Christliche Symbolik/Apfel
Wegen seiner anlockenden Farbe und Süssigkeit ist der Apfel das Sinnbild aller sinnlichen Reizung und Sünde. Der erste Sündenfall im Paradiese, durch den die Erbsünde des ganzen menschlichen Geschlechts bedingt ist, war der Genuss des Apfels vom verbotenen Baume. Daher des lateinische Wortspiel malum der Apfel und malum das Böse. Das Gefährliche des Apfels wird auf Bildwerken gewöhnlich durch die Schlange angezeigt, die sich am Baume emporringelt. Bei einer Prozession in Heidelberg trug Adam einen Todtenkopf, der den Apfel im Munde hatte. Journal von und für Deutschland I. 431. Ein Apfel in der Hand des Todes (eines Gerippes) kommt öfter auf spätern Jesuitenbildern vor.
Häufig hat die Schlange selbst den Apfel im Munde. So schon auf einem altchristlichen Grabgemälde bei Bottari II. tav. 80. und später oft, namentlich tritt die heilige Jungfrau auf vielen Bildern die Schlange, die den Apfel im Maule [70] hält und dadurch den Sündenfall bezeichnet, von welchem durch den Sohn der Jungfrau erlöst wird.
Den vorstehenden Kehlkopf nennt das Volk Adamsapfel, und glaubt, es sey die Erinnerung an das Apfelstück, das dem Adam in der Kehle stecken geblieben, als er sein Vergehen inne wurde. — Auf der Insel Ceylon, wo nach muhamedanischer Legende Adam, aus dem Paradiese herabgefallen, zuerst sich niederliess, heisst ein Baum Evaapfelbaum (dichotoma), weil seine an Fäden herabhängenden Früchte einem angebissenen Apfel gleichen. Conrad von Megenberg erwähnt sie schon in seinem Buch der Natur. In den heissen Südländern wurde von Muhamedanern auch die Feige und die Pisangfrucht für den verbotenen Apfel angesehen. In Frankreich die Orange, in der Picardie sogar der Kirschbaum, Didron, manuel p. 80.
Einige Uebereinstimmung mit der mosaischen Urkunde zeigt der altpersische Zendavesta, nach welchem die ersten Menschen Meschia und Meschiane unter dem Lebensbaume Hom verbotene Frucht essen, von der Schlange Ahriman (dem bösen Princip) dazu verlockt. Dagegen ist die Tendenz des griechischen Hesperidenmythos, den man auch herbeigezogen hat, eine ganz andere. Herakles, indem er die Aepfel der Hesperiden raubt, begeht keine Sünde. Avalon, die Apfelinsel, das Paradies der keltischen Völker, entspricht wenigstens im Allgemeinen der Symbolik, welche das Paradies mit köstlichen Früchten erfüllt. Ein Baum mit Aepfeln und singenden Vögeln ist im Mittelalter immer das einfachste Sinnbild des Paradieses oder Himmels, und die Vögel bedeuten die Seligen.
Sofern Christus auf Adam bezogen wurde, als der neue Adam, der wiedergeborene, von Sünden freigewordene Mensch, bezog man auch das Kreuz auf den Apfelbaum, eine Symbolik, die ich später sub voce näher erörtern werde. Ein sinniger Gebrauch aber verlangte bei der Feier der Geburt Christi die Wiederkehr des Apfelbaums als Sinnbild des durch ihn wiedereroberten Paradieses. Das ist der Sinn [71] des Weihnachtsbaumes mit seinen schimmernden Aepfeln und des Gebrauchs, an diesem Tage den Kindern Aepfel mit Vergoldungen, eingesteckten Geldstücken etc. zu schenken. Damit hängt auch der schöne Volksglaube zusammen, wonach in der Mitternachtstunde der Christnacht alle Aepfelbäume blühen und Früchte tragen, alles Wasser Wein werden soll. Von einem berühmten Baume bei Tribur wurden die in jeder Christnacht dort gereiften Aepfel dem Landgrafen von Hessen gebracht. Happel, relat. cur. I. 60. Mone, Anz. VIII. 180. Zwei ähnliche Bäume standen im Stift Würzburg. Pauli, Schimpf und Ernst 1535, Nr. 533. Happel, relat. cur. I. 223. Einer bei Gera. Berckenmeier, cur. Antiquar. I. 513. 554. 627. Am Neckar bei Rotenburg wurden in der Christnacht Aepfel in Menge gesehen. E. Maier, schwäb. Sagen Nr. 256.
Der Wiedergewinn des verlorenen Paradieses ist auch gemeint, wenn an Mariä Himmelfahrt ehemals eine grosse Obstweihe stattfand und man den Kindern Aepfel schenkte, auf denen künstliche Vögel sassen. v. Hormayr, Taschenbuch 1835, S. 262. — Derselben Symbolik gehören die Aepfel und Rosen an, welche die heilige Dorothea , nachdem sie den Martyrertod erlitten, ihrem ungläubigen Bräutigam aus dem Paradiese zusandte, um ihn zu überzeugen, dass sie jetzt bei ihrem himmlischen Bräutigam in dessen Garten sey. — In den Apokryphen umgibt die Kindheit Jesu auch auf Erden noch immer ein Paradies, als ob das himmlische Element ihn noch nicht entlassen wolle. Daher so oft in Schilderungen der Flucht nach Aegypten oder der Ruhe in Aegypten das Christkind mit Aepfeln spielt, Bäume ihre Aeste freiwillig zu ihm niederbeugen, damit es die Frucht bequem ergreifen könne, der heilige Joseph ihm Aepfel pflückt, oder die heilige Mutter oder Engel ihm Aepfel darreichen. — Diesem idyllischen Kreise gehören auch Darstellungen an, in denen menschliche Kinder sich in Unschuld dem paradiesischen Daseyn nahen. Der heilige Hermann Joseph reichte als Kind einem Bilde der Maria einen Apfel [72] dar, den sie auch annahm. Inzwischen scheint mir doch, wenn das Christkind selbst der Mutter einen Apfel darreicht, wie auf ihrem Gnadenbilde zu Mariazell in Steyermark, das Idyllische in eine tiefere Symbolik überzugehen. Eva reicht dem Adam im Apfel das Zeichen der Verschuldung, dafür reicht Christus der heiligen Jungfrau wieder im Apfel das Zeichen der Erlösung.
Wie aus demselben Apfel, aus dem die Sünde kam, auch die Erlösung hervorgeht, davon gibt es eine phantastische Sage, von Frhrn. von Lassberg (im Anhang zum Graven Fritz von Zolre) mitgetheilt. Gott, heisst es, warf den Apfelbaum aus dem Paradiese, Abraham aber fand ihn und seine Tochter ass von den Früchten, wurde schwanger und sollte verbrannt werden, blieb aber im Feuer unversehrt und gebar den Phanuel, der sofort aus seinem Schenkel (wie Zeus den Bacchus) die Anna, Mutter der Madonna, gebar.
In einem altdeutschen Calendarium zu München hält Christus, den ein Regenbogen umgibt, mit der Linken den Ast eines Apfelbaumes und mit der Rechten die Weltkugel. Kugler, Gesch. der Malerei II. 9. Dieser schönen Contrastirung des Apfels mit der Weltkugel steht in einer Sage von Alexander dem Grossen eine Vereinbarung beider im Reichsapfel, dem Sinnbild der höchsten irdischen Macht, zur Seite. Alexander der Grosse liess sich aus dem Gold aller von ihm eroberten Länder einen Apfel verfertigen und trug ihn als Reichsapfel. Später kam dieser Apfel an die Könige von Arabien; als aber einer derselben, Melchior, unter den heiligen drei Königen sich befand und jenen Apfel dem neugebornen Heiland als Liebesgabe darreichte, und das Christkindlein den Apfel berührte, siehe da zerfiel er in Asche, denn das vergängliche Reich dieser Welt musste dem unvergänglichen weichen. F. Fabri, evagatorium I. 448., wo durch einen ärgerlichen Druckfehler pannum statt pomum steht. — Auch am todten Meere sollen zur Erinnerung an das hier untergegangene Sodom die sogenannten Sodomsäpfel wachsen, aussen schön, innen voll Asche. Pococke I. 56. Nachdem man sie lange [73] vergebens gesucht, hat Curzon, Besuch der Klöster in der Levante S. 117, am todten Meere eine Pflaumengattung gefunden, die inwendig voll Staub ist.
Im Hohenliede 2. 3. wird der Bräutigam mit einem Apfelbaum verglichen. Das bezeichnet die Fülle des gesunden Lebens und erinnert zugleich, dass der Brautstand gewissermassen eine Rückkehr in’s Paradies ist.
Drei goldene Aepfel sind Attribut des heiligen Nicolaus, weil er sie in ein Haus warf zum Geschenke für arme Mädchen. Sie werden auch oft als drei Brodte aufgefasst. Auf diesen Heiligen sind viele heidnische Erinnerungen übertragen, wovon vielleicht auch diese eine ist.
Ein Apfel ist Attribut des heiligen Sabas, weil derselbe einmal trotz bitteren Hungers den ihn heftig reizenden Apfel als Bild der Sünde von sich warf.
In Russland dürfen keine Aepfel verkauft werden, sie seyen denn vorher kirchlich geweiht worden. Buddeus, Halbrussisches I. 55. Man glaubt also, es stecke noch immer etwas Dämonisches in den Aepfeln, das erst gebannt werden müsse.
Goldene Aepfel in silberner Schale, d. h. ein Wort geredet zu seiner Zeit. Sprichw. Sal. 25, 11.