Das Kartenhaus (Gellert)
Das Kind greift nach den bunten Karten;
Ein Haus zu bauen, fällt ihm ein.
Es baut, und kann es kaum erwarten,
Bis dieses Haus wird fertig seyn.
Doch ach! ein ungefährer Stoß
Erschüttert plötzlich das Gebäude,
Und alle Bänder reissen los.
Die Mutter kann im Lomberspielen[1]
Kaum so viel banges Schrecken fühlen,
Als ihr bestürztes Kind itzt fühlt.
Doch wer wird gleich den Muth verlieren?
Das Kind entschließt sich sehnsuchtsvoll,
Das dem zerstörten gleichen soll.
Die Sehnsucht muß den Schmerz besiegen;
Das erste Haus steht wieder da.
Wie lebhaft war des Kinds Vergnügen,
Nun will ich mich wohl besser hüten,
Damit mein Haus nicht mehr zerbricht.
Tisch! ruft das Kind, laß dir gebieten,
Und stehe fest, und wackle nicht!
Das Kind hört auf, sich zu erfreun;
Es wünscht, es wieder neu zu sehen,
Und reißt es bald mit Willen ein.
Schilt nicht den Unbestand der Güter,
Veränderlich sind die Gemüther,
So mußten auch die Dinge seyn.
Bey Gütern, die wir stets geniessen,
Wird das Vergnügen endlich matt;
Wo fänd ein neu Vergnügen Statt?