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Danzig (Meyer’s Universum)

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CCLXXX. Darmstadt, Hauptstadt des Großherzogthums Hessen Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLXXXI. Danzig
CCLXXXII. Der Cölner Dom
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DANZIG

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CCLXXXI. Danzig.




Schon ehe die deutschen Städte sich zum Bund der Hansa vereinigten, war Danzig eine bedeutende Handelsstadt; es war die Kornkammer des Nordens und schloß mit den polnischen und litthauischen Fürsten und mit dem mächtigen Novogorod Verträge und Bündnisse ab. Im Jahre 1241 trat die Hansa zu gemeinsamem Schutz gegen die Ritter und Fürsten des Raubs und der Wegelagerei in’s Leben. Danzig wurde eins ihrer ersten und thätigsten Glieder.

Nachdem die Hansa fast drei Jahrhunderte geblüht hatte, unterlag auch sie dem ewigen Wechsel der menschlichen Dinge.

Der Handel überhaupt fing an andere Canäle aufzusuchen, als jene, in welche die Hansa ihn zu ihrem Vortheil geleitet hatte. Dazu gesellte sich Uneinigkeit unter den Bundesgliedern selbst. Der Verein verlor mit seiner Macht zugleich sein Ansehen. So stürzten allmählich die Grundpfeiler seiner Größe nieder und das Band, welches ihn zusammengehalten hatte, löste sich von selbst. Jede Stadt strebte aus den Trümmern für sich so viel zu retten als nur möglich; auch Danzig that dies, das, nebst Lübeck, sich vermöge seiner Lage von dem Handel mit den Ostseeländern, besonders mit Polen, das meiste zueignen konnte. Bisher hatte sich Danzig an die Macht der Deutschherren gelehnt, welche ebenfalls Glieder der Hansa gewesen waren. Jetzt wog die Verbindung mit Polen über. 1454 erklärte sich Danzig unabhängig vom Deutschen Orden und zu einem integrirenden Theil der Republik Polen, unter Vorbehalt großer Freiheiten, die ihm fast völlige Selbstständigkeit sicherten. Die Stadt hatte und behielt ihr eigenes Gesetzbuch, welches die Danziger Willkühr hieß. Ein Glied des Stadtraths, welches wechselte und Burggraf genannt wurde, repräsentirte die Suzeränität des polnischen Königs; eine Repräsentation ohne Attribute wirklicher Macht. Die Stadt schlug ihre eigenen Münzen, hielt in Warschau einen beständigen Residenten und gab bei den Reichstagen und Königswahlen ihre Stimme durch Abgeordnete.

Mit Polens Größe schwand auch die Danzig’s. Die erste Theilung Polen’s umschloß es mit preußischem Gebiet; Weichsel und Fahrwasser waren in Preußens Gewalt und schwere Zölle und lästige Fesseln drückten den Handel der polnischen Stadt. Von Jahr zu Jahr sank die zum Theil auswandernde Bevölkerung. Am Vorabend der dritten polnischen Theilung erklärte Polens König dem um Hülfe gegen preußische Bedrückung flehenden Danzig, er könne nichts thun und überlasse den Ort seinem Schicksal. Am 28. Mai 1793 besetzten die Preußen die Außenwerke, und nach kurzem Kampfe mit den zu den Waffen greifenden Bürgern machten sie sich zum Meister der [128] Stadt. So endigte die Freiheit Danzig’s nach 700jähriger Dauer. Für den Verlust derselben gewann die Stadt unter Preußens Herrschaft ein neues Handelsgebiet und auch das enge Bündniß seines Herrn mit England, dem meerbeherrschenden, führte dem Ostseehandel große Vortheile zu, die der Fleiß und Unternehmungsgeist der Danziger emsig und klug benutzten. Bevölkerung und Wohlstand wuchsen von neuem und rasch, und Alles verkündigte die Wiederkehr alter Größe und die Wiedererlangung seines ehemaligen Ranges als erster Handelsplatz der Ostsee. Da trat der unglückliche Kampf Preußens mit Napoleon ein, und mit dem Doppelschlage bei Jena und Auerstädt, der die Monarchie zertrümmerte, war auch Danzig’s Glück erschlagen. Am 7. März 1807 erschien ein französisches Heer unter Marschall Lefebre vor den Außenwerken der Stadt, und nach einer fast dreimonatlichen heldenmüthigen Vertheidigung unterm Grafen von Kalkreuth hielten die Franzosen siegreichen Einzug. Ihre Bomben hatten 600 Häuser zerstört, eine Menge Bürger getödtet; eine Contribution von 20 Millionen Franken gab dem städtischen Wohlstand tödtliche Wunden. Der Tilsiter Friede dekorirte Danzig mit dem Titel einer freien Stadt; aber in der That war’s nur eine Verlängerung des französischen Jochs. Danzig blieb französischer Waffenplatz, erhielt franz. Gesetzgebung und behielt franz. Besatzung bis zum Ausbruch des russischen Kriegs. Nach dessen weltkundigem Ausgang (1812) warf Napoleon die Hälfte von dem Ueberreste seines Heers (30,000 Mann) nach Danzig, dessen Vertheidigung gegen das Belagerungscorps der Alliirten General Rapp mit Ruhm und eiserner Beharrlichkeit ein Jahr lang fortsetzte. Während dieser langen Zeit war Danzigs Bevölkerung unbeschreiblichem Elende preisgegeben, Seuchen und Hungersnoth rafften Viele weg und bei der gänzlichen Stockung allen Erwerbs trat allgemeine Verarmung ein. 400 Häuser hatte das Bombardement zerstört. Von so lange andauernden Drangsalen und wiederholten und großen Unglücksfällen hat sich das ehrwürdige Danzig nicht erholen können, und auch die neuesten Verhältnisse, der Ruin des polnischen Wohlstandes durch die Revolution und die gänzliche Absperrung der polnischen Grenze gegen Preußen, wodurch Danzig die natürlichen Quellen seines Verkehrs und Erwerbs entzogen worden, sind nicht geeignet, seine Lage zu verbessern. In dieser Beziehung theilt es eine schwere Zeit mit andern preußischen Ostseehäfen, befonders mit Elbing und Königsberg, deren Handel ebenfalls nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe ist, während die Nachbarhäfen in Rußland von Jahr zu Jahr mehr emporblühen. Nur für den Getreidehandel ist Danzig noch ein Markt ersten Ranges in Europa, und in den nicht häufigen, und nur kurzen Perioden, wo er blüht, frischt sich das lebensvolle Bild der Vergangenheit auf. Danzig hat gegenwärtig, einschließlich der Garnison, 60,000 Einwohner und 5400 Häuser.

Unser meisterhafter Stahlstich gibt ein treues und charakteristisches Bild von dem Innern dieser alterthümlichen Stadt.