Das Geheimniß der alten Mamsell (Die Gartenlaube 1868/13)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Fr.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Geheimniß der alten Mamsell
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 208
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1868
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[208] Das Geheimniß der alten Mamsell. Nachdem von E. Marlitt’sGoldelse“ im Verlaufe von elf Monaten bereits drei starke Auflagen gedruckt werden mußten, ist nunmehr auch „das Geheimniß der alten Mamsell“ in einer besonderen Ausgabe erschienen. Auch über diese Erzählung wird also die Kritik erst ihr Urtheil zu fällen haben, nachdem die Stimme des Publicums bereits gesprochen hat. Nicht mit dem zagenden Schritte des Neulings, sondern als eine begehrte und beliebte Erscheinung tritt sie in die Reihe der selbstständigen Literaturexistenzen. Um die Blicke auf sich zu lenken, um offene Thüren und gute Freunde zu finden, bedarf sie der empfehlenden Fürsprache nicht. Schon während ihres Erscheinens an der Spitze dieses Blattes hat sie weit und breit in einem nicht gewöhnlichen, von Abschnitt zu Abschnitt sich steigernden Maße die Herzen gewonnen und nach ihrer Vollendung einen Eindruck zurückgelassen, den wir bei ruhigster und nüchternster Prüfung als einen durchaus tiefen und nachhaltigen bezeichnen müssen. Und das Interessante an dieser Wirkung ist, daß sich dieselbe nicht etwa einseitig auf die eine oder die andere Classe des Volks beschränkte, daß der Roman nicht blos die gebildeten oder die minder gebildeten Stände angesprochen hat, sondern daß unzweideutige Aeußerungen wärmster Theilnahme und innigsten Verständnisses in wirklich imposanter Masse aus den allerverschiedensten Schichten der Nation, den höchsten wie den bescheidensten Kreisen der Gesellschaft laut geworden sind.

Solche Erfolge, wie sie vor und neben Marlitt auch andere Schriftsteller in den Spalten der Gartenlaube errungen haben, gehören unstreitig zu den freundlichsten Erfahrungen des Redactionslebens, ein Gefühl voller und ganzer Befriedigung aber gewähren sie an und für sich der gewissenhaften Leitung einer Zeitschrift nicht, so lange ihnen nicht die Ueberzeugung zur Seite steht, daß es auch etwas wirklich Gutes und Geschmackvolles, etwas Gesundes und Förderliches gewesen, was in so besonderem Grade den Beifall des Publicums gefunden hat. Ob das „Geheimniß der alten Mamsell“ dieser Forderung entspricht? Wir behaupten es, ja, es gilt uns als ausgemacht, daß der anerkannte Reiz der ganzen Erzählung in der Gediegenheit ihres tieferen Werthes liegt. Wer sie gelesen hat, wird auch bald herausgefunden haben, daß sie trotz ihrer fesselnden und unterhaltenden Eigenschaften nicht einer gedankenlosen Unterhaltungssucht genügen, nicht durch ein Liebäugeln mit ästhetischen und sittlichen Schwächen, mit frivolen und oberflächlichen Neigungen des Zeitgeschmackes die Gunst einer modischen Alltagswelt gewinnen will. Ein charaktervolles Erzeugniß reifen Gesinnungsernstes, fesselt und wirkt sie vor Allem durch den edlen und hohen Ernst intensiver Gemüths- und Gesinnungswärme, von der sie durchströmt, durch den schönen und anmuthreichen Glanz sittlicher Reinheit, von dem sie umstrahlt und durchleuchtet ist. Indem der Leser mit hingebender Spannung und Ergriffenheit der Entwickelung eines dem Leben der Gegenwart entnommenen Familiendramas folgt, indem er der künstlerischen Schönheit der Darstellung und der ebenso lebendigen wie consequenten Durchführung der originalen Charaktere und Situationen sich freut, ist es doch im Grunde nur das sittliche Ringen, der große Ideenkampf unserer Zeit, welcher in dieser poetischen Verkörperung seine Aufmerksamkeit beschäftigt, der Kampf der Freiheit und Humanität gegen Knechtschaft und Unmenschlichkeit, der Streit der wahren Bildung wider lackirte und übertünchte Rohheit, der jubelnde Sieg des Lichtes über finstere und verhärtende Vorurtheile. Mag die scharfe Sonde kritischer Untersuchung immerhin an diesem Roman auch kleine Mangel entdecken: daß ein in so edlem Tone gehaltenes Werk mit solchem Inhalt und solcher Tendenz einen so großen und dankbaren Leserkreis zu gewinnen vermag, ist jedenfalls ein günstiges Zeugniß, nicht blos für das Darstellungstalent der bescheidenen Verfasserin, sondern auch für die Geschmacks- und Sinnesrichtung unseres heutigen Publicums. Man sieht, eine lebhafte Empfänglichkeit für wahrhaft Edles und Schönes ist reichlich vorhanden. Wo sie nicht geweckt und entfaltet ist, da hat auch sicher noch nicht der rechte Geist das rechte Wort gesprochen. – Ohne Zweifel dürfen wir auch dieser Separatausgabe rasch eine zweite Auflage prophezeien.

Eine neue Erzählung von Marlitt, welche mit dem Beginne des Frühlings in der Gartenlaube erscheinen sollte, wird nunmehr noch eine kurze Zeit auf sich warten lassen. Wiederholtes Unwohlsein zwingt die Verfasserin für jetzt noch zu einer Schonung ihrer Kräfte.

Fr.