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Das Collegium Medicum

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Das Haus der Gemeinen zu Robert Walpole’s Zeiten W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Das Collegium Medicum
Der Jahrmarkt von Southwark
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Das Collegium Medicum.
Oder:
Das Wappen der Begräbnißunternehmer.
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DAS COLLEGIUM MEDICUM.
CONSULTATION OF PHYSICIANS.

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Das Collegium Medicum.
Oder:
Das Wappen der Begräbnißunternehmer.
(The Consultation of Physicians, or the Untertakers’ arms.)



Die Begräbnißunternehmer (Untertakers) betreiben bekanntlich in England gewissermaßen ein Handelsgeschäft, eine Art Speculation, indem sie Leichenbegängnisse mit allen Unkosten und allen Erfordernissen, die der Anstand erheischt, für eine gewisse Summe besorgen. Fehlt es dieser ehrenwerthen Profession an Geschäften, so beruht natürlich ihre Hoffnung auf der gelehrten Facultät der Aerzte, und somit hat Hogarth, um ihr Wappen zu entwerfen, eine Consultation der Schüler Galen’s in logisch-richtiger Schlußfolge erwählt. Kurzum, er hat den alten Spott über die Medicin wiederholt, über welchen jedoch die Doctoren der Facultät in der Regel selbst zu lächeln pflegen, weil auch sie die alte Erfahrung sehr wohl kennen, welche Byron folgendermaßen ausdrückt:

Es läßt der Arzt uns leben oder sterben;
Secundum artem. Ja, wenn wir gesund,
So spotten wir; doch wird den Spaß verderben
Die Krankheit; nimmer lacht dann unser Mund.

[782]

Hiatus maxime deflendus! Erben,
Die Schaufel und der Karst, des Grabes Schlund!
Dann flehn wir, um nicht auf dem Styx zu schiffen.
Zum Arzt, ob dieser noch so ungeschliffen.

This ist the way physicians mend or end us
Secundum artem, but although we sneer
In health – when ill, we call them for attend us
Without the least propensity to jeer;
While that, „hiatus maxime deflendus“
To be fill ’d up with spade or mattock’s near,
Instead of gliding graciously down Lethe,
We tease mild Baillis or soft Abernethy.
[1]

Bei Gelegenheit dieses Blattes hat übrigens Hogarth auch über die Heraldik gespottet. Er fügte nämlich eine kurze Erklärung mit allem Kauderwälsch der Heraldiker hinzu, die überall, in Deutschland, Frankreich, England, Spanien u. s. w. darin sich gleich bleiben, daß sie ihre nichtssagende und für historische Wissenschaft unbrauchbare Kenntniß mit Phrasen und Ausdrücken ausschmücken, welche darauf berechnet sind, das Staunen des unwissenden Pöbels aus jedem Stande zu erregen und das Erfolglose ihrer eigenen Darstellung zu verdecken. Die Uebersetzung jener beigefügten Bemerkung von Hogarth wäre überflüssig, weil sie in Deutschland von Niemanden mehr verstanden würde. Wie sehr auch der Einzelne auf sein Wappen halten mag, so ist man doch allgemein zur Erkenntniß gekommen, das Studium der Wappenkunde sei allein eine bloße Spielerei und habe nur zu einer Zeit als ernstlich betrachtet werden können, worin man von der eigentlichen historischen Anschauung und den dazu erforderten Studien keinen Begriff hatte. – Zu bemerken ist hier allein, daß die Hauptsache des Wappens wegen der Stellung in den Feldern das Uringlas bildet, daß die Wolken (nebulae), welche in der Heraldik einen ausgezeichneten Stand oder eine ausgezeichnete Persönlichkeit andeuten, hier durch mächtige Perrücken wiedergegeben sind, und daß endlich über dem Schilde die würdigste Figur nach der Wappenkunde in einem Harlekin besteht; letzteres ebensowohl ein Spott über die gelehrte Facultät, wie über Heraldiker.

Die Aerzte sind mit dem Zubehör des Standes in jenen Zeiten gehörig ausgestattet, dem langen Spazierrohr und der gewaltigen Perrücke, welche denselben ein außerordentlich gravitätisches Aeußere ertheilten. Die wichtige Miene kommt noch hinzu, welche der Facultät zu allen [783] Zeiten eigenthümlich war. Vor allen ist unter den Köpfen des Schildes einer rechts bemerkbar, mit einer Perrücke, die einer Thränenweide gleicht und mit einem Gesicht, welches das Blut seiner Patienten erstarren muß. – Die Consultation betrifft die Beschaffenheit des Urins von einem Patienten, welcher reich genug sein muß, um einen jeden der hier versammelten Doctoren mit dem in England für eine Consultation gewöhnlichen Preise einer Guinea zu bezahlen. Daher der außerordentliche Ernst, womit die Berathung statt findet. Während einige den Inhalt des Gefäßes mit ihren Brillen betrachten, besitzt einer sogar die Aufopferung, denselben mit der Zunge zu prüfen. Der Finger steckt zum zweiten Male in der Flüssigkeit und der Arzt prüft den ersten Versuch mit einer Miene, welche einem Gourmand vollkommene Ehre machen würde. – Uebrigens gibt es auch unter den Doctoren verschiedene arme Schlucker, denen die Guinea als besondere Wohlthat zu Gute kommen wird. Diese kauen an den Knöpfen ihrer Spazierröhre. So bald Engländer nämlich Jemanden erblicken, der dieses einem Gentleman unanständige Manöver ausführt, lautet die gewöhnliche Bemerkung: The poor fellow has got no dinner (der arme Kerl hat kein Mittagessen gehabt).

Alle Köpfe waren Porträts aus Hogarth’s Zeit. Als Trusler, Ireland und Nichols ihre Commentare verfaßten, waren jedoch die meisten Doctoren bereits ihren Patienten dorthin gefolgt, wo diese ihrer Recepte nicht mehr bedurften. Nur einige Namen sind aufbewahrt worden, hauptsächlich die der drei Figuren über dem Schilde. Die eine, mit dem Auge am Spazierstock, ist die eines Augenarztes Taylor, welcher es verstand, durch Aufschneiderei dem damaligen John Bull Sand in die Augen zu streuen. Die Kunden, die er sich erwarb, waren nämlich durch Charlataneriemittel herbeigelockt, wie sie die gelehrte Facultät häufig nicht verschmäht. Er war viel gereist und hatte eine Erzählung über seine Abenteuer in fremden Ländern geschrieben, welche denen des auch in England sehr bekannten Baron Münchhausen in mannigfacher Weise ähnlich waren. – Die mittlere Figur in der Hanswurstjacke ist die eines Mannweibes, einer Einrenkerin verstauchter Glieder, welche manche erfolgreiche Wunderkur durch die Kraft ihrer Arme und Fäuste bewirkte. Ihr Name war Mrs. Mapp, und sie pflegte in England von einem Orte zum andern zu reisen, wo sie ohnedem durch ihre bedeutende Muskelkraft das Publikum herbeilockte. – Die dritte ist aber ein Arzt von Verdienst, welcher somit nicht in die Nähe der beiden andern gestellt sein sollte. Er war ein Dr. Ward, ein Mann aus angesehener Familie, 1717 in’s Parlament gewählt, allein nach Untersuchung seiner Wahl [784] vor dem Ausschuß zurückgewiesen, worauf er in’s Ausland ging und dort Medicin studirte. Als er nach seiner Rückkehr nach London dort practiciren wollte, hatte er, wie alle Leute, die den gewöhnlichen Weg von Mitgliedern einer Körperschaft nicht gemacht haben, das ganze dortige Collegium der Aerzte gegen sich. Witz, Gelehrsamkeit, Bosheit und Eifersucht verfolgten ihn in jedem seiner Schritte, und Hogarth, der die Liebe John Bull’s zur Klatscherei theilte, ist auch hier dem großen Haufen, wie in so manchen andern Dingen, gefolgt. Allein Dr. Ward brach sich eine Bahn. Mehrere glückliche Kuren und zuletzt sein Recht, da das Gesetz den Aerzten in England keine bestimmte Form hinsichtlich ihrer Bildung vorschreibt, stimmten nach einigen Jahren die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten, und dies ging so weit, daß zuletzt das Parlament für ihn gegen das Collegium der Londoner Aerzte einschreiten zu müssen glaubte. Er wurde sogar von Georg II. bei einer Krankheit als einziger Arzt angenommen, und hatte das Glück, den König zu heilen. Gegen Ende seines Lebens war er außerordentlich populär; denn er übte seine Kunst ohne Rücksicht auf Honorar und ertheilte den Armen seinen Rath umsonst, ohne irgendwie die Reichen zu bevorzugen. Bei seinem Tode, 1761, fand eine öffentliche Demonstration der Volkstrauer statt.

Von den Köpfen im Schilde werden nur zwei Porträts von damals bekannten Aerzten genannt, der Kopf des Dr. Price Dodd, dem Arzte des Bartholomewhospitals und des Dr. Bamber, eines auch sonst noch bekannten Anatomen und Geburtshelfers. Man kann sie jedoch aus den Zwölfen nicht mehr herausfinden.

Von den übrigen Zuthaten sind die kreuzweise gelegten Knochen unter dem Schilde, die nothwendige Unterlage des Todtenkopfes als memento mori, leicht erklärlich; über dem Schilde zeigt auch der Hermelin eine etwas ominöse Form; die einzelnen Haarbüschel gleichen oben den Kreuzen, die man auf Gräber zu setzen pflegt.




  1. Den Kennern des Englischen ist hier zu erwähnen, daß beide hier genannten Aerzte sowohl wegen ihrer Kunst, als auch wegen ihrer Grobheit zu des Dichters Zeiten berühmt waren.