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Cintra, bei Lissabon, in Portugal

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XXXVI. Corfu Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
XXXVII. Cintra, bei Lissabon, in Portugal
XXXVIII. Albany, im Staate New-York
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CINTRA BEI LISSABON
in
Portugal.

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XXXVII. Cintra, bei Lissabon, in Portugal.




Als eine Fortsetzung des spanischen Hochgebirgs streckt sich die Sierra d’ Estrella zwischen dem Tajo und der Küste zungenförmig dem Ozean zu, eine der herrlichsten Alpengegenden der Erde bildend. Zwar erreichen ihre Gipfel, die sich 7 bis 8000 Fuß hoch erheben, in so südlicher Breite die Grenze nicht ganz, welche in der organischen Natur [87] das Leben von dem Tode und ewiger Erstarrung scheidet; aber sie kommen ihr nahe genug, um die Vegetation der Schweizer Gebirge in allen ihren Abstufungen, von der bei Genua an bis zu der an den äußersten Marken der Gletscher, auch auf ihnen wiederfinden zu lassen. In den geschütztesten, südlichsten Thälern prangen die Pflanzenfürsten der Tropen, die hohe Palme und die majestätische Aloe mit ihrer oft dreißig Fuß hohen Blumenpyramide. Pomeranzen- und Zitronen-Haine und alle Kinder der italienischen Flora bedecken die Abhänge und in den schon höhern Thälern grünen Oliven und der rankende Weinstock. Noch höher hinauf wechseln Obstpflanzungen mit Getraidefeldern ab und die höchsten Berggipfel bekleidet die Natur mit den dunkelgrünen, dichten Matten der kurzen Alpgräser und der bunten Stickerei der Alpröschen und Anemonen.

In diesem herrlichen Gebirgslande ist es der südwestlichste Theil, jener, welcher sich der Mündung des Tajo zuneigt, der in unsere Betrachtung fällt. Die Nähe von Lissabon macht ihn zum Lieblingsaufenthalt der portugiesischen Großen und Reichen, die sich, gemeinschaftlich mit den Dienern der Kirche, in dieses Paradies getheilt haben. Schlösser und Parks des Königs, der Prinzen und Vornehmen, Landhäuser und prachtvelle Klöster bedecken die Cintra (so heißt dieser Theil des Berglandes) in weitem Halbkreise um die Hauptstadt.

Cintra, jenes auf unserm schönen Bilde am Fuße grotesker Alphörner hingestreckte Städtchen, liegt 5 Stunden von Lissabon, inmitten der bewunderten Landschaft, die, in seiner Nähe, die reizendsten und berühmtesten Parthien darbietet. Die Villa des Patriarchen von Lissabon, die Quinta Marialva, und die von Pensa verde, (Sommerwohnung des englischen Gesandten) auch die eines reichen Englanders, Lord’s Beckford, – die Quinta Monserrat genannt, – sämmtlich mit den großartigsten sich weit in’s Gebirge erstreckenden Parks, in welchen die herrlichsten Naturscenen, rauschende Bergwasser, Caskaden, Felsenlabyrinthe abwechseln, sind die besuchtesten Punkte. Da dieses Gebirgsamphitheater gegen das Meer hin sich öffnet, so beherrscht es von tausend und aber tausend Punkten die unermeßlichste Aussicht auf den spiegelnden, wallenden Ozean, den Fischerbarken, Küstenfahrer und große Seeschiffe, welche dem Tajo und der Hauptstadt zueilen, unausgesetzt beleben. Unfern von Cintra ist auch noch das berühmte Korkkloster, das in dem schauerlichsten Theil des Gebirges, unfern von dem, hier über 1000 Fuß hohen, Bord des Meers in einen ungeheuern Granitkoloß ausgehölt ist, eines der erstaunungswürdigsten Werke des ausdauernden Menschenfleißes und der Menschennarrheit. Es enthält eine Kirche, Refektorium, 15 Mönchszellen und mehre Vorrathsgewölbe. Wegen der Feuchtigkeit in diesen Felsenwohnungen sind sämmtliche Gemächer mit dicken Korkplatten bekleidet. Daher der Name.

Seit der Invasion der Franzosen waren diese traurigen Aufenthaltsorte fauler, sich kasteiender Fanatiker nur zur Hälfte bewohnt, und ein kürzliches Dekret des Regenten von Portugal hat sie vollends geschlossen. Werden sie sich nie wieder öffnen? Wird es Don Pedro mit der Regeneration Portugals gelingen? Daß dem so wäre! Aber [88] wohl eher verliert er seinen Kopf, als daß er ihn seinem Volke zurecht setzt. – Don Pedro’s Thun ist ein göttliches, ja! – ein Wassertragen mit den Töchtern des Danaus. Er hat vergessen, daß, wenn, wie Byron meint, Europa ein Zuchthaus ist, das Stück vom Welttheil, das jenseits der Pyrenäen liegt, ein Korrektions- und Irrenhaus zugleich ist. Die Rotte der Gaukler, Gauner und Heuchler, der dortigen Völker Lehrer und Heilige, haben seit anderthalb Jahrtausenden an ihnen abgerichtet, sie zur dummen Viehheerde zu machen; und was Erziehung, Gesetze, Aberglaube und Fanatismus durch 50 Generationen störungslos hervorgebracht haben, das schafft man im Nu nicht um mit einem „Ich will!“ Don Pedro denkt, er habe mit einem unvernünftigen Wesen zu thun; er befiehlt dem kriechenden Volke aufrecht zu gehen – und siehe! der Pudel erhebt sich und macht gravitätisch seinen Pas. Aber täuschen wir uns nicht; es ist doch nur ein Pudel auf 2 Beinen und der steht weder lange, noch fest. Wer brachte noch je aus einer tauben Nuß einen gesunden Kern? Die Zähne kann man sich d’ran stumpf beißen, aber mit dem Kern ist’s nichts. Das portugiesische Volk und das spanische sind eher und leichter neu zu machen, als auszubessern. Dem Regenten Portugals geht’s wie dem Auszehrenden, der an Genesung glaubt, wo die Todesgefahr am nächsten ist. Die Zeit wird’s lehren, daß ich recht habe.