs einer Ehefrau oder Concubine bezieht, wird nämlich verordnet: „Wenn der, welcher ein Weib hat, ein anderes Weib heirathet, so soll er neunzig Stockschläge erhalten und das letzte Weib soll von ihm geschieden werden.“ – Auch die Art, wie die Verheirathung vollzogen wird, scheint sich im Verlauf der Zeit geändert zu haben. In früheren Zeiten (sagt der Leuh-le) setzten Mann und Weib, nachdem sie über ihre Verbindung einig geworden, selbst den Heirathscontract (Hwan-schu) auf, welchen sie dann der Obrigkeit vorlegten, unter deren Aufsicht sie standen: ohne diese Förmlichkeit wurde die Ehe für eine heimliche Uebereinkunft gehalten. Gegenwärtig wird die schriftliche Uebereinkunft nicht von den Parteien selbst ausgearbeitet, sondern von dem Zwischengänger, dem Unterhändler, dessen man sich in dieser delicaten Angelegenheit bedient, aber auch ohne Hwan-schu gilt die bloße Annahme von Geschenken für gleich bindend. Die Anordnung der Heirathen ist nach dem Gesetz zuerst Großmutter und Großvater, darauf Vater und Mutter, und, falls diese gestorben sind, den nächsten Verwandten anheimgestellt.

Das Amt des Zwischengängers (tscho oder mei), dessen Vermittlung unumgänglich nothwendig ist, um eine Heirath zu Stande zu bringen, wird in China als nichts weniger denn unehrenhaft betrachtet. Diese Person, die männlichen oder weiblichen Geschlechts seyn kann, tritt mit den Eltern beider Parteien in Unterhandlung, und nachdem durch ihre Vermittlung eine Uebereinkunft getroffen worden ist, mag das Frauenzimmer die Heirathsgeschenke des Mannes annehmen. [586] Die Chinesen haben den Glauben, daß die Vorsehung oder irgend eine höhere Macht es vorher bestimmt, wenn zwei Personen sich ehelich verbinden sollen; und diese Vorherbestimmung nennen sie Yin-yuen, oder die Ursache der Heirath: daher das Sprichwort, welches einem auch bei uns gebräuchlichen entspricht: „Glückliche Ehen werden im Himmel geschlossen“ Ki go tsze tëen tsching).

Es ist eine Eigenthümlichkeit der chinesischen Sprache, daß selbst ihre einzelnen Ausdrücke, an und für sich betrachtet, interessante Aufschlüsse über die Sitten des Landes geben. Alle Charactere, die sich auf die Ehe beziehen, haben das Wort neu oder Weib zur Wurzel. Merkwürdig ist in dieser Beziehung ein Umstand, welcher – soviel uns bekannt – bisher der Aufmerksamkeit der Sinologisten entgangen ist, daß nämlich dieß neu in dem runden Character, aus welchem der gegenwärtige eckige entstanden ist, die Gestalt eines Weibes in der Attitude der medicäischen Venus darstellt. – Eine Braut heißt in China Yin, ein Wort, zusammengesetzt aus den Characteren von Weib und groß, in einem Viereck eingeschlossen, welches so viel als weil bezeichnet. Der Bräutigam wird Hwan genannt, ein Ausdruck, der aus den Characteren von Weib und Dunkel besteht, weil nach alter Sitte der Bräutigam in dem Dunkel des Abends kam, um seine Braut zu empfangen. Die beiden Worte Hwan-yin zusammengesetzt bedeuten Heirath.

Wenn in China eine Heirath stattfindet, so müssen die Luhle oder sechs Ceremonien beobachtet werden; widrigenfalls ist die Ehe unförmlich, ein Ausdruck, der soviel sagen will, als wir unter ungesetzlich und criminell verstehen. Jene Ceremonien sind:

Zuerst, wenn der Vater und ältere Bruder (wofern er einen hat) eines jungen Mannes beschlossen haben, daß er heirathen soll, so müssen sie durch einen Zwischengänger von den Eltern und dem Bruder des Mädchens, das sie zu seinem Weibe bestimmt haben, ihren Namen so wie den Tag und die Stunde ihrer Geburt erfahren. Diese Facta werden dann einem Astrologen vorgelegt, der durch seine Kunst ausmittelt, ob die Verbindung glücklich ausfallen werde, oder nicht. Antwortet er günstig, so kann der Plan ausgeführt werden; ist seine Antwort ungünstig, so wird das Project aufgegeben.

Zweitens, wenn die beabsichtigte Verbindung für glücklich erklärt wird, so lassen die Freunde des jungen Mannes dieß durch den Zwischenträger den Eltern des Mädchens wissen und um dieselbe förmlich anhalten: diese Ceremonie wird Na-keih genannt, oder das Ueberbringen glücklicher Nachrichten.

Drittens müssen die Freunde des Bräutigams den Eltern des jungen Mädchens ein schriftliches Heirathsversprechen senden und das Gleiche von ihnen verlangen: diese Ceremonie heißt: Na-tsae, das Geschenk-geben, obwohl eigentlich noch keine Geschenke gemacht werden.

Viertens sendet der junge Mann den Freunden seiner Braut Gold, Silber, oder Stücke Seidenzeug, Schafe, Wein, Früchte etc., was Na-pe genannt wird.

Fünftens wird eine Botschaft von den Freunden des Mannes gesandt, um die Eltern der Braut aufzufordern, den Tag der Hochzeit zu bestimmen, und diese Form heißt Tsing-ke oder das Verlangen der Zeitbestimmung.

Zuletzt geht der Bräutigam in Person, um seine Braut zu empfangen und sie zu sich nach Hause zu führen, was Tsing-ging oder: „gehen und die Braut suchen“ heißt.

Die Heirathsgebräuche der Tataren in China sind von diesen Ceremonien völlig verschieden, indem bei denselben nur eine von dem Bräutigam gesandte Matrone das Haar der Braut mit einer Nadel zu flechten braucht, um die Verbindung abzuschließen.

[590] Bei den Chinesen wird den Tag vor der Hochzeit dem Bräutigam mit vielen Förmlichkeiten eine schön geschmückte Mütze aufgesetzt und ein anderer Name gegeben, der Tsze heißt, ein Ausdruck, dessen Bedeutung das dafür gebrauchte Schriftzeichen, (eine Kopfbedeckung, die einem Kinde aufgesetzt ist,) bezeichnet.

An dem Vermählungstage senden Verwandte und Freunde ihre Glückwünsche und Geschenke, wie Schreibtäfelchen, Gänse (das Symbol der Treue)[2], Wein etc. in das Haus des Bräutigams; sie stecken Blumen in sein Haar und zieren ihn mit Scharlach, zum Zeichen der Freude. Die Verwandten und Freunde der Braut senden ihr Nadeln, Bracelets, Gewänder, Schönheitswasser, Schminke etc. Alle ihre jungen Freundinnen kommen und weinen mit ihr den Tag und die Nacht hindurch, bis sie in die bunt verzierte Sänfte tritt, welche die Freunde des Bräutigams ihr zusenden. Diese bilden eine Procession mit Laternen und Musik, ferner einem Pavillon, dem Bilde einer Gans in Holz oder Zinn und anderem Gepränge. Der Bräutigam und seine jugendlichen Freunde begleiten die Procession und bringen die Braut nach Hause. So wie sie an dem Thor ankommt, spielt die Musik auf, und die Kie-po, oder Paranymphen, nehmen die Braut bei den Schultern und tragen sie über den „Tisch des Feuers,“ der innerhalb der Thür steht, in die „Brautkammer.“ Darauf begleitet die Braut die Kie-po, welche Aremnüsse tragen, in den Saal; sie bittet die Gäste [591] sich derselben zu bedienen und zieht sich, nachdem sie mit dem Bräutigam „die Gans verehrt“ hat, wieder in ihre Kammer zurück. Die Kie-po fordern nun den Bräutigam auf, gleichfalls in dieselbe einzutreten, um der Braut ihren rothen Schleier von dem Haupt zu nehmen und den Koffer zu öffnen, der ihre Kleider enthält, und auf den einige Geldstücke gelegt sind, um Le-sche, gutes Glück, zu bringen.

Nachdem diese Ceremonien zu Ende sind, wird ein Tisch in das Gemach gebracht, mit Wein, an welchen der Bräutiggam und die Braut allein niedersitzen; dieß heißt Tso-ko-tang, oder das Sitzen in dem Saale der Lieder [3]Hierauf wird die Ceremonie Ho-kin-le, oder das Becherzusammenfügen vorgenommen: der Bräutigam trinkt ein wenig; die Braut bedeckt ihr Gesicht mit den Händen und thut dasselbe.

Die Kie-pos senden nun eine Matrone hinein, welche viele Kinder gehabt hat, das Weib eines guten Mannes, und die durch ihr ganzes Leben vom Glück begünstigt worden ist. Die Gäste machen sich lustig, bis die Stunde kommt, wo man sich zurückzuziehen pflegt, worauf sie den Bräutigam zu der Kammerthür begleiten und auseinander gehen. Den nächsten Morgen kommen Mann und Weib heraus in den Saal, um die Haushaltsgötter anzubeten, und ihren Eltern, Oheimen und Basen ihre Ehrfurcht zu bezeugen. Darauf kehren sie in ihre Kammer zurück, wo sie die Besuche ihrer jungen Freunde annehmen, denen bei dieser Gelegenheit das Recht zugestanden ist, den Ehemann zu der Zielscheibe ihrer Witze zu machen, weshalb diese Ceremonie „der Angriff auf den Bräutigam“ heißt.

Die Braut besucht ihre Eltern, am dritten Morgen nach der Vermählung, in einer schön ausgeschmückten Sänfte, die ihr Mann bereit hält, der bei dieser Gelegenheit das Pi-jo (weiße Fleischfest) gibt. Nach Verlauf eines Monats senden die Freunde der Frau ihr einen Kopfputz, und es wird den beiderseitigen Verwandten des neuverehelichten Paares ein neues Fest gegeben, welches die Hochzeitsceremonien beschließt.

Da es in China nicht gewöhnlich ist, daß ein Sohn, der sich verheirathet, deshalb eine besondere Haushaltung errichtet, sondern die Braut in das Haus seiner Eltern bringt, so verbreiten sich die chinesischen Sittenlehrer weitläufig über die Pflichten der Weiber gegen die Eltern ihrer Männer; und bei den Armen scheint es manchmal ein Hauptzweck der Verheirathung ihrer Söhne zu seyn, die häuslichen Dienstleistungen von den Weibern derselben zu erhalten, wenn ihre eigenen Töchter aus dem Hause geheirathet haben.

Das Gesetz verordnet, daß, wenn ungesetzmäßige Ehen geschlossen werden, dieß Verbrechen den Verwandten, welche die Aufsicht ausüben, und dem Zwischengänger zur Last gelegt werden soll. Solche ungesetzlichen Ehen sind indessen sehr häufig und hängen von einer Menge von Umständen ab, die zu kleinlich sind, um hier auseinandergesetzt zu werden. So ist es, um hier nur ein paar Beispiele anzuführen, gegen das Gesetz, zu heirathen, während noch die gesetzliche Trauer für Eltern oder einen Mann (drei Jahre) dauert; es ist ungesetzmäßig, wenn eine Person heirathet, deren Vater wegen eines schweren Verbrechens eingekerkert ist. Auch Täuschungen, die von den Zwischengängern oder den Parteien selbst bei Heirathen begangen werden, bestraft das Gesetz; so wie es Vorsorge trifft, um Streitigkeiten, die zwischen den beiden Parteien vor der Vollziehung der Hochzeit eintreten könnten, auszugleichen; und es bestraft den Bruch eines Eheversprechens, oder, wie die Chinesen denselben sehr bezeichnend nennen: „die Reue einer beabsichtigten Heirath“ als ein Criminalverbrechen mit fünfzig Bambusschlägen.

Den chinesischen Unterthanen an der Südwestgrenze ist nicht erlaubt, sich mit Fremden von der jenseitigen Grenze zu verheirathen; eben so dürfen sich in dem südwestlichen Theile der Provinz Ki-rei-tscho die Chinesen in der Ebene in keine ehelichen Verbindungen mit den Meaou-tsze, oder Bergbewohnern, einlassen, einem alten, noch unabhängigen Stamm, der gegenwärtig wieder unter den Waffen gegen die kaiserliche Autorität ist.[4]

Die Heirathen der Sclaven sind in China nicht nur nicht verboten, sondern der Herr, welcher seine Sclaven zur Ehelosigkeit zwingt, ist sogar straffällig. Diejenigen, welche Haussclaven halten, (sagt der Leuh-le) und nicht für den weiblichen Theil derselben für Männer sorgen, sondern sie in einsamer Ehelosigkeit lassen, sind eines der schwersten Vergehen schuldig.

Ein merkwürdiges Beispiel von der Treue, welche Chinesen, die in früher Kindheit von ihren Eltern einander verlobt werden, oft gegen einander bewahren, gibt ein Fall, welcher sich in dem zwei und zwanzigsten Regierungsjahre des Kaiser Kien-long ereignete:

Tsching-yun-yuen war in seinem zweiten Jahre von seinem Vater mit der Tochter eines Freundes, die Liu-schi hieß, verlobt worden. Die eine der beiden Familien lebte im Süden von China, die andere im Norden an dem weitberühmten Thien-tsin oder Himmelsstrome. Der Vater des Knaben starb, seine Familie zerstreute sich und weder der Bräutigam noch die Braut hörten während einer Zeit von mehr als 50 Jahren das Geringste von einander. Dennoch hielten beide Theile standhaft ihr Versprechen, „treu ihrem Vorsatz, heißt es, wie der Pfeil vom Bogen in die Scheibe fliegt und nie zurückkehrt.“ Der Mann war zuletzt zu der Stelle eines Schulmeisters auf einem Pekinger Kornboot herabgekommen, als der zufällig auf der Durchfahrt durch den Thien-tsin davon hörte, daß eine Jungfrau, Namens Liu-schi sich von der Welt zurückgezogen und in ein Ni-yan oder Nonnenkloster eingeschlossen habe. Auf weitere Nachfrage fand er, daß die [592] Nonne seine Verlobte sey. Das Gerücht von diesem Vorfall verbreitete sich weit; der Ortsbeamte lud das Paar in seinen öffentlichen Saal ein, ließ daselbst die Heirath vollziehen, erhielt für sie ein Tsing-peaou oder eine kaiserliche Fahne, um ihre Treue zu ehren, und versah sie mit Geld, damit Tsching-yun-yuen seine alte Braut in sein heimathliches Dorf führen könne.[5]

Die Pflichten des Weibes nach getrennter Ehe sind nicht ganz im Einklang mit der Bedeutung des Wortes „The“ oder Weib, welches eine Person bezeichnet, die einem selbst gleich ist, und nach den Commentatoren gebraucht wurde, um dadurch anzudeuten, daß sie auf gleichem Fuße mit dem Manne stehen soll. Ein verheirathetes Weib heißt dagegen Fu, und das Schriftzeichen dafür ist aus „Weib“ und „Besen“ zusammengesetzt und bezeichnet eine Person, deren Pflicht es ist, sich zu unterwerfen. In dem Li-king finden wir eine Menge von Vorschriften und Bemerkungen über die Pflichten der Weiber. „Die Weiber,“ heißt es darin, „wurden drei Monate, ehe sie sich verheiratheten, in einen Tempel oder einen Altar geführt, der ihren verstorbenen Vorfahren geweiht war, und dort unterrichtet in den Pflichten eines Weibes, in der Sprache, die einem Weibe geziemt, in dem Benehmen, wie es sich für ein Weib schickt, und in den Arbeiten, die ein Weib zu übernehmen hat.“ Und an einer andern Stelle: „Die Tugend eines Weibes ist Keuschheit und Gehorsam; ihre Rede soll sanft seyn, ihr Blick mild und einnehmend; ihre Arbeit soll darin bestehen, Seide und Flachs zu spinnen.“ Es wird ihr eingeschärft, daß sie bei jedem Geschäft, erst Schwiegervater und Schwiegermutter und ihren Mann um ihre Befehle befragen muß. Wenn sie ihren Mann überreden kann, einen Fehler oder ein Laster aufzugeben, so wird ihr dieß jedesmal als ein Grad des Verdienstes (kung) angerechnet. Denselben Grad erhält sie, wenn ihre Schwiegereltern in Geldverlegenheit gerathen, und sie ihre Toilette aufopfert, um dem Bedürfniß derselben abzuhelfen. Und so gibt es eine Menge von Kungs oder Verdiensten, die meist nur bis zu drei Graden steigen, obgleich die Opfer, welche dafür verlangt werden, nicht gering sind. Das Verzeichniß derselben schließt damit, den Eheleuten einen Grad des Verdienstes für jede zehn Tage, die sie in vollkommener Einigkeit gelebt haben, zu bewilligen. Die Kwo oder Vergehen sind auf gleiche Weise in Stufen abgetheilt. Wenn ein Weib einen Sohn geboren hat, der nichtswürdig ist, und sie ihrem Mann nicht gestatten will, ein Nebenweib anzunehmen, um von ihr eine tugendhafte Nachkommenschaft zu erhalten, so gilt ihr dieß als ein Vergehen von hundert Graden; wenn sie schuld ist, daß er ganz der Nachkommenschaft entbehrt, so wird ihr dieß zu tausend Graden angerechnet. Bloß drei Lastergrade werden einem Weibe beigelegt, die den Wein selbst bis zur Trunkenheit liebt; aber fünf für jedes Mal, daß sie mit irgend einer Person Karten spielt. Unreinlichkeit, oder der Vorwitz, den Schauspielen bei den öffentlichen Festen zuzusehen, bringt dem Weibe eines Chinesen drei bis zehn Grade Laster. Der entscheidenste Beweis für die Ungleichheit des verheiratheten Paares liegt in der Verordnung, welche den Weibern und Nebenweibern verbietet, ihre Männer zu schlagen. Ein Weib, welches dieß Verbot übertritt, wird mit hundert Schlägen bestraft, und der Mann kann, wenn er es verlangt, sich von ihr scheiden lassen. Wenn der Mann durch eine solche Mißhandlung eine schwere oder bleibende Beschädigung erlitten hat, so soll das Weib erdrosselt werden. Wenn der Mann dagegen sein Weib schlägt, sagt dieselbe Verordnung, so daß er nicht ihre Glieder bricht, oder sie verstümmelt, so soll das Gesetz keine Kenntniß davon nehmen.

Der Ehebruch wird mit großer Strenge bestraft. Wenn der Ehebrecher ein öffentlicher Beamter, und die Ehebrecherin das Weib eines andern Beamten ist, werden beide erdrosselt. In keinem Fall gestatten die chinesischen Gesetze den Schuldigen, einander zu heirathen. Ja in Ehebruchsfällen, wo der Mann seine Zustimmung gegeben hat, wird er, der Ehebrecher und die Ehebrecherin, jedes mit neunzig Stockschlägen bestraft.

Im Ganzen scheint die Lage der Frauen in China, wenn auch vielleicht der des weiblichen Geschlechtes im Orient im Allgemeinen vorzuziehen, doch auf keine Weise beneidenswürdig.
  1. Aus den verschiedenen, in Morrisons chinesischem Wörterbuch zerstreuten Notizen zusammengestellt im Londoner Asiatic Journal, No. CXLII p. 438 ff.
  2. Von uralten Zeiten her werden die Gänse in China als ein Symbol der ehelichen Treue angesehen; so lesen wir im Schi-king, einem chinesischen Classiker: „Die wilden Gänse schnattern zur Antwort; der Tag bricht an und der Morgen beginnt: der Bräutigam ist gegangen, sein Weib heimzuführen, ehe der nahende Frühling das Eis geschmolzen hat.“
  3. Wahrscheinlich bezieht sich dieser Name auf die Sitte der Chinesen, sich zu einem Becher Wein zusammen niederzusetzen, um Verse zu machen; s. den von Abel-Remusat übersetzten Roman Yiu-kao-li a. m. O.
  4. Die Chinesen haben große Furcht vor diesem Stamm, was vielleicht größtentheils dem Umstande zuzuschreiben ist, daß der Name desselben (Meaou-tsze) auch ein fabelhaftes Geschlecht von Wilden mit Flügeln bezeichnet.
  5. Ta-tsing-leuh-le, 6ter Theil.