Christnacht (Victor Blüthgen)
Victor Blüthgen.
Die Glocken sind verklungen –
Vom Thurm in Nacht und Schnee
Ruft’s mit Posaunenzungen:
„Ehre sei’ Gott in der Höh’!
Ein Licht ist aufgegangen
Zu Trost der finstern Welt,
Das wächst und sprengt mit Prangen,
Was sie gefesselt hält.“
Da folgt ein Jubiliren,
Ein wonnesel’ges Fest,
Da rührt sich’s rings, zu zieren
Das winterliche Nest;
Da flattert’s jungbeflügelt
Von Freuden hier und dort,
In tausend Flammen spiegelt
Sich das Verheißungswort;
Da treibt’s ein Glück zum andern,
Daß sich’s verdoppelt seh’,
Und Engelfüße wandern
Zu seg’nen durch den Schnee;
Und Engel droben grüßen,
Und ihre Lippe spricht:
Die Liebe läßt wohl büßen;
Doch sterben läßt sie nicht.
Das ist die Nacht wie keine,
So tief und so voll Glanz:
Die Nacht im Heil'genscheine,
Im Haar den Hoffnungskranz.
Der Himmel küßt die Erde:
Ein Weilchen schlummre noch –
Wie bang dir manchmal werde,
Der Frühling kommt dir doch!