Critik der reinen Vernunft (1781)/Betrachtung über die Summe der reinen Seelenlehre zu Folge diesen Paralogismen.

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« Der vierte Paralogism der Idealität (des äusseren Verhältnisses). Immanuel Kant
Critik der reinen Vernunft (1781)
Inhalt
Der Transscendentalen Dialectik zweites Buch. Zweites Hauptstück. Die Antinomie der reinen Vernunft. »
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Betrachtung
über die Summe der reinen Seelenlehre,
zu Folge diesen Paralogismen.
 Wenn wir die Seelenlehre, als die Physiologie des inneren Sinnes, mit der Cörperlehre, als einer Physiologie der Gegenstände äusserer Sinne vergleichen: so finden wir, ausser dem, daß in beiden vieles empirisch erkant werden kan, doch diesen merkwürdigen Unterschied, daß in der lezteren Wissenschaft doch vieles a priori, aus dem blossen Begriffe eines ausgedehnten undurchdringlichen Wesens, in der ersteren aber, aus dem Begriffe eines denkenden Wesens, gar nichts a priori synthetisch erkant werden kan. Die Ursache ist diese. Obgleich beides Erscheinungen sind, so hat doch die Erscheinung vor dem äusseren Sinne etwas Stehendes, oder Bleibendes, welches ein, den wandelbaren Bestimmungen zum Grunde liegendes Substratum und mithin einen synthetischen Begriff, nemlich den vom Raume und einer Erscheinung in demselben, an die Hand giebt, anstatt daß die Zeit, welche die einzige Form unserer innern Anschauung ist, nichts Bleibendes hat, mithin nur den Wechsel der Bestimmungen, nicht aber den bestimbaren Gegenstand zu erkennen giebt. Denn, in dem was wir Seele nennen, ist alles im continuirlichen Flusse und nichts Bleibendes, ausser etwa (wenn man es durchaus will) das darum so einfache Ich, weil diese Vorstellung keinen Inhalt, mithin kein Mannigfaltiges hat, weswegen sie auch scheint ein einfaches| Obiect vorzustellen, oder besser gesagt, zu bezeichnen. Dieses Ich müßte eine Anschauung seyn, welche, da sie beim Denken überhaupt (vor aller Erfahrung) vorausgesezt würde, als Anschauung a priori synthetische Sätze lieferte, wenn es möglich seyn sollte, eine reine Vernunfterkentniß von der Natur eines denkenden Wesens überhaupt zu Stande zu bringen. Allein dieses Ich ist so wenig Anschauung, als Begriff von irgend einem Gegenstande, sondern die blosse Form des Bewustseyns, welches beiderley Vorstellungen begleiten, und sie dadurch zu Erkentnissen erheben kan, so fern nemlich dazu noch irgend etwas anders in der Anschauung gegeben wird, welches zu einer Vorstellung von einem Gegenstande Stoff darreicht. Also fällt die ganze rationale Psychologie, als eine, alle Kräfte der menschlichen Vernunft übersteigende Wissenschaft, und es bleibt uns nichts übrig, als unsere Seele an dem Leitfaden der Erfahrung zu studiren und uns in den Schranken der Fragen zu halten, die nicht weiter gehen, als mögliche innere Erfahrung ihren Inhalt darlegen kan.

 Ob sie nun aber gleich als erweiternde Erkentniß keinen Nutzen hat, sondern als solche aus lauter Paralogismen zusammengesezt ist, so kan man ihr doch, wenn sie vor nichts mehr, als eine critische Behandlung unserer dialectischer Schlüsse und zwar der gemeinen und natürlichen Vernunft, gelten soll, einen wichtigen negativen Nutzen nicht absprechen.

|  Wozu haben wir wol eine blos auf reine Vernunftprincipien gegründete Seelenlehre nöthig? Ohne Zweifel vorzüglich in der Absicht, um unser denkendes Selbst wider die Gefahr des Materialismus zu sichern. Dieses leistet aber der Vernunftbegriff von unserem denkenden Selbst, den wir gegeben haben. Denn weit gefehlt, daß nach demselben einige Furcht übrig bliebe, daß, wenn man die Materie wegnähme, dadurch alles Denken und selbst die Existenz denkender Wesen aufgehoben werden würde, so wird vielmehr klar gezeigt: daß, wenn ich das denkende Subiect wegnehme, die ganze Cörperwelt wegfallen muß, als die nichts ist, als die Erscheinung in der Sinnlichkeit unseres Subiects und eine Art Vorstellungen desselben.
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 Dadurch erkenne ich zwar freilich dieses denkende Selbst seinen Eigenschaften nach nicht besser, noch kan ich seine Beharrlichkeit, ia selbst nicht einmal die Unabhängigkeit seiner Existenz, von dem etwanigen transscendentalen Substratum äusserer Erscheinungen einsehen, denn dieses ist mir, eben sowol als ienes, unbekant. Weil es aber gleichwol möglich ist, daß ich anders woher, als aus blos speculativen Gründen Ursache hernähme, eine selbstständige und bey allem möglichen Wechsel meines Zustandes beharrliche Existenz meiner denkenden Natur zu hoffen, so ist dadurch schon viel gewonnen, bey dem freien Geständniß meiner eigenen Unwissenheit, dennoch die dogmatische Angriffe eines speculativen Gegners abtreiben zu können, und| ihm zu zeigen: daß er niemals mehr von der Natur meines Subiects wissen könne, um meinen Erwartungen die Möglichkeit abzusprechen, als ich, um mich an ihnen zu halten.

 Auf diesen transscendentalen Schein unserer psychologischen Begriffe gründen sich dann noch drey dialectische Fragen, welche das eigentliche Ziel der rationalen Psychologie ausmachen, und nirgend anders, als durch obige Untersuchungen entschieden werden können: nemlich 1) von der Möglichkeit der Gemeinschaft der Seele mit einem organischen Cörper, d. i. der Animalität und dem Zustande der Seele im Leben des Menschen, 2) vom Anfange dieser Gemeinschaft, d. i. der Seele in und vor der Geburth des Menschen, 3) dem Ende dieser Gemeinschaft, d. i. der Seele im und nach dem Tode des Menschen (Frage wegen der Unsterblichkeit).

 Ich behaupte nun: daß alle Schwierigkeiten, die man bey diesen Fragen vorzufinden glaubet, und mit denen, als dogmatischen Einwürfen, man sich das Ansehen einer tieferen Einsicht in die Natur der Dinge, als der gemeine Verstand wol haben kan, zu geben sucht, auf einem blossen Blendwerke beruhe, nach welchem man das, was blos in Gedanken existirt, hypostasirt, und in eben derselben Qualität, als einen wirklichen Gegenstand ausserhalb dem denkenden Subiecte annimt, nemlich Ausdehnung, die nichts als Erscheinung ist, vor eine, auch ohne unsere Sinnlichkeit, subsistirende Eigenschaft äusserer| Dinge, und Bewegung vor deren Wirkung, welche auch ausser unseren Sinnen an sich wirklich vorgeht, zu halten. Denn die Materie, deren Gemeinschaft mit der Seele so grosses Bedenken erregt, ist nichts anders als eine blosse Form, oder eine gewisse Vorstellungsart eines unbekanten Gegenstandes, durch dieienige Anschauung, welche man den äusseren Sinn nent. Es mag also wol etwas ausser uns seyn, dem diese Erscheinung, welche wir Materie nennen, correspondirt; aber, in derselben Qualität als Erscheinung ist es nicht ausser uns, sondern lediglich als ein Gedanke in uns, wie wol dieser Gedanke durch genanten Sinn, es als ausser uns befindlich vorstellt. Materie bedeutet also nicht eine von dem Gegenstande des inneren Sinnes (Seele) so ganz unterschiedene und heterogene Art von Substanzen, sondern nur die Ungleichartigkeit der Erscheinungen von Gegenständen (die uns an sich selbst unbekant sind) deren Vorstellungen wir äussere nennen, in Vergleichung mit denen, die wir zum inneren Sinne zählen, ob sie gleich eben sowol blos zum denkenden Subiecte, als alle übrige Gedanken, gehören, nur daß sie dieses Täuschende an sich haben: daß, da sie Gegenstände im Raume vorstellen, sich gleichsam von der Seele ablösen und ausser ihr zu schweben scheinen, da doch selbst der Raum, darin sie angeschauet werden, nichts als eine Vorstellung ist, deren Gegenbild in derselben Qualität äusser der Seele gar nicht angetroffen werden kan. Nun ist die Frage nicht mehr: von der Gemeinschaft der| Seele mit anderen bekanten und fremdartigen Substanzen ausser uns, sondern blos von der Verknüpfung der Vorstellungen des inneren Sinnes mit den Modificationen unserer äusseren Sinnlichkeit, und wie diese unter einander nach beständigen Gesetzen verknüpft seyn mögen, so daß sie in einer Erfahrung zusammenhängen.
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 So lange wir innere und äussere Erscheinungen, als blosse Vorstellungen in der Erfahrung, mit einander zusammen halten, so finden wir nichts widersinnisches und welches die Gemeinschaft beider Art Sinne befremdlich machte. Sobald wir aber die äussere Erscheinungen hypostasiren, sie nicht mehr als Vorstellungen, sondern in derselben Qualität, wie sie in uns sind, auch als ausser uns vor sich bestehende Dinge, ihre Handlungen aber, die sie als Erscheinungen gegen einander im Verhältniß zeigen, auf unser denkendes Subiect beziehen, so haben wir einen Character der wirkenden Ursachen ausser uns, der sich mit ihren Wirkungen in uns nicht zusammen reimen will, weil iener sich blos auf äussere Sinne, diese aber auf den innern Sinn beziehen, welche, ob sie zwar in einem Subiecte vereinigt, dennoch höchst ungleichartig sind. Da haben wir denn keine andere äussere Wirkungen als Veränderungen des Orts, und keine Kräfte, als blos Bestrebungen, welche auf Verhältnisse im Raume, als ihre Wirkungen, auslaufen. In uns aber sind die Wirkungen Gedanken, unter denen kein Verhältniß des| Orts, Bewegung, Gestalt, oder Raumesbestimmung überhaupt statt findet, und wir verliehren den Leitfaden der Ursachen gänzlich an den Wirkungen, die sich davon in dem inneren Sinne zeigen sollten. Aber wir sollten bedenken: daß nicht die Cörper Gegenstände an sich sind, die uns gegenwärtig seyn, sondern eine bloße Erscheinung, wer weis, welches unbekanten Gegenstandes, daß die Bewegung nicht die Wirkung dieser unbekanten Ursache, sondern blos die Erscheinung ihres Einflusses auf unsere Sinne sey, daß folglich beide nicht Etwas ausser uns, sondern blos Vorstellungen in uns seyn, mithin daß nicht die Bewegung der Materie in uns Vorstellungen wirke, sondern daß sie selbst (mithin auch die Materie, die sich dadurch kennbar macht) blosse Vorstellung sey, und endlich die ganze selbstgemachte Schwierigkeit darauf hinauslaufe: wie und durch welche Ursache die Vorstellungen unserer Sinnlichkeit so untereinander in Verbindung stehen, daß dieienige, welche wir äussere Anschauungen nennen, nach empirischen Gesetzen, als Gegenstände ausser uns, vorgestellet werden können, welche Frage nun ganz und gar nicht die vermeinte Schwierigkeit enthält, den Ursprung der Vorstellungen von ausser uns befindlichen ganz fremdartigen wirkenden Ursachen zu erklären, indem wir die Erscheinungen einer unbekanten Ursache vor die Ursache ausser uns nehmen, welches nichts als Verwirrung veranlassen kan. In Urtheilen, in denen eine durch lange Gewohnheit eingewurzelte Mißdeutung vorkomt, ist es unmöglich, die Berichtigung| so fort zu derienigen Faßlichkeit zu bringen, welche in anderen Fällen gefördert werden kan, wo keine dergleichen unvermeidliche Illusion den Begriff verwirrt. Daher wird diese unsere Befreiung der Vernunft von sophistischen Theorien schwerlich schon die Deutlichkeit haben, die ihr zur völligen Befriedigung nöthig ist.

 Ich glaube diese auf folgende Weise befördern zu können.

 Alle Einwürfe können in dogmatische, critische und sceptische eingetheilt werden. Der dogmatische Einwurf ist, der wider einen Satz, der critische, der wider den Beweis eines Satzes gerichtet ist. Der erstere bedarf einer Einsicht in die Beschaffenheit der Natur des Gegenstandes, um das Gegentheil von demienigen behaupten zu können, was der Satz von diesem Gegenstande vorgiebt, er ist daher selbst dogmatisch und giebt vor, die Beschaffenheit, von der die Rede ist, besser zu kennen, als der Gegentheil. Der critische Einwurf, weil er den Satz in seinem Werthe oder Unwerthe unangetastet läßt, und nur den Beweis anficht, bedarf gar nicht den Gegenstand besser zu kennen, oder sich einer besseren Kentniß desselben anzumassen; er zeigt nur, daß die Behauptung grundlos, nicht, daß sie unrichtig sey. Der sceptische stellet Satz und Gegensatz wechselseitig gegen einander, als Einwürfe von gleicher Erheblichkeit, einen ieden derselben wechselsweise als Dogma und den andern als dessen Einwurf, ist also auf zwey entgegengesezten Seiten dem| Scheine nach dogmatisch, um alles Urtheil über den Gegenstand gänzlich zu vernichten. Der dogmatische also so wol, als sceptische Einwurf, müssen beide so viel Einsicht ihres Gegenstandes vorgeben, als nöthig ist, etwas von ihm beiahend oder verneinend zu behaupten. Der critische ist allein von der Art, daß, indem er blos zeigt, man nehme zum Behuf seiner Behauptung etwas an, was nichtig und blos eingebildet ist, die Theorie stürzt, dadurch, daß sie ihr die angemaßte Grundlage entzieht, ohne sonst etwas über die Beschaffenheit des Gegenstandes ausmachen zu wollen.
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 Nun sind wir nach den gemeinen Begriffen unserer Vernunft in Ansehung der Gemeinschaft, darin unser denkendes Subiect mit den Dingen ausser uns steht, dogmatisch und sehen diese als wahrhafte unabhängig von uns bestehende Gegenstände an, nach einem gewissen transscendentalen Dualism, der iene äussere Erscheinungen nicht als Vorstellungen zum Subiecte zehlt, sondern sie, so wie sinnliche Anschauung sie uns liefert, ausser uns als Obiecte versezt und sie von dem denkenden Subiecte gänzlich abtrent. Diese Subreption ist nun die Grundlage aller Theorien über die Gemeinschaft zwischen Seele und Cörper, und es wird niemals gefragt: ob denn diese obiective Realität der Erscheinungen so ganz richtig sey, sondern diese wird als zugestanden vorausgesezt und nur über die Art vernünftelt, wie sie erklärt und begriffen werden müsse.| Die gewöhnliche drey hierüber erdachte und wirklich einzig mögliche Systeme sind die, des physischen Einflusses, der vorher bestimten Harmonie und der übernatürlichen Assistenz.
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 Die zwey leztere Erklärungsarten der Gemeinschaft der Seele mit der Materie sind auf Einwürfe gegen die erstere, welche die Vorstellung des gemeinen Verstandes ist, gegründet, daß nemlich dasienige, was als Materie erscheint, durch seinen unmittelbaren Einfluß nicht die Ursache von Vorstellungen, als einer ganz heterogenen Art von Wirkungen, seyn könne. Sie können aber alsdenn mit dem, was sie unter dem Gegenstande äusserer Sinne verstehen, nicht den Begriff einer Materie verbinden, welche nichts als Erscheinung, mithin schon an sich selbst blosse Vorstellung ist, die durch irgend welche äussere Gegenstände gewirkt worden, denn sonst würden sie sagen: daß die Vorstellungen äusserer Gegenstände (die Erscheinungen) nicht äussere Ursachen der Vorstellungen in unserem Gemüthe seyn können, welches ein ganz sinnleerer Einwurf seyn würde, weil es niemanden einfallen wird, das, was er einmal als blosse Vorstellung anerkant hat, vor eine äussere Ursache zu halten. Sie müssen also nach unseren Grundsätzen ihre Theorie darauf richten: daß dasienige, was der wahre (transscendentale) Gegenstand unserer äusseren Sinne ist, nicht die Ursache derienigen Vorstellungen (Erscheinungen) seyn könne, die wir unter dem| Nahmen Materie verstehen. Da nun niemand mit Grunde vorgeben kan, etwas von der transscendentalen Ursache unserer Vorstellungen äusserer Sinne zu kennen, so ist ihre Behauptung ganz grundlos. Wollten aber die vermeinte Verbesserer der Lehre vom physischen Einflusse, nach der gemeinen Vorstellungsart eines transscendentalen Dualism, die Materie, als solche, vor ein Ding an sich selbst (und nicht als blosse Erscheinung eines unbekanten Dinges) ansehen und ihren Einwurf dahin richten, zu zeigen: daß ein solcher äusserer Gegenstand, welcher keine andere Caussalität als die der Bewegungen an sich zeigt, nimmermehr die wirkende Ursache von Vorstellungen seyn könne, sondern daß sich ein drittes Wesen deshalb ins Mittel schlagen müsse, um, wo nicht Wechselwirkung, doch wenigstens Correspondenz und Harmonie zwischen beiden zu stiften: so würden sie ihre Widerlegung davon anfangen, das πρωτον ψευδος des physischen Einflusses in ihrem Dualismus anzunehmen, und also durch ihren Einwurf nicht sowol den natürlichen Einfluß, sondern ihre eigene dualistische Voraussetzung widerlegen. Denn alle Schwierigkeiten, welche die Verbindung der denkenden Natur mit der Materie treffen, entspringen ohne Ausnahme lediglich aus iener erschlichenen dualistischen Vorstellung: daß Materie, als solche, nicht Erscheinung, d. i. blosse Vorstellung des Gemüths, der ein unbekanter Gegenstand entspricht, sondern der Gegenstand an sich selbst sey, so wie er ausser uns und unabhängig von aller Sinnlichkeit existirt.
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|  Es kan also wider den gemein angenommenen physischen Einfluß kein dogmatischer Einwurf gemacht werden. Denn nimt der Gegner an: daß Materie und ihre Bewegung blosse Erscheinungen und also selbst nur Vorstellungen seyn, so kan er nur darin die Schwierigkeit setzen: daß der unbekante Gegenstand unserer Sinnlichkeit nicht die Ursache der Vorstellungen in uns seyn könne, welches aber vorzugeben ihn nicht das mindeste berechtigt, weil niemand von einem unbekanten Gegenstande ausmachen kan, was er thun oder nicht thun könne. Er muß aber, nach unseren obigen Beweisen, diesen transscendentalen Idealism nothwendig einräumen, wofern er nicht offenbar Vorstellungen hypostasiren und sie, als wahre Dinge, ausser sich versetzen will.

 Gleichwol kan wider die gemeine Lehrmeinung des physischen Einflusses ein gegründeter critischer Einwurf gemacht werden. Eine solche vorgegebene Gemeinschaft zwischen zween Arten von Substanzen, der denkenden und der ausgedehnten, legt einen groben Dualism zum Grunde und macht die leztere, die doch nichts als blosse Vorstellungen des denkenden Subiects sind, zu Dingen, die vor sich bestehen. Also kan der mißverstandene physische Einfluß dadurch völlig vereitelt werden, daß man den Beweisgrund desselben als nichtig und erschlichen aufdekt.

 Die berüchtigte Frage, wegen der Gemeinschaft des Denkenden und Ausgedehnten, würde also, wenn man alles| Eingebildete absondert, lediglich darauf hinauslaufen: wie in einem denkenden Subiect überhaupt, äussere Anschauung, nemlich die des Raumes (einer Erfüllung desselben, Gestalt und Bewegung) möglich sey. Auf diese Frage aber ist es keinem Menschen möglich eine Antwort zu finden, und man kan diese Lücke unseres Wissens niemals ausfüllen, sondern nur dadurch bezeichnen, daß man die äussere Erscheinungen einem transscendentalen Gegenstande zuschreibt, welcher die Ursache dieser Art Vorstellungen ist, den wir aber gar nicht kennen, noch iemals einigen Begriff von ihm bekommen werden. In allen Aufgaben, die im Felde der Erfahrung vorkommen mögen, behandeln wir iene Erscheinungen als Gegenstände an sich selbst, ohne uns um den ersten Grund ihrer Möglichkeit (als Erscheinungen) zu bekümmern. Gehen wir aber über deren Gränze hinaus, so wird der Begriff eines transscendentalen Gegenstandes nothwendig.
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 Von diesen Erinnerungen, über die Gemeinschaft zwischen dem denkenden und den ausgedehnten Wesen, ist die Entscheidung aller Streitigkeiten oder Einwürfe, welche den Zustand der denkenden Natur vor dieser Gemeinschaft (dem Leben), oder nach aufgehobener solchen Gemeinschaft (im Tode) betreffen, eine unmittelbare Folge. Die Meinung, daß das denkende Subiect vor aller Gemeinschaft mit Cörpern habe denken können, würde sich so ausdrücken: daß vor dem Anfange dieser Art der Sinnlichkeit, wodurch uns| etwas im Raume erscheint, dieselbe transscendentale Gegenstände, welche im gegenwärtigen Zustande als Cörper erscheinen, auf ganz andere Art haben angeschaut werden können. Die Meinung aber, daß die Seele, nach Aufhebung aller Gemeinschaft mit der körperlichen Welt, noch fortfahren könne zu denken, würde sich in dieser Form ankündigen: daß, wenn die Art der Sinnlichkeit, wodurch uns transscendentale und vor iezt ganz unbekante Gegenstände als materielle Welt erscheinen, aufhören sollte: so sey darum noch nicht alle Anschauung derselben aufgehoben und es sey ganz wol möglich, daß eben dieselbe unbekante Gegenstände fortführen, obzwar freilich nicht mehr in der Qualität der Cörper, von dem denkenden Subiect erkant zu werden.
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 Nun kan zwar niemand den mindesten Grund zu einer solchen Behauptung aus speculativen Principien anführen, ia nicht einmal die Möglichkeit davon darthun, sondern nur voraussetzen; aber eben so wenig kan auch iemand irgend einen gültigen dogmatischen Einwurf dagegen machen. Denn, wer er auch sey, so weiß er eben so wenig von der absoluten und inneren Ursache äusserer und körperlicher Erscheinungen, wie ich, oder iemand anders. Er kan also auch nicht mit Grunde vorgeben, zu wissen, worauf die Wirklichkeit der äusseren Erscheinungen im ietzigen Zustande (im Leben) beruhe, mithin auch nicht: daß die Bedingung aller äusseren Anschauung, oder auch das denkende| Subiect selbst, nach demselben (im Tode) aufhören werde.
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 So ist denn also aller Streit über die Natur unseres denkenden Wesens und der Verknüpfung desselben mit der Cörperwelt lediglich eine Folge davon, daß man in Ansehung dessen, wovon man nichts weiß, die Lücke durch Paralogismen der Vernunft ausfüllt, da man seine Gedanken zu Sachen macht und sie hypostasirt, woraus eingebildete Wissenschaft, sowol in Ansehung dessen, der beiahend, als dessen, der verneinend behauptet, entspringt, indem ein ieder entweder von Gegenständen etwas zu wissen vermeint, davon kein Mensch einigen Begriff hat, oder seine eigene Vorstellungen zu Gegenständen macht, und sich so in einem ewigen Zirkel von Zweideutigkeiten und Widersprüchen herum drehet. Nicht, als die Nüchternheit einer strengen, aber gerechten Critik, kan von diesem dogmatischen Blendwerke, der so viele durch eingebildete Glückseligkeit, unter Theorien und Systemen, hinhält, befreien, und alle unsere speculative Ansprüche blos auf das Feld möglicher Erfahrung einschränken, nicht etwa durch schaalen Spott über so oft fehlgeschlagene Versuche, oder fromme Seufzer über die Schranken unserer Vernunft, sondern vermittelst einer nach sicheren Grundsätzen vollzogenen Gränzbestimmung derselben, welche ihr nihil ulterius mit grössester Zuverläßigkeit an die herculische Säulen heftet, die die Natur selbst aufgestellet hat, um die Fahrt unserer Vernunft nur so weit, als die stetig fortlaufende| Küsten der Erfahrung reichen, fortzusetzen, die wir nicht verlassen können, ohne uns auf einen uferlosen Ocean zu wagen, der uns unter immer trüglichen Aussichten, am Ende nöthigt, alle beschwerliche und langwierige Bemühung, als hoffnungslos aufzugeben.
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 Wir sind noch eine deutliche und allgemeine Erörterung des transscendentalen und doch natürlichen Scheins in den Paralogismen der reinen Vernunft, imgleichen die Rechtfertigung der systematischen und der Tafel der Categorien parallel laufenden Anordnungen derselben, bisher schuldig geblieben. Wir hätten sie im Anfange dieses Abschnitts nicht übernehmen können, ohne in Gefahr der Dunkelheit zu gerathen, oder uns unschicklicher Weise selbst vorzugreifen. Iezt wollen wir diese Obliegenheit zu erfüllen suchen.

 Man kan allen Schein darin setzen: daß die subiective Bedingung des Denkens vor die Erkentniß des Obiects gehalten wird. Ferner haben wir in der Einleitung in die transscendentale Dialectik gezeigt: daß reine Vernunft sich lediglich mit der Totalität der Synthesis der Bedingungen, zu einem gegebenen Bedingten, beschäftige. Da nun der dialectische Schein der reinen Vernunft kein empirischer Schein seyn kan, der sich beym bestimten empirischen Erkentnisse vorfindet: so wird er das Allgemeine der Bedingungen des Denkens betreffen, und es wird nur| drey Fälle des dialectischen Gebrauchs der reinen Vernunft geben,

 1. Die Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt,

 2. Die Synthesis der Bedingungen des empirischen Denkens.

 3. Die Synthesis der Bedingungen des reinen Denkens.

 In allen diesen dreien Fällen beschäftigt sich die reine Vernunft blos mit der absoluten Totalität dieser Synthesis, d. i. mit derienigen Bedingung, die selbst unbedingt ist. Auf diese Eintheilung gründet sich auch der dreifache transscendentale Schein, der zu drey Abschnitten der Dialectik Anlaß giebt, und zu eben so viel scheinbaren Wissenschaften aus reiner Vernunft, der transscendentalen Psychologie, Cosmologie und Theologie, die Idee an die Hand giebt. Wir haben es hier nur mit der ersteren zu thun.

 Weil wir beym Denken überhaupt von aller Beziehung des Gedanken auf irgend ein Obiect (es sey der Sinne oder des reinen Verstandes) abstrahiren: so ist die Synthesis der Bedingungen eines Gedanken überhaupt (no. 1) gar nicht obiectiv, sondern blos eine Synthesis des Gedanken mit dem Subiect, die aber fälschlich vor eine synthetische Vorstellung eines Obiects gehalten wird.

 Es folgt aber auch hieraus: daß der dialectische Schluß auf die Bedingung alles Denkes überhaupt, die selbst unbedingt ist, nicht einen Fehler im Inhalte begehe, (denn er abstrahirt von allem Inhalte oder Obiecte) sondern,| daß er allein in der Form fehle und Paralogism genant werden müsse.

 Weil ferner die einzige Bedingung, die alles Denken begleitet, das Ich, in dem allgemeinen Satze Ich denke, ist, so hat die Vernunft es mit dieser Bedingung, so fern sie selbst unbedingt ist, zu thun. Sie ist aber nur die formale Bedingung, nemlich die logische Einheit eines ieden Gedanken, bey dem ich von allem Gegenstande abstrahire, und wird gleichwol als ein Gegenstand, den ich denke, nemlich: Ich selbst und die unbedingte Einheit desselben vorgestellet.

 Wenn mir iemand überhaupt die Frage aufwürfe: von welcher Beschaffenheit ist ein Ding, welches denkt? so weis ich darauf a priori nicht das mindeste zu antworten, weil die Antwort synthetisch seyn soll (denn eine analytische erklärt vielleicht wol das Denken, aber giebt keine erweiterte Erkentniß von demienigen, worauf dieses Denken seiner Möglichkeit nach beruht. Zu ieder synthetischen Auflösung aber wird Anschauung erfordert, die in der so allgemeinen Aufgabe gänzlich weggelassen worden. Eben so kan niemand die Frage in ihrer Allgemeinheit beantworten: was wol das vor ein Ding seyn müsse, welches beweglich ist? Denn die undurchdringliche Ausdehnung (Materie) ist alsdenn nicht gegeben. Ob ich nun zwar allgemein auf iene Frage keine Antwort weis: so scheint es mir doch, daß ich sie im einzelnen Falle, in dem Satze, der das Selbstbewustsein ausdrückt:| Ich denke, geben könne. Denn dieses Ich ist das erste Subiect, d. i. Substanz, es ist einfach etc. Dieses müßten aber alsdenn lauter Erfahrungssätze seyn, die gleichwol ohne eine allgemeine Regel, welche die Bedingungen der Möglichkeit zu denken überhaupt und a priori aussagte, keine dergleichen Prädicate (welche nicht empirisch seyn) enthalten könte. Auf solche Weise wird mir meine anfänglich so scheinbare Einsicht, über der Natur eines denkenden Wesens, und zwar aus lauter Begriffen zu urtheilen, verdächtig, ob ich gleich den Fehler derselben noch nicht entdekt habe.
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 Allein, das weitere Nachforschen hinter den Ursprung dieser Attribute, die ich Mir, als einem denkendem Wesen überhaupt, beylege, kann diesen Fehler aufdecken. Sie sind nichts mehr als reine Categorien, wodurch ich niemals einen bestimten Gegenstand, sondern nur die Einheit der Vorstellungen, um einen Gegenstand derselben zu bestimmen, denke. Ohne eine zum Grunde liegende Anschauung kan die Categorie allein mir keinen Begriff von einem Gegenstande verschaffen; denn nur durch Anschauung wird der Gegenstand gegeben, der hernach der Categorie gemäß gedacht wird. Wenn ich ein Ding vor eine Substanz in der Erscheinung erkläre, so müssen mir vorher Prädicate seiner Anschauung gegeben seyn, an denen ich das Beharrliche vom Wandelbaren und das Substratum (Ding selbst) von demienigen, was ihm blos anhängt,| unterscheide. Wenn ich ein Ding einfach in der Erscheinung nenne, so verstehe ich darunter, daß die Anschauung desselben zwar ein Theil der Erscheinung sey, selbst aber nicht getheilt werden könne u. s. w. Ist aber etwas nur vor einfach im Begriffe und nicht in der Erscheinung erkant, so habe ich dadurch wirklich gar keine Erkentniß von dem Gegenstande, sondern nur von meinem Begriffe, den ich mir von Etwas überhaupt mache, das keiner eigentlichen Anschauung fähig ist. Ich sage nur, daß ich etwas ganz einfach denke, weil ich wirklich nichts weiter, als blos, daß es Etwas sey, zu sagen weiß.
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 Nun ist die blosse Apperception (Ich) Substanz im Begriffe, einfach im Begriffe etc. und so haben alle iene psychologische Lehrsätze ihre unstreitige Richtigkeit. Gleichwol wird dadurch doch dasienige keinesweges von der Seele erkant, was man eigentlich wissen will, denn alle diese Prädicate gelten gar nicht von der Anschauung, und können daher auch keine Folgen haben, die auf Gegenstände der Erfahrung angewandt würden, mithin sind sie völlig leer. Denn iener Begriff der Substanz lehret mich nicht: daß die Seele vor sich selbst fortdaure, nicht, daß sie von den äusseren Anschauungen ein Theil sey, der selbst nicht mehr getheilt werden könne, und der also durch keine Veränderungen der Natur entstehen, oder vergehen könne; lauter Eigenschaften, die mir die Seele im Zusammenhange der Erfahrung kenbar machen, und, in Ansehung ihres Ursprungs und künftigen Zustandes, Eröfnung geben könten.| Wenn ich nun aber durch blosse Categorie sage: die Seele ist eine einfache Substanz, so ist klar, daß da der nakte Verstandesbegriff von Substanz nichts weiter enthält, als daß ein Ding, als Subiect an sich, ohne wiederum Prädicat von einem andern zu seyn, vorgestellt werden solle, daraus nichts von Beharrlichkeit folge, und das Attribut des Einfachen diese Beharrlichkeit gewiß nicht hinzusetzen könne, mithin man dadurch über das, was die Seele bey den Weltveränderungen treffen könne, nicht im mindesten unterrichtet werde. Würde man uns sagen können, sie ist ein einfacher Theil der Materie, so würden wir von dieser, aus dem, was Erfahrung von ihr lehrt, die Beharrlichkeit und, mit der einfachen Natur zusammen, die Unzerstöhrlichkeit derselben ableiten können. Davon sagt uns aber der Begriff des Ich, in dem psychologischen Grundsatze (Ich denke), nicht ein Wort.
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 Daß aber das Wesen, welches in uns denkt, durch reine Categorien und zwar dieienige, welche die absolute Einheit unter iedem Titel derselben ausdrücken, sich selbst zu erkennen vermeine, rührt daher. Die Apperception ist selbst der Grund der Möglichkeit der Categorien, welche ihrer Seits nichts anders vorstellen, als die Synthesis des Mannigfaltigen der Anschauung, so fern dasselbe in der Apperception Einheit hat. Daher ist das Selbstbewustseyn überhaupt die Vorstellung desienigen, was die Bedingung aller Einheit, und doch selbst unbedingt ist. Man kan daher von dem denkenden Ich, (Seele) das sich als| Substanz, einfach, numerisch identisch in aller Zeit, und das Correlatum alles Daseyns, aus welchem alles andere Daseyn geschlossen werden muß, sagen: daß es nicht sowol sich selbst durch die Categorien, sondern die Categorien, und durch sie alle Gegenstände, in der absoluten Einheit der Apperception, mithin durch sich selbst erkent. Nun ist zwar sehr einleuchtend: daß ich dasienige, was ich voraussetzen muß, um überhaupt ein Obiect zu erkennen, nicht selbst als Obiect erkennen könne, und daß das bestimmende Selbst, (das Denken) von dem bestimbaren Selbst (dem denkenden Subiect), wie Erkentniß vom Gegenstande unterschieden sey. Gleichwol ist nichts natürlicher und verführerischer, als der Schein, die Einheit in der Synthesis der Gedanken vor eine wahrgenommene Einheit im Subiecte dieser Gedanken zu halten. Man könte ihn die Subreption des hypostasirten Bewustseyns (apperceptiones substantiatae) nennen.
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 Wenn man den Paralogism in den dialectischen Vernunftschlüssen der rationalen Seelenlehre, so fern sie gleichwol richtige Prämissen haben, logisch betiteln will: so kan er vor ein sophisma figurae dictionis gelten, in welchem der Obersatz von der Categorie, in Ansehung ihrer Bedingung, einen blos transscendentalen Gebrauch, der Untersatz aber und der Schlußsatz in Ansehung der Seele, die unter diese Bedingung subsumirt worden, von eben der Categorie einen empirischen Gebrauch macht. So ist z. B.| der Begriff der Substanz in dem Paralogismus der Simplicität ein reiner intellectueller Begriff, der ohne Bedingungen der sinnlichen Anschauung blos von transscendentalen, d. i. von gar keinem Gebrauch ist. Im Untersatze aber ist eben derselbe Begriff auf den Gegenstand aller inneren Erfahrung angewandt, ohne doch die Bedingung seiner Anwendung in concreto, nemlich die Beharrlichkeit desselben, voraus festzusetzen und zum Grunde zu legen, und daher ein empirischer, obzwar hier unzulässiger Gebrauch davon gemacht worden.

 Um endlich den systematischen Zusammenhang aller dieser dialectischen Behauptungen, in einer vernünftelnden Seelenlehre, in einem Zusammenhange der reinen Vernunft, mithin die Vollständigkeit derselben zu zeigen, so merke man: daß die Apperception durch alle Classen der Categorien, aber nur auf dieienige Verstandesbegriffe durchgeführt werde, welche in ieder derselben den übrigen zum Grunde der Einheit in einer möglichen Wahrnehmung liegen, folglich: Subsistenz, Realität, Einheit (nicht Vielheit) und Existenz, nur daß die Vernunft sie hier alle als Bedingungen der Möglichkeit eines denkenden Wesens, die selbst unbedingt sind, vorstellt. Also erkent die Seele an sich selbst

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  1.
Die unbedingte Einheit
des Verhältnisses
d. i.
sich selbst, nicht als inhärirend,
sondern
subsistirend
 
2.
Die unbedingte Einheit
der Qualität
d. i.
nicht als reales Ganze,
sondern
einfach[1]
3.
Die unbedingte Einheit
bey der Vielheit in der Zeit,
d. i.
nicht in verschiedenen Zeiten
numerisch verschieden,
sondern als
Eines und eben dasselbe
Subiect
  4.
Die unbedingte Einheit
des Daseyns im Raume,
d. i.
nicht als das Bewustseyn mehrerer Dinge ausser ihr,
sondern
nur des Daseyns ihrer selbst,
anderer Dinge aber, blos
als ihrer Vorstellungen.
 
|  Vernunft ist das Vermögen der Principien. Die Behauptungen der reinen Psychologie enthalten nicht empirische Prädicate von der Seele, sondern solche, die, wenn sie statt finden, den Gegenstand an sich selbst unabhängig von der Erfahrung, mithin durch blosse Vernunft bestimmen sollen. Sie müßten also billig auf Principien und allgemeine Begriffe von denkenden Naturen überhaupt gegründet seyn. An dessen Statt findet sich: daß die einzelne Vorstellung, Ich bin, sie insgesamt regirt, welche eben darum, weil sie die reine Formel aller meiner Erfahrung (unbestimt) ausdrückt, sich wie ein allgemeiner Satz, der vor alle denkende Wesen gelte, ankündigt, und, da er gleichwol in aller Absicht einzeln ist, den Schein einer absoluten Einheit der Bedingungen des Denkens überhaupt bey sich führt, und dadurch sich weiter ausbreitet, als mögliche Erfahrung reichen könte.



  1. Wie das Einfache hier wiederum der Categorie der Realität entspreche, kan ich iezt noch nicht zeigen, sondern wird im folgenden Hauptstücke, bey Gelegenheit eines andern Vernunftgebrauchs eben desselben Begriffs, gewiesen werden.


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