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Das Amphitheater zu Segovia in Spanien

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCLXVII. Schleissheim Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCLXVIII. Das Amphitheater zu Segovia in Spanien
CCCLXIX. Der Augustusbogen bei Aosta in Piemont
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SEGOVIA IN SPANIEN

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CCCLXVIII. Das Amphitheater zu Segovia in Spanien.




Im römischen Weltreiche hat außerhalb Rom kein Primat bestanden. Jedes Glied an der Völkerkette mußte nothwendig alle Geltung in dem ersten Ringe suchen – dort, wo die ganze Gliederreihe aus erster Ursache, die allein Rom war, sich entwickelte. Darum hatten auch alle Provinzen an den Einflüssen und Wirkungen römischer Herrschaft gleichen Antheil.

Spanien, gesichert durch seine Lage, und den Heerstraßen des Krieges fern, genoß, als römische Provinz, eine lange Periode des Gedeihens, des Friedens und der Ruhe. Drei hundert Jahre hat dort die Blüthenzeit der Herrschaft Roms gedauert. Ueber tausend reiche Städte prangten am Stocke des Landes, und ihre Namen und Denkmäler reden von jener Zeit zur Gegenwart.

In dieser Epoche waren es besonders drei Städte der iberischen Halbinsel, in welchen sich der Glanz der weltherrschenden Roma widerspiegelte: Tarragona, volkreicher und größer als irgend eine Stadt der heutigen Welt, mit 2 Millionen Einwohner; Merida, das 90,000 bewaffnete Bürger aufstellen konnte, und Saragossa. Auch Segovia, dessen Gründung die Chronisten dem Herkules zuschreiben, war damals groß und reich. Seine prachtvollen Gebäude stiegen auf den Terrassen eines Bergs empor, und die Spitze desselben krönte die Zwingburg, das Castrum.

Segovia ist jetzt arm, entvölkert und eilt seinem Verfalle zu; aber zwei Werke geben Zeugniß von dem, was es gewesen: der Aquädukt, welcher der Stadt das Trinkwasser zuführt und im 5ten Bande dieses Werkes beschrieben wurde, und das Amphitheater. Letzteres ist ein Rundbau und wohl erhalten. Es wurden in demselben bis auf neuere Zeit die Stiergefechte gehalten, in welchen die blutigen Circenses der Römer fortleben.

Jetzt brandmarkt die öffentliche Meinung auch die Stiergefechte als grausam und sie hören allmählich auf; aber anderthalb Jahrtausende gehörten dazu, diesen Wechsel der Begriffe zu bewirken. Tiefer als irgendwo im Römerreiche hatte in Spanien der Sinn für die Spiele der Arena gewurzelt, welche unter Tiber, Nero, Caligula den höchsten Gipfel der Scheußlichkeit erreicht hatten. Gladiatorenkämpfe waren damals so allgemein in Spanien, wie in Rom selbst. Die schönsten, kräftigsten Männer und Jünglinge, welche die auswärtigen [116] Kriege als Gefangene lieferten, wurden, nach Abzug dessen, was Italien zum Schlachten im Circus brauchte, in die Provinzen vertheilt, und wenn die Fehden mit den Barbaren nicht ein hinlängliches Contingent hergaben, so öffnete man die Gefängnisse und ließ die Verbrecher sich würgen. Erst am Abend des römischen Tages, als, durch Constantin, das Christenthum zur Staatsreligion sich erhob und es die Barmherzigkeit in die Welt zurück führte, lange nacher, als in Rom selbst die Arenen geschlossen waren – hörte das Spiel des Menschenwürgens in Spanien auf. An seine Stelle, – denn der verwilderte Sinn des Volks forderte Ersatz – traten die Stiergefechte, und dem Umstande, daß die Amphitheater die Bühnen des neuen Schauspiels blieben, ist auch die lange Erhaltung mehrer dieser Monumente in Spanien zu danken.