Christabend
Kindchen hat sich müd’ gewacht,
Hat den ganzen Tag
Ueber’s Christkind nachgedacht,
Wie’s wohl kommen mag:
Ob’s ein holder Engel wär’,
Trüg’ zwei Flügelein; -
„Heut’ entgeht’s mir nimmermehr!“
Denkt es - und schläft ein. -
Mutter bringt zu Tische schnell
Jetzt den Weihnachtsbaum,
Und die Kerzen flammen hell
In des Kindes Traum.
Und im Traume blendend bricht
Durch die Thür ein Schein;
Mit verklärtem Angesicht
Tritt ein Engel ein,
Schmückt ein Bäumchen wundernett,
Zündet’s an zum Schluß,
Und dann neigt er über’s Bett
Lächelnd sich zum Kuß.
Mutter, die am Bettchen sitzt,
Sieht ihr träumend Kind,
Sieht, wie sich das Mündchen spitzt,
Und sie küßt’s geschwind.
Und sie thut’s noch einmal drauf.
Kann nicht widerstehn –
Und zwei Aeuglein thun sich auf,
Wie zwei Sterne schön.
Ob auch erst das Kind erschrickt,
Als der Traum entflieht,
Still verständnißvoll es nickt,
Als den Baum es sieht.
Richtet sich empor in Hast:
„Ist kein Engel da?“
Und die Mutter es umfaßt:
„Sieh, ich halt’ ihn ja!“