Das Kloster bei Eberstein

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Textdaten
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Autor: Alois Wilhelm Schreiber
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Titel: Das Kloster bei Eberstein
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 235–237
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[235]
Das Kloster bei Eberstein.

Anderhalb Stunden von Baden liegt das Dorf Haueneberstein, in dessen Nähe noch die wenigen Ueberreste eines zerfallenen Nonnenklosters sichtbar sind. Von der Entstehung dieses Gotteshauses geht folgende Sage um.

Ein junger Ritter, der auf einer benachbarten Burg, deren Namen mit ihren Mauern verschwunden ist, seinen Sitz hatte, kehrte eines Abends von einem Bankette nach Hause. Der Wein hatte seine Lebensgeister mehr als gewöhnlich aufgeregt und in seinem leichten Jugendsinne den Wunsch hervorgerufen, irgend ein lustiges Abenteuer zu bestehen. Sein Weg führte ihn an einem steinernen Kreuze vorbei, das zum Gedächtniß und für’s Seelenheil eines an diesem Ort erschlagenen Wanderers aufgerichtet worden war. An seinem Fuße saß eine weibliche Gestalt, die, so weit der Ritter in der Dunkelheit unterscheiden konnte, jung und von angenehmen Formen schien. Er redete sie munter an: „Wer bist du, schönes Kind, und was bindet dich noch so spät an diese traurige Stätte?“

[236] „Ich pflege hier öfters zu weilen;“ – erwiederte die Gestalt; – „unter diesem Kreuze schlummert mein einstiger Verlobter, welcher durch die Hand eines Nebenbuhlers fiel.“

Der Ritter sprach ihr so tröstend zu, daß die Jungfrau leicht eine mehr als gewöhnliche Theilnahme aus dem Tone seiner Worte heraushörte und sich bald in ein lebhaftes, nichts weniger als wehmüthiges Gespräch mit ihm verflocht; ja, sie nahm sogar ohne langes Sträuben den Antrag an, den er ihr zuletzt machte, ihm auf seine Burg zu folgen. Das Abenddunkel hatte seine Blicke nicht getäuscht, denn bei näherer Betrachtung blühten ihm aus dem düsteren Trauerflore, in den sie gehüllt war, die herrlichsten Formen entgegen, und je länger er an ihrer Seite wandelte, desto liebenswürdiger schien ihm seine neue Bekanntschaft. Doch als sie erst, auf seiner Burg angelangt, im Gemache beim hellen Kerzenschein ihren Schleier gänzlich zurückschlug, da entbrannte sein Herz in fast wahnsinniger Liebesgluth, denn ein wundervolleres Antlitz hatte sein Auge noch nie geschaut.

Es war schon spät Abends und im Laufe ihrer zärtlichen Unterredung hatte die Schöne bereits mehrmals etwas ängstlich geäußert, sie müsse pünktlich um Mitternacht wieder zu Hause seyn. Der Ritter verhehlte ihr die rechte Stunde und suchte sie auf alle Weise zu zerstreuen. Auch spielte sie nichts weniger als die Spröde gegen seine glühenden Liebkosungen. Als die Uhr in der Nebenkammer Mitternacht verkündigte, schloß er sein Liebchen, damit es die Glockenschläge überhören sollte, noch fester in seine Arme und bedeckte ihren Mund mit stürmischen Küssen. Aber kaum waren die Schläge der Uhr verklungen, als plötzlich des Mädchens Lippen unter den seinigen eiskalt wurden, die Rosen ihrer Wangen einer tödtlichen Blässe wichen, die leuchtenden Liebessterne verloschen und tief in ihre Höhlen sanken. – Der Ritter hielt eine kalte, starre Leiche in seinen Armen.

Außer sich vor Entsetzen bringt er sie auf sein Lager und wendet alle Mittel an, sie mit Hülfe seiner herbeigerufenen Dienerschaft ins Leben zurück zu rufen. Vergebens! Es bleibt ihm nichts übrig, als die Anstalten zu ihrem Begräbnisse treffen zu lassen, das auf den Abend des nächsten Tages festgesetzt [237] wurde. Als die Zeit heran kam und der Sarg in die Burgkapelle getragen werden sollte, fand man das Mädchen, aufs Neue von frischem kräftigem Leben durchglüht und in all ihrer Schönheit Reizen blühend, aufgerichtet auf der Bahre sitzen. Kaum vermochte der Ritter, bei diesem unheimlichen Anblick, die Bitte hervorzustammeln, ihm dies wunderbare Räthsel zu lösen.

„Ich gehöre schon längst dem Reiche der Todten an;“ – erwiederte das geheimnißvolle Wesen, – „aber der Spruch des ewigen Richters hat mich verurtheilt, keine Ruhe zu finden im stillen Grabe, zur Strafe, daß mein grenzenloser Leichtsinn, – der mich stets dazu trieb, die Eifersucht meines Verlobten zu erregen, um mich daran zu weiden, – seinen Tod durch die Hand eines Nebenbuhlers verursachte. Jeglichen Abend, sobald die Sonne hinter die Voghesen gesunken ist, erwache ich in meiner kühlen engen Behausung, die sich dann zu öffnen pflegt, und ich muß hinaus und mich im Gefilde herumtreiben bis Mitternacht, um welche Zeit ich in das Grab zurückkehren darf, das sich alsbald wieder über mir schließt. Wollt Ihr meiner irrenden Seele die ewige Ruhe verschaffen, Herr Ritter, so baut ein Kloster auf der Stelle, wo Ihr mich zuerst beim steinernen Kreuze gefunden, und wendet Euch selbst von den eitlen Freuden dieser Erdenwelt zum Reiche Gottes!“

(Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden etc.“)