Critik der reinen Vernunft (1781)/Uebergang zur Transsc. Deduction der Categorien.

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Critik der reinen Vernunft (1781)
Inhalt
Zweiter Abschnitt. Von den Gründen a priori zur Möglichkeit der Erfahrung. »
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Uebergang
zur
Transsc. Deduction der Categorien.
 Es sind nur zwey Fälle möglich, unter denen synthetische Vorstellung und ihre Gegenstände zusammentreffen, sich auf einander nothwendiger Weise beziehen, und gleichsam einander begegnen können. Entweder wenn der Gegenstand die Vorstellung, oder diese den Gegenstand allein möglich macht. Ist das erstere, so ist diese Beziehung nur empirisch, und die Vorstellung ist niemals a priori möglich. Und dies ist der Fall mit Erscheinung, in Ansehung dessen, was an ihnen zur Empfindung gehört. Ist aber das zweyte, weil Vorstellung an sich selbst (denn von dessen Caussalität, vermittelst des Willens, ist hier gar nicht die Rede,) ihren Gegenstand dem Daseyn nach nicht hervorbringt, so ist doch die Vorstellung in Ansehung des Gegenstandes alsdenn a priori bestimmend, wenn durch sie allein es möglich ist, etwas als einen Gegenstand zu erkennen. Es sind aber zwey Bedingungen, unter denen allein die Erkentniß eines Gegenstandes möglich ist, erstlich Anschauung, dadurch derselbe, aber nur als Erscheinung, gegeben wird: zweytens, Begriff, dadurch ein Gegenstand| gedacht wird, der dieser Anschauung entspricht. Es ist aber aus dem obigen klar, daß die erste Bedingung, nemlich die, unter der allein Gegenstände angeschaut werden können, in der That den Obiecten der Form nach a priori im Gemüth zum Grunde liegen. Mit dieser formalen Bedingung der Sinnlichkeit stimmen also alle Erscheinungen nothwendig überein, weil sie nur durch dieselbe erscheinen, d. i. empirisch angeschauet und gegeben werden können. Nun frägt es sich, ob nicht auch Begriffe a priori vorausgehen, als Bedingungen, unter denen allein etwas, wenn gleich nicht angeschauet, dennoch als Gegenstand überhaupt gedacht wird, denn alsdenn ist alle empirische Erkentniß der Gegenstände solchen Begriffen nothwendiger Weise gemäß, weil, ohne deren Voraussetzung, nichts als Obiect der Erfahrung möglich ist. Nun enthält aber alle Erfahrung ausser der Anschauung der Sinne, wodurch etwas gegeben wird, noch einen Begriff von einem Gegenstande, der in der Anschauung gegeben wird, oder erscheint: demnach werden Begriffe von Gegenständen überhaupt, als Bedingungen a priori aller Erfahrungserkentniß zum Grunde liegen: folglich wird die obiective Gültigkeit der Categorien, als Begriffe a priori, darauf beruhen, daß durch sie allein Erfahrung, (der Form des Denkens nach) möglich sey. Denn alsdenn beziehen sie sich nothwendiger Weise und a priori auf Gegenstände der Erfahrung, weil nur vermittelst ihrer überhaupt irgend ein Gegenstand der Erfahrung gedacht werden kan.
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|  Die transsc. Deduction aller Begriffe a priori hat also ein Principium, worauf die ganze Nachforschung gerichtet werden muß, nemlich dieses: daß sie als Bedingungen a priori der Möglichkeit der Erfahrungen erkant werden müssen (es sey der Anschauung, die in ihr angetroffen wird, oder des Denkens). Begriffe, die den obiectiven Grund der Möglichkeit der Erfahrung abgeben, sind eben darum nothwendig. Die Entwickelung der Erfahrung aber, worinn sie angetroffen werden, ist nicht ihre Deduction, (sondern Illustration) weil sie dabey doch nur[WS 1] zufällig seyn würden. Ohne diese ursprüngliche Beziehung auf mögliche Erfahrung, in welcher alle Gegenstände der Erkentniß vorkommen, würde die Beziehung derselben auf irgend ein Obiect gar nicht begriffen werden können.
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 Es sind aber drey ursprüngliche Quellen, (Fähigkeiten oder Vermögen der Seele) die die Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung enthalten, und selbst aus keinem andern Vermögen des Gemüths abgeleitet werden können, nemlich, Sinn, Einbildungskraft[WS 2], und Apperception. Darauf gründet sich 1) die Synopsis des Mannigfaltigen a priori durch den Sinn; 2) die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft: endlich 3) die Einheit dieser Synthesis durch ursprüngliche Apperception. Alle diese Vermögen haben, ausser dem empirischen Gebrauch, noch einen transsc., der lediglich auf die Form geht, und a priori möglich ist. Von diesem haben wir in Ansehung der Sinne oben im ersten Theile| geredet, die zwey andre aber wollen wir ietzt ihrer Natur nach einzusehen trachten.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: sur
  2. Vorlage: Einbildungskraf
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