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Das Lied vom gehorsamen Mägdlein

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Frank Wedekind
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Titel: Das Lied vom gehorsamen Mägdlein
Untertitel:
aus: Die vier Jahreszeiten
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst
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Erscheinungsort: München
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans dieser Ausgabe auf Commons
S. 37–38
Kurzbeschreibung:
Aus dem Zyklus Frühling.
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Bearbeitungsstand
fertig
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[37] Das Lied vom gehorsamen Mägdlein

Die Mutter sprach in ernstem Ton:
Du zählst nun sechzehn Jahre schon;
Drum, Herzblatt, nimm dich stets in acht,
Besonders bei der Nacht.

5
Verlier dich von dem Lebenspfad

Nie seitwärts ins Geheg,
Geh immer artig kerzengrad’
Den goldenen Mittelweg.

Da kommt nun in der Dämmerstund’

10
Des Pulvermüllers Heinrich und

Küßt mich – mir ward gleich angst und bang –
Wohl auf die rechte Wang’:
O Heinrich, das verbitt’ ich mir;
Sieht’s Mutter, setzt es Schläg’.

15
Am allerbesten wählen wir

Den goldenen Mittelweg.

Und plötzlich schreit er glutentflammt:
Ich führe dich zum Standesamt! –
Schweig, sag’ ich, unverschämter Wicht;

20
Dahin bringst du mich nicht! –

[38] Da flüstert er und freut sich schier,
Weil ich’s mir überleg’:
Nun gut, mein Schatz, dann wählen wir
Den goldenen Mittelweg.

25
Und wenn ich nun zur Ruh’ mich leg’,

Mir träumt vom goldenen Mittelweg;
Mein Spielzeug macht mir kein Pläsier,
Ich gäb’ es gern dafür,
Gäb’ meine Schuh’, mein Röcklein fein,

30
Weiß Gott, ich gäb’ noch mehr;

Hätt’ nie geglaubt, daß ich solch ein
Gehorsam Mägdlein wär’.