Zum Inhalt springen

Cronosolon

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Lukian von Samosata
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Cronosolon
Untertitel:
aus: Lucian’s Werke, übersetzt von August Friedrich Pauly, Dreizehntes Bändchen, Seite 1666–1672
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1831
Verlag: J. B. Metzler
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: August Friedrich Pauly
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[1666]
Cronosolon.

10. Also spricht Cronosolon, Priester und Prophet des Saturnus [Cronos] und Gesetzgeber für die Saturnalien:

Was die ärmeren Leute in Beziehung auf dieses Fest zu beobachten haben, habe ich in eine besondere Schrift gebracht und denselben zugehen lassen; und ich versehe mich zu ihnen, daß sie sich den ihnen gegebenen Verordnungen um so mehr fügen werden, als im Weigerungsfalle die schweren auf den Ungehorsam gesetzten Strafen unausbleiblich gegen sie in [1667] Anwendung gebracht würden. Aber auch an euch ist es, ihr Reichen, ernstlich darauf zu sehen, daß ihr euch nichts Gesetzwidriges zu Schulden kommen lasset und keine der hiernächst folgenden Vorschriften verabsäumet. Wofern aber Einer nicht darnach handeln würde, der wisse, daß er nicht blos gegen mich, den Gesetzgeber, sondern gegen Saturn selbst die Achtung aus den Augen gesetzt hätte. Denn Saturn, der mir unlängst, nicht etwa blos im Traume, sondern leibhaft, während ich wachte, erschienen, hat mich zum Gesetzgeber für sein Fest verordnet. Saturn ist aber keineswegs ein mit Ketten beladener, eingeschrumpfter Alter, wie ihn die Maler nach den Vorstellungen faselnder Dichter abzubilden pflegen. Eine Sichel, und zwar eine scharf geschliffene, trug er allerdings in der Hand: allein sein ganzes übriges Aussehen war heiter und kräftig, seine Tracht und Haltung königlich. In dieser Gestalt erschien er mir, und offenbarte mir seine göttliche Weisheit, die auch euch kund zu thun sich gebührt.

11. Er bemerkte nämlich, wie ich verdrießlich und in mich gekehrt meines Weges ging, und errieth, wie natürlich als Gott, sogleich die Ursache meiner übeln Laune, nämlich meine Armuth, und daß ich trotz dieser Jahreszeit nur einen einzigen Rock im Vermögen hatte. Wir hatten eben Nordwind, und Eis und Schnee in Menge, und ich war dagegen nicht im Geringsten verwahrt. Die Feiertage rückten heran, ich sah, wie Alles Zurüstungen machte zu Opfern und Schmausereien, während ich selbst doch nicht so ganz in festlicher Verfassung war. Da näherte sich Saturn hinter meinem Rücken, zupfte und schüttelte mich bei’m Ohre, und sagte: „Warum so verdrießlich, Cronosolon?“ „Warum sollte ich nicht, o Herr!“ versetzte ich, „wenn ich sehen muß, wie die abscheulichsten und gottlosesten Menschen Geld im Ueberflusse haben, und in Genüssen schwelgen, ich dagegen und eine Menge anderer rechtschaffener und kenntnißreicher Leute aus Mangel, Noth und Sorgen nie herauskommen? Und auch Du, Herr, hast keine Lust, diesem Zustande ein Ende zu [1668] machen und vollkommene Gleichheit in der Welt herzustellen?“ Seine Antwort aber war: „Es geht nicht wohl an, Dasjenige zu ändern, Was euch Clotho und die übrigen Parzen auferlegten. So viel aber mein Fest angeht, werde ich eurer Dürftigkeit abhelfen, und zwar auf folgende Weise. Geh, Cronosolon, und verfasse Gesetze darüber, wie man’s treiben soll an meinem Feste, damit nicht die Reichen es nur für sich feiern, sondern auch euch an ihren Herrlichkeiten Theil nehmen lassen.“

12. „Aber ich weiß nicht“ – „Sey unbesorgt, fiel er ein, ich will dir Alles sagen, Was du zu thun hast.“ Und nun fing er an, mir eine vollständige Anweisung zu geben, an deren Schluß er hinzusetzte: „Und sage ihnen, wenn sie sich nicht nach diesen Vorschriften richten, so werde ich ihnen zeigen, daß ich diese scharfe Sichel nicht vergeblich führe. Ich müßte mich wahrlich auslachen lassen, wenn ich, der seinen Vater Uranus kastrirte, nicht auch die reichen Herrchen, die sich nicht fügen wollen, verschnitte und eben so armselige Hämlinge aus ihnen machte, als die Gallen sind, die unter Trommeln und Pfeifen Allmosen für die Göttermutter betteln!“ Dieß war seine Drohung. Es dürfte euch also nicht gerathen seyn, seine Gesetze übertreten zu wollen.

Die Gesetze der Saturnalien.
Erstes Hauptstück.

13. Niemand solle während der Festesfeier ein öffentliches oder Privat-Geschäft oder irgend etwas Anderes betreiben, als was zu Scherz, Wohlleben und Gemüthsergötzung dient. Nur die Köche und die Pastetenbäcker sollen in diesen Tagen in Arbeit seyn.

Knechte und Freie, Arme und Reiche seyen gleichgeachtet.

Sich zu erzürnen, zu zanken oder zu drohen ist Keinem erlaubt. Auch darf während der Dauer der Saturnalien von keinem Verwalter Rechenschaft abgefordert werden.

[1669] Keiner untersuche seinen Besitzstand in Baarem, an Silbergeschirr oder an Kleidungsstücken. Nicht minder ist alles Schreiben, alles Turnen, alles Ausarbeiten und Vortragen von Reden verboten, es wären denn witzige und scherzhafte, die nur Unterhaltung und Belustigung beabsichtigen.

Zweites Hauptstück.

14. Geraume Zeit vor dem Feste haben die Reichen den Namen Jedes ihrer Freunde in eine Tabelle einzutragen, sodann ungefähr den zehenten Theil ihrer jährlichen Einkünfte an baarem Geld, alle ihnen entbehrlichen Kleidungsstücke, dasjenige Hausgeräthe, was für sie nicht zierlich und modisch genug ist, und eine ansehnliche Zahl silberner Geschirre auszusondern und in Bereitschaft zu halten.

Am Tage vor dem Fest soll ein Reinigungsopfer durchs Haus getragen und dadurch alle Knickerei, aller Geldhunger und alle Gewinnsucht und alle Uebel dieser Art, die sich bei den Meisten von ihnen eingenistet haben, aus demselben verbannt werden. Nach vorgenommener Reinigung des Hauses ist sofort dem reichthumgebenden Jupiter, Mercur dem Schenker, und Apoll dem Vielspendenden ein Opfer darzubringen. Wenn hierauf der Abend eingetreten, haben sie sich jenes Verzeichniß ihrer Freunde vorlesen zu lassen.

15. Die Vertheilung haben sie persönlich und mit Berücksichtigung jedes Einzelnen vorzunehmen, und die Geschenke noch vor Einbruch der Nacht ihren Freunden zu überschicken.

Zu Ueberbringern sollen sie die älteren und zuverlässigsten ihrer Diener, und zwar nicht über drei oder vier, auswählen.

Damit von beiden Seiten kein Argwohn gegen die Ueberbringer entstehe, so soll in ein besonderes Register aufgezeichnet werden, Was und wie viel einem Jeden zugeschickt worden.

[1670] Die austragenden Diener bekommen Jeder einen Becher Wein, und haben sich darauf wieder zu entfernen, ohne etwas Weiteres zu verlangen.

Die Gelehrten erhalten verdientermaßen von Allem das Doppelte.

Was man bei Ueberbringung des Geschenkes sagen läßt, sey so bescheiden und bündig als möglich, und enthalte durchaus nichts Unzartes gegen den Empfänger oder gar ein Lob des Ueberschickten.

Der Reiche enthalte sich, einem andern Reichen Etwas zu übersenden; und eben so wenig soll er während der Saturnalien einen Seinesgleichen zu Gaste bitten.

Von allem Dem, was zum Verschicken bestimmt worden, soll Nichts zurückbehalten werden: auch hat man sich keine Reue wegen irgend eines Geschenkes beikommen zu lassen.

Wer im vorigen Jahre auf Reisen gewesen, und deßwegen leer ausgegangen war, soll das ihm zugedacht gewesene nachträglich erhalten.

Sollte einer oder der andere der ärmeren Freunde seine Hausmiethe oder andere Schulden zu bezahlen nicht im Stande seyn, so ist der Reiche gehalten, solche für ihn zu übernehmen.

Ueberhaupt soll Dieser es sich angelegen seyn lassen, bei Zeiten zu erfahren, was seine Freunde am Nöthigsten bedürfen.

16. Hinwiederum haben sich die Empfänger aller Unzufriedenheit und Begehrlichkeit zu enthalten, und das Ueberschickte, Was es auch seyn mag, hoch aufzunehmen. Ein bloßer Krug Wein jedoch, ein Hase oder ein fettes Huhn soll für kein Saturnalisches Geschenk gelten, noch soll man sich beigehen lassen, die Saturnalischen Angebinde als nichtiges Possenspiel zu behandeln.

Als Gegengeschenk überschicke der Arme, wenn er ein Gelehrter ist, dem Reichen entweder ein Buch von einem älteren Verfasser, aber wohlgemerkt, sachgemäßen, lustigen Inhalts, oder eine Schrift von seiner eigenen Hand, wie er sie eben liefern kann, und der Reiche empfange dieselbe mit [1671] freundlicher Miene und lese sie unverweilt. Legt er sie aber, oder wirft er sie gar bei Seite, so weiß er, was ich gedroht, und daß er meiner Sichel verfallen ist, auch wenn er sonst seine Schuldigkeit gegen Jenen beobachtet hat. Die Uebrigen mögen einige Kränze oder etliche Körner Weihrauch schicken.

Wofern aber ein armer Mann sich über Vermögen angriffe, und einem Reichen ein kostbares Kleid, ein silbernes oder goldenes Geschirr zuschickte, so soll ein solches Geschenk von Staatswegen eingezogen, verkauft und der Erlös in die Schatzkammer des Saturn abgeliefert werden. Dem Armen aber hat der Reiche am folgenden Tage Steckenhiebe auf die Hände zu versetzen, und zwar nicht weniger denn zweihundert und fünfzig.

Tafel und Trinkgesetze.

17. Wenn der Schatten des Sonnenzeigers sechs Fuß mißt, begibt man sich ins Bad. Vor demselben wird gewürfelt und um Nüsse gespielt.

Bei Tische läßt sich Jeder nieder, wo es sich eben trifft. Rang, Geburt, Reichthum geben hier kein Vorrecht.

Alle trinken von demselben Weine, und es soll nicht gestattet seyn, daß ein Reicher Magenschwäche oder Kopfschmerz vorschütze, um deßwegen allein einen bessern Wein zu trinken.

Das Fleisch wird an Alle zu gleichen Theilen vertheilt, und es ist den Aufwärtern nicht erlaubt, den Einen vor dem Andern zu begünstigen; bei dem Einen sich zu verweilen und einen Andern zu übergehen, sondern sie sollen Jeden der Gäste nach Belieben sich versehen lassen. Auch darf nicht Diesem ein großes, Jenem ein unverhältnißmäßig kleines Stück, Diesem z. B. der Schenkel, Jenem blos der Backenknochen von einem Schweine vorgelegt werden, sondern es soll durchgängige Gleichheit herrschen.

18. Der Mundschenk hat scharf wie ein Hochwächter auf jeden Gast, weniger auf den Herrn des Hauses, zu sehen, [1672] und noch schärfer aufzuhorchen. Trinkbecher müssen von jeder Größe zur Hand seyn.

Beliebige Gesundheiten auszubringen, ist Jeglichem gestattet. Eben so darf Jedem ohne Unterschied zugetrunken werden, auch ehe der Herr den Anfang damit gemacht hat. Einen Gast zum Trinken zu zwingen, wenn er nicht weiter kann, ist nicht erlaubt.

Einen Tänzer oder Citherspieler, der noch Lehrling ist, darf man nicht zum Gastmahl bringen.

Neckereien sind gestattet, so weit sie nicht beleidigen.

Mit Würfeln werde nur um Nüsse gespielt. Wer um Geld würfelt, bekommt den folgenden Tag Nichts zu essen.

Bleiben und gehen kann Jeder nach Belieben.

Wenn ein reicher Mann seine Dienerschaft tractirt[WS 1], so sollen ihm seine Freunde bei der Aufwartung behülflich seyn.

Vorstehende Gesetze hat jeder Reiche auf eine eherne Säule schreiben und in Mitten seines Hofes aufstellen zu lassen, und fleißig zu lesen. Und er soll wissen, daß, so lange diese Säule stehen bleibt, weder Hunger noch Seuche, noch Feuer, noch ein anderes Ungemach sein Haus heimsuchen wird. Sollte aber – was ferne sey! – dieselbe jemals zerstört werden, so möge der Himmel ihm gnädig seyn!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. hier = bewirtet