Christliche Symbolik/Sirene

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Sirene.

Die Alten verstanden unter der Sirene ein verführerisches Frauenzimmer mit Vogelfüssen, welches durch seinen Gesang die Schiffer verlockt, aber immer zu deren Verderben. Die Neuern verstehen unter demselben Namen ein verführerisches Frauenzimmer, das durch seinen Gesang in’s Verderben lockt, aber nicht mit Vogelfüssen, sondern mit einem Fischschwanze, Wesen, welche die Alten nicht Sirenen, sondern Tritonen nannten.

In der christlichen Symbolik kommt die fischgeschwänzte Sirene als Sinnbild der sinnlichen Verführung vor, ganz so wie es schon bei Porphyrius im Leben des Pythagoras 39. heisst: „Sirenen sind Begierden, die zur Sünde locken, die zum Verderben führt.“ Als Sinnbild der Verlockung kommt die Sirene vor in den Miniaturen der Herrad von Landsberg in Strassburg, herausg. von Engelhardt S. 45. Die Sage kennt auch eine angebliche Sirene in Afrika, die, vorn ein wunderschönes Weib, hinten aber Schlange, Jeden zur Liebe reize, und den, der sich verführen lasse und in ihren Armen ruhe, von hinten her mit dem an ihrem Schlangenschweif befindlichen Schlangenrachen zerfleische. Chrysostomi orat. 5. Pierii, hierogl. 135. Unter den Werken Albrecht Dürers kommt eine sehr phantastische Sirene mit Rennthiergeweih und grünem Fischschwanz vor, einen Leuchter tragend. Heller, A. Dürer II. 1. 95. Es ist wohl damit die durch Sinnegenuss flüchtigere Zeit gemeint, die des Menschen Lebenslicht rascher brennen macht.

Auf christlichen Bildwerken findet man noch Sirenen [384] mit Vogelfüssen, jedoch seltener und nur in alten französischen Kirchen, wo antiker Einfluss sie erklärt, z. B. in St. Denys und Rouen. Lenoir, Monum. de la France, pl. 28. Langlois, stalles de la cathedr. de Rouen, pl. 9, 10, 11.

Im frühern Mittelalter kommt auch eine ganz andere Deutung des Sirenensinnbildes vor. Man findet namentlich auf Taufbecken die fischschwänzige Sirene mit Delphinen gesellt. Rathgeber, Gothaisches Museum S. 303. Auf Grabbildern der Katakomben Seepferde mit Fischschwänzen. Bellermann, Katakomben von Neapel, Tab. 3. 4. Das entspricht vollkommen dem antiken Todtencultus, in welchem Delphinen und Tritonen als Sinnbilder einer glücklichen Hinüberfahrt der Seele über den Styx nach Elysium galten. Diese alte Symbolik aber traf zusammen mit den specifisch christlichen Vorstellungsweisen von Christo, dem Seelenfischer, und vom heiligen Element der Taufe. Demnach kann die Sirene auf Taufbecken und das Seepferd auf christlichen Gräbern auch nicht mehr auf die Verführung durch Sinnenlust Bezug haben, sondern nur noch auf die Wiedergeburt durch die heilige Taufe und auf die Hoffnung der Auferstehung. Der nämlichen Symbolik entspricht die fischschwänzige Sirene mit einem Jungen, welches sie säugt, im Münster zu Basel, desgleichen im Münster zu Freiburg im Breisgau. Vgl. Waagen, Kunst in Deutschland II. 255. Püttmann, Kunstschätze S. 100. Oefter hält die Sirene in Kirchen einen Fisch in der Hand. Nach Piper, christl. Mythologie I. 390, „liegt es nahe, diesen Fisch für das Bild der Seele zu nehmen, die, von den Wogen der Welt umhergetrieben, von der Sirene sich hat fangen lassen.“ Dies ist aber keine gute Auslegung. Kreuser (Kirchenbau II. 46.) hat viel mehr Recht, indem er das Sinnbild auf die Wiedergeburt durch die Taufe bezieht. Diese Erklärung erhält eine weitere Bestätigung durch die Bilder in Basel und Freiburg, auf denen der ihr Junges säugenden Sirene ein Ritter, der mit einem Greifen und andern Ungeheuern kämpft, gegenübersteht, und durch ein Bild der Sirene im Münster zu Zürich, der ein menschenverschlingender [385] Löwe gegenübersteht. Piper sieht in der Sirene die Sünde, im Löwen und in jenen Ungeheuern die Strafe. Man wird jedoch nach dem, was bisher erörtert worden, annehmen müssen, dass die Sirene mit dem Fisch oder mit dem Jungen allein in guter Bedeutung Sinnbild der Wiedergeburt und Auferstehung, mit Einem Wort des Himmels, der menschenverschlingende Löwe aber und die Ungeheuer allein in schlimmer Bedeutung Sinnbilder der Verdammniss und Hölle seyen.

Unzweifelhaft ist die doppelte Symbolik der christlichen Sirene aus der Verwechslung des Sirenen- mit dem Tritonentypus der Alten hervorgegangen und einzig aus ihr zu erklären. Die schlimme Bedeutung der christlichen Sirene (als Verlockung) erklärt sich aus der Erinnerung an die vogelfüssige Sirene der Alten; die gute Bedeutung (als Wiedergeburt) aus der Erinnerung an die fischschwänzigen Tritonen.