Christliche Symbolik/St. Barbara
Diese berühmte Heilige, die in unzählbaren Kirchenbildern vorkommt, erscheint sehr häufig[1] mit der heiligen [106] Katharina von Alexandrien gepaart unmittelbar neben der Jungfrau Maria, gleichsam als deren vertraute Dienerinnen. Diese Zusammenstellung ist symbolisch. Katharina war eine geistreiche und sehr gelehrte Dame, die sich zum Christenthum bekehrte und die christliche Wahrheit mit hoher Beredsamkeit gegen fünfzig Philosophen vertheidigte. Barbara dagegen war eine einfache, anspruchslose Jungfrau, die in geheimnissvoller Sehnsucht der Seele ahnete, was ihr später als christliche Lehre bekannt wurde. Wie also Katharina den Kopf bezeichnet, so Barbara das Herz; jene die Macht des Geistes, diese die Tiefe des Gemüths, wie sich dieselben zur Kirche verhalten, welche die heilige Jungfrau als die in ihrer Mitte thronende Herrin darstellt
Die heilige Barbara war in Nikomedia in Kleinasien von vornehmen Eltern geboren. Einst betrachtete sie die Sterne und wurde von tiefer Sehnsucht ergriffen, zu wissen, was sie seyen und wer sie gemacht habe? Was man ihr vom heidnischen Standpunkte aus über ihre Bedeutung sagte, genügte ihr nicht. Sie betete nun demüthig für sich zum unbekannten Urheber der Gestirne, als der heilige Origenes in ihre Nähe kam und sie im Christenthum unterrichtete. Ihr Vater Dioskoros aber sperrte sie, um sie vor Verführung zu schützen, in einen Thurm ein. In diesen liess sie drei Fenster brechen zu Ehren der heiligen Dreieinigkeit und drückte mit dem blossen Finger vier Kreuze in den harten Stein. Auch zerschlug sie alle Götzen ihres Vaters. Da erzürnte dieser und verfolgte sie mit dem Schwerte. Sie floh. Ein Felsen nahm sie auf. Doch fand er sie wieder und schleppte sie bei den Haaren zum Richter, selber sie als Christin anklagend. Darauf wurde sie auf’s Grässlichste gepeinigt, um ihrem Glauben zu entsagen. Man zerschlug sie an allen Gliedern, brannte sie, zerriss ihr Fleisch, schnitt ihr die Brüste ab etc. Zuletzt enthauptete sie ihr wüthender Vater mit eigener Hand. Aber ein Blitz aus heiterm Himmel erschlug ihn. 4. Dezember.
Die Kirchenmalerei hat der heiligen Barbara zum Attribut [107] den Kelch mit darüber schwebender Hostie gegeben, genau dasselbe Symbol, woran überhaupt der Glaube (fides) kenntlich ist. Sie selbst wird mithin zu einer Personification des Glaubens. So fasste sie auch Raphael in seinem berühmten Bilde der Madonna di S. Sisto auf. Hier kniet zur Rechten der glaubensstarke greise Papst, zur Linken die glaubensstarke Barbara, der Glaube in männlicher und weiblicher Potenz. – Anderweitige Attribute der Heiligen sind die Palme des Martyrerthums und der Thurm mit den drei Fenstern. Auf alten Bildern und Stichen haben sich die Künstler zuweilen seltsame Abweichungen erlaubt, den Kelch in eines der Fenster gestellt, ja sogar der Heiligen ihren Thurm als Kopfputz aufgesetzt (Borekens bei Huber VI. 97.), gemäss der im 15ten Jahrhundert modischen thurmhohen Hauben der Damen. Uebrigens wird die Heilige als Prinzessin gewöhnlich mit einer Krone und wegen ihres sanften Charakters mit holdseligen Zügen, ein wenig lächelnd dargestellt.
Diese Taubensanftheit ist es auch, weshalb man sie zur Schutzpatronin gegen die Gewitter erkoren hat. Im Toben der Gewitter erschöpft gleichsam der Böse seine Wuth, muss aber dem sanften Glauben weichen. Daher ruft man die Heilige in schweren Ungewittern an, und sind viele Glocken, die man gegen die Gewitter läutet, auf ihren Namen getauft. Als das Schiesspulver erfunden war, wählte man auf sinnige Weise gerade wieder diese milde Heilige zur Schutzpatronin der Artillerie, nicht etwa, damit sie die Feigheit vor der Wirkung des feindlichen Geschützes bewahre, sondern damit sie wache, dass der Glaube siege. Indem man die schrecklichste der Waffen ihr weihte, gelobte man sich auch, nur einen heiligen Gebrauch davon zu machen zur Ehre Gottes. Darum war ihr Bild ehemals auf allen katholischen Arsenalen aufgerichtet und heisst noch jetzt auf französischen Schiffen die Pulverkammer St. Barbe. Bei der tapfern Vertheidigung von Gerona bildeten die spanischen Frauen und Jungfrauen der Stadt noch im Jahre 1809 sogenannte Compagnien der [108] heiligen Barbara, um die Männer beim Kampfe gegen die Franzosen zu unterstützen. Seebach, Feldzüge S. 343.
- ↑ Vorzugsweise auf altdeutschen Bildern. In der Münchener Pinakothek nach dem Catalog von 1839 dreimal, auf einem Bild aus der niederländischen Schule S. 160, auf einem von Messis S. 170, von Coxcie[WS 1] S. 182. Auf einem Bilde von Memling im Johannishospital zu Brügge. Im Berliner Museum auf einem Bilde aus der alten Cöllner Schule, Nr. 180 des Catalogs von 1830. So stellte sie auch Dürer zusammen. Heller II. 1. 115 und 144. In der Sammlung des Prok. Abel in Stuttgart sind sie gleichfalls gepaart in zwei zusammengehörenden Bildern der altdeutschen Schule. So kommen sie auch vor in Stichen von Martin Zagel und Bolswert. Huber, Kupferst. I. 105. V. 292. Doch hat sie auch Tintoretto auf einem Bilde in Dresden nebeneinandergestellt. Nach Bagatta, admiranda II. 1. 3. 26 pflegte der Prämonstratenser Wilhelm die Maria stets von der heiligen Katharina und Barbara begleitet in täglichen Visionen zu erblicken.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Berichtigung Band II. In der Vorlage: 'Cocxin'