Critik der reinen Vernunft (1781)/Dritter Abschnitt. Von dem Verhältnisse des Verstandes zu Gegenständen überhaupt und der Möglichkeit diese a priori zu erkennen.

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Der
Deduction der reinen Verstandesbegriffe
Dritter Abschnitt.
Von dem
Verhältnisse des Verstandes zu Gegenständen
überhaupt und der
Möglichkeit diese a priori zu erkennen.

Was wir im vorigen Abschnitte abgesondert und einzeln vortrugen, wollen wir iezt vereinigt und im Zusammenhange vorstellen. Es sind drey subiective Erkentnißquellen, worauf die Möglichkeit einer Erfahrung überhaupt, und Erkentniß der Gegenstände derselben beruht: Sinn, Einbildungskraft und Apperception; iede derselben[WS 1] kan als empirisch, nemlich in der Anwendung auf gegebene Erscheinungen, betrachtet werden, alle aber sind auch Elemente oder Grundlagen a priori, welche selbst diesen empirischen Gebrauch möglich machen. Der Sinn stellt die Erscheinungen empirisch in der Wahrnehmung vor, die Einbildungskraft in der Association (und Reproduction), die Apperception in dem empirischen Bewustseyn der Identität dieser reproductiven Vorstellungen mit den Erscheinungen, dadurch sie gegeben waren, mithin in der Recognition.

 Es liegt aber der sämtlichen Wahrnehmung die reine Anschauung (in Ansehung ihrer als Vorstellung die Form der inneren Anschauung, die Zeit,) der Association die| reine Synthesis der Einbildungskraft, und dem empirischen Bewustseyn die reine Apperception, d. i. die durchgängige Identität seiner selbst bey allen möglichen Vorstellungen, a priori zum Grunde.
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 Wollen wir nun den innern Grund dieser Verknüpfung der Vorstellungen bis auf denienigen Punct verfolgen, in welchem sie alle zusammenlaufen müssen, um darin allererst Einheit der Erkentniß zu einer möglichen Erfahrung zu bekommen, so müssen wir von der reinen Apperception anfangen. Alle Anschauungen sind vor uns nichts, und gehen uns nicht im mindesten etwas an, wenn sie nicht ins Bewustseyn aufgenommen werden können, sie mögen nun direct oder indirect, darauf einfliessen, und nur durch dieses allein ist Erkentniß möglich. Wir sind uns a priori der durchgängigen Identität unserer selbst in Ansehung aller Vorstellungen, die zu unserem Erkentniß iemals gehören können, bewust, als einer nothwendigen Bedingung der Möglichkeit aller Vorstellungen, (weil diese in mir doch nur dadurch etwas vorstellen, daß sie mit allem andern zu einem Bewustseyn gehören, mithin darin wenigstens müssen verknüpft werden können). Dies Princip steht a priori fest, und kan das transscendentale Princip der Einheit alles Mannigfaltigen unserer Vorstellungen (mithin auch in der Anschauung), heissen. Nun ist die Einheit des Mannigfaltigen in einem Subiect synthetisch: also giebt die reine Apperception ein Principium| der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in aller möglichen Anschauung an die Hand.[1]
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|  Diese synthetische Einheit sezt aber eine Synthesis voraus, oder schließt sie ein, und soll iene a priori nothwendig seyn, so muß leztere auch eine Synthesis a priori seyn. Also beziehet sich die transsc. Einheit der Apperception auf die reine Synthesis der Einbildungskraft, als eine Bedingung a priori der Möglichkeit aller Zusammensetzung des Mannigfaltigen in einer Erkentniß. Es kan aber nur die productive Synthesis der Einbildungskraft a priori statt finden; denn die reproductive beruht auf Bedingungen der Erfahrung. Also ist das Principium der nothwendigen Einheit der reinen (productiven) Synthesis der Einbildungskraft vor der Apperception der Grund der Möglichkeit aller Erkentniß, besonders der Erfahrung.

 Nun nennen wir die Synthesis des Mannigfaltigen in der Einbildungskraft transscendental, wenn ohne Unterschied der Anschauungen sie auf nichts, als blos auf die Verbindung des Mannigfaltigen a priori geht, und die Einheit dieser Synthesis heißt transscendental, wenn sie in Beziehung auf die ursprüngliche Einheit der Apperception, als a priori nothwendig vorgestellt wird. Da diese leztere nun der Möglichkeit aller Erkentnisse zum Grunde liegt, so ist die transscendentale Einheit der Synthesis der Einbildungskraft die reine Form aller möglichen Erkentniß, durch welche mithin alle Gegenstände möglicher Erfahrung a priori vorgestellt[WS 2] werden müssen.

|  Die Einheit der Apperception in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft ist der Verstand, und eben dieselbe Einheit, beziehungsweise auf die transscendentale Synthesis der Einbildungskraft, der reine Verstand. Also sind im Verstande reine Erkentnisse a priori, welche die nothwendige Einheit der reinen Synthesis der Einbildungskraft, in Ansehung aller möglichen Erscheinungen, enthalten. Dieses sind aber die Categorien, d. i. reine Verstandesbegriffe, folglich enthält die empirische Erkentnißkraft des Menschen nothwendig einen Verstand, der sich auf alle Gegenstände der Sinne, obgleich nur vermittelst der Anschauung, und der Synthesis derselben durch Einbildungskraft bezieht, unter welchen also alle Erscheinungen, als Data zu einer möglichen Erfahrung stehen. Da nun diese Beziehung der Erscheinungen auf mögliche Erfahrung ebenfals nothwendig ist, (weil wir ohne diese gar keine Erkentniß durch sie bekommen würden, und sie uns mithin gar nichts angingen) so folgt, daß der reine Verstand, vermittelst der Categorien, ein formales und synthetisches Principium aller Erfahrungen sey, und die Erscheinungen eine nothwendige Beziehung auf den Verstand haben.
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 Jezt wollen wir den nothwendigen Zusammenhang des Verstandes mit den Erscheinungen vermittelst der Categorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf, nemlich dem Empirischen anfangen. Das erste, was uns| gegeben wird, ist Erscheinung, welche, wenn sie mit Bewustseyn verbunden ist, Wahrnehmung heißt, (ohne das Verhältniß zu einem, wenigstens möglichen Bewustseyn, würde Erscheinung vor uns niemals ein Gegenstand der Erkentniß werden können, und also vor uns nichts seyn, und weil sie an sich selbst keine obiective Realität hat, und nur im Erkentnisse existirt, überall nichts seyn). Weil aber iede Erscheinung ein Mannigfaltiges enthält, mithin verschiedene Wahrnehmungen im Gemüthe an sich zerstreuet und einzeln angetroffen werden, so ist eine Verbindung derselben nöthig, welche sie in dem Sinne selbst nicht haben können. Es ist also in uns ein thätiges Vermögen der Synthesis dieses Mannigfaltigen, welches wir Einbildungskraft nennen, und deren unmittelbar an den Wahrnehmungen ausgeübte Handlung ich Apprehension nenne[2]). Die Einbildungskraft soll nemlich das Mannigfaltige der Anschauung in ein Bild bringen; vorher muß sie also die Eindrücke in ihre Thätigkeit aufnehmen, d. i. apprehendiren.
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|  Es ist aber klar, daß selbst diese Apprehension des Mannigfaltigen allein noch kein Bild und keinen Zusammenhang der Eindrücke hervorbringen würde, wenn nicht ein subiectiver Grund da wäre, eine Wahrnehmung, von welcher das Gemüth zu einer andern übergegangen, zu den nachfolgenden herüber zu rufen, und so ganze Reihen derselben darzustellen, d. i. ein reproductives Vermögen der Einbildungskraft, welches denn auch nur empirisch ist.

 Weil aber, wenn Vorstellungen, so wie sie zusammen gerathen, einander ohne Unterschied reproducirten, wiederum kein bestimmter Zusammenhang derselben, sondern blos regellose Haufen derselben, mithin gar kein Erkentniß entspringen würde; so muß die Reproduction derselben eine Regel haben, nach welcher eine Vorstellung vielmehr mit dieser, als einer andern in der Einbildungskraft in Verbindung tritt. Diesen subiectiven und empirischen Grund der Reproduction nach Regeln nent man die Association der Vorstellungen.

 Würde nun aber diese Einheit der Association nicht auch einen obiectiven Grund haben, so daß es unmöglich wäre, daß Erscheinungen von der Einbildungskraft anders apprehendirt würden, als unter der Bedingung einer möglichen synthetischen Einheit dieser Apprehension, so würde es auch etwas ganz zufälliges seyn, daß sich Erscheinungen in einen Zusammenhang der menschlichen Erkentnisse schickten. Denn, ob wir gleich das Vermögen hätten, Wahrnehmungen zu associiren; so bliebe es doch an sich| ganz unbestimt und zufällig, ob sie auch associabel wären; und in dem Falle, daß sie es nicht wären, so würde eine Menge Wahrnehmungen, und auch wohl eine ganze Sinnlichkeit möglich seyn, in welcher viel empirisches Bewustseyn in meinem Gemüth anzutreffen wäre, aber getrent, und ohne daß es zu einem Bewustseyn meiner selbst gehörete, welches aber unmöglich ist. Denn nur dadurch, daß ich alle Wahrnehmungen zu einem Bewustseyn (der ursprünglichen Apperception) zehle, kan ich bey allen Wahrnehmungen sagen: daß ich mir ihrer bewust sey. Es muß also ein obiectiver, d. i. vor allen empirischen Gesetzen der Einbildungskraft a priori einzusehender Grund seyn, worauf die Möglichkeit, ia sogar die Nothwendigkeit eines durch alle Erscheinungen sich erstreckenden Gesetzes beruht, sie nemlich durchgängig als solche Data der Sinne anzusehen, welche an sich associabel, und allgemeinen Regeln einer durchgängigen Verknüpfung in der Reproduction unterworfen seyn. Diesen obiectiven Grund aller Association der Erscheinungen nenne ich die Affinität derselben. Diesen können wir aber nirgends anders, als in dem Grundsatze von der Einheit der Apperception, in Ansehung aller Erkentnisse, die mir angehören sollen, antreffen. Nach diesem müssen durchaus alle Erscheinungen, so ins Gemüth kommen, oder apprehendirt werden, daß sie zur Einheit der Apperception zusammenstimmen, welches, ohne synthetische Einheit in ihrer Verknüpfung, die mithin auch obiectiv nothwendig ist, unmöglich seyn würde.
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|  Die obiective Einheit alles (empirischen) Bewustseyns in einem Bewustseyn (der ursprünglichen Apperception) ist also die nothwendige Bedingung so gar aller möglichen Wahrnehmung, und die Affinität aller Erscheinungen (nahe oder entfernte) ist eine nothwendige Folge einer Synthesis in der Einbildungskraft, die a priori auf Regeln gegründet ist.

 Die Einbildungskraft ist also auch ein Vermögen einer Synthesis a priori, weswegen wir ihr den Namen der productiven Einbildungskraft geben, und, so fern sie in Ansehung alles Mannigfaltigen der Erscheinung nichts weiter, als die nothwendige Einheit in der Synthesis derselben zu ihrer Absicht hat, kan diese die transscendentale Function der Einbildungskraft genant werden. Es ist daher zwar befremdlich, allein aus dem bisherigen doch einleuchtend, daß nur vermittelst dieser transscendentalen Function der Einbildungskraft, sogar die Affinität der Erscheinungen, mit ihr die Association und durch diese endlich die Reproduction nach Gesetzen, folglich die Erfahrung selbst möglich werde: weil ohne sie gar keine Begriffe von Gegenständen in eine Erfahrung zusammenfliessen würden.

 Denn das stehende und bleibende Ich (der reinen Apperception) macht das Correlatum aller unserer Vorstellungen aus, so fern es blos möglich ist, sich ihrer bewust zu werden, und alles Bewustseyn gehört eben so wol zu einer allbefassenden reinen Apperception, wie alle sinnliche| Anschauung als Vorstellung zu einer reinen innern Anschauung, nemlich der Zeit. Diese Apperception ist es nun, welche zu der reinen Einbildungskraft hinzukommen muß, um ihre Function intellectuel zu machen. Denn an sich selbst ist die Synthesis der Einbildungskraft[WS 3], obgleich a priori ausgeübt, dennoch iederzeit sinnlich, weil sie das Mannigfaltige nur so verbindet, wie es in der Anschauung erscheint, z. B. die Gestalt eines Triangels. Durch das Verhältniß des Mannigfaltigen aber zur Einheit der Apperception werden Begriffe, welche dem Verstande angehören, aber nur vermittelst der Einbildungskraft in Beziehung auf die sinnliche Anschauung zu Stande kommen können.
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 Wir haben also eine reine Einbildungskraft, als ein Grundvermögen der menschlichen Seele, das aller Erkentniß a priori zum Grunde liegt. Vermittelst deren bringen wir das Mannigfaltige der Anschauung einerseits, und mit der Bedingung der nothwendigen Einheit der reinen Apperception andererseits in Verbindung. Beyde äusserste Enden, nemlich Sinnlichkeit und Verstand, müssen vermittelst dieser transscendentalen Function der Einbildungskraft nothwendig zusammenhängen; weil iene sonst zwar Erscheinungen, aber keine Gegenstände eines empirischen Erkentnisses, mithin keine Erfahrung geben würden. Die wirkliche Erfahrung, welche aus der Apprehension, der Association, (der Reproduction,) endlich der Recognition der Erscheinungen besteht, enthält in der letzteren| und höchsten (der blos empirischen Elemente der Erfahrung) Begriffe, welche die formale Einheit der Erfahrung, und mit ihr alle obiective Gültigkeit (Wahrheit) der empirischen Erkentniß möglich machen. Diese Gründe der Recognition des Mannigfaltigen, so fern sie blos die Form einer Erfahrung überhaupt angehen, sind nun iene Categorien. Auf ihnen gründet sich also alle formale Einheit in der Synthesis der Einbildungskraft, und vermittelst dieser auch alles empirischen Gebrauchs derselben (in der Recognition, Reproduction, Association, Apprehension) bis herunter zu den Erscheinungen, weil diese, nur vermittelst iener Elemente der Erkentniß und überhaupt unserm Bewustseyn, mithin uns selbst angehören können.
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 Die Ordnung und Regelmäßigkeit also an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüths ursprünglich hineingelegt. Denn diese Natureinheit soll eine nothwendige d. i. a priori gewisse Einheit der Verknüpfung der Erscheinungen seyn. Wie sollten wir aber wol a priori eine synthetische Einheit auf die Bahn bringen können, wären nicht in den ursprünglichen Erkentnißquellen unseres Gemüths subiective Gründe solcher Einheit a priori enthalten, und wären diese subiective Bedingungen nicht zugleich obiectiv gültig, indem sie die Gründe| der Möglichkeit seyn, überhaupt ein Obiect in der Erfahrung zu erkennen.
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 Wir haben den Verstand oben auf mancherley Weise erklärt: durch eine Spontaneität der Erkentniß, (im Gegensatz der Receptivität der Sinnlichkeit) durch ein Vermögen zu denken, oder auch ein Vermögen der Begriffe, oder auch der Urtheile, welche Erklärungen, wenn man sie beym lichten besieht, auf eins hinauslaufen. Jezt können wir ihn als das Vermögen der Regeln characterisiren. Dieses Kennzeichen ist fruchtbarer und tritt dem Wesen desselben näher. Sinnlichkeit giebt uns Formen, (der Anschauung) der Verstand aber Regeln. Dieser ist iederzeit geschäftig, die Erscheinungen in der Absicht durchzuspähen, um an ihnen irgend eine Regel aufzufinden. Regeln, so fern sie obiectiv sind, (mithin der Erkentniß des Gegenstandes nothwendig anhängen) heissen Gesetze. Ob wir gleich durch Erfahrung viel Gesetze lernen, so sind diese doch nur besondere Bestimmungen noch höherer Gesetze, unter denen die höchsten, (unter welchen andere alle stehen) a priori aus dem Verstande selbst herkommen, und nicht von der Erfahrung entlehnt sind, sondern vielmehr den Erscheinungen ihre Gesetzmäßigkeit verschaffen, und eben dadurch Erfahrung möglich machen müssen. Es ist also der Verstand nicht blos ein Vermögen, durch Vergleichung der Erscheinungen sich Regeln zu machen: er ist selbst die Gesetzgebung vor die Natur, d. i. ohne Verstand würde es überall nicht Natur, d. i. synthetische Einheit| des Mannigfaltigen der Erscheinungen nach Regeln geben: denn Erscheinungen können, als solche, nicht ausser uns statt finden, sondern existiren nur in unsrer Sinnlichkeit. Diese aber, als Gegenstand der Erkentniß in einer Erfahrung, mit allem, was sie enthalten mag, ist nur in der Einheit der Apperception möglich. Die Einheit der Apperception aber ist der transscendentale Grund der nothwendigen Gesetzmäßigkeit aller Erscheinungen in einer Erfahrung. Eben dieselbe Einheit der Apperception in Ansehung eines Mannigfaltigen von Vorstellungen (es nemlich aus einer einzigen zu bestimmen) ist die Regel und das Vermögen dieser Regeln der Verstand. Alle Erscheinungen liegen also als mögliche Erfahrungen eben so a priori im Verstande, und erhalten ihre formale Möglichkeit von ihm, wie sie als blosse Anschauungen in der Sinnlichkeit liegen, und durch dieselbe der Form nach, allein möglich sind.
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 So übertrieben, so widersinnisch es also auch lautet, zu sagen: der Verstand ist selbst der Quell der Gesetze der Natur, und mithin der formalen Einheit der Natur, so richtig, und dem Gegenstande, nemlich der Erfahrung angemessen ist gleichwol eine solche Behauptung. Zwar können empirische Gesetze, als solche, ihren Ursprung keinesweges vom reinen Verstande herleiten, so wenig als die unermeßliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen aus der reinen Form der sinnlichen Anschauung hinlänglich begriffen werden kan. Aber alle empirische Gesetze sind nur| besondere Bestimmungen der reinen Gesetze des Verstandes, unter welchen und nach deren Norm iene allererst möglich sind, und die Erscheinungen eine gesetzliche Form annehmen, so wie auch alle Erscheinungen, unerachtet der Verschiedenheit ihrer empirischen Form, dennoch iederzeit den Bedingungen der reinen Form der Sinnlichkeit gemäß seyn müssen.

 Der reine Verstand ist also in den Categorien das Gesetz der synthetischen Einheit aller Erscheinungen, und macht dadurch Erfahrung ihrer Form nach allererst und ursprünglich möglich. Mehr aber hatten wir in der transsc. Deduction der Categorien nicht zu leisten, als dieses Verhältniß des Verstandes zur Sinnlichkeit, und vermittelst derselben zu allen Gegenständen der Erfahrung, mithin die obiective Gültigkeit seiner reinen Begriffe a priori begreiflich zu machen, und dadurch ihren Ursprung und Wahrheit fest zusetzen.



  1. Man gebe auf diesen Satz wol acht, der von grosser Wichtigkeit ist. Alle Vorstellungen haben eine nothwendige Beziehung auf ein mögliches empirisches Bewustseyn: denn hätten sie dieses nicht, und wäre es gänzlich unmöglich, sich ihrer bewust zu werden; so würde das so viel sagen, sie existirten gar nicht. Alles empirische Bewustseyn hat aber eine nothwendige Beziehung auf ein transscendentales (vor aller besondern Erfahrung vorhergehendes) Bewustseyn, nemlich das Bewustseyn meiner Selbst, als die ursprüngliche Apperception. Es ist also schlechthin nothwendig, daß in meinem Erkentnisse alles Bewustseyn zu einem Bewustseyn [(]meiner Selbst) gehöre. Hier ist nun eine synthetische Einheit des Mannigfaltigen, (Bewustseyns) die a priori erkant wird, und gerade so den Grund zu synthetischen Sätzen a priori, die das reine Denken betreffen, als Raum und Zeit zu solchen Sätzen, die die Form der blossen Anschauung angehen, abgiebt. Der synthetische Satz: daß alles verschiedene empirische Bewustseyn in einem einigen Selbstbewustsein verbunden seyn müsse, ist der schlechthin erste und synthetische Grundsatz unseres Denkens überhaupt. Es ist aber nicht aus der Acht zu lassen, daß die blosse Vorstellung Ich in Beziehung auf alle andere (deren collective Einheit sie möglich macht) das transsendentale Bewustseyn sey. Diese Vorstellung mag nun klar (empirisches Bewustseyn) oder dunkel seyn, daran liegt hier nichts, ia nicht einmal an der Wirklichkeit desselben; sondern die Möglichkeit der logischen Form alles Erkentnisses beruhet nothwendig auf dem Verhältniß zu dieser Apperception als einem Vermögen.
  2. Daß die Einbildungskraft ein nothwendiges Ingredienz der Wahrnehmung selbst sey, daran hat wol noch kein Psychologe gedacht. Das komt daher, weil man dieses Vermögen theils nur auf Reproductionen einschränkte, theils, weil man glaubte, die Sinne lieferten uns nicht allein Eindrücke, sondern sezten solche auch so gar zusammen, und brächten Bilder der Gegenstände zuwege, wozu ohne Zweifel ausser der Empfänglichkeit der Eindrücke, noch etwas mehr, nemlich eine Function der Synthesis derselben erfordert wird.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: derseiben
  2. Vorlage: vergestellt
  3. Vorlage: Einbildungskraf


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