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Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft

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Gottfried Feder verfasste sein Manifest im November 1918 unter dem Eindruck des verlorenen Ersten Weltkriegs und veröffentlichte es im darauffolgenden Jahr erstmals in der Zeitung Kritische Rundschau. Im selben Jahr schloss er sich der völkisch-antisemitischen Deutschen Arbeiterpartei (DAP), der späteren NSDAP, an. Feders Forderung nach „Brechung der Zinsknechtschaft“ wurde in das 1920 verkündete 25-Punkte-Programm der NSDAP aufgenommen. Feder verwendet in seinem Manifest das antisemitische Schlagwort von der „Goldenen Internationale“ und unterstellt den Juden das Streben nach Weltherrschaft.
Textdaten
Autor: Gottfried Feder
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Titel: An Alle, Alle!
Untertitel: Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1919
Verlag: Jos. C. Huber
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Erscheinungsort: Potsdam
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Quelle: Commons
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An Alle, Alle!

Das Manifest

zur Brechung der

Zinsknechtschaft


Das
Manifest zur Brechung
der Zinsknechtschaft des
Geldes.


Mit Erläuterungen versehen
von
Dipl.-Ing. Gottfried Feder



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1         9         1         9
Verlag Jos. C. Huber, Diessen vor München.

Graph. Kunstanstalt Jos. C. Huber, Diessen vor München.
Inhalt.
Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes 05
Ausführung und Begründung[WS 1] 10
Die Konvertierung der Kriegsanleihe in Bankguthaben 38
Besondere Erläuterungen zu der Gesetzesforderung im Manifest      40
Die Einwände und ihre Widerlegung 46
Weiteres Programm 61
Das Manifest
zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes.

Der Mammonismus ist die schwere, alles erfassende und überwuchernde Krankheit, an der unsere heutige Kulturwelt, ja die ganze Menschheit, leidet. Er ist wie eine verheerende Seuche, wie ein fressendes Gift, daß die Völker der Welt ergriffen hat.

Unter Mammonismus ist zu verstehen:
zum einen die internationalen übergewaltigen Geldmächte, die über allem Selbstbestimmungsrecht der Völker thronende überstaatliche Finanzgewalt, das internationale Großkapital, die einzig goldene Internationale;
zum andern eine Geistesverfassung, die sich weitester Volkskreise bemächtigt hat; die unersättliche Erwerbsgier, die rein aufs Diesseitige gerichtete Lebensauffassung, die zu einem erschreckenden Sinken aller sittlichen Begriffe schon geführt hat und weiter führen muß.

Verkörpert und auf die Spitze getrieben ist diese Geistesverfassung in der internationalen Plutokratie.

Die Hauptkraftquelle des Mammonismus ist der mühe- und endlose Güterzufluß, der durch den Zins geschaffen wird.

Aus dem durch und durch unsittlichen Leihzinsgedanken ist die goldene Internationale geboren. Die aus der Gier nach Zins und Wucher jeder Art erwachsene geistige und sittliche Verfassung hat zu der erschreckenden Versumpfung eines Teiles der Bourgeoisie geführt.

Der Leihzinsgedanke ist die teuflische Erfindung des Großleihkapitals, sie ermöglicht allein das träge Drohnenleben einer Minderzahl von Geldmächtigen auf Kosten der schaffenden Völker und ihrer Arbeitskraft[,] sie hat zu den tiefen, unüberbrückbaren Gegensätzen, zum Klassenhaß geführt, aus dem der Bürgerkrieg und Bruderkrieg geboren ist.

Ein einziges Heilmittel, das Radikalmittel zur Gesundung der leidenden Menschheit ist

die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes.

Die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes bedeutet die einzig mögliche und endgültige Befreiung der schaffenden Arbeit von den geheimen übergewaltigen Geldmächten.

Die Brechung der Zinsknechtschaft bedeutet die Wiederherstellung der freien Persönlichkeit, die Erlösung des Menschen aus der Versklavung, aus dem Zauberbanne, in die seine Seele vom Mammonismus verstrickt wurde. Wer den Kapitalismus bekämpfen will, muß die Zinsknechtschaft brechen.

Wo muß die Brechung der Zinsknechtschaft einsetzen? Beim Leihkapital!

Warum?

Weil das Leihkapital gegenüber allem industriellen Großkapital so übermächtig ist, daß die großen Geldmächte wirksam nur durch Brechung der Zinsknechtschaft des Leihkapitals bekämpft werden können. 20:1 ist das Verhältnis des Leihkapitals zum industriellen Großkapital. Über 12 Milliarden Zinsen für das Leihkapital muß das deutsche Volk alljährlich in Gestalt von direkten und indirekten Steuern, von Mietzins und Lebensverteuerung aufbringen, während sogar in den Hochkonjunkturjahren des Krieges die Gesamtsumme aller von den deutschen Aktiengesellschaften ausgeschütteten Dividenden nur 1 Milliarde betrug.

Alle menschliche Berechnungsmöglichkeit übersteigend, ist das lawinenartige Wachstum des Leihkapitals durch ewigen, endlosen und mühelosen Güterzufluß aus Zins und Zinseszins.

Welchen Segen nun bringt die Brechung der Zinsknechtschaft für das arbeitende Volk Deutschlands, für die Proletarier aller Länder der Erde?

Die Brechung der Zinsknechtschaft gibt uns die Möglichkeit, die Aufhebung aller direkten und indirekten Steuern zu betreiben. Hört es, Ihr werteschaffenden Menschen aller Länder, aller Staaten und Kontinente, alle aus direkten und indirekten Quellen fließenden Staatseinnahmen fließen restlos in die Taschen des Großleihkapitals.

Die Erträgnisse der werbenden Staatsbetriebe, als da sind Post, Telegraph, Telefon, Eisenbahn, Bergwerke, Forsten u. s. w. reichen vollkommen aus, um alle notwendigen Staatsaufgaben für Erziehung, Bildung, Rechtspflege, Verwaltung, soziale Fürsorge daraus bestreiten zu können.

Also aller wahrer Sozialismus wird solange keinen Segen der Menschheit bringen, als die Erträgnisse aus den gemeinwirtschaftlichen Betrieben gegenüber dem Großleihkapital tributpflichtig bleiben.

Darum fordern wir zunächst als Staatsgrundgesetz für die deutschen Völker, dann als Grundgesetz für alle jene Brüdervölker, welche mit uns die Kulturgemeinschaft eines Völkerbundes eingehen wollen, folgendes:

§ 1. Die Kriegsanleihestücke, sowie alle übrigen Schuldtitel des deutschen Reiches, sowie alle übrigen Schuldtitel der deutschen Bundesstaaten, insbesondere Eisenbahnanleihen, ferner die Schuldverschreibungen, alle Selbstverwaltungskörper werden unter Aufhebung der Zinspflicht zu gesetzlichen Zahlungsmitteln zum Nominalbetrag erklärt.

§ 2. Bei allen übrigen festverzinslichen Papieren, Pfandbriefen, Industrieobligationen, Hypotheken etc. tritt an Stelle der Zinspflicht, die Rückzahlungspflicht; nach 20 oder 25 Jahren ist somit je nach der Höhe der Verzinsung das geliehene Kapital zurückbezahlt und die Schuld erloschen.

§ 3. Alle Immobiliarschulden, Hypotheken etc. werden nach den im Grundbuch eingetragenen Lasten wie bisher ratenweise zurückbezahlt. Das auf diese Weise entschuldete Vermögen an Haus und Bodenbesitz wird anteilweise Eigentum des Staates oder des Selbstverwaltungskörpers. Auf diese Weise kommt der Staat in die Lage, die Mietpreise zu bestimmen und abzusenken.

§ 4. Das gesamte Geldwesen untersteht der Zentralstaatskasse. Alle Privatbanken desgleichen, die Postscheckkassen, Sparkassen und Kreditgenossenschaften werden als Filialbetriebe angegliedert.

§ 5. Aller Realkredit wird nur durch die Staatsbank vergeben. Personal- und Warenkredit wird den Privatbankiers überlassen gegen staatl. Konzession. Diese wird unter Berücksichtigung der Bedürfnisfrage und unter Verbot der Errichtung von Filialen für bestimmte Bezirke erteilt. Die Gebührenordnung wird vom Staate festgesetzt.

§ 6. Die Dividendenwerte werden in gleicher Weise wie die festverzinslichen Papiere in jährlichen Raten von 5% getilgt. Die überschießenden Gewinnerträgnisse werden teilweise als Entschädigung für „riskiertes” Kapital (im Gegensatz zu den festverzinslichen und mündelsicheren Papieren) an die Aktieninhaber hinausbezahlt, während der weitere Überschuß durch das selbständige Recht der Arbeiterschaft entweder sozial verteilt oder zum Abbau der Preise der Produkte verwendet wird.

§ 7. Für alle Personen, die aus körperlichen Gründen (hohes Alter, Krankheit, körperliche oder geistige Arbeitsunfähigkeit, große Jugendlichkeit) nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, werden die bisherigen eventuell sogar erhöhten Zinserträgnisse aus vorhandenen Kapitalvermögen als Leibrente weiterbezahlt gegen Einlieferung der Wertpapiere.

§ 8. Im Interesse eines Abbaues der bestehenden Inflation mit Zahlungsmitteln wird eine allgemeine stark gestaffelte Vermögenseinziehung vorgenommen, die in Kriegsanleihestücken oder anderen Schuldtiteln des Reiches oder der Staaten geleistet werden. Diese Papiere werden eingestampft.

§ 9. Durch intensivste Volksaufklärung ist dem Volke klarzumachen, daß das Geld nichts anderes ist und sein darf, als eine Anweisung auf geleistete Arbeit; daß jede hochentwickelte Wirtschaft des Geldes als Austauschmittel zwar bedarf, aber, daß damit auch die Funktion des Geldes erfüllt ist und dem Geld auf keinem Fall durch den Zins eine überirdische Macht verliehen sein kann, aus sich selbst heraus zu wachsen zu Lasten der schaffenden Arbeit.

Warum haben wir dies alles, was so selbstverständlich ist, was man als das Ei des Kolumbus für die soziale Frage bezeichnen muß, bisher noch nicht erreicht?

Weil wir in unserer mammonistischen Verblendung klar zu sehen verlernt haben, daß die Lehre von der Heiligkeit des Zinses ein ungeheurer Selbstbetrug ist, daß das Evangelium von dem allein seligmachenden Leihzins unser ganzes Denken in die goldenen Netze der internationalen Plutokratie verstrickt hat. Weil wir vergessen haben und geflissentlich von den allgewaltigen Geldmächten darüber im Unklaren gehalten werden, daß mit Ausnahme von wenigen Geldgewaltigen der angeblich so schöne und von den Gedankenlosen so geliebte Zins rein von den Steuern aufgezehrt wird. Unsere ganze Steuergesetzgebung ist und bleibt, solange wir die Befreiung von der Zinsknechtschaft nicht haben, nur Tributpflicht gegenüber dem Großkapital, nicht aber, was wir uns manchmal einbilden, freiwilliges Opfer zur Verwirklichung von Gemeinschaftsarbeit.

Deshalb ist die Befreiung von der Zinsknechtschaft des Geldes die klare Losung für die Weltrevolution, für die Befreiung der schaffenden Arbeit von den Fesseln der überstaatlichen Geldmächte.




Ausführung und Begründung.

Wir stehen mitten in einer der schwersten Krisen, die unser armes Volk in seiner leidvollen Geschichte zu überstehen hat. Schwerkrank ist unser Volk, schwerkrank ist die ganze Welt. Hilflos stammeln die Völker; ein heißes Sehnen, ein Schrei nach Erlösung geht durch die dunklen Massen. Mit Lachen und Tanz, mit Kino und Umzügen sucht sich das Volk wie besinnungslos über sein eigenes jammervolles Schicksal hinwegzutäuschen. Hinwegzutäuschen über seine betrogenen Hoffnungen, hinwegzutäuschen über das tiefe innere Weh, ob der furchtbaren Enttäuschung über das was man als „Errungenschaften der Revolution“ so gern bezeichnen möchte. Die Errungenschaften der Revolution sind ausgeblieben. Wie anders hat man sich doch das alles vorgestellt, wie anders lauteten doch all die schönen Versprechungen; gleißendes Gold schien alles zu sein, was man da nächtlicherweile in der Dunkelheit unseres militärischen Zusammenbruchs aufzulesen hoffte und nun, wo der graue Tag den Fund bescheint, sind es faule Holzstückchen. Ratlos stehen wir nun da; um dieser faulen Holzstückchen willen, die in der Nacht so schön geglänzt haben, haben wir alles weggeworfen, was uns bisher lieb und teuer war und haben uns alle Taschen vollgepfropft mit diesen jammervollen Fund. Kein Wunder, daß gerade die Ärmsten der Armen die Wut der Verzweiflung packt und sie in sinnlosem Zorn gegen ihre eigenen Brüder wüten, und alles zu zerstören versuchen, was sich ihnen bei ihrer tiefen Sehnsucht nach Erlösung in den Weg stellt. Zum hellen Wahnsinn muß dieser Zustand führen, wenn Gewissenlosigkeit und Dummheit das Volk noch mehr aufpeitscht und wohin dieser Wahnsinn führt, das sehen wir im bolschewistischen Rußland. Die Nationalisierung, wie in Rußland die Sozialisierung heißt, hat sich als ein Fehlschlag erwiesen, verkündet Lenin seelenruhig. Die Wirtschaft ist zerstört, die Kaufkraft des Geldes gleich Null, die Intelligenz erschlagen, der Arbeiter brotlos. Verzweiflung im ganzen Volke; nur blutiger Terror gestützt auf chinesische und lettische Söldnerscharen vermögen die roten Diktatoren vor der Rache des enttäuschten Volkes zu schützen. Auch bei uns wird die Entwicklung diesen Weg nehmen, wenn wir weiterhin internationale Spekulanten, verbohrte Parteifanatiker, Vertreter der auf’s schwersten belasteten Burgeoisie und Angehörige eines [sic! einer] dem deutschen Volke im innersten wesensfremden Rasse in der Regierung belassen. Wie hießen doch all die schönen, schönen Worte, die man uns ins Ohr flüsterte: Verständigungsfriede, Völkerbund, Parlamentarismus, Souveränität des Volkes, Demokratie, Diktatur des Proletariats, Sozialismus, Vernichtung des Kapitalismus, Befreiung von dem Militarismus und wie alle die schönen Schlagworte heißen mögen. Ein neues freies Volk sollte erstehen, das selbst sein Geschick bestimmen soll. Nichts von alledem ist Wahrheit geworden, konnte nicht Wahrheit werden, kann nie Wahrheit werden, wenn wir nicht mit höchstem sittlichen Ernst all diesen Erscheinungen, all diesen Schlagworten nachgehen, wenn wir nicht wie ein kluger, gütiger Arzt die Krankheitserscheinungen gewissenhaft prüfen und sorgsamst den derzeitigen Zustand des Kranken aufdecken, keine Mühe scheuen, um festzustellen, woher diese schwere krisenhafte Krankheit kommt.

Mammonismus heißt die Krankheit unserer Zeit.

Was ist Mammonismus?

Mammonismus ist die unheimliche, unsichtbare, geheimnisvolle Herrschaft der großen internationalen Geldmächte. Mammonismus ist aber auch eine Geistesverfassung; es ist die Anbetung dieser Geldmächte seitens aller derjenigen die von dem mammonistischen Gifte infiziert sind. Der Mammonismus ist eine wirtschaftliche und moralische Erkrankung. Mammonismus ist die maßlose Übertreibung des an sich gesunden Erwerbstriebes des Menschen. Mammonismus ist die zum Wahnsinn gewordene Geldgier, die kein höheres Ziel kennt, als Geld auf Geld zu häufen, die mit einer Brutalität ohne gleichen alle Kräfte der Welt in seinen Dienst zu zwingen sucht und zur wirtschaftlichen Versklavung, zur Ausbeutung der Arbeitskraft aller Völker der Welt führen muß. Mammonismus ist der Geisteszustand, der zu einem Herabsinken aller sittlichen Begriffe geführt hat. Mammonismus ist als Weltphänomen betrachtet, gleichzusetzen mit dem brutalen rücksichtslosen Egoismus im Menschen. Mammonismus ist der Geist der Habgier, der schrankenlosen Herrschsucht, der nur auf Erraffung der Güter und Schätze der Welt gerichteten Sinnesart; er ist im tiefsten Grunde die Religion des rein auf das diesseitige gerichteten Menschentypus. Mammonismus ist das gerade Gegenteil von Sozialismus. Sozialismus, als höchste sittliche Idee aufgefaßt, als Idee dessen, daß der Mensch nicht nur für sich allein auf der Welt ist, daß jeder Mensch Pflichten gegenüber der Gemeinschaft, gegenüber der ganzen Menschheit hat und nicht nur das, daß er nicht nur verantwortlich ist für das augenblickliche Wohl seiner Familie, seiner Stammesgenossen, seines Volkes, sondern, daß er auch unabwälzbare sittliche Verpflichtungen hat gegenüber der Zukunft seiner Kinder, seines Volkes.

Noch konkreter müssen wir den Mammonismus ansehen als das bewußte Zusammenspiel der machtgierigen Großkapitalisten aller Völker. Bemerkenswert ist dabei immer das verschleierte Auftreten des Mammonismus.

Die großen Geldgewaltigen stecken doch als letzte treibende Kraft hinter dem weltumspannenden anglo-amerikanischen Imperialismus; nichts anderes. Die großen Geldmächte haben doch das furchtbare Menschenmorden des Weltkrieges finanziert. Die großen Geldmächte haben doch als Besitzer aller großen Zeitungen die Welt eingesponnen in ein Netz von Lügen. Sie haben mit Vergnügen alle niederen Leidenschaften aufgepeitscht; vorhandene Strömungen sorgsam großgezüchtet; die französische Revancheidee durch geschickte Pressepropaganda zur Siedehitze gesteigert; die panslavistische Idee, den serbischen Großmachtsdünkel, das Geldbedürfnis dieser Staaten sorgsam genährt, woran sich der Weltbrand entzünden mußte. Auch bei uns in Deutschland hat der Geist des Mammonismus der nur mehr Ausfuhrziffern, Nationalreichtum, Expansion, Großbankprojekte, internationale Finanzierungen kennen wollte, zu einer Deroute der öffentlichen Moral geführt, zum Versinken unserer regierenden Kreise in Materialismus und Genußsucht, zu einer Verflachung unseres völkischen Lebens, alles Faktoren, die mitschuldig sind an dem furchtbaren Zusammenbruch.

Mit Staunen müssen wir uns fragen, woher der Mammonismus, woher das internationale Großkapital seine unwiderstehliche Macht nimmt.

Es ist gar nicht zu übersehen, daß die internationale Zusammenarbeit der großen Geldmächte eine ganz neue Erscheinung darstellt. Wir haben hierfür keine Parallele in der Geschichte. Internationale Verpflichtungen geldlicher Natur waren so gut wie unbekannt. Erst mit der aufkommenden Weltwirtschaft, mit dem allgemeinen Weltverkehr setzte sich der Gedanke der internationalen Zinswirtschaft durch und hier berühren wir die tiefste Wurzel, hier haben wir den innersten Kraftquell angeschlagen, aus dem die goldene Internationale ihre unwiderstehliche Kraft saugt.

Der Zins ist es, der mühe- und endlose Güterzufluß aus reinem Geldbesitz ohne Hinzutun jeglicher Arbeit hat die großen Geldmächte wachsen lassen. Der Zins ist die Kraftquelle des Großkapitals. Der Leihzins ist das teuflische Prinzip, aus dem die goldene Internationale geboren ist. All überall hat sich das Leihkapital festgesaugt. Wie mit Polypenarmen hat das Großleihkapital alle Staaten, alle Völker der Welt umstrickt.

Staatsschuldverschreibungen, Staatsanleihen, Eisenbahnanleihen, Kriegsanleihen, Hypotheken, Pfandbriefobligationen, kurzum Anleihetitel aller Art haben unser ganzes Wirtschaftsleben in einer Weise umstrickt, daß nunmehr die Völker der Welt hilflos in den goldenen Netzen zappeln. Dem Zinsprinzip zuliebe[,] einer im tiefsten Grunde irrigen staatlichen Vorstellung gemäß, daß jede Art von Besitz Anrecht auf Erträgnis habe, haben wir uns in die Zinsknechtschaft des Geldes begeben. Nicht ein einziger wirklicher stichhaltiger sittlicher Grund läßt sich dafür angeben, daß reiner Geldbesitz Anrecht auf dauerndes Zinserträgnis verschaffe.

Dieser innere Widerstand gegen Zins und Rente jeder Art ohne Hinzutritt schaffender Arbeit zieht sich durch das Seelenleben aller Völker und Zeiten. Der Zins ist unsittlich. Doch nie ist dieser tief innerste Widerstand gegen die Macht des Geldes den Völkern so bewußt geworden, wie in unserer Zeit. Nie hat der Mammonismus in so weltumspannender Weise sich angeschickt, die Weltherrschaft anzutreten. Noch nie hat er alle Niedertracht (das Trachten nach dem Niederen im Menschen), Machtgier, Rachgier, Habgier, Neid und Lüge in so schlau versteckter und doch brutal drängender Weise in seine Dienste gestellt wie jetzt. Der Weltkrieg ist im tiefsten Grunde eine der ganz großen Entscheidungen in dem Entwicklungsprozeß der Menschheit in dem Entscheidungskampf, ob in Zukunft die mammonistisch-materialistische Weltanschauung oder die sozialistisch-aristokratische Weltanschauung die Geschicke der Welt bestimmen soll.

Äußerlich hat vorerst zweifellos die mammonistische anglo-amerikanische Koalition gesiegt. Als Reaktion dagegen hat sich im Osten der Bolschewismus erhoben und wenn man im Bolschewismus eine große Idee erblicken will, so ist es zweifellos der einer mammonistischen Weltanschauung diametral entgegengesetzte Standpunkt. Bolschewismus ist ein falsches Mittel der antimammonistischen Reaktion. Die Methoden, die der Bolschewismus hierfür anzuwenden sucht, sind allerdings versuchte Eisenbartkuren. Sie sind der Versuch mit dem Seciermesser einem an innerer Vergiftung leidenden Kranken durch Amputativn [sic! Amputation] von Kopf, Arm und Beinen zu helfen.

Diesem Wüten des Bolschewismus, dieser sinnlosen Umwälzung müssen wir einen planvollen neuen Gedanken entgegensetzen, der mit einigender Kraft alle arbeitenden Klassen vereinigt, um den Giftstoff auszutreiben, der die Welt krank gemacht hat.

Dieses Mittel erblicke ich in der Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes.

Drei Momente sind es die den Zins des Leihkapitales als die eigentliche, als die wahre Ursache unseres finanziellen Elendes erscheinen läßt.

Erstens, das ungeheuere Mißverhältnis des festverzinslichen Leihkapitales, also des Kapitales, das ohne Hinzukommen schöpferischer Arbeit aus sich selbst heraus wächst und zwar ewig weiter wächst. Dieses Leihkapital hat bei uns in Deutschland bereits eine Höhe erreicht, die wir mit 250 Milliarden nicht zu hoch greifen. In Deutschland haben wir 250 Milliarden Leihkapital. Dieser ungeheueren Summe steht als industrielles Betriebskapital unserer gesamten deutschen Industrie nur eine Summe von 11,8 Milliarden gegenüber. Es kommen noch hinzu die 3,5 Milliarden Kapital der 16 000 industriellen G. m. b. H., so daß wir zusammen nur etwa 15 Milliarden industrielles Gesamtkapital zu verzeichnen haben. 20:1 ist die erste grundlegende Feststellung. – Diese Feststellung besagt, daß alle Maßnahmen, die sich mit Finanzproblemen größter Natur beschäftigen, in Ansehen des Leihkapitales sich 20 mal so wirksam erweisen müssen gegenüber Maßnahmen, die sich gegen das industrielle Großkapital richten.

Zweitens: die Verzinsung der obigen auf 250 Milliarden bezifferten Leihkapitalien beträgt im Großen und Ganzen betrachtet pro Jahr auf ewige Zeiten etwa 12½ Milliarden. Deutschland zahlt [j]ährlich 12,5 Mill. Leihzinsen. Die Gesamtsumme aller im Jahre 1916 ausgeschütteten Dividenden betrug im Jahre 1915 rund 1 Milliarde Mark. In den vorangegangenen Jahrzehnten war diese Zahl im Mittel rund 600 Millionen. Sie dürfte wohl in den beiden letzten Kriegsjahren noch erheblich in die Höhe gegangen sein, wird dagegen im laufenden Jahr einen umso größeren Absturz verzeichnen.

Die durchschnittliche Rentabilität aller deutschen A.-G. war 8,21%; also nur um etwa 31/2% höher als das durchschnittliche Erträgnis der festverzinslichen Anleihewerte.

Ich wiederhole also, rund 12,5 Milliarden wird in Zukunft das deutsche Volk für die diversen ewigen Zinsen des Großleihkapitales zu bezahlen haben, während das Erträgnis aus industriellem Kapital in dem Höchstkonjunkturjahr 1 Milliarde, in Zeiten ungestörter Konjunktur nur 0,6 Milliarden war, also auch hier sehen wir wieder ein Verhältnis der Größenordnungen von 20:1, bis 12:1.

Das dritte und gefährlichste Moment ist das ungeheuere jedes Begriffsvermögen übersteigende Wachstum des Großleihkapitales durch Zins und Zinseszins. Das Großleihkapital wächst lawinenartig ins Unendliche. Ich muß hier etwas weiter ausholen und hoffe durch einen kleinen Ausflug in die höhere Mathematik das Problem zu erklären. Zunächst einige Beispiele.

Die anmutige Geschichte von der Erfindung des Schachspieles ist bekannt. Der reiche indische König Sherham gewährte zum Dank für die Erfindung des königlichen Spieles dem Erfinder die Erfüllung einer Bitte. Die Bitte des Weisen war, der König möge ihm auf das erste Feld des Schachspieles ein Weizenkorn geben, auf das zweite zwei, auf das dritte vier und so immer auf das nachfolgende Feld die doppelte Anzahl wie auf dem vorangegangenen Feld. Der König lächelte über die vermeintlich bescheidene Bitte des Weisen und gab Auftrag, einen Sack Weizen zu bringen, um für jedes Feld die Weizenkörner zuzuteilen. Es ist bekannt, daß die Erfüllung dieser Bitte auch dem reichsten Fürsten der Welt unmöglich war. Alle Ernten der Welt in tausend Jahren würden nicht ausreichen, um die 64 Felder des Schachbrettes zu füllen.

Ein weiteres Beispiel: Manche werden sich noch aus der Schulzeit an die Qualen der Zinseszinsrechnungen erinnern; wie sich der Pfennig vermehrt, der zur Zeit von Christi Geburt auf Zinseszins angelegt ist, so daß er sich alle 15 Jahre verdoppelt. Im Jahre 15 nach Christi Geburt ist der Pfennig auf 2 Pfennige angewachsen, im Jahre 30 n. Chr. auf 4 Pfennige, im Jahre 45 n. Chr. auf 8 Pfennige usw. Die wenigsten werden sich erinnern, welchen Wert dieser Pfennig heute repräsentieren würde. Unsere ganze Erde massiv aus purem Gold, unsere Sonne, die 1 297 000 mal größer ist, als unser Erdball, all unsere Planeten, rotglühend von Gold, würden nicht genügen, um den Wert dieses auf Zinseszins angelegten Pfennigs auszudrücken.

Ein drittes Beispiel: Das Vermögen des Hauses Rotschild, der ältesten internationalen Plutokratie, wird heute auf etwa 40 Milliarden geschätzt. Bekannt ist, daß der alte Amschelm Mayer Rotschild in Frankfurt um das Jahr 1800 ohne nennenswertes eigenes Vermögen durch Wiederverleihung der Millionen, die ihm Landgraf Wilhelm I. von Hessen zur Aufbewahrung übergeben hatte, den Grundstock für das Riesenvermögen seines Hauses legte.

Wäre bei Rotschild das Anwachsen des Geldes durch Zins und Zinseszins nur in dem bescheidenen Tempo erfolgt, wie bei dem Pfennig, so wäre die Kurve nicht so steil verlaufen. Aber angenommen, die Vermögensmehrung des Rothschildschen Gesamtvermögens geht nur in dem Tempo des Pfennigs weiter, so würde das Rothschildsche Vermögen im Jahre 1935 80 Milliarden, 1950 160 Milliarden, 1965 320 Milliarden, und damit das gesamte deutsche Nationalvermögen schon weit übertreffen.

Aus diesen drei Beispielen läßt sich ein mathematisches Gesetz ableiten. Die Kurve, die der Aufstieg des Rothschildschen Vermögens ausdrückt, die Kurve, die sich aus der Zahl der Weizenkörner des Schachbrettes ableiten läßt, sowie die, die die Vermehrung des Pfennigs auf Zinseszins angibt, sind einfache mathematische Kurven. Alle diese Kurven haben den gleichen Charakter. Nach anfänglichem bescheidenen und langsamen Anstieg wird die Kurve immer steiler und steiler und nähert sich praktisch bald tangential der Unendlichkeit.

Ganz anders dagegen verläuft die Kurve der Industriekapitalien. Die Entwicklung des Industriekapitals bleibt im Endlichen. Auch meistens aus kleinen Anfängen hervorgewachsen, zeigt sich bald ein kräftiges Ansteigen der Kurven, bis eine gewisse Sättigung des Kapitales erreicht ist. Dann verlaufen die Kurven flacher, und werden sich in den einzelnen Industrien wohl im allgemeinen wieder etwas absenken, wenn neue Erfindungen zur Entwertung der bestehenden Fabrikanlagen, Maschinen usw. geführt haben. Nur ein Beispiel möchte ich hier herausgreifen, die Entwicklung des Kruppschen Werkes. 1826 starb der alte Krupp fast ohne Vermögen. 1855 erhielt Alfred Krupp seine erste Bestellung auf 36 Kanonen seitens der ägyptischen Regierung. 1873 beschäftigte Krupp bereits 12 000 Arbeiter. 1903 verkaufte Frau Berta Krupp die sämtlichen Werke und Anlagen um 160 Millionen an die Alfred Krupp A.-G. Heute beträgt das Aktienkapital 250 Millionen. Was schließt der Name Krupp für uns Deutsche ein? Den Höhepunkt unserer industriellen Entwicklung. Den ersten Kanonenbauer der Welt. Eine Unsumme zähester, zielbewußtester, intensivster Arbeitsleistung. Für Hunderttausende unserer Volksgenossen bedeutete das Kruppsche Unternehmen Brot und Arbeit. Für unser Volk Wehr und Waffen, und doch, er ist ein Zwerg gegenüber den Rothschildschen Milliarden. Was bedeutet das Anwachsen des Kruppschen Vermögens in einem Jahrhundert gegenüber dem Wachstum des Rothschildschen Vermögens aus Zins und Zinseszins durch mühe- und endlosen Wertzuwachs?

Das Radikalmittel.

Die beiden stark aufgezeichneten Kurven sind Leihzinskurven und zwar zeigt die obere Kurve die Entwicklung des Rothschildschen Vermögens und die untere zuerst flach und dann rapid steigende Kurve zeigt ganz allgemein die charakteristische Entwicklung aller derartigen Kurven, bei denen sich die Ordinaten bei gleichbleibenden Abscissen verdoppeln. Die gestrichelte Linie zeigt die Entwicklungskurve unserer Gesamtindustrie im Laufe der letzten 40–50 Jahre. Die feinen verschieden gestrichelten Linien zeigen die Entwicklung einer Reihe von beliebig herausgegriffenen großen industriellen Unternehmungen, aus denen der allgemeine Charakter der gestrichelten Kurve des Industriekapitales abgeleitet ist.

Es muß ausdrücklich bemerkt werden, daß die Kurven nicht maßstäblich gezeichnet sind, daß insbesondere die Kurven des Leihkapitales gewissermaßen stark zusammengestaucht erscheinen. So müßte z. B. die Kurve des Rothschildschen Vermögens gegenüber der Kruppschen Kurve mindestens 80 mal so hoch angesetzt sein. Der Zweck der Kurvenaufzeichnung ist ja nur der den grundverschiedenen Charakter der beiden Arten der Kapitalien aufzuzeigen. Die Kurven des Leihkapitales zeigen zuerst eine ganz langsam steigende Entwicklung; die Entwicklung geht dann schneller, bis sie dann immer rasender und alles an sich reißend, weit über menschliche Begriffe sich hinaushebt und der Unendlichkeit zustrebt.

Die Kurve des Industriekapitales bleibt dagegen im Endlichen! Der Verlauf mag im einzelnen noch so starke Abweichungen zeigen, im allgemeinen wird der Grundcharakter industrieller Entwicklung immer so sein, daß nach kräftiger anfänglicher Entwicklung eine gewisse Zeit der Reife, der Sättigung folgt, worauf dann langsamer oder schneller der Niedergang folgt.

Nichts zeigt uns klarer den tiefen Wesensunterschied zwischen Leihkapital und Industriekapital. Nichts kann uns den Unterschied klarer machen zwischen den verheerenden Wirkungen des Leihzinses und den Betriebsgewinnen (Dividenden) der in großartigen Industrieunternehmungen angelegten riskierten Betriebskapitalien, als diese Gegenüberstellung.

Es kann nicht genug betont werden, daß die Erkenntnis der mathematischen Gesetze, denen Leihkapital und Industriekapital folgen, uns allein den klaren Weg zeigen, wo der Hebel einzusetzen ist für eine Umwälzung unserer zerrütteten Finanzwirtschaft. Wir erkennen klar, daß nicht die kapitalistische Wirtschaftsordnung, an sich nicht das Kapital als solches die Geißel der Menschheit ist. Das unersättliche Zinsbedürfnis des Groß-Leihkapitals ist der Fluch der gesamten arbeitenden Menschheit!

Kapital muß sein – Arbeit muß sein! Arbeit allein vermag wenig – Kapital allein soll nichts vermögen!

Kapital ohne Arbeit muß steril sein! Die Brechung der Zinsknechtschaft ist der mögliche und vernünftige Sinn einer Weltrevolution. Deshalb ist die wichtigste Forderung, die vornehmste Aufgabe der Revolution, der vernünftigste Sinn einer Weltrevolution, die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes.

Das Haus Rotschild wird heute auf 40 Milliarden geschätzt. Die Milliardäre der amerikanischen Hochfinanz, die Herren Cahn, Löb, Schiff, Speyer, Morgan, Vanderbilt, Astor werden zusammen auf mindestens 60–70 Milliarden geschätzt; Acht Milliardäre haben so viel Einkommen wie 38 Mill. Deutsche. bei einer nur 5prozentigen Verzinsung bedeutet dies ein Einkommen dieser 8 Familien von 5–6 Milliarden, das ist nahezu soviel, als nach den Untersuchungen von Helfferich im Jahre 1912 75% aller Steuerzahler in Preußen Jahreseinkommen hatten. (Es waren damals rund 21 000 000 Zensiten. 75% hiervon rund 15 000 000. Auf jeden Zensiten treffen im Durchschnitt 1,56 Angehörige, sohin 23 Millionen Angehörige.)

Rund 38 000 000 Deutsche haben also davon leben müssen, was die oben erwähnten Milliardäre im Jahr Einkommen haben. – Gewiß sind die amerikanischen Milliardäre nicht in dem Sinn reine Leihkapitalisten, wie das Haus Rotschild usw., ich will auch gar nicht darüber rechten, ob die amerikanischen Milliardäre „100-Millionen-Dollar-Milliardäre“ sind oder wirkliche „1000-Millionen-Mark-Milliardäre“; im ersteren Falle müßte man eben noch ein oder zwei Dutzend weitere Krösusse hinzurechnen. Oder nehmen wir gleich die Rathenauschen „300“, dann geht unsere Aufstellung sicher in Ordnung. Es kommt hier auch gar nicht darauf an, eine genaue Ziffer zu geben, aber die erkannte Größenordnung von 300 zu 38 000 000 öffnet uns die Augen über die Gewaltherrschaft des internationalen Leihkapitals.

Deshalb schütteln wir mit einem Ruck diese furchtbaren Fesseln ab, die alle werktätige Arbeit ersticken muß, entreißen wir dem Gelde die Macht, Zinsen zu gebären und immer wieder zu gebären, bis die gesamte Menschheit dem internationalen Leihkapital restlos zinspflichtig geworden ist.

Diese drei Punkte sind es also, die uns zum erstenmal klar machen, wo allein wirksam der Hebel anzusetzen ist für die Linderung unserer internen Finanznot. Zum andern erkennen wir, daß der Sturmlauf der gesamten sozialistischen Gedankenwelt gegen das industrielle Kapital vollkommen verfehlt ist, weil auch eine gedachte vollkommene Wegsteuerung oder Sozialisierung des gesamten Unternehmergewinnes – ungeschwächte Wirtschaft vorausgesetzt – einen lächerlich geringen Betrag ergeben würde, gemessen an den ungeheueren finanziellen Lasten unseres Reichs- und Staatsbudgets.

Durch die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes kann mit einem Schlage die ganze Finanzmisere beseitigt werden; mit einem Male fühlen wir wieder festen Boden unter den Füßen; mit einem Male muß es uns und wird es uns klar werden, daß wir uns mit dieser unglückseligen Anleihewirtschaft nur selber in geradezu grotesker Weise angelogen haben. –

Was ist denn Leihkapital anderes, als Schulden! Leihkapital sind Schulden! – das kann man gar nicht oft genug wiederholen. Die Kriegsanleih[e] war ein mammonistischer Schwindel. Was ist es für ein Wahnsinn, wenn das deutsche Volk in seiner Gesamtheit für seinen Krieg 150 Milliarden gepumpt hat; sich selbst hiefür eine Zinszahlung von 71/2 Milliarden versprochen hat und nun sich in die von vornherein selbstverständliche Verlegenheit versetzt fühlt, diese 71/2 Milliarden in Gestalt von geradezu phantastischen Steuern bei sich einzutreiben. Das tragische an diesem Selbstbetrug ist indes weniger die Dummheit dieser ganzen Kriegsanleihewirtschaft, auf die wir uns dem Ausland gegenüber immer so viel zu gute getan haben, als vielmehr die Tatsache, daß lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Großkapitalisten einen ungeheuren Nutzen daraus zieht und das gesamte arbeitende Volk einschließlich den mittleren und kleineren Kapitalisten, sowie einschließlich von Handel und Gewerbe und Industrie die Zinsen bezahlen müssen. Und hier tritt die politische Seite des ganzen Gedankens zu Tage. Hier können sie erkennen, daß tatsächlich das Großleihkapital und nur dieses der Fluch der gesamten arbeitenden Menschheit ist. Man mag das Ding drehen und wenden wie man will, immer muß die Masse aller werktätigen [sic! Werktätigen] für die Leihkapitalzinsen letzten Endes aufkommen. – Die mittleren und kleineren Kapitalisten haben nichts von ihren schönen Zinsen, können nichts davon haben, denn die Zinsbeträge müssen ihnen restlos weggesteuert werden. Ob in der Form direkter Steuern oder indirekt im Wege der indirekten Steuern, Stempeln, Abgaben oder sonstigen Verkehrsbelastungen, immer ist das werktätige Volk der Geleimte und der Nutznießer das Großkapital.

Es ist nun ganz erstaunlich zu sehen, wie die sozialistische Gedankenwelt von Marx und Engels vom kommunistischen Manifest angefangen bis herauf zum Erfurter Programm (besonders Kautzky) und auch die heutigen sozialistischen Machthaber vor den Interessen des Leihkapitales wie auf Kommando Halt machen. Die Heiligkeit des Zinses ist der Aberglaube des Mammonismus. Die Heiligkeit des Zinses ist das Tabu; der Zins ist das Allerheiligste; an ihm zu rütteln hat noch niemand gewagt; während Besitz, Adel, Sicherheit von Person und Eigentum, die Rechte der Krone, Reservate und religiöse Überzeugung, Offiziersehre, Vaterland und Freiheit mehr oder weniger vogelfrei sind, ist der Zins heilig und unantastbar. Vermögenskonfiskation, Sozialisierungen sind an der Tagesordnung, also ganz glatte Rechtsbrüche, die nur damit etwas beschönigt werden, weil sie angeblich im Namen der Gesamtheit an Einzelnen begangen werden; das alles ist erlaubt, aber der Zins, der Zins ist das „noli me tangere”, das „Rührmichnichtan”. Die Verzinsung der Reichsschuld ist das A und O der staatlichen Budgets. Sein Riesengewicht zieht das Staatsschiff in den Abgrund und doch – es ist ja alles Schwindel – ein ungeheuerer Selbstbetrug, ausgehegt einzig und allein zu Gunsten der großen Geldmächte.

Ich möchte gleich hier die später zu behandelnden Einwendungen bezüglich der kleinen Rentner kurz streifen, damit man gedanklich daran nicht hängen bleibt. Diese kommen bei der Betrachtung der ganz großen Fragen nicht in Betracht und es ist ganz selbstverständlich, daß für diese Entschädigungen vorzusehen sein werden durch weitesten Ausbau der sozialen Fürsorge.

Schwindel sagte ich, Zinsenschwindel! ein hartes Wort. Aber wenn dieses Wort, das ja während des Krieges im Felde und in der Heimat wohl das meistgebrauchte war, Berechtigung hat, so hat es diese Berechtigung am meisten für den Zinsenschwindel.

Wie war es doch mit den Kriegsanleihen? Das Reich holte aus den Taschen des Volkes mit den ersten 5 Milliarden die wirklich vorhandenen Spargelder. Das Geld floß wieder zurück. Dann kam die neue Anleihe und saugte das Geld wieder an und dazu noch die letzten Reste der Spargelder. Und wieder kam die Pumpe und saugte die Milliarden an und wieder ebbten sie zurück, bis glücklich, nachdem dies schöne Spiel neunmal wiederholt war, – das Reich 100 Milliarden Schulden gemacht hatte.

Dafür hatte das Volk allerdings 100 Milliarden schön bedrucktes Papier in Händen. – Zuerst bildeten wir uns ein, wir seien so viel reicher geworden, nun kommt der Staat und sagt, ich stehe vor dem Bankerott.

Ja, warum denn? – Ich selbst kann doch nicht bankerott werden, wenn ich auch noch so oft meinen Hundert Mark-Schein von der rechten Hosentasche in die linke stecke. Es wäre doch die allergrößte Torheit, wenn wir die Torheit unserer Kriegsanleihewirtschaft noch dadurch manifestieren würden, daß wir uns bankerott erklären.

Brechen wir die Zinsknechtschaft des Geldes! Erklären wir die Stücke der Kriegsanleihen unter Aufhebung der Zinsen zu gesetzlichen Zahlungsmitteln und wie Märzenschnee vor der Sonne wird der Alpdruck des Staatsbankerotts von uns weichen.

Man hat mir gesagt, die Aufhebung der Zinszahlung sei ein verschleierter Staatsbankerott. Nein, das ist nicht wahr! – Die Aufhebung der Zinszahlung ist kein verschleierter Staatsbankerott. Das Gespenst des Staatsbankerotts ist tatsächlich nur ein Kinder- und Ammenschreck, erfunden von den mammonistischen Gewalten.

Das Buch von Fr. Röhr „Was jeder vom Staatsbankerott wissen muß“ – ist vollkommen in mammonistischen Gedankengängen befangen und obwohl der Verfasser im allgemeinen durchaus klar die wirtschaftlichen Schädigungen erkennt, die uns durch die Sozialisierung drohen, so sehr und richtig er darauf hinweist, daß letzten Endes uns nur eine Wiederaufbauung unserer Wirtschaft retten kann, – von dem Aberglauben, von der Heiligkeit des Zinses kann er sich nicht losmachen und malt daher den Staatsbankerott ganz im Interesse des Mammonismus, als eine ganz schreckliche Katastrophe an die Wand.

Es ist interessant zu verfolgen, daß sich Röhr trotz besserer geschichtlichen Erkenntnis nicht davon losmachen kann und in seinem Schlußwort bemerkt: „Ist die vernichtende wirtschaftliche Katastrophe nicht zu vermeiden, so wird keiner von ihr verschont“, während er auf Seite 81 zugesteht, daß die Folgen staatsfinanzieller Mißwirtschaften teilweise sehr schnell wieder ausgeglichen worden sind, daß Seite 68 – möge es sein, wie es wolle, jedenfalls stehe fest, daß Rußland (im letzten Jahrhundert) diese Währungskrisen ohne dauernde Störungen überwunden hat.

Seite 76 sagt er bei Untersuchen der Wirkungen der Staatsbankerotte: daß zwar im Großen und Ganzen tiefgehende wirtschaftliche Störungen etc. eingetreten seien, daß aber weder die Vernichtung des Staates, noch die seiner wirtschaftlichen Kräfte dadurch herbeigeführt wurde. Im Gegenteil habe sich häufig genug eine baldige Wiederbelebung der Volkswirtschaft und eine Gesundung der Staatsfinanzen beobachten lassen.Der Staatsbankerott ist die Rettung der nationalen Wirtschaft. Wenn der Verfasser dann drei Zeilen weiter unten fortfährt, der Staatsbankerott bedeute unbedingt eine wirtschaftliche Katastrophe und führe ein grenzenloses Elend herauf, so bedauere ich bei dieser Logik nicht mitkommen zu können.

Doch zurück zu unserem Spezialfall! Was ist wohl ehrlicher? pharisäerhaft von der Unantastbarkeit der Kriegsanleihen zu sprechen und das Volk gleichzeitig mit einer unerhörten Steuerlast zu bedrücken? oder, wenn ein Finanzminister den Mut hätte, offen vor das Volk hinzutreten und zu erklären, ich kann die Zinsen für die Kriegsanleihen nicht bezahlen, oder nur dann, wenn ich genau ebensoviel Steuern von Euch eintreibe.

.... Ich habe aber damals während des Krieges unbedingt Geld haben müssen, was Gescheiteres (siehe England) ist mir nicht eingefallen und so habe ich den Schwindel mit den hochverzinslichen Kriegsanleihen gemacht. Verzeih’ halt liebes Volk, es war ja schließlich für Dich, aber wollen wir kein Verstecken mehr spielen, – ich, der Staat bezahlt keine Zinsen mehr und du Steuerzahler brauchst für die Bezahlung dieser Zinsen keine Steuern zu zahlen. – Das vereinfacht wesentlich unsere Geschäfte, wir ersparen den ungeheueren Steuerapparat und ebenso den ungeheueren Zinsendienstapparat, also eine Unmasse Geld und Arbeitskraft.

Ich habe mich lang bei der Aufdeckung dieses Schwindels aufgehalten, aber ich halte es für absolut grundlegend hier den Blick für das große Ganze keinen Augenblick zu verlieren.

Der Personenkreis, die die Leidtragenden wären, also wollen wir sagen, diejenigen (Erwerbseinkommenn von 1 500 Mk.) die über 30 000 Mk. Kapitalrente nach ihren Steuererklärungen bezogen haben, sind nach den bayerischen Steuererklärungen 822 Personen, das sind nur 0,4% der Steuerpflichtigen. In ganz Deutschland also beiläufig 10 000. (Die oberen 10 000!) (Bayr. St.-Z. 1913.)

Wir wollen uns nun in aller Kürze über die wichtigsten Seiten dieser revolutionären Forderung klar werden, und zwar wollen wir die Fragen zunächst von unserem nationalen Gesichtspunkt aus betrachten.

Zunächst bedarf es hierzu eines klaren Blickes auf unsere derzeitige Lage. Staatssekretär Schiffer hat sie in seiner großen Rede in der Berliner Handelskammer für „unübersehbar” erklärt. Das ist nur bedingt richtig. Übersehbar ist die ungeheure Verschuldung unserer Volkswirtschaft, die unerhörte Entwertung unserer Zahlungsmittel, kurzum die Tatsache, daß wir über Nacht ein armes Volk geworden sind. Wir sind ein armes Volk geworden.

Die Belastungen, die uns durch den Friedensschluß auferlegt werden, lassen sich allerdings nicht übersehen. Die bereits vorhandenen Schuldverschreibungen beziffern sich, wie wir gesehen haben, auf rund 250 Milliarden. Wir wollen einmal annehmen, daß uns die Entente weitere 50 Milliarden an Kriegsentschädigung in irgendeiner Form auferlegt, so sind das zusammen rund 300 Milliarden Schulden.

So schwer es sich in den engen Rahmen dieser Abhandlung pressen läßt, müssen doch einige Worte über die Größe des deutschen Nationalvermögens an dieser Stelle gesagt werden. Die Untersuchung von Helfferich und Steinmann-Bucher beziffern das deutsche Nationalvermögen auf rund 350 Milliarden. Man kann derartigen Feststellungen, so vorsichtig sie aufgebaut sein mögen, nur sehr bedingten Wert beimessen. Sie gelten überhaupt nur für Zeiten ungestörter Wirtschaft. Sie sind aber auch da schon irreführend, indem die staatlichen und gemeindlichen Besitzungen mit aufgenommen sind, also zum Beispiel auch Straßenbauten, Flußkorrektionen usw. Es leuchtet ein, daß zwar die Herstellung derartiger Arbeiten ungeheures Geld gekostet hat, daß sie aber doch eigentlich keinen Eigenwert haben. Ein besserer Maßstab für die Höhe des Nationalvermögens ist das sogenannte steuerbare Vermögen, wie es sich aus den Steuererklärungen zum Wehrbeitrag oder die Kriegsvermögenssteuer ergibt. Hierfür ergab sich eine Gesamtsumme von 192 Milliarden, also ganz erheblich viel weniger, als nach den Aufstellungen Helfferichs. Es mag zu dieser Summe noch ein Zuschlag gemacht werden von etwa erfahrungsgemäß 10% für die gesetzlich steuerfreien kleinen Vermögen und etwa ein gleich großer Zuschlag für „stille Reserven”.

Jedenfalls erscheint es mir utopisch, von einem Nationalvermögen zu sprechen von über 250 Milliarden. Aber auch diese Ziffer hat nur ganz bedingten Wert. Das Richtigste wäre, mit der Vorstellung eines ziffernmäßig faßbaren Nationalvermögens überhaupt zu brechen und zu der Erkenntnis durchzudringen, daß das Nationalvermögen ausschließlich seinen Ausdruck findet in der geistigen und körperlichen Arbeitskraft der ganzen Nation, also Größenordnungen angehört, die mit dem engeren Kapitalbegriff gar nichts zu tun haben. Zwar müssen wir noch eine weitere Quelle des Nationalvermögens in dem Vorhandensein von Bodenschätzen, Waldreichtum und fruchtbarer Erde erblicken, aber auch diese Dinge lassen sich nicht ziffernmäßig fassen, da sie zwischen Null und Unendlich schwanken, je nachdem die Bodenschätze brachliegen oder auf Grund geologischer Gutachten nach Milliarden von Tonnen Kohlen usw. berechnet werden.

Wir wollen nicht vergessen, daß Deutschland eigentlich ein armes Land ist. Monopole besitzt es fast gar keine. Im Reichtum an Bodenschätzen steht es weit hinter den meisten Nachbarländern zurück, ganz zu schweigen von den unerhörten Bodenschätzen des chinesischen, indischen und amerikanischen Reiches. An Fruchtbarkeit des Erdbodens steht es weit zurück gegenüber den gesegneten Gefilden der russischen schwarzen Erde, gegenüber den mühelos produzierenden tropischen und subtropischen Landstrecken. So bleibt uns letzten Endes immer nur die Arbeitskraft und der Arbeitswille unseres Volkes sowie das Vorhandensein von genügender Arbeit und wir müssen uns darüber klar sein, daß bei dieser Sachlage von fundierten Anleihen, von einer dinglichen Sicherheit für unsere Schuldverschreibungen keine Rede sein kann.

Ob verzinsliche Kriegsanleihe oder unverzinsliche Reichsbanknote, es steht einzig und allein hinter ihnen die Steuerkraft des ganzen Volkes, und was ist die Steuerkraft anderes als eine Funktion der Arbeitsleistung der gesamten werktätigen Bevölkerung.

Wir müssen uns nun noch über einen weiteren hier angeschnittenen Fragenkomplex kurz klar werden, und zwar über die Hauptposten unserer staatlichen Einnahmequellen und Ausgaben. Es ist ein merkwürdiger Gegensatz zwischen dem breiten Raum, den die Geldbeschaffungsfrage in unserem Privatleben einnimmt und dem Interesse, das wir den großen Fragen unserer staatlichen Finanzgebarung entgegenbringen, und doch besteht durchaus kein wesentlicher Unterschied zwischen der Einzelwirtschaft und der Volkswirtschaft.

Die Hauptposten der Staatseinkünfte sind: erstens die Reinerträgnisse der Posten und Eisenbahnen, zweitens die aus Bergwerken, Forstverwaltungen und sonstigen Staatsbetrieben, drittens die Zölle und indirekten Steuern, und viertens die direkten Steuern.

Wie sieht es in Bayern aus? Ich will, um bei derart eminent praktischen Fragen nicht nur theoretische Erörterungen zu pflegen, an Hand des bayerischen Staatshaushaltes[1] des Jahres 1911 die einzelnen Posten nach ihrer Größenordnung kurz erläutern. – Post, Telegraph und Eisenbahnen[2] brachten 120 Millionen, Forsten, Bergwerke usw. rund 40 Millionen, die indirekten Steuern 53 Millionen, die direkten Steuern 60 Millionen. Weitere 67 Millionen flossen aus Stempelabgaben, Gebühren, Erbschaftssteuern, Grundgefällen, Uberweisungen  [sic! Überweisungen] seitens des Reiches usw.

Wie steht es nun mit den Ausgaben. Wir finden hier an erster Stelle die Aufwendungen für die Verzinsung der Staatsschuld einschließlich der Eisenbahnanleihen mit 85 Millionen. Für das Königliche Haus 5 Millionen, Justizverwaltung 27 Millionen, innere Verwaltung 40 Millionen, Kirchen und Schulen 51 Millionen, Finanzverwaltung 13 Millionen, Ausgaben für Reichszwecke 50 Millionen, Pensionen 36 Millionen. Diverse Ausgaben 5 Millionen. Ein Einnahmeüberschuß von 27 Millionen glich damals in diesem glücklichen Jahr der bayerischen Finanzen das Jahresbudget ab.

Es interessieren uns im Rahmen unseres Gedankens indes nur die Ausgaben, die durch Brechung der Zinsknechtschaft entfallen können. Hier steht naturgemäß an erster Linie die Aufwendung für Verzinsung der Staatsschuld mit 85 Millionen, dazu der größte Teil unserer Aufwendung für die Finanzverwaltung mit etwa 10 Millionen, ferner ein großer Teil der Aufwendungen für Reichszwecke, von denen wir die Hälfte mit 25 Millionen ansetzen wollen, und schließlich entfallen heute die Aufwendungen für das Königliche Haus mit 5 Millionen, zusammen 125 Millionen.

Der Ausfall dieser Posten bedeutet die Möglichkeit des Verzichtes auf die Erhebung aller direkten und indirekten Steuern, die, wie wir sahen, 53 und 60, zusammen 113 Millionen einbrachten! Schon vor dem Kriege hätte man bei geordneten Finanzen auf alle direkten und indirekten Steuern verzichten können. Wir sind nun durchaus nicht der Meinung, daß man die direkten und indirekten Steuern ganz abschaffen solle, in vernünftigen Grenzen wirken sie zweifellos einerseits erziehlich, andererseits regulierend. Es ist sicher nicht mehr wie recht und billig, daß das Einkommen aus fundiertem Besitz einer mäßigen, gestaffelten Steuer unterworfen bleibt, der Staat muß ja auch mit seinen Machtmitteln für ungestörten Besitz sorgen; es erscheint ebenso angezeigt, daß Handel und Industrie aus ihren Betriebsgewinnen zu entsprechenden Steuerleistungen herangezogen werden, für sie hat auch der Staat für die Erhaltung und Ausbau der öffentlichen Verkehrswege zu sorgen; eine entsprechende Mindestkopfsteuer für jeden wahlberechtigten Bürger ist ebenfalls eine Forderung der Gerechtigkeit, vom Staate wird auch die Obhut für Sicherheit der Person und des Eigentums verlangt.

Auf dem Gebiete der indirekten Steuern könnte ein kräftiger Ausbau aller reinen Luxussteuern im besten Sinne regulierend wirken, während alle reinen Volks-Nahrungsmittel und -Bedürfnisse von Steuern frei zu halten wären!

Das Ergebnis einer solchen Steuerpolitik wäre weniger in dem hohen finanziellen Ergebnis zu suchen — davon kann keine Rede sein, da sie für die große Masse der Bevölkerung nicht eine wirkliche steuerliche Belastung, sondern nur eine Erinnerung sein soll, daß der Mensch nicht nur Einzelwesen, sondern auch Staatsbürger ist und außer staatsbürgerlichen Rechten auch staatsbürgerliche Pflichten hat. Die Erträgnisse sollen weniger zur Entlastung der werbenden Staatsbetriebe verwendet werden, deren Reinerträgnisse, wie wir gesehen haben, genügen um die ordentlichen Aufwendungen des Staates für Erziehung, Bildung, Rechtspflege, innere Verwaltung usw. zu bestreiten. Sie sollten dafür verwendet werden, besondere Kulturaufgaben des Staates zu fördern, für die im Rahmen des ordentlichen Staatshaushaltes niemals entsprechende Mittel zur Verfügung standen. Ich denke hier in erster Linie an Säuglingsheime, Blinden- und Krüppelanstalten, Kinderhorte, Mutterschutz, Kampf gegen Tuberkulose, gegen Alkohol und Geschlechtskrankheiten, für Anlage von Gartenstädten und Siedelungen, insbesondere für die Unterbringung und menschenwürdige Versorgung unserer Kriegsbeschädigten.

Unser Blick weitet sich. Wir sehen Neuland. Abschaffung aller Steuern könnte die Brechung der Zinsknechtschaft bedeuten? Sie würde es bedeuten, wenn wir als siegreiches Volk aus diesem Riesenkampf hervorgegangen wären. So wollen wir nicht zu früh frohlocken, dafür werden die uns von unseren Feinden auferlegten Lasten sorgen. — Aber jedenfalls wir sehen Neuland auf Grund der soeben angestellten, doch höchst einfachen Betrachtung unseres bayerischen Staatshaushaltes.

In den Grundzügen finden wir ganz ähnliche Verhältnisse in den übrigen deutschen Bundesstaaten, und es ist nicht zu viel gesagt, daß aus den Überschüssen der werbenden Staatsbetriebe, also den Eisenbahnen, Posten, Telegraphen, Forsten, Bergwerken usw. alle staatlichen Aufwendungen für die gesamte Rechtspflege, für die gesamte innere Verwaltung, einschließlich der Staatsbauten, alle Ausgaben für Erziehung und Bildung, sowie für Kultuszwecke, ohne Schwierigkeit bestritten werden könnte. Also ein geradezu idealer Zustand.

Warum ist das nicht so? Der Zins hat sich eingeschlichen. Wegen der Zinszahlung werden der Bevölkerung die Lebensmittel verteuert; Der Zins verteuert alles. wegen der Zinsen wird Zucker und Salz, Bier und Wein, Zündhölzer und Tabake und zahllose andere Bedürfnisse des täglichen Bedarfes mit indirekten Steuern belegt. Wegen der Zinsen müssen direkte Steuern erhoben werden, die sich scheiden in Grundsteuern, die auf verteuertes Getreide abgewälzt werden; in Haussteuern, die die Miete in die Höhe treiben; in Gewerbesteuern, die die schaffende Arbeit belasten; in Einkommensteuern, die unabwälzbar die Lebenshaltung der Beamten und Festbesoldeten herunterdrücken, und endlich ganz am Schluß, bescheiden im Geben, unersättlich im Nehmen kommt das Leihkapital mit den Kapitalrentensteuern. Aus 253 Millionen eingenommenen fatierten Kapitalrenten in Bayern auf Grund der Steuererklärungen des Jahres 1911 wurden ganze 8,1 Millionen an Staatssteuern bezahlt.

Wir haben gesehen, daß jede Kapitalrente, jeder Kapitalzins letzten Endes ausschließlich durch die Arbeit des ganzen Volkes aufgebracht werden muß. Wir haben gesehen, daß die Zinsenzahlung für die Staatsschulden den größten Posten in unserm Staatsbudget ausmachen, und wir haben gesehen, daß die Kapitalrenten-Steuerpflichtigen nur einen höchst bescheidenen Beitrag zu den Staatseinnahmen beisteuern.

Nach der Größenordnung zahlt der Kapitalist von den direkten Staatssteuern in Bayern 1911 mit 8 Millionen von 60 Millionen Gesamtsumme der direkten Steuern nur ein Achtel bis ein Sechstel. Die direkten Steuern sind nach der Größenordnung ungefähr ein Fünftel der gesamten Staatseinnahmen. Somit leistet das Leihkapital nur etwa ein Dreißigstel bis ein Achtundvierzigstel Zuschuß im Hinblick auf die gesamten staatlichen Bedürfnisse.

Es soll nicht geleugnet werden, daß die Steuergesetzgebung in den letzten Jahren besonders während des Krieges, an eine stärkere Heranziehung der Kapitalrenten gegangen ist, aber die stärkere indirekte Besteuerung hat damit so ziemlich gleichen Schritt gehalten, so daß sich das Größenverhältnis kaum verschoben hat.

Grauenhaft wird das Bild erst, wenn wir unseren Reichshaushalt betrachten. Hier liegen die Verhältnisse an sich schon viel ungünstiger. Der Reichshaushalt wird durch die Zinsen erdrückt. Das Reich hat nicht die Steuerquellen wie die einzelnen Bundesstaaten. Die direkten Steuern sind den Bundesstaaten vorbehalten, die werbenden Betriebe des Reiches beschränken sich auf die Reichspost und die Reichseisenbahn (also: NB! ohne die preußischen Staatseisenbahnen) und somit bleiben nur die Zölle und indirekten Steuern.

Die Größenordnungen dieser Reichseinnahmequellen (siehe Stat. Jahrbuch für das Deutsche Reich vom Jahre 1917 und 1918) waren im Jahre 1915 1 Milliarde Reichspost und Eisenbahn, 0,7 Milliarden Zölle, 1 Milliarde indirekte Steuern, 0,8 Milliarden besondere Einnahmen (Wehrbeitrag, Matrikularbeiträge) u. s. w. Auch hier wieder dasselbe Bild. Mehr als ein Drittel, nämlich 1,3 Milliarden verschlang schon im Jahre 1915 die Verzinsung der Reichsschuld. Auch hier hat sich wieder das Leihkapital hineingedrängt. Auch hier zieht es zu seiner Befriedigung alle indirekten Steuern heran. Zucker zahlt 163 Millionen, Salz 61 Millionen, Bier 128 Millionen, Tabak, Branntwein, Schaumwein, Leuchtmittel, Zündwaren, Spielkarten und zahllose andere Steuermittelchen mußten herhalten, um eine Milliarde zusammenzukratzen, die dann restlos in die Taschen der Kapitalisten fließt.

Heute ist die Aufbringung nur der Schuldzinsen des Reiches ein Rätsel. 8 Milliarden allein verschlingen ja doch die Verzinsungen unserer 100 Milliarden Kriegsanleihe, sowie der übrigen Kriegskredite. Die Einnahmen aus Post und Eisenbahn können kaum mehr erhöht werden. Zölle werden wir kaum mehr erheben dürfen, so bleibt wohl nur eine Verfünffachung oder Verzehnfachung der indirekten Steuern übrig; eine Unmöglichkeit! oder die klare Einsicht, daß einzig und allein die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes uns Rettung bringen kann. Ein ungeheuerer Selbstbetrug war die ganze Kriegsanleihewirtschaft. Hundert Milliarden hat das deutsche Volk von sich für seinen Krieg geborgt. 5 Milliarden Zinsen hat es sich dafür versprochen; 5 Milliarden Steuern muß es also bezahlen. Nutzen hat nur der Großkapitalist, der so viel Kapitalrenten bezieht, daß er sie unmöglich aufbrauchen kann und durch die Kapitalrentensteuer wird ihm ja nur ein ganz bescheidener Prozentsatz abgenommen, wie wir gesehen haben.

Ich hoffe schon jetzt durch die großen Linien meiner Beweisführung das menschlich begreifliche Erschrecken vieler Leser verscheucht zu haben ob des eventuellen Entgangs ihrer Zinsbezüge aus ihren schönen Wertpapieren.Kleinlicher Egoismus darf das große Ziel nicht verschleiern. Nur ganz kurz möge an einem Beispiel gezeigt werden, daß die ganze Zinsenwirtschaft große Selbsttäuschung ist, und zwar will ich dabei an eine oberste Grenze gehen von gut bürgerlichen Einkommensverhältnissen.

Gesetzt den Fall, das Arbeitseinkommen eines Familienoberhauptes sei 10 000 Mark, dazu noch 500 Mark aus Kapitalsrenten, so sind hieraus zunächst ungefähr 1500 direkte Steuern zu bezahlen, ferner in Gestalt der teueren Mieten werden mindestens 1000—1200 Mark für den ewigen Mietzins abzuziehen sein; — weitere 1000 Mark dürften durch die indirekten Steuern der fünf- bis sechsköpfigen Familie aufgezehrt werden, und schon jetzt erkennt man, daß bereits unter den glücklichen Steuerverhältnissen aus früheren Jahren von den schönen Kapitalrenten des kleineren und mittleren Kapitalisten gar nicht viel übrigbleibt. Heute kann von „Übrigbleiben“ schon gar keine Rede mehr sein; im Gegenteil erhebliche Teile des Arbeitseinkommens werden wohl, wenn man heute die phantastischen derzeitigen Steuerpläne sich ansieht, auch noch weggesteuert werden.

Ganz anders sieht sich natürlich die Sache an für den Großkapitalisten, der, sagen wir einmal, nur 1 Million Kapitalrenten bezieht. Nutzen hat nur der Großkapitalist. (Solche Leute gibt es in Deutschland heute ziemlich viele.) An Kapitalrentensteuer zahlt dieser Glückliche, wenn es hoch kommt, 50—60 000 Mark. An indirekten Steuern zahlt er auch nicht mehr als der Familienvater des vorigen Beispieles. Für seinen Haushalt kann er schließlich auch bei der heutigen teueren Zeit mit 40—50 000 Mark doch noch ganz angenehm leben. Bleiben ihm bare runde nette 900 000 Mark, für die er im nächsten Jahre bei 5% Zins neue 45 000 Mark Leihzinsen beziehen wird und das von Rechts wegen zu Lasten der werktätigen Bevölkerung.

Der kleine Rentner, der nur von seinen Zinsen lebt, wäre zweifellos geschädigt. Der kleine Rentner wird schadlos gehalten. Ist er arbeitsfähig, so müßte er sich natürlich entschließen, sich ein Arbeitseinkommen zu verschaffen. Damit stellt er sich dann immer noch sehr viel besser, als die Millionen seiner Volksgenossen, die nichts haben, außer ihrer körperlichen oder geistigen Arbeitskraft. Will er das nicht, so muß er sein Vermögen einzehren. 20 Jahre lang hat er ja schließlich immer noch daran zu zehren, wenn er wie bisher 5% an Zinsen von nun ab als Einzehrung verbraucht. Für Personen, die nicht in der Lage sind, zu arbeiten, oder durch Krankheit und Alter geschwächt sind, muß selbstverständlich durch Ausbau der sozialen Fürsorge für alle Bevölkerungskreise für eine entsprechende Existenz gesorgt werden.

Ich stelle mir die soziale Fürsorge wie folgt vor:

Nehmen wir an, eine ältere Dame, eine Witwe, die bisher von den Zinsen eines Kapitalvermögens von 60 000 Mark leben mußte, wird durch die gesetzlich ausgesprochene Brechung der Zinsknechtschaft um ihre Einnahmequelle gebracht. Hier wäre durch weitesten Ausbau des Leibrentenwesens der betreffenden Person Gelegenheit gegeben, eine ihrem Kapital entsprechende Leibrente zu beziehen, wobei die jährliche Rente sogar gegenüber dem bisherigen Zinserträgnis erhöht werden könnte, um auch diesem Personenkreis einen gewissen Ausgleich für den gesunkenen Geldwert zu geben. Also so daß z. B. gegen die eingelieferten 60 000 Mark in Schuldtiteln des Reichs, der Staaten oder in Pfandbriefen eine jährliche lebenslängliche Rente von 4000 Mark gegeben werden könnte. Hat die Witwe Kinder und will sie diesen einen Teil des Vermögens vererben, so kann ihr freigestellt werden, nur 40 000 Mark in eine Leibrente umzuwandeln, während die restlichen 20 000 Mark für die Kinder erhalten bleiben. Aus den 40 000 Mark könnten ja nach dem Alter der Leibrente Nachsuchenden bis zu 1/12 des eingelieferten Kapitals gegeben werden. Auch hier sei wiederum darauf verwiesen, daß durch die Brechung der Zinsknechtschaft die Lebenshaltung der Witwe durch den Fortfall der drückenden Steuern ganz erheblich verbilligt wird.

Es würde weit über den Rahmen dieses Aufsatzes hinausgehen, im einzelnen den persönlichen Interessen einzelner Schichten der Bevölkerung nachzugehen. Es kann sich bei einer so umwälzenden Forderung auch gar nicht um persönliche Interessen handeln und trotzdem wird man bei den Auswirkungen des Gedankens die Erfahrung machen, daß die heilsamen Folgen schließlich wieder jedem einzelnen persönlich zugute kommen werden.

Gerade an dem schon oben angeschnittenen Problem der Zinslosmachung der Kriegsanleihen habe ich schon klar zu machen versucht, daß der kleine Kapitalist, also alle die Hunderttausende, die durch eine mehr als amerikanische Werbetätigkeit für die Zeichnung der Kriegsanleihen zur Hingabe ihrer Ersparnisse veranlaßt worden sind, von den Zinsen nicht nur nichts haben, weil sie ja selbst dafür die Steuern zahlen müssen, sondern bei der auf Schonung des Großkapitales zugeschnittenen Steuergesetzgebung für die Zinsen der Millionenzeichnungen mitzahlen müssen. Ich denke mir, daß abgesehen von diesen höchst realen Betrachtungen allein schon ein Apell an alle um das Wohl ihrer Kinder besorgten Anleihebesitzer genügen müßte, um den Verzicht auf ewigen Zins aus den Schuldverschreibungen des Reiches als ganz natürlich hinzunehmen. Der Zins belastet unsere Kinder. Was verliert denn eigentlich der Patriot, der seinem Vaterland in höchster Not 10 000 Mark gegeben hat, in diesem Falle anderes, als nur ein wucherisches Anrecht darauf, 50 000 Mark allein an Zinsen innerhalb hundert Jahren zu beziehen, ohne daß dadurch sich das Kapital auch nur im geringsten abgenützt hätte? Ewig müssen seine Kinder und Enkel dafür arbeiten, daß nur zu allererst diese Zinsen bezahlt werden können.

Die Frage der Rückzahlung der geliehenen Summen kann in verschiedener Weise gelöst werden. In meinen kurzen Leitgedanken zu vorliegendem Problem, die ich der Regierung des Volksstaates Bayern am 20. November vor. Js. eingereicht habe, habe ich den Vorschlag gemacht, einfach an Stelle der Zinszahlung die Rückzahlung treten zu lassen in 20 Jahres-Raten von 5%. Ich glaube im folgenden noch einen weit besseren Vorschlag machen zu können, der ob seiner Einfachheit sicherlich den Vorzug verdient: „Die Kriegsanleihestücke werden unter Aufhebung der Verzinsung zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt.“ Das ist das Ei des Kolumbus. Der Vorteil dieser Maßnahme ist zunächst der, daß eigentlich niemand etwas davon merkt. Die Anleihestücke bleiben ruhig in den Depots liegen, nur kriegen sie keine Jungen, so wenig wie ein Buch, oder ein Schrank, oder ein sonstiger verbrauchbarer Gegenstand, den man an seinen Freund geliehen hat.

Braucht man Geld, so holt man sich eben einen Kriegsanleihschein und bezahlt damit. Entzinsung der festverzinslichen Werte ist Gesundung in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung. So viel Schönheit und Papierwert wie unsere übrigen 10-, 20-, 100- und 1000-Mark-Scheine haben die Kriegsanleihescheine ja schließlich auch. Von einer Überschwemmung des Marktes mit Zahlungsmitteln kann bei einer derartig stoßfreien Überführung der Zinsenwirtschaft in die zinsfreie Volkswirtschaft gar keine Rede sein. Die Kriegsanleihestücke befinden sich ja bereits sämtlich wohlverwahrt und aufbewahrt in den Banktresors oder sonstigen vom Volk als diebessicher betrachteten Verstecken, als das sind der wollene Strumpf oder der Misthaufen. Es kann die Tatsache doch gar nicht geleugnet werden, daß die ausgegebenen papiernen Zahlungsmittel in Höhe von beiläufig 40 Milliarden ja auch nicht im Umlauf sind, sondern zum allergrößten Teil in der oben geschilderten Weise thesauriert sind. Unser Bedarf an Zahlungsmitteln war auch zu Zeiten der Hochkonjunktur vor dem Kriege nur etwa 4—6 Milliarden, und davon, daß wir heute mehr als das Doppelte dieser Summe bräuchten, kann bei dem sich immer mehr einbürgernden bargeldlosen Zahlungsverkehr keine Rede sein.

Ganz in der gleichen Weise ist selbstverständlich die Entzinsung für alle festverzinslichen Werte vorzunehmen. Für diese Werte, sowie für die Dividendenwerte wird sich indes mehr die ursprünglich für alle Werte vorgeschlagene „Rückzahlung“ in 20 oder 25 Jahresrenten empfehlen, so insbesondere auch für die Hypotheken. Die Brechung der Zinsknechtschaft für die Hypotheken bedeutet zweifellos die Lösung des Wohnungsproblems, die Befreiung von den unerschwinglichen Mieten. Es ist ebensowenig einzusehen, warum der Inhaber einer Hypothek aus der einmal dargeliehenen Summe ewigen Zinsgenuß haben soll, warum ihm ein mühe- und endloser Güterzufluß beschieden sein soll, warum die große Masse eines Volkes nur diesem ungesunden Zinsprinzip zuliebe jahraus, jahrein die hohen Mieten zahlen soll. Nur ganz kurz sei eingeschaltet, daß selbstverständlich von einer völligen Abschaffung des Mietzinses nicht die Rede sein kann, da ja die Verwaltung und Unterhaltung der Häuser ständig Arbeit und Geld erfordert. Es wird also eine Absenkung der Mieten nur soweit eintreten können, als durch die erfolgte Rückzahlung der Hypotheken sich von selbst ergibt.

Nur eines soll in aller Schärfe betont sein, daß die Brechung der Zinsknechtschaft nicht das geringste mit unserer gesamten werteschaffenden Arbeit zu tun hat, insofern, als dem Unternehmergeist, der schaffenden Arbeit, der Erzeugung von Gütern, dem Erwerb von Reichtum in gar keiner Weise ein Hemmnis bereitet wird; im Gegenteil wird, wie wir gesehen haben, das ganze werktätige Volk von einem dumpfen, unerklärlichen, schweren Druck befreit; unser Seelenleben wird gereinigt von einem berauschenden Gift.

Wie richtig im Laufe der Geschichte die Fruchtbarkeit des Zinsproblems erkannt worden ist, erkennen wir daran, daß zu allen Zeiten und in allen Völkern das Zinsproblem die Geister beschäftigte. Der Kampf gegen den Zins ist in der Geschichte der Völker nicht neu.

Im Alten Testament finden wir an verschiedenen Stellen, so 3. Mos. 25, 5. Mos. 15 Bestimmungen über Zinsnachlässe in der Form, daß das siebente Jahr jedesmal ein Hall-Erlaß oder Jubeljahr sein sollte, in welchem alle Schulden den Volksgenossen nachgelassen werden sollten.

Solon hat im Jahre 594 v. Chr. durch Gesetz die persönliche Schuldknechtschaft aufgehoben. Man nannte dieses Gesetz die große Seisachtheia. (Lastenabschüttelung.)

Im alten Rom verbot die lex Gemicia vom Jahre 332 v. Chr. den römischen Bürgern kurzerhand überhaupt das Zinsennehmen.

Unter Kaiser Justinian wurde ein Zinseszinsverbot erlassen, mit der Bestimmung, es dürften überhaupt keine Zinsen mehr gefordert werden, wenn die rückständigen Zinsen bis zur Höhe des ursprünglich dargeliehenen Kapitales angewachsen seien.

Papst Leo I. d. Gr. erließ im Jahre 443 ein allgemeines Verbot, Zinsen zu nehmen; es war bis dahin nur den Klerikern untersagt, Zinsen von einem Darlehen zu fordern. Nun wurde das Zinsenverbot Teil des kanonischen Rechtes und auch eine für die Laien verbindliche Vorschrift. Allmählich schloß sich auch die weltliche Gesetzgebung den kanonischen Anschauungen an, und bedrohte das Zinsnehmen sogar mit Strafe. Wir finden dies in den Reichspolizeiverordnungen der Jahre 1500, 1530 und 1577.

Allerdings wurden nun derartige Gesetze viel bekämpft und vielfach umgangen, und es mag nur noch bei diesem ganz kurzen historischen Rückblick als eine erstaunliche historische Tatsache erwähnt sein, daß während das kanonische Recht vom 11. bis 17. Jahrhundert den Christen das Zinsnehmen verboten hatte, dies den Juden gestattet war.

Es wäre außerordentlich reizvoll, zu untersuchen, welche wirtschaftlichen Auswuchserscheinungen jeweils zu diesen gewaltsamen Lastenabschüttelungen geführt haben. Es wäre besonders wertvoll, zu sehen, welche Mächte und Kräfte die Zinsverbote immer wieder durchbrochen haben.

Im Mittelalter ist ja wohl mit den Wucherern oft kurzer Prozeß gemacht worden, die Bauern oder ausgesogenen Bürger haben sich zusammengetan, und die Wucherer erschlagen. Heute sind wir in ein ganz anderes Entwicklungsstadium des Zinsproblems getreten. Solche Pogrome werden aufs tiefste mißbilligt. Es handelt sich auch gar nicht mehr um einzelne lokal begrenzte Krankheitserscheinungen, die durch das Ausschneiden des Eiterherdes bekämpft werden könnten, es handelt sich um eine schwere Erkrankung der ganzen Menschheit. Es mag ganz besonders betont sein, daß gerade unsere heutige Kultur gerade die Internationalität der wirtschaftlichen Beziehungen das Zinsprinzip so mörderisch machen. Der gegebene historische Rückblick soll auch gar keine Analogie sein für die heutigen Verhältnisse. Wenn die Babylonier die Assyrer, die Römer die Karthager, die Germanen die Römer überwanden, so gab es keine Fortdauer der Zinsknechtschaft; es gab keine internationalen Weltmächte. Die Kriege wurden auch nicht durch Borgen finanziert, sondern mit den während des Friedens angesammelten Schätzen. Eine sehr nette Zusammenstellung hierüber gibt David Hume in seiner Abhandlung über den Staatskredit. Erst die neue Zeit mit ihrer Kontinuität des Besitzes und ihrem internationalen Recht läßt die Leihkapitalien ins Unangemessene steigen. Der Pfennig, der zur Zeit von Christi Geburt auf Zinsen gelegt wurde, existiert nicht mehr, weil inzwischen mehrmals alle Besitzrechte der Gewalt weichen mußten; dagegen existiert der Pfennig, den der alte Rotschild auf Zinsen gelegt hat und wird, wenn es ein internationales Recht gibt, in alle Ewigkeit existieren. Es ist außerdem zu bedenken, daß weite Strecken der Erde erst in der neuen Zeit von der Naturalwirtschaft zur Geldwirtschaft übergegangen sind. Ganz besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts alle Beschränkungen im Zinsennehmen bezw. alle Zinsverbote abgeschafft wurden. So in England im Jahre 1854, in Dänemark 1856, in Belgien 1865, in Oesterreich 1868.

Also nicht viel älter wie ein halbes Jahrhundert ist der mit dem Geldbesitz heute als unzertrennlich betrachtete Zinsbegriff. Aber gerade dieser Zinsbegriff hat erst das Geld zu der dämonischen Macht von so allgemeiner Gewalt werden lassen, wie wir es kennen gelernt haben. Erst seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts datiert auch die beginnende und dann immer stärker werdende Verschuldung der Staaten gegenüber den Kapitalisten. Erst seit dieser Zeit sehen wir den Staat vom Sachwalter der Volksgemeinschaft zum Sachwalter der kapitalistischen Interessen herabsinken. Diese Entwicklung hat ihren Höhepunkt in den Kriegsanleihen erreicht, denen wir in allen Ländern begegnen, die ausschließlich, wie wir erkannt haben, nur mammonistischen Interessen dienen, und denen nunmehr durch das riesenhafte Kreditgebäude einer Weltanleihe die Krone aufgesetzt werden soll.

Diese kurzen Rückblicke mögen es uns erleichtern, daß wir endgültig mit der Vorstellung brechen, es müsse dem Leihkapital die überirdische Macht verliehen sein, ewig und unaufhaltbar aus sich selbst heraus zu wachsen. Mit einer fürchterlichen aussaugenden Kraft begabt. Wir müssen damit brechen, daß das Leihkapital unerreichbar dem Weltgeschehen und Vergehen soll tronen können über den Wolken, unerreichbar der Vergänglichkeit, unerreichbar den Gewalten der Zerstörung, unerreichbar den Geschossen unserer Riesengeschütze. Das Leihkapital ist die Geißel der Menschheit. Denn mögen auch Häuser und Hütten, Eisenbahnen und Brücken von Granaten zerschmettert in Staub und Asche sinken, die Hypotheken bleiben bestehen, die Eisenbahn- und Staatsschuldverschreibungen werden dadurch nicht ausgetilgt. Mögen Dörfer und Städte, ganze Provinzen der wahnsinnigen Zerstörung des Krieges zum Opfer fallen, was verschlägt es, neue Schuldverschreibungen bedeutet dies. Mit gierfunkelnden Augen sieht die über den Wolken tronende goldene Internationale dem tollen Treiben der Menschheit zu. Und nicht fern ist die Zeit, bis schließlich restlos die ganze Menschheit als Zinsklaven dem Mammonismus dient. …

International ist der Gedanke; die ganze Welt muß er befreien. Heil der Nation, die zuerst den kühnen Schritt wagt. Bald werden alle anderen folgen. Die oft an mich herangetretene Frage, ob der Gedanke überhaupt national durchführbar sei, beantworte ich mit — ja. — Wir sind intern verschuldet. Gegen ausländische Zinsansprüche sind wir natürlich zur Zeit machtlos; die müssen eben bezahlt werden. Übermäßiger Kapitalabfluß muß nach Möglichkeit gesperrt werden, aber, so wenig sich der Gesetzgeber davon abhält, Gesetze gegen Mord, Totschlag, Betrug etc. auszuarbeiten, weil es doch immer wieder Lumpen gäbe, so wenig darf sich ein Volk in seiner Gesamtheit davon abhalten lassen, einen als notwendig erkannten Schritt zur Gesundung seiner Staatsfinanzen zu tun, nur deshalb, weil nicht gerade die besten Teile des Volkes ihr errafftes Geld im Auslande in Sicherheit zu bringen versuchen. Die Brechung der Zinsknechtschaft ist trotz ihrer Internationalität national möglich. — Gesetzt den Fall, es würden Hunderte, ja Tausende von Millionen Kriegsanleihestücke ins Ausland verbracht werden, so würde selbst dies noch kein einschneidendes Moment für die Unterlassung der Brechung der Zinsknechtschaft sein können, denn der Größenordnung nach müssen ja doch von den über 250 Milliarden festverzinslichen inländischen Anlagewerten der allerallergrößte Teil im Inlande verbleiben.

Wir wollen nochmals kurz zusammenfassen.Schlußbemerkung. — Die Brechung der Zinsknechtschaft ist das Radikalmittel für die endgültige und dauernde Gesundung unserer Staatsfinanzen. — Die Brechung der Zinsgemeinschaft bedeutet die Möglichkeit des Verzichtes auf drückende direkte und indirekte Steuern, weil die werbenden Betriebe des Staates bisher schon und erst recht nach Vornahme weiterer für die Sozialisierung geeigneter Gebiete (Binnenschiffahrt, Elektrizitätsversorgung, Luftverkehr usw.) genügend Überschüsse in die Staatskassen abliefern, um daraus alle sozialen und kulturellen Aufgaben des Staates zu bestreiten.

Über diesen finanziellen Gesichtspunkt hinaus wird die Brechung der Zinsgemeinschaft der schaffenden Arbeit in allen Berufszweigen die ihr gebührende erste Stelle einräumen. Das Geld wird wieder zurückverwiesen in die ihm allein zukommende Rolle, ein Diener zu sein in dem gewaltigen Getriebe unserer Volkswirtschaft. Es wird wieder werden, was es ist, eine Anweisung auf geleistete Arbeit und einem höheren Ziel wird damit der Weg geebnet, der Abkehr von der rasenden Geldgier unseres Zeitalters.

Der Gedanke will eine geschlossene Front der ganzen werktätigen Bevölkerung herstellen vom besitzlosen Arbeiter, der wie wir gesehen haben, sehr kräftig im Wege der indirekten Steuer für die Befriedigung des Leihkapitales herangezogen wird, über die gesamte bürgerliche Schicht der Beamten und Angestellten, des bäuerlichen und kleingewerblichen Mittelstandes hinweg, die in Gestalt von Wohnungselend, Bodenzinsen, Bankzinsen usw. die unbarmherzige Gewaltherrschaft des Geldes zu spüren bekommen, bis weit hinauf zu den führenden Köpfen, Erfindern und Direktoren unserer Großindustrie, die alle samt und sonders mehr oder weniger in den Krallen des Großleihkapitales stecken, für die es als erste Lebensaufgabe immer heißt: Renten, Zinsen, Dividenden erarbeiten für die hinter den Kulissen spielenden Geldmächte. Nicht minder gehören auch alle Kreise der Intelligenz, Künstler, Schriftsteller, Schauspieler, Wissenschaftler, sowie die übrigen Angehörigen der freien Berufe hinzu.

Mag das Großleihkapital bewußt oder instinktiv als natürliche Personengruppe oder als Personifikation des Zinsprinzips die Tatsache seiner unbeschränkten Herrschgier zu verdecken suchen, mag unsere ganze auf dem römischen Recht, also dem dem Schutz seiner Plutokratie dienenden Rechte hervorgegangene Rechtssprechung noch so sehr den Schutz des Eigentums in den Vordergrund gedrückt haben und damit in das Rechtsbewußtsein unseres Volkes eingedrungen sein, die Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes muß kommen, als einziger Ausweg aus der drohenden wirtschaftlichen Versklavung der ganzen Welt durch die goldene Internationale, als einer der Wege, um das Gift des Mammonismus mit seiner Versumpfung und Verseuchung der Mentalität unsres Zeitalters auszutreiben.




Die Konvertierung der Kriegsanleihe in Bankguthaben.

Die in § 1 geforderte Erklärung der Kriegsanleihe-Stücke etc. zu gesetzlichen Zahlungsmitteln hat zu wiederholten Malen den Einwurf der übermäßigen Überschwemmung des Marktes mit Zahlungsmitteln hervorgerufen. Dieser Einwand ist an sich zwar irrig. Die Inflation besteht durch das bloße Vorhandensein der Kriegsanleihe. — Aber es ist richtig, daß der Gedanke an das körperliche Vorhandensein dieser zu Zahlungsmitteln erklärten Papiere trotz ihrer Irrigkeit nicht zur Ruhe kommt und daher trotz der Unwirklichkeit zu ungünstigen Nebenerscheinungen führen möchte, als ob tatsächlich eine neue Inflation stattgefunden hätte, deshalb fordern wir unter Abänderung des § 1 die Konvertierung der Kriegsanleihestücke sowie der übrigen staatlichen Schuldverschreibungen unter gesetzlicher Aufhebung der Zinspflicht in Bankguthaben.

Diese Formulierung hat den großen Vorteil, daß die Erscheinungsform der Kriegsanleihe als Wertpapier verschwände, die Stücke der Kriegsanleihe wären an die Reichsbank von den Banken, Bankiers, Sparkassen etc. einzuliefern und würden nach Gutschrift des Gegenwertes vernichtet werden. Damit würde so ziemlich jeder Mensch in Deutschland ein Bankguthaben bekommen, ein offenes Bankkonto, über das er verfügen könnte.

Eine derartige Behandlung hätte außerdem noch den großen Vorteil, daß ein Zurückhalten größerer Posten in Privatbesitz nicht möglich wäre, da nach Ablauf einer bestimmten Frist, die nicht eingelieferten Anleihestücke als ungültig zu erklären wären. Außerdem wäre eine Kontrolle immerhin möglich, wieviel Kriegsanleihe ins Ausland verbracht worden ist. Der letztere Punkt kann aber in gar keiner Weise die Duchführung der B. d. Z. hindern, denn fühlen wir uns wirklich zu schwach gegenüber dem Ausland, so müssen wir halt die vom Ausland herantretenden Zinsforderungen befriedigen, ich bin zwar persönlich durchaus der Meinung, daß wir auch ausländischen Anleihebesitzern gegenüber die Zinsloserklärung aufrecht erhalten müssen. Daß bei einem derartigen, an etwas wiedererwachendes Selbstbewußtsein erinnernden Vorgehen, die auswärtigen Zinsansprüche mit Waffengewalt durchgedrückt werden würden, bräuchten wir nicht zu gewärtigen, denn tatsächlich ist in der Geschichte noch niemals gegen einen großen Staat wegen finanzieller Maßnahmen zu Gunsten von Privatpersonen eine kriegerische Aktion vorgenommen worden. Es wäre auch gar nicht auszudenken, daß sogar das französische Volk wegen der Zinsansprüche der Herren Mayer, Schulze und Cohn aus Deutschland aus ihren über die Grenze mitgebrachten deutschen Kriegsanleihen, an Deutschland ein Ultimatum stellen würde.

Es wäre überdies möglich, um sogar den Schein eines Staatsbankerottes dem Ausland gegenüber zu vermeiden, eine Auslosung der Kriegsanleihe vorzunehmen, die dann ja leicht auf Grund der durch die pflichtmäßige Einlieferung zu gewinnenden Statistik so eingerichtet werden könnte, daß eben die als im Ausland anzunehmenden Nummern zuerst ausgelost, und in Reichsbanknoten ausgezahlt würden. Noch ein Drittes wäre die zu begrüßende Feststellung über die Verteilung der Kriegsanleihe, und die damit auch noch gegebene Möglichkeit einer außerordentlich einfachen Steuereinziehung der Vermögenssteuer, indem die Rentämter ja nur die Reichsbankstellen anweisen bräuchten, das Konto des Herrn. N. N. mit so und so viel Mark Steuern zu belasten. Auf diese Weise wäre das Steuerzahlen um vieles schmerzloser — selbstverständlich bliebe das Einspruchsrecht der Zensiten in vollem Umfange bestehen.

Bei einer derartigen Umwandlung (Konvertierung) der Kriegsanleihen in Bankguthaben könnte auch ein gewisser sozialer Ausgleich geschaffen werden, insoferne als kleinere Posten von Kriegsanleihe, also alle kleinen Zeichnungen aller derer, denen die Zeichnung der Kriegsanleihe wirklich als vaterländische Tat anzurechnen ist, also sagen wir bis 5 oder 10 000 Mark al pari gutgebracht wurde, während alle größeren Zeichnungen zum Tageskurs gutgeschrieben werden könnten. Ganz ebenso wären die Gutschriften für alle übrigen Staatspapiere zu behandeln.




Besondere Erläuterungen zu der Gesetzesforderung im Manifest.

Zu § 1) Es ist unerläßlich, daß sämtliche staatlichen und kommunalen Schuldenverschreibungen in der gleichen Weise behandelt werden, da nur so eine einheitliche großzügige Regelung unseres gesamten Geldwesens Hand in Hand mit der Brechung der Zinsknechtschaft durchgeführt werden kann.

Zu § 2) Daß die Brechung der Zinsknechtschaft gleichzeitig bei allen übrigen festverzinslichen Papieren vorgenommen werden muß, ist schon aus dem Grunde klar, um nicht ein unsinniges in die Höheschnellen dieser Papiere herbeizuführen; dies würde dann selbstverständlich eintreten, wenn nur die staatlichen Papiere als zinslos erklärt würden. Die Abtragung der Schuld als solche wäre durch jährliche Rückzahlung zu betätigen, wodurch eine stetig und gleichmäßige Entschuldung aller belasteten Objekte herbeigeführt würde.

Zu § 3) Dieser Paragraph steht im engsten Zusammenhange mit den vorangehenden ebenso wie mit der in § 5 geforderten Verstaatlichung des Realkredites. Der mit Hypotheken belastete Bauer oder Hausbesitzer bezahlt nach wie vor den Betrag weiter, den er bisher an den Gläubiger zu bezahlen hatte, aber nicht mehr als ewigen Zins, sondern als Rückzahlung. Nach 20, 25 oder 30 Jahren, je nach der Höhe des bisherigen Zinsfußes wird auf diese Weise der Grund- und Hausbesitz entschuldet sein. Die Hypothekenbank ihrerseits kann natürlich ebenso nur während dieser Zeit die Pfandbriefzinsen entsprechend weiter an Pfandbriefbesitzer bezahlen. Hand in Hand mit dieser Entschuldung tritt ein: Besitzrecht der Gemeinschaft an dem von Hypotheken befreiten Immobiliarbesitz.

Vorauszugehen hätte ein allgemeiner Wohnungs, bezw. Immobiliarkataster, denn auch der schuldenfreie Immobiliarbesitz hat natürlich das Recht auf Zurückbezahlung des investierten Kapitals, sowie ein dauerndes Anrecht auf den Teil des Mitzinses, der zur Bestreitung aller mit Immobiliarbesitz verbundenen Unkosten, Spesen usw. sowie auf entsprechende Entschädigung für persönliche Mühewaltung.

Wir wollen dies an dem Bild eines städtischen Miethauses in allgemeinen Umrissen erläutern. Das Haus hat einen Wert von 100 000 Mk. Darauf sind eingetragen die Forderung von 50 000 Mk. zu 4% einer Hypothekenbank an 1. Stelle, von 20 000 Mk. zu 5% von privater Seite an 2. Stelle und 30 000 Mk. beträgt das vom Hausbesitzer selbst aufgebrachte Geld. Die Mieteingänge sind 7000 Mk. Hievon sind abzuzahlen für die 1. Hypothek 2000 Mk., für die 2. Hypothek 1000 Mk., für Spesen, Abgaben u. s. w. 1000 Mk., im ganzen 4000 Mk. Es bleiben somit dem Hauseigentümer 3000 Mk. als Verzinsung für sein eigenes aufgewendetes Kapital von 30 000 Mk.

Nach Durchführung der gesetzlichen Zinslosmachung des Geldes ist nach 10 Jahren der Stand folgender: 1. Hypothek 30 000 Mk., 2. Hypothek 20 000 Mk. Die Kapitalforderung des Hausbesitzers ist ganz zurückbezahlt, dagegen ist ein neues, staatliches Besitzrecht getreten in Höhe von 50 000 Mk. Damit beginnt für den Staat das Mitbestimmungsrecht über die weiteren Mieteingänge, sowie die Festsetzung der Mietpreise. Es wäre nun ungerecht, den Hauseigentümer im Hinblick auf die Rückzahlung gleichzustellen mit den Hypotheken. Denn sein Kapital ist nicht das im engeren Sinne durch die Brechung der Zinsknechtschaft zu treffende reine Leihkapital; es handelt sich dabei um „riskiertes“ Kapital, nämlich um ein in ein wertvolles Gut, nämlich ein Haus umgesetzes Geld. Es ist daher für den Hausbesitzer entweder eine längere Fortdauer eines Rentengenusses, oder aber ein entsprechender Prozentsatz aus den Verwaltungsspesen des Hauses dauernd zuzugestehen.

Es kann nicht Aufgabe sein, an dieser Stelle irgend bindende Vorschläge zu machen, es handelt sich nur um Andeutungen, daß uns Anregungen wie eine reibungslose Überführung der Zinswirtschaft in die zinslose Wirtschaft auch auf dem Gebiet des Realbesitzes erfolgen könnte. Um das Beispiel übrigens noch zu vollenden, sei der Stand nach 25 Jahren angenommen: dann sind alle Hypotheken zurückbezahlt, nur die dauernden Aufwendungen sind die gleichen oder wegen des höheren Alters des Hauses erhöht von 1000 Mk. auf z. B. 1500 Mk. Der dem Hauseigentümer zugebilligte Satz aus dieser Summe sei auch etwa 1000 bis 1500 Mk., so ergibt sich demnach das Bild, daß rund 3000 Mk. von den Mieteingängen tatsächlich dauernde Lasten sind, während die überschießenden 4000 Mk. von den ursprünglichen 7000 Mk. Mieteingängen frei verfügbar wären. Der Staat hat es also in der Hand, die Mieten um mehr als die Hälfte herabzusetzen; er wird dies z. B. tun in Arbeiterhäusern, oder er setzt sie nur um 20, 30 oder 40% herab und gewinnt aus der noch verbleibenden Differenz eine ungeheure Einnahmequelle für sonstige staatliche Bedürfnisse, in erster Linie natürlich für den staatlich zu betreibenden Wohnungsneubau. In Herrschaftshäusern werden die Mieten nicht oder nicht viel abgesetzt werden, woraus weitere sehr große Mittel auch für den besseren Wohnungsbau frei werden oder für besondere soziale Zwecke. Diese Zukunftstatsache eröffnet aber — und ich halte das für eine sehr fruchtbare Perspektive — die innere Berechtigung für die Gemeinschaft (Staat) schon jetzt in die Bestimmung der Mietpreise einzugreifen in der von mir oben skizzierten Weise einer Absenkung der Mietpreise der Arbeiterwohnungen; in dem wachsenden Anteilsrecht des Staates am Immobiliarbesitz liegt die Begründung für eine fundierte Notenbank, Gutschriftsausgabe gegenüber den Hypothekengläubigern.

Zu §§ 4 u. 5) Diese Paragraphen fordern die Sozialisierung des gesamten Geldwesens. Geld ist eine nur und ausschließlich von einer staatlichen Gemeinschaft ausgegebene Anweisung auf geleistete Arbeit. Geldzeichen ausgeben ist eines der souveränen Grundrechte des Staates. Die Fälschung der staatlichen Geldzeichen steht unter schwersten Strafen, also ist es eine geradezu zwingende soziale Forderung, das Geldwesen unter die Kontrolle der Gesamtheit zu stellen. Die Arbeitsleistung der Gesamtheit ist das einzige Substrat der Geldzeichen, und nur die Verkennung dieser Grundtatsache hat zu der Verwahrlosung unserer Staatsfinanzen und zu der völligen Anarchie des Geldwesens überhaupt geführt.

Mit der in § 5 vorgeschlagenen Überlassung des Personal- und Warenkredites an Privatbankiers wird ein tiefer Einschnitt in das gesamte Kreditwesen gemacht. Für das staatliche Kreditwesen ebenso wie für das kommunale und auch für den Realkredit ist mit äußerster Konsequenz und Energie an der Brechung der Zinsknechtschaft festzuhalten, weil sie die unerläßliche Voraussetzung für den sozialen Staat überhaupt ist.

Anders steht es mit dem Personalkredit. An und für sich stellen wir auch für den Personalkredit die Forderung der Zinslosigkeit auf, doch kommt dieser Forderung nicht mehr die ungeheure und prinzipielle Bedeutung bei. Wir erinnern uns an die 250 Milliarden festverzinslichen Leihkapitals gegenüber nur 12 Milliarden Dividendenpapieren. Alle derartigen Kredite, Aktien, Anteilscheine, Cuxen, Beteiligungen u. s. w. sind riskiertes Kapital. Das Erträgnis dieser Kapitalien hängt von dem Fleiß und der Tüchtigkeit derjenigen Personen ab, denen das Geld anvertraut worden ist. Hier kommt also das Moment des Risikos, der Verlustgefahr sowie des persönlichen Vertrauens in Frage. Dafür erscheint nach wie vor eine gewisse Entschädigung besonderer Art unerläßlich. Der Aktien- u. s. w. Besitzer erhält keinerlei Entschädigung oder Gewinn, wenn das Unternehmen, dem er sein Geld anvertraut hat, nichts verdient. Er verliert sein Geld ganz, wenn das Unternehmen zusammenbricht. Anders ist es z. B. bei dem Inhaber von Schuldverschreibungen der Reichseisenbahnen. Die Reichseisenbahnen sind mit dem Verlust von Elsaß-Lothringen vollkommen verloren. Nichtsdestoweniger bekommt der Inhaber von Eisenbahnanleihen seine Zinsen weiter. Von wem? Aus den Steuern der Gesamtheit. Die Eisenbahnen mögen mit noch so großer Unterbilanz arbeiten wie in Preußen und Bayern im letzten Jahre, die Anleihebesitzer bekommen trotzdem ihre Zinsen. Von wem? Von dem Tribut aus der Arbeitskraft und dem Konsum der arbeitenden Bevölkerung.

Man möge sich nur diesen grundlegenden Unterschied recht klar machen — um endlich einmal zu erkennen wo der Vampir an der Arbeitskraft des Volkes saugt. Also der Personalkredit soll der persönlichen Behandlung durch die Privatbank überlassen bleiben bezw. wieder zugeführt werden. Die persönliche Tüchtigkeit des Kreditsuchenden, die der Bankier persönlich kennt, soll wieder ausschlaggebend werden für den Personalkredit. Die vom Staate festgesetzten Gebühren regulieren sich von selbst nach der ohnehin durch die Brechung der Zinsknechtschaft einsetzenden Geldflüssigkeit.

Zu § 6) Das prinzipiell in § 5 Gesagte gilt auch für die Dividendenwerte im besonderen. Im Interesse der sozialen Staatsgemeinschaft muß indes gefordert werden, daß auch für die großen Industrieunternehmungen eine Rückzahlung des einmal geliehenen Kapitals angestrebt wird — um auch hier einen Abbau der Verschuldung der einzelnen industriellen Werke gegenüber denen, die nur Geldgeber sind, herbeizuführen. Denn tatsächlich wiederholt sich hier in kleinerem Verhältnis, was wir bei dem Großleihkapital gegenüber den ganzen Völkern beobachten konnten. Auch hier beutet der Kapitalist den Arbeiter, den Werkmeister, den Ingenieur, den Unternehmer aus, ganz gleichmäßig, denn zuerst kommt der Zwang, Dividende verdienen zu müssen. Erreichen wir aber den Stand der vom ewigen Zinssauger befreiten industriellen und gewerblichen Unternehmungen, so ist erst dann der Weg offen zur Absenkung der Preise, der Fabrikate, der Zuführung und Verteilung des Mehrwertes, teils an die Gemeinschaft, teils an die Arbeiter und Beamtenschaft und das Direktorium der einzelnen Unternehmungen, also an diejenigen, die wirklich allein Gütererzeugung und Werte schaffen.

Zu § 7) In diesem Paragraphen spielt natürlich auch das ganze Gebiet des Versicherungswesens herein, das sich analog auf zinsloser Grundlage aufbauen läßt. Die eingezahlten Prämien können nicht durch Hinzukommen der Zinsen wachsen, sondern die Versicherungsgesellschaften werden zu Sparkassen, das heißt das Versicherungsrisiko und der Versicherungsvorteil bleiben erhalten. Hierfür hat die staatliche Gemeinschaft aufzukommen.

Zu § 8) Bezüglich der Entwertung unseres Geldes, die nur durch die ungeheure Masse unserer zahllosen Schuldverschreibungen hervorgegangen ist, fordern wir eine stark gestaffelte Vermögensabgabe. Wir legen dabei den Nachdruck auf „stark gestaffelt“. Denn eine Vermögensabgabe, eine Abstempelung der Noten u. s. w. ist jetzt auch nichts anderes wie ein Selbstbetrug, mit dem man dem Volk Sand in die Augen streut. Denn wenn ich auch überall die Hälfte aller Vermögen einziehe und in Wertpapieren zahlen lasse und diese einstampfe, so wird dadurch doch nur erreicht, daß das Papier weniger wird, und dafür der Umrechnungsfaktor einen im selben Maße erhöhten fiktiven Wert bekommt. Den wirklichen Wert haben immer nur die Verbrauchs- und Gebrauchsgüter, niemals die papierenen Anweisungen auf geleistete Arbeit. Eine andere Frage ist es, ob sich damit die Valuta unserer Markwährung bessern läßt. Aber auch diese Valutabesserung ist im letzten Grunde wieder nur abhängig von der Arbeitskraft und der Produktion, das heißt der Produktionsmöglichkeit unserer gesamten Volkswirtschaft.




Die Einwände und ihre Widerlegung.

Noch nie hat sich eine Idee widerspruchslos durchsetzen können, am wenigsten eine Idee, die so radikal mit den althervorgebrachten Anschauungen von der Heiligkeit und Unantastbarkeit des Zinses bricht. Bei den erhobenen und zu erwartenden Einwendungen ist immer ein Zweifaches zu beobachten: Zuerst ist zu untersuchen: Was ist absichtliche Entstellung des Gedankens der Brechung der Zinsknechtschaft bei den gemachten Einwendungen, und zum Zweiten, was ist auf alle ehrlichen und sachlichen Bedenken zu antworten.

Der häufigste Einwand ist die Behauptung: ohne Zinsgenuß wird niemand sein Geld ausleihen.

Wir wollen ja gar nicht mehr, daß jemand sein Geld herleiht. Kredit war die List, war die Falle, in die unsere Wirtschaft gegangen ist, und in die sie nun hilflos verstrickt ist. — Braucht das Volk wirklich dringend größeres Kapital, so nimmt es zinslos nur gegen Rückzahlung bei der Zentralstaatskasse die benötigten Gelder auf, eventuell gibt es neue Banknoten aus, — warum soll es denn verzinsliche Scheine ausgeben?! — ob verzinsliches oder unverzinsliches Papier, ganz gleich! — dahinter steht einzig und allein die Arbeitskraft, die Steuerkraft des Volkes. Warum von vornherein jede staatliche Aufwendung mit dem Bleigewicht des ewigen Zinses belasten?!!

Ja, aber wie soll der Staat seine Kulturarbeiten der Allgemeinheit gegenüber erfüllen? Er muß doch Geld haben und kann dieser Aufgabe doch nur auf dem Anleihewege gegen Zinsvergütung gerecht werden.

Diese Behauptung beruht auf einem ausschließlich mammonistischen Gedankengang. Sie ist nach gründlicher Lektüre des Manifestes bewußt auf Irreführung berechnet, denn wir haben erstens nachgewiesen, daß alle kulturellen und sozialen Aufgaben des Staates aus den werbenden Staatsbetrieben, aus den Erträgnissen von Post, Eisenbahn, Bergwerken, Forsten usw. nach Brechung der Zinsknechtschaft ohne weiteres gedeckt werden können. Zweitens hat es der souveräne Volksstaat jederzeit in der Hand, durch Ausgabe unverzinslicher Wertzeichen an Stelle der im mammonistischen Staate zur Regel erklärten verzinslichen Wertpapiere für besondere Kulturaufgaben zu sorgen. Es ist durchaus nicht einzusehen, warum der Staat sich besondere Kulturaufgaben z. B. Eisenbahn-, Kanal- und Wasserkraftbauten durch ein ewiges Zinsversprechen ganz unnötig sich verteuern soll. Kann er aus laufenden Mitteln seiner werbenden Staatsbetriebe nicht die Baukosten usw. bezahlen, so ist kein Grund zu sehen, warum der Staat nicht das Geld machen soll, das souveräne Volk muß ja dafür aufkommen, indem es eben dieses Geld als Zahlungsmittel anerkennt. — Warum soll aber das Volk mit seiner ganzen Arbeits- und Steuerkraft sich hinter ein anderes Stückchen Papier (die verzinsliche Anleihe) stellen, das dem Volk in seiner Gesamtheit nur eine ewige Zinsverpflichtung auferlegt zu Gunsten des Kapitalisten!? Also weg mit dieser Zwangsvorstellung aus dem mammonistischen Staat.

Es werden dann eben die Kapitalisten die ausgegebenen Papierscheine an sich ziehen und Papiergeld aufstapeln.

Dagegen spricht zweierlei. Erstens wäre ja dann von sich selbst aus die Forderung schon erfüllt, daß reiner Geldbesitz unfruchtbar sein soll, also die Brechung der Zinsknechtschaft von den Kapitalisten freiwillig vorgenommen; denn wenn der Kapitalist seine Papierscheine zuhause aufspeichert, so verzichtet er ja schon von selbst auf Zinsen. Zweitens spricht dagegen die Angst des Kapitalisten um sein Geld, man braucht sich nur die schlaflosen Nächte des Papiergeldhamsterers vorzustellen, der große Geldbeträge zuhause aufgespeichert hält und seinen Besitz ständig von Dieben, Räubern, Einbrechern, Haussuchungen, Feuers- und Wassernot bedroht sehen müßte. Ich bin überzeugt, daß der Biedermann diesen Aufregungen nicht lange Zeit gewachsen sein würde, und bald den Weg zur Staatsbank fände. Die Staatsbank stellt einen Gutschein aus und haftet nun für den Bestand, nicht aber für irgendwelche Zinsen. Im übrigen bleibt ja immer noch jedermann eine dritte Möglichkeit offen, nämlich mit seinem Gelde zu arbeiten, Werte zu schaffen und Güter zu erzeugen, sich an industriellen Unternehmungen zu beteiligen, sein Leben immer reicher und schöner zu gestalten, Kunst und Wissenschaft zu unterstützen, kurzum unter Abkehr von Mammonskult sein Geld nutzbringend zu verwerten.

Es kann aber doch sein, daß für irgendwelche Zwecke sich dringend privater Kapitalbedarf einstellt, z. B. für Ausprobierung von Erfindungen, Geschäftsgründungen von jungen, tüchtigen Handwerkern, Geschäftsleuten usw.

Zunächst hat dies mit der Brechung der Zinsknechtschaft gar nichts zu tun! Denn erstens muß man logischerweise annehmen, daß der Kapitalist, der nach Brechung der Zinsknechtschaft ja keine Gelegenheit mehr hat, seine Gelder bombensicher anzulegen und auf trägen Zinsgenuß zu spekulieren, viel mehr wie früher geneigt sein wird, sein Geld für derartige Zwecke zu riskieren, daß also ein Mangel oder Bedürfnis in dieser Richtung viel weniger wie bisher eintreten wird, oder hat man nicht gerade im Gegenteil von den tüchtigsten Geschäftsleuten, den klügsten Erfindern immer wieder die Klage gehört, wie schwer es ist, im mammonistischen Staat Geld für solche Zwecke zu bekommen, wenn nicht eine „Rente“ garantiert werden konnte. Zweitens muß es Aufgabe des kommenden Staates sein, jeder tüchtigen Kraft durch großzügige Unterstützung voranzuhelfen. Hierzu waren ja bisher im alten Beamtenstaat auch schon Ansätze da, aber so engherzig, daß meistens statt einer Förderung eine Hemmung und Verdrossenheit herauskam, durch die mit der Gewährung staatlicher Unterstützung verbundenen schikanösen Bestimmungen. Drittens sei bemerkt, daß mit der Bereitstellung von mehreren Millionen ungeheuer viel erreicht werden könnte. Die Arbeitsfreudigkeit, der Fleiß und die Zähigkeit des deutschen Erfinders, Ingenieurs, Handwerkers etc. ist so groß, daß durch das Beteiligungsrecht des Staates an den Ergebnissen glücklicher Erfindungen höchst wahrscheinlich reichlich die gemachten Aufwendungen wieder hereingebracht würden. (England als Beispiel.)

Die Brechung der Zinsknechtschaft führt notwendigerweise zur Aufzehrung des Vermögens.

Oho! Wer behauptet das? Oder doch ja! Wer sein Leben eingestellt hat auf das Verzehren seiner Kapitalzinsen und sich nicht entschließen kann zur Arbeit, bei dem stimmt es allerdings; der wird in 20 Jahren bei jährlich 5% Einzehrung restlos mit seinem Vermögen fertig. Ja das ist aber doch auch ganz in der Ordnung! Wir wollen ja gerade die Brechung der Zinsknechtschaft, wir wollen ja, daß das Rententum aufhört, das höchste Ideal für den Staatsbürger zu sein. — Wir wollen ja aufhören mit dieser mammonistischen Versumpfung, wir wollen ja nicht mehr dulden, daß einer, daß viele nur von ihren Leihzinsen, das heißt auf Kosten Anderer dauernd gemütlich leben können!

Ich komme zurück: es ist auch gar nicht wahr, daß die Brechung der Zinsherrschaft zur Aufhebung und der Aufzehrung der Vermögen führen würde. Im Gegenteil, die Brechung der Zinsknechtschaft fördert die Vermögensbildung auf Grund der von den ewigen Zinsabgaben befreiten und entlasteten werteschaffenden und gütererzeugenden Arbeit. Die Brechung der Zinsknechtschaft führt, wie wir gesehen haben, zu einer durchgreifenden Verbilligung des ganzen Lebens, sie entlastet uns von dem übermäßigen Steuerdruck, sodaß für jeden arbeitenden Menschen in Zukunft die Möglichkeit, Ersparnisse zu machen, größer sein muß als bisher. — Noch eins! Die güter- und werteschaffende volkswirtschaftliche Arbeit von Industrie, Handel und Gewerbe wird ja durch die Brechung der Zinsknechtschaft in gar keiner Weise gehemmt, sondern im Gegenteil möglichst gefördert.

Was hat den der Arbeiter davon, wenn die Kapitalisten keine Zinsen mehr bekommen?

Diese Frage hätte eigentlich nicht mehr kommen dürfen! Erstens war es ja der stete Kampfruf der Arbeiterschaft, daß die Kapitalisten die Arbeiter ausbeuten würden, zweitens haben wir ja klar und deutlich gesehen, daß gerade der Arbeiter in Gestalt von indirekten Steuern in hervorragendem Maße herangezogen wird zur Bezahlung der Leihzinsen, siehe Seite 27.

Die Familienbande werden geschwächt und zerrissen, wenn man den Kindern kein Vermögen hinterlassen kann.

Ja wie liegt hier der Fall? Ganz allgemein meine ich, daß das Geld mit Familiensinn wenig oder gar nichts zu tun hat, oder hat man gehört, daß die Kinder vermögender Eltern mehr an ihren Eltern hängen als die von armen Eltern, oder lieben reiche Eltern ihre Kinder mehr, als wenig begüterte? Was ist wohl wichtiger für die Kinder, daß ihnen die Eltern eine möglichst gute Erziehung angedeihen lassen und sie was Tüchtiges lernen lassen, sie zu fleißigen und gesunden und mutigen Menschen erziehen, oder daß sie ihnen einen möglichst großen Geldsack hinterlassen? Im besonderen wird zweifellos ein berechtigtes Streben anerkannt werden müssen, auch finanziell die Zukunft der Kinder sicherzustellen. Dieses Streben, also der Sparsinn der Eltern für ihre Kinder, wird durch die Brechung der Zinsknechtschaft in keiner Weise nachteilig berührt, im Gegenteil. Es wird die Möglichkeit von Ersparnissen größer werden, wen unsere Volkswirtschaft von dem alles umspannenden Druck der Zinsknechtschaft befreit sein wird. Wir haben an dem Beispiel des Mannes mit 10 000 Mark Erwerb und 5000 Mark Renteeinkommen ja gesehen, daß alle mittleren und kleineren Vermögen tatsächlich auf dem Umwege der direkten und indirekten Steuern des Hauszinses u. s. w. jeglichen Nutzeffektes beraubt werden. Ich kann nicht oft genug wiederholen: Der Leihzins der kleinen und mittleren Vermögen ist ein Schwindel, ein Selbstbetrug, ein Sichdrehen im Kreis, aber teuflisch genug hat das Großleihkapital den Glauben an die Heiligkeit und Unverletzlichkeit des Zinses durch die ihm ergebene Presse in aller Welt verbreitet und verkündet. Es läßt jedermann am schönen, betäubenden Zinsgenuß scheinbar teilnehmen, um das schlechte Gewissen einzuschläfern, das mit trägem, arbeitslosem Zinsgenuß unfehlbar verbunden sein müßte. Um Kampfgenossen zu werben, wenn es sich um die Verteidigung dieses höchsten Gutes des Mammonismus handelt.

Der Beamte, der Staatsmann wird sagen: Der Staat kann sich nicht von der einmal eingegangenen Verpflichtung seinen Gläubigern gegenüber lossagen.

Was heißt Verpflichtungen? Ist es vielleicht moralischer, Verpflichtungen einzugehen, von denen der Staat invornherein wissen muß, daß er diese Verpflichtungen nur dann erfüllen kann, wenn er den Gläubigern genau in der gleichen Höhe durch Steuern auf direktem und indirektem Wege den Zins wieder abnimmt — wo bleibt da die Moral?! Oder ist es nicht vielleicht ehrlicher, einzugestehen: Die Zinsen kann ich nur zahlen, wenn ich ebensoviele Steuern eintreibe — ich habe aber damals während des Krieges unbedingt Geld haben müssen, und darum habe ich den Schwindel mit der Kriegsanleihe gemacht; verzeih halt, liebes Volk, es war ja schließlich für Dich, und jetzt wollen wir kein Verstecken mehr spielen, ich der Staat bezahle keine Zinsen und Du, der Steuerzahler, brauchst für die Zinsen keine Steuern zahlen, das vereinfacht wesentlich unsere Geschäfte. Wir ersparen den ungeheuren Steuerapparat und ebenso den außerordentlichen Zinsdienstapparat. Nicht wahr, abgemacht? Und sie, Herr Scheidemann, setzen ein andermal nicht an jeder Plakatsäule Ihren Namen als Staatssekretär der alten kompromittierten Regierung unter die albernen Erklärungen bezüglich der Sicherheit und Unantastbarkeit der Kriegsanleihe. Sie kompromittieren sich nur selbst, den Nutzen von dem ganzen Schwindel hat doch nur einzig und allein das Großleihkapital.

Der Finanzpolitiker und Bankfachmann wird die Brechung der Zinsknechtschaft der Kriegsanleihen und Staatsschulden als unmöglich erklären, weil dies gleichbedeutend mit dem Staatsbankerott sei.

Sie verzeihen — staatsbankerott sind wir ja nach Ihren Reden ohnedies oder müssen es werden. Eine öffentliche Staatsbankerotterklärung wäre aber die größte Dummheit, die wir machen könnten; sie würde zu der tatsächlichen Unfähigkeit der jetzigen Machthaber auch noch die geschichtliche Bestätigung dieser Unfähigkeit vorzeitig bringen.

Wozu denn Bankerott erklären, wenn ich aus der rechten Hosentasche in die linke meine 3 Mark gesteckt habe, dann muß ich doch deshalb nicht den Bankerott der rechten Hosentasche erklären!

Anders war es doch nicht mit der Kriegsanleihe! Das Reich holt aus den Taschen des Volkes die ersten wirklich vorhandenen Milliarden, dann flossen die Gelder wieder zurück; dann kam die neue Anleihe, und wieder strömte das Geld zurück; abermals kam die Pumpe und saugte die Milliarden, und wieder ebbten sie zurück, bis glücklich, nachdem das Spiel neunmal wiederholt war, und der Staat 100 Milliarden Schulden gemacht hatte. Dafür hatte das Volk 100 Milliarden schön gedrucktes Papier in Händen. Zuerst bildete es sich ein, es sei so und so viel reicher geworden, dann kam der Staat und sagte: „Es ist entsetzlich, ich habe 100 Milliarden Schulden und stehe vor dem Bankerott.“ — Ja warum denn? Das ist doch nur eine Selbsttäuschung! Ich selbst kann doch nie bankerott werden, wenn ich mein Geld auch noch so oft von der einen Tasche in die andere stecke. Also über den Staatsbankerott im Hinblick auf unsere internen Kriegsanleiheschulden können wir uns ganz beruhigen. Deshalb brauchen wir wirklich keinen Staatsbankerott anzusagen und die Riesenarbeit mit den dummen Zinsen und den großen, aber noch dümmeren Steuern können wir uns wirklich sparen. Machen wir uns doch endlich frei davon, die Geschäfte des Großleihkapitals zu besorgen! Nur das Großleihkapital hat Nutzen von diesen Anleihe-Zinsen-Steuer-Schwindel, denn ihm bleibt ein schöner Batzen Geld über und diesen Überschuß zahlt das arbeitende Volk in Gestalt von indirekten Steuern; der kleine und mittlere Kapitalist aber dreht sich dabei einfach im Kreis herum.

Der Weltwirtschaftspolitiker sagt: Die Brechung der Zinsknechtschaft ist nicht möglich bei uns in Deutschland allein durchzuführen; das muß international gemacht werden, sonst verlieren wir allen Kredit, das Kapital fließt ab, und wir müssen dem Ausland gegenüber doch unseren Zinsverpflichtungen nachkommen.

Ich gestehe, daß ich mir über diese Frage selbst am längsten unklar war. Sie ist die schwierigste Frage, weil sie uns in Wechselbeziehung zur übrigen Welt bringt — indeß die Sache hat zwei Seiten. Einmal ist der Gedanke der Brechung der Zinsknechtschaft der Kampfruf aller schaffenden Völker gegen die internationale Zinsknechtschaft des Geldes, und zum andern ist er das Radikalmittel für unsere interne Finanzmisere. Es ist aber eigentlich kein Grund, von einem Heilmittel keinen Gebrauch zu machen, nur weil es der ebenso kranke Nachbar nicht gleichzeitig anwendet. Es wäre doch die aufgelegte Dummheit, wenn wir in Deutschland uns weiter in dem verrückten Kreise drehen, und Steuern und Zinsen zahlen, wenn wir klar erkannt haben, daß diese scherzhafte Tätigkeit nur ausschließlich zu Gunsten der Großkapitalisten ist. Also gehen wir voran mit unserem befreienden Beispiel, befreien wir uns von der Zinsknechtschaft des Geldes, und wir werden in Bälde sehen, daß die Kraft dieses sieghaften befreienden Gedankens die Völker der Welt veranlassen wird, uns zu folgen.

Ich bin sogar davon überzeugt, daß unser Anfang — wenn dieser Anfang nicht durch die deutschen Mammonisten unterdrückt wird — mit unwiderstehlicher Notwendigkeit die anderen Völker mitreißen wird.

Der Spartakist sagt: Der ganze Gedanke kommt nur auf eine Schonung des Kapitals hinaus, es bleibt dann doch wie es war, der Arme hat nichts und die Reichen bleiben.

Ja, mein Freund, es ist überhaupt sehr schwer, sich mit Dir auseinanderzusetzen, wenn Du wirklich in innerster Seele Kommunist bist, also wirklich haben willst, daß „Alles Allen gehören“ solle, wenn Du dabei sogar die wirklichen Gedanken der großen Bolschewistenführer in Rußland, besonders Lenins, kennst und für richtig hältst, also die von Lenin als die nächsten Aufgaben der Sowjetrepublik bezeichnete „allgemeine Rechnungslegung und Kontrolle der gesamten Produktion und Verteilung“ für menschenmöglich hältst. Wenn Du Dir aber darüber ganz klar bist, daß diese Aufgabe, wenn überhaupt, so doch nur im entsetzlichsten Zwangsstaat durchführbar ist, und Du bleibst dann immer noch im innersten Herzen überzeugter Kommunist oder Spartakist u. s. w., dann wollen wir nicht weiter miteinander streiten, dann verstehen wir uns eben nicht, wir reden eine fremde Sprache, und die Zukunft wird darüber entscheiden ob der Zwangsjackenstaat, der im letzten Falle aus dem bolschewistischen Chaos hervorgehen kann, oder der von mir erhoffte neue Staat mit einer von der Zinsknechtschaft befreiten Volkswirtschaft. Wenn Du aber auf dem Grunde Deiner kommunistischen Seele — wenn Du ehrlich bist, noch Gedanken, noch Sehnsucht findest nach Weib und Kind, nach einer Menschenseele, die Dir näher steht als ein Eskimo oder Zulukaffer, wenn Du bei der vom Sowjetleiter befohlenen Fabrikarbeit daran denkst, daß es doch schön wäre, ein eigenes kleines Häuschen zu besitzen, ein Stückchen eigenes Gartenland, wenn es Dir im tiefsten Grunde Deiner Seele doch keine rechte Befriedigung geben will, daß Du wie ein Hund auf der Straße berechtigt sein sollst, jede Dir gerade in den Weg laufende Hündin, will sagen Weib, zu gebrauchen, wenn Du nur daran denkst, Dir etwas von Deinem Lohn zu ersparen, das dann Dir allein gehören soll, dann bist Du schon kein Kommunist mehr, dann hast Du schon im Herzen mit Deinem so laut verkündeten Schlagwort „Alles gehört Allen“ gebrochen, dann willst Du eben nicht, daß Alles Allen gehöre, Du willst, daß eben doch das was Du Dir wünschest, Frau, Kind, Haus, Hof, Ersparnisse, ob Du es schon hast oder erst zu bekommen hoffst, dann auch dir allein gehören soll. Und siehst Du mein Freund, wenn Du nur ganz im Innern daran zweifelst, daß es dir nicht ganz gleichgültig wäre, wenn der Nächstbeste käme und einfach Dir Dein Erspartes im Namen von „Allen“ wegnähme, Dir ein anderes Kind brächte, das Deinige mitnähme, weil alle Kinder „Allen“ gehörten, dann, mein Freund, reden wir schon nicht mehr ganz aneinander vorbei, dann darf ich Dich wohl bitten, Dir einmal den Gedanken vorzulegen, ob nicht doch die kommunistische Botschaft, daß Allen Alles gehören soll, das Ende jeder Kultur bedeuten muß, daß das Fehlen jeglichen Eigentumsbegriffes mit zwingender Logik den Menschen auf die Stufe des Tieres herunterdrücken muß.

Wenn Alles Allen gehört, wenn im besten Falle einer Kontrolle und Rechnungslegung der gesamten öffentlichen Produktion und Verteilung im Sinne Lenins erzwingbar wäre, dann kommt dabei im besten Falle ein Ameisenstaat heraus. Dann können wir aber auch auf die Sprache verzichten, unsere Seele, unsere Gedanken preisgeben, stumm und instinktiv können wir unsere Zwangsarbeit verrichten. Das Ende des Menschen ist da.

Doch nun genug, Freund Spartakus. Laß Dir diese grundlegende Überlegung recht genau durch Kopf und Herz gehen. Eine genauere Antwort auf Deine Frage wird sich dann bei der Unterhaltung mit den anderen Parteien ergeben.

Und nun, Ihr Genossen der beiden sozialistischen Richtungen, Gemäßigte und Unabhängige!

Ich kann mir nicht denken, daß von Eurer Seite ernstlicher Widerspruch oder Einwände gegen die Brechung der Zinsknechtschaft erfolgt und doch muß ich mich grundsätzlich mit Euch auseinandersetzen, mit der ganzen sozialistischen Gedankenwelt, von Marx angefangen bis auf die derzeitigen Führer Ebert, Scheidemann, Kautzky u. s. f.

  1. Der sozialistische Wille: Hebung der Arbeiterklasse ist eine unbedingt sieghafte Idee; soweit sind wir einig.
  2. Die zur Erreichung dieses großen Zieles beschrittenen Wege sind fast durchaus falsch, weil sie
  3. auf falschen Voraussetzungen aufgebaut sind.
  4. Die sozialistische Staatsidee führt konsequenterweise zum Kommunismus, also zum Niedergang.
  5. Weil aber die Sozialdemokratie ein anderes Ziel hat, eine Hebung der Arbeiterklasse, überhaupt des gesamten arbeitenden Volkes, so steht sie jetzt vor einem furchtbaren inneren Zwiespalt, weil die logischen Konsequenzen aus dem Marxismus geradezu zum Gegenteil dessen führen, was das praktische Ziel der Arbeiterbewegung ist.
  6. Aus dieser inneren Zerrissenheit ergibt sich die öffentliche Unsicherheit in der Führung der Regierung.
  7. Gegen Spartakus und bolschewistischen Kommunismus muß wegen des großen praktischen Zieles (Hebung der Arbeiterklasse) ein scharfer Strich gezogen werden, und deren Methoden mit aller Macht bekämpft werden. Aber die gewerkschaftlich organisierte Sozialdemokratie fühlt sich heute gegenüber diesen radikalen Gruppen schwach, weil sie marxistische Denkweise als Erziehungsgrundsatz aufgenommen hat, und weil logischerweise alle marxistischen Gedankengänge zum Kommunismus führen.

Nun der Beweis: Punkt 2 sagt, daß die von der Sozialdemokratie beschrittenen Wege fast durchweg falsch sind.

Die ganz allgemein betriebene Verhetzung hat zu einer tiefen Spaltung der Bevölkerung innerhalb der eigenen Nation geführt, die immer wiederholten Beschimpfungen gegen die Arbeitgeber aller Art, ja jedes bürgerlichen Berufes überhaupt als Ausbeuter und Blutsauger an dem angeblich allein arbeitenden Handarbeiter hat zu einer ungerechtfertigten Verbitterung und auch zur Überhebung der Arbeiterschaft geführt, die heute folgerichtig ihren Ausdruck findet in der Forderung nach der „Diktatur des Proletariats“ (Kommunistisches Manifest). Die wesentlichste Forderung des Erfurter Programms — die Überführung der Produktionsmittel aus dem Privatbesitz in den Besitz und Betrieb der Gemeinschaft hat sich heute verdichtet in dem Schrei nach „Sozialisierung“.

Daß die Voll-Sozialisierung unseren wirtschaftlichen Untergang, den völligen Staatsbankerott bedeutet, ist jedem ehrlichen Politiker vollkommen klar. Aber man getraut sich nicht dies dem Volke offen und frei einzugestehen.

Nicht Vergesellschaftung sondern Entgesellschaftung müßte jetzt die Losung sein. So versucht man durch phantastische Steuerprojekte die offensichtlichen Fehlschläge jeder Sozialisierung auszugleichen und auf diesem Wege zum zweiten Male die Expropriateure zu expropriieren. Das alles heißt aber nichts anderes, als die gesamte Volkswirtschaft dem restlosen Untergang preiszugeben. Statt einer Erhöhung (von einer Verdoppelung der Produktion, wie sie die ganze sozialistische Literatur für die Zeit nach der Revolution versprach, kann überhaupt keine Rede sein) ist das gerade Gegenteil eingetreten. Das Schlimmste aber wäre, wenn die derzeitige sozialistische Regierung an die Aufnahme großer Auslandsanleihen dächte. Damit wäre nicht nur unser wirtschaftlicher Niedergang besiegelt, wir würden auch noch ganz restlos in die Zinsknechtschaft der Entente uns begeben, von der es kein Zurück mehr gäbe.

Der Grundfehler, der Grundirrtum, auf dem diese ganze irrige Kette von Schlüssen, Forderungen, Versprechen ans Volk aufgebaut ist, ist die ganz falsche Einstellung gegenüber dem Industrie- und Leihkapital. Das kommunistische Manifest, das Erfurter Programm, Marx, Engels, Lasalle, Kautzky, haben den tiefgehenden Unterschied zwischen Industriekapital und Leihkapital nicht erkannt.

In diesem Punkt muß die ganze Sozialdemokratie umlernen, dieser Grundirrtum muß klar erkannt und freimütig ohne Halbheit zugegeben werden. Dann aber muß man auch rücksichtslos die einzig möglichen Schlußfolgerungen ziehen. Diese aber bedeuten radikale Abkehr von dem sinnlosen, weil ganz falschem Wüten gegen die Industrie, gegen die Arbeitgeberschaft; Arbeiter und Arbeitgeber gehören zusammen, sie haben das gleiche Ziel, die Arbeit, die Produktion, denn ohne Produktion, ohne Arbeit kein Leben, keine Kultur, kein Vorwärts und kein Aufwärts. Die selbstverständlichen, weil unter Menschen — eben weil sie Menschen sind — unvermeidlichen Gegensätze sind viel weniger wichtig als das gemeinsame große Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese Gegensätze können und konnten im Wege des Tarifvertrages und der Betriebsorganisation zur beiderseitigen Befriedigung gelöst werden.

Doch diese im Rahmen unserer Betrachtung der ganz großen politischen Kraftlinien nebensächlichen Fragen wollen wir nicht weiter verfolgen und nur nochmals feststellen, daß das Interesse der gesamten Arbeiterschaft ganz genau gleich gerichtet ist mit unserer nationalen Industrie, mit unserer nationalen Volkswirtschaft.

Wer anders lehrt und die Gegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als wichtiger in den Vordergrund stellt, der versündigt sich in unverantwortlicher Weise gerade an den Arbeitern, denn er legt damit die Axt an die Wurzeln des Baumes, der die Arbeiterschaft nährt und trägt.

Das aber hat die Sozialdemokratie getan, und damit hat sie ewige Schuld gegenüber der deutschen Arbeiterschaft auf sich geladen, damit hat sie namenloses Elend über unser Volk gebracht, weil sie alle ihre Versprechungen nicht halten kann, weil sie uns den Frieden der Verständigung nicht bringen kann, weil sie uns keine Arbeit schaffen kann, weil sie doch wieder eine bewaffnete Macht aufrichten muß, weil sie ohne das Beamtentum nicht auskommen kann, weil sie die Arbeitspflicht verlangen muß, weil vom allgemeinen gleichen und direkten Wahlrecht für Männer und Frauen über 20 Jahre kein Mensch leben kann, weil ohne die staatliche garantierte Sicherheit von Person und Eigentum chaotische Zustände eintreten müssen, weil ohne Ein- und Unterordnung des Einzelnen in die Gesellschaft kein staatliches Leben möglich ist.

So geht eine tiefe, verzweiflungsvolle Welle der Enttäuschung durch das ganze Volk, wenn sich die Einzelnen auch noch so lange nicht darüber klar sind, so lügen sich sogar Minister, Abgeordnete und Volksbeauftragte gegenseitig lustig weiter vor, man müsse die „Errungenschaften der Revolution“ schützen vor der „Reaktion“; beides Begriffe, über die kein ehrlicher Staatsmann dem Volke klar sagen könnte, was er darunter überhaupt meint.

Die negativen Betätigungen der Revolution, die Absetzung einer Reihe von überlebten Dynastien, Absetzung der Offiziere, Abschaffung des Adels, Auflösung des Heeres, kurzum der „große Abbruch“ ist doch keine „Errungenschaft“. Und Reaktion?! Das weggefegte morsche Gottesgnadentum hat nirgends im ganzen Volke genügend moralischen Rückhalt, um zu irgend einer kraftvollen Aktion zu kommen, das Bürgertum ist, soweit es sich um den wirklichen Bourgeois handelt, viel zu feig, viel zu moralisch versumpft, um sich aufzuraffen gegen die klassenbewußte Arbeiterschaft; also vor einer dynastischen oder bürgerlichen Reaktion braucht der herrschenden Klasse der Arbeiterschaft nicht bange zu sein.

Aber die tiefe Enttäuschung des Volkes über die sogenannten Errungenschaften der Revolution, das heißt über das Fehlen jeder wirklichen Besserung der Lage des Volkes, das ist die große Gefahr; diese Enttäuschung führt zum Abströmen großer Massen immer weiter nach links, wo das bisher an Versprechungen Dagewesene weit über- bezw. unterbieten wird.

Schließlich kann man nicht mehr als „Alles Allen“ versprechen. Und das ist reiner Wahnsinn; aber jeder Gedanke, jede Erscheinung, jede Tätigkeit überspannt und übertrieben bis zum Äußersten wird schließlich Wahnsinn und schlägt dann in sein Gegenteil um. So geht es auch mit dem kommunistischen Gedanken, daß Alles Allen gehören soll, denn dieser endet und mündet schließlich darin, daß Alle — Nichts haben. Hunger, Verzweiflung, Elend, Krankheit und Not sind in Rußland eingekehrt, die Menschen haben den letzten Rest von Lebensmut und Lebensfreude verloren.

Ich wiederhole: Der ungeheure Grundirrtum in der sozialistischen Gedankenwelt ist letzten Endes auf die Verkennung des tiefen Wesensunterschiedes zwischen dem Industriekapital und dem Leihkapital zurückzuführen. Das zinsfressende Leihkapital ist die Geißel der Menschheit, das ewige mühe- und endlose Wachstum des Großleihkapitals führt zur Ausbeutung der Völker, nicht das schaffende, gütererzeugende, industrielle Betriebskapital.

Ich kann hier nicht an der Untersuchung der Frage vorbeigehen, warum dieser Wesensunterschied nicht erkannt worden ist; ob er wirklich nicht erkannt worden ist, oder ob er vielleicht gar zu Gunsten des Großleihkapitals verschleiert worden ist, ob die Führer und Rufer im Streit gegen den Kapitalismus, ob die Verfasser des kommunistischen Manifestes, des Erfurter Programmes, die jetzigen Führer immer mit der nötigen Gewissenhaftigkeit vorgegangen sind.

Es ist das Schwerste und Ärgste, wenn man die unbedingte Ehrlichkeit und Überzeugung strenge eines anderen in Zweifel zieht, es fällt einem dies umso schwerer, je sorgsamer man selbst den Erscheinungen des Lebens gegenüber nach den Gründen und Zusammenhängen forscht. Ich will daher auch gar keine Antwort auf diese Fragen selbst geben, sondern nur auf große, dunkle Zusammenhänge hinweisen, indem ich mich auf einen Ausspruch Disraelis, des großen englischen Premierministers Lord Beaconsfield beziehe. Dieser schreibt in seinem Roman „Endymien“:

„Niemand darf das Rassenprinzip, die Rassenfrage, gleichgültig behandeln. Sie ist der Schlüssel zur Weltgeschichte. Und nur deshalb ist die Geschichte häufig so sehr konfus, weil sie von Leuten geschrieben worden ist, die die Rassenfrage nicht kannten, und ebensowenig die dazugehörenden Momente.“

Der Bürger.

Der Bürger, dem Ruhe als des Bürgers Pflicht gilt, ist sicher, wie immer bei jedem neuen Gedanken, bei jeder neuen revolutionären Forderung entsetzt, es bedeutet für ihn Unruhe, denn vielleicht müßte er gar dabei etwas denken. Jede Änderung ist ihm verhaßt, sei Ruah will er haben, und wehe dem, der ihm an seinen Geldbeutel will. Nun will man ihm gar seine Zinsen nehmen, seinen Hauszins, seine Pfandbriefzinsen, seine Hypothekenzinsen, kurzum das, was seine Ruhe, sein Behagen und sein Glück ist.

So müssen wir denn immerhin untersuchen, was die Angehörigen der Leihkapital besitzenden Klassen zu sagen haben werden. Sie bilden, abgesehen von den eigentlichen Bourgeois — Bourgeois ist ein Menschentypus, mit dem gar nichts mehr anzufangen ist, der Bourgeois ist ein Ast am Baume der Menschheit, der je eher, desto besser abgehauen wird, es sind dies die satten, selbstgefälligen Spießer mit ihrem jämmerlichen Horizont, die keiner Begeisterung fähig, im ewigen Einerlei ihre Tage hinbringenden Menschen mit Kaffee, Morgenzeitung, Frühschoppen, Mittagsblatt, Mittagsessen, Nachmittagsschlaf, Couponabschneiden, Abendschoppen, Stammtisch, wenn es hoch kommt Kino, verständnislos für alles was die Welt bewegt, was die Jugend ersehnt, was dem Volk, dem Staat, der Gesellschaft nottut, unbekümmert um Krieg und Sieg, versumpft und vertrottelt, arrogant und unterwürfig zugleich, — aber eine so breite Klasse, daß unmöglich an ihr vorübergegangen werden kann.

Also: Durch die Brechung der Zinsknechtschaft wird der Sparsinn vernichtet, der Mensch endet im Armenhause.

Daß die Brechung der Zinsknechtschaft ganz allgemein seinen Einfluß auf den Sparsinn habe, muß entschieden verneint werden. Sparrsinn hat ebensowenig wie z. B. Verschwendung mit geltenden wirtschaftlichen Anschauungen etwas zu tun. Sparsinn und Verschwendungssucht sind menschliche Eigenschaften, die entweder vorhanden sind oder fehlen, ganz gleich, ob ein Zeitalter den Zinsgedanken predigt oder den Zins verpönt.

In den Zeiten des Übergangs kann wohl eine Erhöhung oder Verminderung des Sparsinnes hervorgehoben werden. Ich neige aber im gegebenen Fall viel mehr der Anschauung zu, daß ein vernünftiger, wirtschaftlich veranlagter Mensch sich folgendes sagen wird: Ich kann in Zukunft nicht mehr damit rechnen, daß ich nur von meinen Zinsen leben kann. Leben will ich aber in späteren Jahren, und auch meinen Kindern noch etwas hinterlassen, also muß ich jetzt mehr sparen. Diese Wirkung muß meines Erachtens die Brechung der Zinsknechtschaft auf die Mehrzahl der Menschen ausüben, denn sonst sind sie ja für das Alter auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Ich muß auch an dieser Stelle noch einmal nachdrücklichst betonen, daß bei der derzeitigen Belastung des Besitzes durch direkte Steuern und jeglicher Lebenshaltung durch indirekte Steuern von den schönen Zinsen nichts übrig bleibt — außer wenn — und da ist ja das ungerechte und zu Bekämpfende — das gesamte Einkommen nur aus ewiger Kapitalrente fließt, also ein Sinken des Sparsinns ist wohl nicht zu befürchten.

Ist denn (das hassenswerte) Großkapital wirklich so ganz unfruchtbar, hat es nicht auch die Mittel geschaffen zu großartigen Fortschritten, die größere Früchte für die Menschheit tragen als der Zins des Leihkapitals ausmacht?

Nein! Die Fragestellung beweist nur, daß mammonistische Phrasologie unseren klaren Blick getrübt hat.

Das Großkapital hat nicht die Mittel geschaffen, zu großartigen Fortschritten, sondern das Großkapital ist aus der Arbeit gewachsen! Jedes Kapital ist aufgespeicherte Arbeit. Das Großkapital ist an sich unproduktiv, weil eben Geld an sich eine durchaus unfruchtbare Sache ist. Aus Geist, Arbeit und vorhandenen oder bereits erarbeiteten Rohstoffen oder Bodenschätzen sind Werte geschaffen, Güter erzeugt worden, durch Arbeit und nur durch Arbeit.

Denn wenn man auf den fettesten Acker, in das reichste Kohlenbergwerk noch so viel Geld hineinschüttet, deshalb trägt der Acker doch kein Korn, speit das Bergwerk von selbst keine Kohlen aus! Das wollen wir doch endlich einmal festhalten.

Wenn die Menschen das Geld erfunden haben, so ist das sehr sinnvoll und verständig; denn in jeder komplizierten Wirtschaft bedarf man dieser (allgemein anerkannten) „Anweisung auf geleistete Arbeit“. Aber daß diesen „Geldreichen“ eine Kraft innewohnen soll, ewig aus sich heraus ins Ungeheure zu wachsen — und das tut das Geld, wenn es Zins tragen kann — das ist’s, wogegen sich unser Innerstes auflehnt, das ist’s, was das Geld weit hinaushebt über alle anderen irdischen Erscheinungen, das ist’s, was das Geld zum Götzen macht. Und alles das ist doch nur der ungeheuerste Selbstbetrug der Menschheit! Nichts, gar nichts vermag das Geld aus sich selbst. Tisch, Schrank, Kleid, Haus, Werkzeug, kurzum alles um uns hat doch irgend einen Wert; den ältesten Tisch kann man schließlich noch einheizen und sich dran wärmen, aber mit einem Zwanzigmarkschein kann ich gar nichts anfangen, nicht einmal ein Stück Käs kann ich drin einwickeln. Erst nachdem die Menschen sinnvollerweise übereingekommen sind, zur Erleichterung des Austausches der Güter zum Verbrauch, Anweisungen auf geleistete Arbeit zu schreiben, erst damit bekommt das Stückchen Papier Sinn und Witz, und es ist sehr verständig, daß der Bauer für sein Korn vom Kohlenbergwerk nicht eine Kohle, sondern Geld bekommt, also eine Anweisung auf anderweitig geleistete Arbeit, z. B. Heugabeln, Geschirr, Pflug und Sense. Aber damit soll es aus sein mit der Macht des Geldes.

Also nicht das Geld hat die großartigen Fortschritte der Menschheit bewirkt, sondern die Menschen selbst haben es getan, ihr kühner Geist, ihr stolzer Wagemut, ihr kluger Sinn, die Kraft ihrer Hände, ihre gemeinsame, also soziale fleißige Arbeit. So stolz und so klar müssen wir sehen. Die Menschen selbst waren das, doch nicht die armseligen Stücklein Papiere, die die Menschen erfunden haben zur Vereinfachung der Wirtschaft.




Weiteres Programm.

Die Brechung der Zinsknechtschaft ist aber nicht das letzte Ziel der neuen Staatskunst, sie ist zwar die einschneidendste Tat, die einzige Tat, die alle Völker zu einigen vermag zu einem wahrhaften Völkerbund, gegen die alle Völker umspannende Gewaltherrschaft des Mammonismus. Aber sie ist nicht das Letzte. Dagegen muß die Brechung der Zinsknechtschaft allen weiteren Schritten vorausgehen, weil sie, wie wir gesehen haben, das Weltübel an der Wurzel faßt, und zwar an der Hauptwurzel.

Erst wenn die grundlegende Forderung nach Brechung der Zinsknechtschaft erfüllt ist, wird überhaupt erst der Weg frei zum sozialen Staat. Dies muß klar erkannt werden und all den mammonistischen Gewalten zum Trotz durchgesetzt werden. Ein sozialistischer Staat auf mammonistischer Grundlage — der Schrei nach Sozialisierung ist weiter nichts als der Versuch, die Vertrustung aller Industrien herbeizuführen und überall Riesenkonzerne zu bilden, auf die natürlich auch in Zukunft wiederum trotz aller Vermögensabgaben das Großleihkapital den entscheidenden Einfluß haben wird — ist ein Unding und führt mit Naturnotwendigkeit zu einem Kompromiß zwischen der bereits stark mammonistisch verseuchten Sozialdemokratie und dem Großkapital.

Wir dagegen verlangen radikale Abwehr vom mammonistischen Staat und einen Aufbau des Staates im wahren Geiste des Sozialismus, in dem die herrschende Grundidee die Nährpflicht ist, worin eine alte kommunistische Grundforderung ihre vernünftige und sinnvolle Befriedigung finden kann — in der Gestalt, daß jeder Volksangehörige sein Anrecht auf den heimatlichen Boden zugesprochen erhält durch die staatliche Vermittlung der wichtigsten Nährgüter.

Wir fordern ferner als Gerippe für den neuen Staat eine Volksvertretung durch die Kammer der Volksbeauftragten, die auf breitester Grundlage zu wählen sind, daneben eine ständische Kammer der Arbeit, den Zentralrat, in welcher das werktätige Volk nach seiner beruflichen Gliederung und wirtschaftlichen Struktur zu Worte kommt. Schließlich fordern wir die höchste Verantwortlichkeit für die Leiter des Staates. Mit diesem neuen Staatsaufbau auf sozialistisch-aristokratischer Grundlage wird sich eine weitere Arbeit befassen, die bald im gleichen Verlage erscheint. Die Voraussetzung für all diesen Aufbau aber bleibt die Brechung der Zinsknechtschaft.

Mein unerschütterlicher Glaube, nein mehr noch, mein Wissen läßt mich klar erkennen, daß die Brechung der Zinsknechtschaft nicht nur erzwingbar ist, sondern mit unbeschreiblichem Jubel überall aufgenommen werden wird und muß, denn wohlgemerkt: Entgegen allen sonstigen und noch so wohlgemeinten Gedanken und Bewegungen und Bestrebungen, die auf Verbesserung des Menschengeschlechtes hinzielen, versucht mein Vorschlag nicht die menschliche Natur verbessern zu wollen, sondern er wendet sich gegen einen Giftstoff, gegen eine Erscheinung, die ganz entgegengesetzt dem innersten Empfinden des Menschen künstlich, nein, teuflisch erfunden worden ist, um die Menschheit krank zu machen, um sie zu tiefst im Materialismus zu verstricken, um ihr das Beste zu rauben, was sie hat, die Seele. Daneben geht Hand in Hand die furchtbare, unbarmherzige Tyrannei der Geldmächte, für die die Menschen nur mehr Zinssklaven sind, nur dazu da sind, um für die Rente, für den Zins zu arbeiten.

Tief erschüttert erkennen wir die furchtbare Klarheit und Wahrheit der alten Bibelweissagungen, wonach der Judengott Jave seinem auserwählten Volk verheißt: „Ich will Dir zu eigen geben alle Schätze der Welt, Dir zu Füssen sollen alle Völker der Erde liegen und Du sollst herrschen über sie“.

Diese Weltfrage ist nun vor Euch allen aufgerollt. Weltfragen werden nicht im Handumdrehen gelöst, aber die Idee ist klar wie der Tag. Und die Tat muß sorgsam vorbereitet werden, wir müssen uns darüber klar sein, daß wir dem gewaltigsten Feind, den weltumspannenden Geldmächten gegenüberstehen. Alle Gewalt auf der Gegenseite, auf unserer Seite nur das Recht, das ewige Recht der schaffenden Arbeit.

Reicht mir die Hände, Werktätige aller Länder, vereinigt Euch!




Soeben erschien von der politischen Broschürensammlung:


An Alle, Alle!




Der Staatsbankrott,
die Rettung


von


Dipl.-Ing. Gottfried Feder


Mark 1.35 inkl. Teuerungs - Zuschlag.



Der bekannte politische Essayist von B. schreibt unter a. über diese Neuerscheinungen:

„Es tut einem außerordentlich wohl, in dem Wust von gutgemeinten, aber nicht in die Tiefe gehenden Arbeiten, die zu den politischen Zeitfragen Stellung nehmen wollen, endlich einmal auf einen Menschen und seine Arbeit zu stoßen, der kein politischer Flachsmann ist, sondern begreift, daß es sich nicht mehr um Interessenkämpfe, sondern um die Existenz der Nationalwirtschaft handelt.

Das Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft des Geldes und die eingehenden Erläuterungen, die der Dipl.-Ing. Feder in dem ersten Hefte der „An Alle, Alle“-Hefte des Verlages Jos C. Huber herausgibt, wird im Mittelpunkt des politischen Interesses für lange Zeit stehen und verdient von allen Finanzleuten, Volkswirten und Sozialpolitikern einem eingehenden Studium unterworfen zu werden. Dasselbe habe ich zu sagen von dem zweiten Band der „An Alle, Alle“-Hefte „Der Staatsbankrott, die Rettung“.



Jos. C. Huber’s Verlag, Diessen v. München.


Anmerkungen

  1. Die folgenden Angaben über den bayerischen Staatshaushalt sind in abgerundeten Beträgen dem bayerischen statistischen Jahrbuch vom Jahre 1913 entnommen. Es ist dies das letzte vor dem Krieg erschienene statistische Jahrbuch, das über die bayerischen Finanzen erschöpfende Auskunft gibt. Während des Krieges sind keine neueren Ausgaben erschienen. –
  2. Das unaufhörliche Steigen der Lohnsätze und Materialpreise hat dazu geführt, daß das Reinerträgnis der bayerischen Staatseisenbahnen im Jahre 1918 auf 3 Millionen Mark heruntergesunken ist, gegenüber im Mittel 80 Millionen vorangehender Jahre. In Preußen ist nach den Mitteilungen des Finanzministers Simon sogar an Stelle der bisher üblichen Erträgnisse in Höhe von i.M. 700 Millionen Mark ein Defizit von 1.300 000 000 Mark getreten. Wir werden daher weniger denn je an eine sofortige Aufhebung der direkten und indirekten Steuern denken können; wir müssen mehr denn je daran denken, die durch die katastrophale Finanzwirtschaft erwachsenen neuen Schulden durch ganz kräftige Heranziehung der Vermögen, insbesondere der ganz großen Vermögen, sofort abzubauen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Begündung