Das Schuhausziehen

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Textdaten
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Autor: A. T.
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Titel: Das Schuhausziehen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 237, 258–259
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[237]

Englischer Osterbrauch: Das Schuhausziehen.
Nach einer Zeichnung von W. Zehme.

[258] Das Schuhausziehen. (Zu dem Bilde S. 237.) Es ist am Morgen des Ostermontags. Noch ist es nicht Zeit zum Beginn des Gottesdienstes. Da hat das Mädchen auf dem Lande wie überall so auch in England noch allerlei zu besorgen, und nicht immer ist es ihr möglich, dies innerhalb der schützenden Hecke zu thun, die Haus und Garten umschließt. Vorsichtig lauscht sie durch die hohe Gatterthür, ob sich wohl draußen etwas regt. Sie hört nichts; es gilt nur einen kurzen Sprung zur Nachbarin; sie schlüpft hinaus. Aber noch ist sie keine zwanzig Schritte weit, da kommen aus dem nächsten Hofe vier junge Bürschlein von höchstens fünfzehn Jahren auf sie zugestürzt und umringen sie mit dem Geschrei: „Löse Deine Schuhe aus! Löse Deine Schuhe aus!“ Und ehe sie sich’s versieht, hat man ihr den einen und sofort auch den andern Schuh geraubt. Lachend stürmen die Knaben fort, um ihre Beute in Sicherheit zu bringen, und sie, die keinen Penny bei sich hat, kehrt in Strümpfen oder barfuß ins Haus zurück, ärgerlich, daß sie sich hat überlisten lassen, und noch ärgerlicher, daß drüben aus dem Giebelfenster einer schmunzelnd herausschaut und sich an ihrer Verlegenheit weidet. Wehe ihm, daß er ihr nicht geholfen hat – er soll es heute abend büßen! Und wenn sie morgen seinen neuen Hut erwischt, so fliegt derselbe unfehlbar ins Feuer, der Ungetreue mag ihr bieten, was er will!

Noch ist sie kaum zur Hausthür gelangt, da tönt wieder lautes Halloh! Die losen Buben haben ein zweites Opfer erwischt. Andere fahren also auch nicht besser – ein schlechter Trost, allein immerhin ein Trost! Vielleicht verbrennt sie morgen seinen Hut doch nicht und thut nur so, um ihn eine Weile zappeln und bitten zu lassen. Aber vor vier Wochen bekommt er ihn bestimmt nicht zurück – er müßte denn grade ... Aber er kann mit ihr doch unmöglich ohne Hut zum Tanze gehen! – – Vielleicht läßt sie noch einmal Gnade für Recht ergehen.

Indessen die Schuhe? Wie die Schuhe wieder bekommen? Sie kann doch unmöglich ihre besten Schuhe im Haus anziehen. Betrübt tritt sie [259] in die Küche. Da pocht’s ans Fenster. Draußen steht so ein loser Strick, hält ihr die Schuhe dicht ans Gitter und ruft: „Löse Deine Schuhe aus!“ Schweren Herzens reicht sie ihm einige Pence hinaus und erhält – einen Schuh zurück. Den andern muß sie mit einem neuen Opfer auslösen.

Es ist eine eigenthümliche englische Sitte, die wir hier unseren Lesern vorgeführt haben, und es ist schwer, für sie eine vollwichtige Erklärung zu finden. Jedenfalls steht sie im Zusammenhang mit einer Reihe anderer Osterbräuche, in denen ebenfalls jener Zug der Gegenseitigkeit, des Schlags und Gegenschlags, des Neckens und Vergeltens zutage tritt. A. T.