Das Maienfest der Massen
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Das Maienfest der Massen.
So steige denn nach linder Nacht
Zur Lust der Denkenden und Freien
Herauf in Deiner Sonnenpracht,
Du Feiertag des ersten Maien!
Füllst Du mit Feiernden die Gassen;
Es war die Freiheit, die Dich schuf ―
Drum grüßen Dich mit Jubelruf
Die duldenden, enterbten Massen!
Und dennoch unaussprechlich heiter.
Ein Banner ward an ihm enthüllt
Durch tapfre unbeugsame Streiter,
Und seit es stolz im Winde weht,
Was rücksichtslos zusammengeht
Und angstgepeinigt widerstrebt
Dem Anprall der erregten Massen.
Sie fühlen, daß des Himmels Licht
Sich breite Bahnen siegend bricht,
In denen Riesenkräfte schliefen,
Sie fühlen mehr und minder klar,
Daß sie nicht ewig ruhig prassen,
Der Einsicht, des Entschlusses bar
Die hungernden, erschöpften Masse.
Sie haben es so oft verhöhnt,
Das Volk gedankenloser Knechte;
An ihre Macht, an ihre Rechte.
Es gährt in ihrer Brust der Groll,
Sie können’s nie und nimmer fassen,
Es macht sie blind, es macht sie toll,
Mit diesen sonst so stummen Massen.
Woher auf einmal dieser Geist
So drohend und so unerklärbar,
Der unabweislich, keck und dreist
Man hat sonst bittend nur gelallt
Mit trüben Augen, thränennassen,
Man zitterte vor der Gewalt;
Jetzt wird sogar die Faust geballt
Wie Sturm durch alle Lande fährt
Dasselbe ungestüme Fodern;
Wohin man blickt, es braut und gährt
Und tausend finstre Augen lodern!
Gezwungen sein, sich anzupassen
Dem Neuen, das die Zukunft bringt,
Der Ordnung, die mit Macht erzwingt
Der Ansturm zielbewußter Massen?
Sie uns und unsrem Streben fluchen,
Daß sie der freien Völker Bund
Mit List und Trug zu sprengen suchen.
Man jagt sie aus dem weichen Nest ―
Daß laut man schmäht in Ost und West,
In Nord und Süd der Arbeit Fest,
Das schöne Maienfest der Massen!
Doch aller Haß und aller Hohn,
Kann lieber nur dem braunen Sohn
Der Arbeit diese Feier machen.
Wer sie begeht im grünen Hag,
Der kann die Gegner geifern lassen,
Es wird des Maien erster Tag
Dereinst zum Siegesfest der Massen!
R.L.