Critik der reinen Vernunft (1781)/Der Transscendentalen Dialectik Zweites Buch. Von den dialektischen Schlüssen der reinen Vernunft.
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Nun beruhet wenigstens die transscendentale (subiective) Realität der reinen Vernunftbegriffe darauf: daß wir durch einen nothwendigen Vernunftschluß auf solche Ideen gebracht werden. Also wird es Vernunftschlüsse geben, die keine empirische Prämissen enthalten und vermittelst deren wir von etwas, das wir kennen, auf etwas anderes schliessen, wovon wir doch keinen Begriff haben und dem wir gleichwol, durch einen unvermeidlichen Schein, obiective Realität geben. Dergleichen Schlüsse sind in Ansehung ihres Resultats also eher vernünftelnde, als Vernunftschlüsse zu nennen; wiewol sie, ihrer Veranlassung wegen, wol den lezteren Namen führen können, weil sie doch nicht erdichtet, oder zufällig entstanden, sondern aus der Natur der Vernunft entsprungen sind. Es sind Sophisticationen, nicht der Menschen, sondern der reinen Vernunft selbst, von denen selbst der Weiseste unter allen Menschen sich nicht losmachen, und vielleicht zwar nach vieler Bemühung den Irrthum verhüten, den Schein aber, der ihn unaufhörlich zwakt und äfft, niemals völlig los werden kan.
Dieser dialectischen Vernunftschlüsse giebt es also nur dreierley Arten, so vielfach, als die Ideen sind, auf| die ihre Schlußsätze auslaufen. In dem Vernunftschlusse der ersten Classe schliesse ich von dem transscendentalen Begriffe des Subiects, der nichts Mannigfaltiges enthält, auf die absolute Einheit dieses Subiects selber, von welchem ich auf diese Weise gar keinen Begriff habe. Diesen dialectischen Schluß werde ich den transscendentalen Paralogismus nennen. Die zweite Classe der vernünftelnden Schlüsse ist auf den transscendentalen Begriff der absoluten Totalität, der Reihe der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung überhaupt, angelegt und ich schliesse daraus, daß ich von der unbedingten synthetischen Einheit der Reihe auf einer Seite, iederzeit einen sich selbst widersprechenden Begriff habe, auf die Richtigkeit der entgegenstehenden Einheit, wovon ich gleichwol auch keinen Begriff habe. Den Zustand der Vernunft bey diesen dialectischen Schlüssen, werde ich die Antinomie der reinen Vernunft nennen. Endlich schliesse ich, nach der dritten Art vernünftelnder Schlüsse, von der Totalität der Bedingungen, Gegenstände überhaupt, so fern sie mir gegeben werden können, zu denken, auf die absolute synthetische Einheit aller Bedingungen der Möglichkeit der Dinge überhaupt, d. i. von Dingen, die ich nach ihrem blossen transscendentalen Begriff nicht kenne, auf ein Wesen aller Wesen, welches ich durch einen transscendenten Begriff noch weniger kenne und von dessen unbedingter Nothwendigkeit ich mir keinen Begriff machen kann. Diesen dialectischen Vernunftschluß werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen.
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