Das Kind mit der Scheere
Kind, hub die Mutter an, eins mußt du mir versprechen:
Die Messer und die Gabeln stechen;
Drum rühre keins von beiden an.
„Allein die Scheere, sollt ich glauben,
Nichts weniger; was dich verletzen kann,
Sieh niemals als dein Spielwerk an.
Das Kind gehorcht; doch ein geheimer Trieb
Und das Verbot verschönerten die Scheere.
Die hab ich lange nicht so lieb,
So ließ ich sie mit Freuden liegen.
Allein die Scheer ist mein Vergnügen,
Sie hat ein gar zu schönes Band.
So hätte dieß nicht viel zu sagen.
So klein ich bin, so hab ich ja Verstand,
Und also werd ichs immer wagen,
Sobald die Mutter nur die Augen weggewandt.
So wär es ja nicht recht gethan.
Nein, nein, ich sehe dich bloß an;
O schöne Scheere, laß dich küssen!
Ich rühre ja kein Messer an,
Ja, wenn ich unvorsichtig wäre,
Allein ich bin ja schon mit ihr bekannt.
So sprachs, und schnitt sich in die Hand.
Ach, hub das Kind fußfällig an,
Es kränkt mich sehr, daß ichs gethan.
Ich bitte Sie, zerbrechen Sie die Scheere,
Damit ich sie nicht mehr begehre,
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Oft sind wir Menschen dieses Kind.
Versehn mit billigen Gesetzen,
Die göttlich und uns heilsam sind,
Scheut sich das Herz, sie alle zu verletzen.
Die Dinge, die wir wenig schätzen,
Um die zu thun, die uns am liebsten sind.
Die Reue kömmt. Wir sehn, wie sehr wir fehlen;
Dann denken wir, dann beten wir als Kind.
Bewahre mich, o Gott, vor dieser Missethat!
Was heißt es? Wehre mir das Wählen,
Damit mein Herz den Zwang nicht nöthig hat.