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Das Brennen der Epileptischen

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Textdaten
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Titel: Das Brennen der Epileptischen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 427
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[428] Das Brennen der Epileptischen. In der humoristischen Novelle „Amicitia“, welche die „Gartenlaube" vor kurzem gebracht hat, klagt einer der Schuljungen, daß ihn seine Kameraden „per Brennglas verwundet haben.“ Dieser Tertianerstreich bringt uns eine Verwendung des Brennglases zu Heilzwecken in Erinnerung, welche wenig bekannt ist und einen großen Theil unserer Leser interessiren dürfte.

Das Brennen mit glühendem Eisen war seit uralten Zeiten in der Medizin eingebürgert und auch heute wird die galvanokaustische (durch den elektrischen Strom glühend gemachte) Schlinge bei einer großen Reihe chirurgischer Operationen mit Vortheil angewandt. Die humane Richtung der neueren Medizin hat das Feuer als Heilmittel längst aller Schrecken entkleidet, in früheren Zeilen aber wurde mit dem Brenneisen mancher Mißbrauch getrieben, und als eine solche Verirrung muß auch das Brennen der Nervenkranken, namentlich der Epileptischen bezeichnet werden. Nur in den seltensten Fällen wurde dieses Mittel richtig und mit Erfolg angewandt, wie z. B. von dem berühmten Arzt H. Boerhave. Dieser beseitigte bekanntlich eine unter den Kindern einer Armenanstalt in Harlem überhand nehmende, durch psychische Ansteckung verbreitete Epilepsie dadurch, daß er Gluthpfannen und Brenneisen ins Zimmer setzen ließ und den Kindern mit der Anwendung des Glüheisens drohte.

Mitunter wurde in Deutschland das Brenneisen durch das Brillen- oder Brennglas ersetzt. Wir verdanken diese Nachricht Dr. M. Höfler in Tölz, der sie in seinem verdienstlichen Werke „Volksmedizin und Aberglaube in Oberbayerns Gegenwart und Vergangenheit“ mittheilt. Durch eine Urkunde aus dem Jahre 1452 wird den Mönchen von Tegernsee die Anwendung des „Brillglases“ zum Brennen der Epileptischen gestattet, wobei den Kranken eingeschärft werden sollte, daß die Heilung nicht durch ein Wunder, sondern die „natürliche Eigenschaft“ des Brillglases erfolge.

Es ist möglich, daß die Mönche von Tegernsee mit diesem neuen Mittel Heilerfolge erzielten, aber die Einschränkung der Urkunde giebt uns den Fingerzeig, welche Kraft hier als eine heilende zu betrachten ist. Die Kinder der Armenanstalt in Harlem wurden ohne Zweifel infolge des Schreckens gesund und die Patienten von Tegernsee durch ihren Glauben geheilt.

„Vielleicht,“ fügt Dr. Höfler hinzu, „hatte auch das Tragen und Beschauen des glänzenden Beryllsteines eine hypnotisirende, die epileptischen Anfälle hindernde Wirkung.“