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Christliche Symbolik/Weltende

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Weltende.

Die Apokalypse ist das grosse Gegenbild zur Genesis. Wie dem lieblichen, sonnenhellen Morgen eine schreckliche Gewitternacht oder dem linden Frühling die Sturm- und Eiszeit des Winters, so steht hier der hoffnungsreichen Schöpfung die grimmige Zerstörung, der freudenvollen Geburt der jammervolle Tod entgegen. In sieben Tagen schuf der Herr Himmel und Erde, eine gleiche Zahl von Schalen seines Zorns giessen die Engel aus, um dieselbe Welt wieder zu verderben. Am ersten Schöpfungstage schied der Herr das Licht von der Finsterniss und liess in’s Chaos den ersten Strahl von Licht und Leben fallen. Statt dessen wird am jüngsten Tage ein ungeheurer, allzerstörender Blitz vom Herrn ausgehen und durch die ganze Welt schlagen. Bei [552] der Schöpfung festete Gott am Himmel die Sterne, am Weltende werden alle diese Sterne in einem grossen Regen niederfallen. Bei der Schöpfung schied Gott die Elemente und liess in jedem besondere Creaturen gedeihen, und gab die Erde den Menschen zur Wohnung; am Weltende werden alle Elemente vergiftet, Berge geschmolzen, alle Wohnungen zerstört, alles Leben vertilgt. — Vorbilder dieser letzten Weltschrecken sind die Plagen in Aegypten, worüber schon im Artikel Plagen gehandelt ist.

Beinahe in allen Kirchen wurde im deutschen Mittelalter am Eingang der Sündenfall mit Adam und Eva, im Chor das Weltgericht nach der Offenbarung Johannis gemalt. Auch sind uns ungewöhnlich viel altdeutsche Gedichte vom Antichrist und vom Weltende erhalten. Schon Grimm (deutsche Mythol. 158.) erkennt in dieser Vorliebe für die apokalyptischen Vorstellungen den Wiederschein einer nahe verwandten, ältern und heidnischen Anschauung, wie sie noch vollständig in der Voluspa, dem ältesten Liede der Edda, erhalten ist. Alle feindlichen Mächte erheben sich wider die Götter, alle Elemente stürmen heran, das Meer steigt empor, die Erde gibt alle Todten wieder, der Himmel bricht ein und Surtur mit seinen Schaaren stürzt aus der Feuerwelt herunter, die ganze alte Welt zu verbrennen.

Wie die ältere mit der christlichen Vorstellungsweise sich durchdrang, sehen wir aus Muspilli, dem Bruchstück eines oberdeutschen Gedichts aus dem 9ten Jahrhundert, aufgefunden in einer Emmeraner Handschrift der Münchner Bibliothek durch Schmeller und von ihm edirt 1832. Es ist in Stabreimen gedichtet und beweist die frühe allgemeine Geltung der Alliteration. Das Ganze war eine Schilderung des Weltendes, die Apokalypse durchdringend mit Vorstellungen der Voluspa. Muspilli selbst ist Muspelheim, das Feuerland, der Antichrist Surtur, Elias Thor. Aus dem Umstand, dass Elias, obgleich siegend, doch schwer verwundet wird, erkennt man die alte Göttersage. — Auch in einem Gedicht des [553] Ambraser Liederbuchs S. 375 heisst es, dass Elias am jüngsten Tage kommen werde. In einer angelsächsischen Homilie wird der Antichrist unmittelbar mit Thor und Wodan in Verbindung gebracht. Grimm, deutsche Mythol. 773.

Altdeutsche Gedichte vom Antichrist s. in Hoffmanns Fundgruben II. 131. Haupts Zeitschrift VI. 369. Diemers deutsche Gedichte 1849.

Eine im Ganzen wenig phantasiereiche Dichtung: „Die fünfzehn Zeichen des jüngsten Gerichts,“ kommt in zwei Redactionen schon im 12ten Jahrhundert vor. Haupt, Zeitschr. III. 526. Beide haben aus dem heiligen Hieronymus geschöpft, in dessen uns erhaltenen Werken aber das Gedicht nicht vorkommt. Pfeiffer hat in Haupts Zeitschrift I. 117. das altdeutsche Gedicht von den fünfzehn Zeichen aus einer Münchner Handschrift mitgetheilt. Darin heisst es: An einem Sonntag wird ein solcher Schall und Ruf ergehen, dass das Meer erschrecken und verschwinden wird. Am andern Tage aber wird das Meer wiederkommen und sich hoch erheben wie eine Mauer. Am dritten Tage verschwindet das Wasser wieder; am vierten sterben alle zurückgebliebenen Fische; am fünften vertrocknet Alles; am sechsten sterben alle Landthiere; am siebenten alle Vögel; am achten vergehen alle Palläste und Häuser; am neunten stürmen die vier Winde gegen einander und reissen alle Bäume aus; am zehnten erheben sich 72 Winde und stürzen die Berge um, dass Alles eben wird; am elften erlöschen die Gestirne; am zwölften sterben die letzten Menschen; am dreizehnten stehen aber alle Todten wieder auf; am vierzehnten kommen sie alle zusammen und erkennen sich wieder; am fünfzehnten stürzt das Feuer vom Himmel, um die Erde zu läutern. — Die andere Redaction, s. das latein. Gedicht einer Breslauer Handschrift in Haupts Zeitschrift III. 523, weicht nur wenig ab. Die bedeutendste Abweichung ist, dass die Auferstehung erst nach der Feuerläuterung erfolgt. Aehnlich in Volksliedern. Vgl. Wunderhorn III. 195. Körner, Volkslieder S. 297. Grässe, Literärgeschichte 5. Band, [554] S. 151. Ein Gedicht von den fünfzehn Zeichen schrieb auch der Spanier Berceo. Viardot I. 119.

In sehr ausschweifender Weise wird das Weltende in den jüdischen und muhamedanischen Fabeln behandelt. Merkwürdig erscheint, dass der Talmud einige Beziehungen enthält, die in der christlichen Legende fehlen, obgleich sie weit mehr der christlichen als jüdischen Symbolik entsprechen. So die Sage von dem ersten der zehn Zeichen, die dem Weltende vorhergehen werden, bei Eisenmenger, entd. Judenthum II. 696. Es werden nämlich, wenn der Welt Ende naht, drei trugvolle Könige herrschen, die Alles verwirren, und um diese Zeit wird sich ein Mensch von der äussersten, scheusslichsten Hässlichkeit sehen lassen. Das ist offenbar das Gegenbild zu den heiligen drei Königen und zur Geburt des Heilands, als des Schönsten unter allen Menschen. Jene talmudistische Fabel gleicht einem schwarzen Spiegel, in dem ein böser Dämon wohnt, der aber durch höhere Macht gezwungen wird, in seinen Bilderreihen dem Evangelium, wenn auch nur in Verzerrungen, zu folgen. — Phantastisch ist die lithauische Vorstellung von neun Nebensonnen, die vor dem jüngsten Tage sollen sichtbar werden. Vgl. Hanusch, slav, Myth. S. 273. Das Verschwinden des Regenbogens soll dem Weltende als sicheres Zeichen vorhergehen. Vgl. den Artikel Regenbogen. Das ist das Friedens- und Bundeszeichen. Die Menschen haben den Bund gebrochen und der Friede Gottes weicht von der Erde.

In neuerer Zeit hat Stehling ein „jüngstes Gericht“ gedichtet, worin die Welt nicht in der Fülle ihrer Kraft und Sünde durch Gottes Zorn zerstört, sondern gleichsam nur an Alter und Entnervung abstirbt, wie eine alte Uhr stockt und stehen bleibt. Die Sonne läuft nicht mehr, das Meer trocknet aus. Als letzter Mensch bleibt der ewige Jude übrig. Da brausen Meteore hervor und stecken die Erde in Brand. Der Jude stürzt hinein. Die verbrannte Erde bleibt als Schlacke zurück, in der Satan nunmehr bequem seine Residenz aufschlagen will. Da eröffnet Gott das Weltgericht, alle Todten [555] stehen auf; der Tod selbst, der entwichen war, kommt zurück, um — Satan zu tödten und stirbt dann selbst. Zum Schluss allgemeine Amnestie und Versammlung der Menschen in einer neuen Welt ohne Uebel. — Obgleich diese Dichtung in der That sehr viel Schönes und Ergreifendes enthält, ist sie doch unkirchlich.

Zweckmässig fällt das Andenken an das Weltende und Weltgericht (Evangelium Matth. 24, 15 f.) auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres im Spätherbst, wenn auch dem jährlichen Naturleben sein winterliches Ende naht. Vgl. Mone, Schauspiele des Mittelalters I. 265. Strauss, Kirchenjahr S. 374. 378.