Das Lottchen wird saniert

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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Das Lottchen wird saniert
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aus: Lerne lachen ohne zu weinen, S. 306–310
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1932 (EA 1931)
Verlag: Ernst Rowohlt
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Erscheinungsort: Berlin
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Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
Erstdruck in: Vossische Zeitung, 19. März 1931
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[306]
2. Das Lottchen wird saniert

„Also sind das jetzt alle Schulden, die du hast?“

„Das sind alle.“

„Lottchen, daß du mir aber nicht hinterher mit neuen kommst – du weißt: im vorigen Jahr, in Lugano, habe ich auch alles bezahlt, und wie ich fertig war …“

„Daddy, ich schwöre dir – diesmal habe ich wirklich alles gebeichtet! Meine Kassen sind überhaupt tadellos in Ordnung – also wirklich!“

„Gut. Also gib noch mal die Aufstellung her; ich will das mit deinen Kassenbüchern vergleichen … allmächtiger Gott, das sind deine Kassenbücher?“

„Na, was denn?“

„Diese traurigen Fetzen?“

„Selber trauriger Fetzen! Geh mal weg! Gib mal her – bring mir das nicht durcheinander – ich hab mir das so schön geordnet …! Soll ich vielleicht doppelte Buchführung machen mit Hauptbuch in Kaliko und sonem Quatsch … gib mal her!“

[307] „Was ist denn das?“

„Das ist der Zettel von den Schulden; aber die hier gelten nicht, die sind schon bezahlt, nein, die sind noch nicht bezahlt, aber die haben Zeit. Die können warten! Kätchen kann warten.“

„Hat dir dein Freund Käte wieder Geld gegeben? Ich habe dir doch gesagt, du sollst die Frau nicht anpumpen. Ihr Mann ist Arzt und verdient … ja, ich weiß schon. Aber ich will das nicht. Wieviel?“

„Vierzig Mark.“

„Da steht doch aber 65 Mark?“

„Ja … das heißt … das sind noch fünfundzwanzig Mark, die habe ich … die hat sie mir …“

„Also fünfundsechzig. Und was ist das? Hundertundzehn Mark?“

„Das ist für die Kinder. Schuhe und Strümpfe.“

„Also, weiß Gott: es sind ja nicht meine Kinder. Hundertundzehn. Teure Kinder hast du. Fünfundsechzig und hundertundzehn … so geht das überhaupt nicht. Gib mal her – jetzt werde ich mal eine neue Aufstellung machen! Also:

Kätchen . . . . . . . . 65
Kinder . . . . . . . . .110
Hankemann . . . . . 92

Ja, die hast du gebeichtet – ich weiß schon.

Louis Brest … ach so, die Bank, wieviel? Zweihundertundneun Mark? Sage mal, Lottchen, dir piekt es wohl?“

„Wieso? Das ist ein altes Debet-Konto, das habe ich … Das verstehst du nicht – Herrgott, hör doch mal zu! Ich habe mir aus meiner Kleiderkasse im Mai, nein, im vorigen Oktober, fünfundvierzig Mark geborgt, bitte, ich geb sie mir zurück, ich kenn mich doch, mir kann man borgen; und die [308] habe ich in die Kinderkasse getan, und weil in der Reisekasse noch neunundachtzig Mark wegen der Gasrechnung gefehlt haben, da habe ich eben die Miete vom nächsten Vierteljahr genommen – und auf diese Weise habe ich auf der Bank ein Debet-Konto! Das ist doch lohrisch!“

„Ja, das ist sehr logisch. Aber davon hast du nichts gesagt. Ich will dich ja gern sanieren, das tue ich ja alle Jahre, dieses Großreinemachen – zweihundertundneun Mark Debet … sage mal Lottchen, wer glaubst du eigentlich, wer ich bin?“

„Du bist ein alter Gnietschfritze! Hab dich doch nicht so wegen der zweihundert Mark! Überhaupt sind sie nicht eilig! Die haben Zeit!“

„Und kosten Zinsen! Also weiter:

Louis Brest . . . . . . 209
Werßhofen . . . . . . . 54

Was ist das?“

„Das ist das, wo ich dir neulich gesagt habe!“

„Davon hast du nichts gesagt!“

„Davon habe ich nichts gesagt? Das ist ja großartig! Ich habe nur nicht vierundfünfzig gesagt, damit du nicht sonen Schreck kriegst … ich habe nur einen Teil zugegeben.“

„Wieviel?“

„Drei Mark fünfzig. Das hat man davon, wenn man Rücksicht nimmt! Die gehören überhaupt in die Wirtschaftskasse. Die Schulden, das sind gar nicht meine Schulden … das schuldet die Wirtschaftskasse!“

„Wem?“

„Der Kleiderkasse. Nu weiter!“

„Also wovon ich das alles bezahlen soll … ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“

Werßhofen . . . . . . 54
Postscheck . . . . . . 28

[309] – was heißt Postscheck achtundzwanzig …?“

„Gib mal her. Ich weiß nicht … Ach so! Das habe ich an Papa mit Postscheck zahlen wollen.“

„Hast dus denn gezahlt?“

„Nein. Papa war damals grade auf Reisen.“

„Wo ist das Geld?“

„Wo ist das Geld! Wo ist das Geld! Komische Fragen stellst du! Das Geld ist natürlich weg!“

„Wo es ist, will ich wissen!“

„Mein Gott, ich hab es an die Neschke geschickt, wegen der Schuld.“

„Wegen welcher Schuld?“

„Na, ich … also ich schulde ihr noch achtundvierzig Mark, vom vorigen Jahr! Herrgott, ich kann nicht immer mit demselben Hut rumlaufen, man kommt sich ja schon rein dämlich vor! Alle Frauen haben einen neuen Hut, bloß ich nicht! Mach nicht son Gesicht – die Neschke kann warten; die brauchst du nicht bezahlen!“

„Zu bezahlen!“

„Verbesser einen doch nicht immer! Das ist ja schlimmer wie ein Lehrer!“

„Als.“

„Wie?“

„Als. Schlimmer als ein Lehrer. Nach dem Komparativ …“

„Ist hier Grammatik, oder machen wir hier Kasse? Also weiter. Neschke wartet – sie ist darin viel kulanter wie die Münchner.“

„Welche Münchner?“

„Ach … ich habe da auf der Reise … Daddy, du brauchst nicht gleich zu schreien, zu nach brauchen, ich war doch auf der Durchreise in München, und da habe ich so ein entzückendes Automäntelchen gesehn …“

[310] „Mäntelchen ist schon faul. Wieviel?“

„……“

„Also wieviel?“

„Hundertundzwanzig. Aber ich trage es noch drei Jahre!“

„Diese Frau ist der Deckel zu meiner Urne. Ich vermag es fürder nicht. Fürder ist ein seltenes Wort, aber du bist auch selten. Sind das nun alle Schulden?“

„Das sind alle. Dann bloß noch die Apotheke und fünfzig Mark beim Doktor. Aber der kann wirklich warten. Du brauchst ihn nicht zu bezahlen! Ich will es nicht! Ich will es wirklich nicht! Den bezahl ich allein! Er kann warten! Wirklich!“

„O Popoi. Nein, das ist nicht unanständig; das ist griechisch. Nun schreib mir das alles auf, und ich werde es in meine Brieftasche legen und es mir beschlafen. Großer Gott, du siehst es. Blick herunter! Schreib es so, daß man lesen kann! So, danke. Ich geh jetzt mal runter, Zigaretten kaufen – gib her! Lottchen, du bist eine teure Dame. Aber nun ist auch wirklich alles aufgeschrieben? Ja? Das ist alles? Das ist nun wirklich alles?“

„Das ist alles. Heiliges Ehrenwort. Das ist wirklich alles. Ich bin gar keine teure Dame – ich bin viel zu billig. Bei meinen Qualitäten! Auf Wiedersehn!“

„Auf Wiedersehn!“

(Das Lottchen): „Jetzt hab ich richtig vergessen, ihm die zweiundzwanzig Mark Bridgegeld anzusagen! Allmächtiger Braten! Ach was … ich buch sie in die Sportkasse –!“