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Christliche Symbolik/Reich, das tausendjährige

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Reich, das tausendjährige.

Die Juden glaubten, wie Jehovah die Welt in sechs Tagen geschaffen, am siebenten aber geruht habe, so werde auch die Weltgeschichte in sechs Jahrtausenden ablaufen, im siebenten aber der Messias kommen und tausend Jahre lang mit dem Volke Gottes die Sabbathruhe feiern. Vgl. die Citate aus dem Talmud bei Züllich, die Offenb. Joh. II. 369. [267] Die Offenbarung Johannis 20, 3. diente zur Verbreitung der gleichen Ansicht auch unter den Christen. Inzwischen stimmte die Wiederkehr des Satans nach Vollendung der tausend Jahre und der letzte Kampf und Sieg, wie ihn die Offenbarung Johannis schildert, mit der von den Juden vorausgesetzten, nicht mehr zu störenden Sabbathruhe eben so wenig, wie ihr irdischer Messias mit dem christlichen, „dessen Reich nicht von dieser Welt ist.“ Deswegen lehnte der heilige Augustinus die sinnliche Auffassung ab, indem er de civit. Dei 20, 2. sagt: nur die Seelen der Heiligen werden vor der allgemeinen Auferstehung tausend Jahre lang mit Christo regieren. Regnaverunt cum Jesu mille annis animae martyrum nondum sibi corporibus redditis. Neque enim piorum animae mortuorum separantur ab ecclesia. — Welche umfassende Einheit und innere Vollendung auch dem Reiche Gottes auf Erden noch zu Theil werden wird, immerhin kann es sich nur um „den Ausdruck eines innern Lebens“ handeln, indem wir hier ganz „auf ethischem Gebiete“ stehen (Möhler, Symbolik S. 444). Von einem blos sinnlichen Wohlleben im tausendjährigen Reich, wie es die Juden träumen, kann also ebenso wenig die Rede seyn, wie von der gewaltsamen Einführung desselben im Sinne der Hussiten und Wiedertäufer.

Die Juden träumen von einem tausendjährigen Reich, in welchem ihr Volk allein zuletzt auf Erden herrschen würde. Die Erde wird wieder Paradies. In der Mitte steht der Baum des Lebens von so ungeheurer Höhe, dass fünfhundert Jahre nöthig sind, um ihn abzuschreiten[WS 1]. Die Juden erhalten die Grösse der patriarchalischen Zeit zurück, Jeder wird 200 Ellen lang. Die Erde bringt von selber Speisen aller Art und Kleider hervor. Ein Waizenkorn ist so gross wie zwei Ochsennieren; die Traube so gross, dass man die einzelnen Beeren wie Fässer anzapft. Alles ist nur Wohlleben und Ueppigkeit. Die Weiber empfangen und gebären an demselben Tag etc. Eisenmenger, entdecktes Judenth. II. 296 f. 817 f, Gfrörer, Jahrhundert des Heils II. 242. [268] Die christliche Sekte der Chiliasten oder Millenarier ging von einer ziemlich unschuldigen Hoffnung aus, verirrte aber nach und nach in Ausschweifungen, die jenen jüdischen nur wenig nachgaben. Sie hofften nämlich, den vollkommenen und idealen Zustand des Reiches Gottes auf Erden, wie er am Ende der Zeit seyn sollte, schon jetzt herstellen zu können, wenigstens insularisch, eine kleine fromme Gemeinde für sich, in der vollkommene Gleichheit und Brüderlichkeit, Gemeinschaft des Vermögens und allgemeine gegenseitige Liebe herrschte. Das führte aber schon frühe zu sinnlicher Entartung, Gemeinschaft der Weiber und zum sogenannten Adamismus, indem man dem Adam vor dem Sündenfalle im paradiesischen Zustande gleichen wollte. Andere Sektirer fassten die Sache noch rigoristischer. Sie wollten nicht blos für sich und ihre nächsten Gesinnungsgenossen jenes Friedensreich gründen, sondern die ganze Menschheit mit Gewalt in diese Bahn bringen. So war das Ziel der Hussiten Herstellung des Reiches Gottes auf Erden, aber das Mittel: Todtschlag aller Sünder, damit nur die Heiligen allein übrig blieben. Das Reich der Wiedertäufer in Münster gab im Jahre 1535 ein abschreckendes Beispiel des communistischen Wahnsinns, zu dem der missverstandene Chiliasmus führen kann. Die Wiedertäufer theilten Güter und Weiber und emancipirten sich von jeder Scham, weil sie sich für die allein Heiligen auf Erden hielten, denen Alles erlaubt sey.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Berichtigung Band II. In der Vorlage: 'abzuschneiden'