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Das Wesenitztal

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Textdaten
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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Das Wesenitztal
Untertitel:
aus: Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denkwürdige Begebenheiten aus Sachsen, S. 94–98
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Arwed Strauch
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: SLUB Dresden und Commons
Kurzbeschreibung:
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44. Das Wesenitztal.

Niederlohmen mit der Kirchschule (+).

Reich ist unser Vaterland an schönen und lieblichen Flußtälern. Zu ihnen hin zieht es wieder und immer wieder den Wanderer, dessen Herz nun einmal erwärmt ist für Gottes schöne Natur. Gern besucht er darum auch das Wesenitztal, das seinen Anfang nimmt droben in der Nähe des weit in das Land grüßenden, turmgekrönten Valtenberges, an dessen Abhängen einst Venetianer nach dem gleißenden Golde gruben. Noch heute sind davon deutliche Spuren hie und da zu erkennen. In früheren Zeiten wurden sogar im Sande der Wesenitz Goldkörner gefunden, und die Goldfischerei soll hier immerhin lohnend gewesen sein. – Zwischen Bischofswerda und Großharthau nimmt die Wesenitz ein Zuflüßchen auf, die Goldbach genannt. In dem Gewässer dieses Bächleins wurden vor allen Dingen Goldkörnlein aufgefunden, und noch heute sollen solche zu finden sein. Hier gab es auch einst Goldbergwerke, deren Spuren sogar vorhanden sind. Das Dorf, durch welches jenes Bächlein fließt, nennt man seit alten Zeiten „Goldbach“. – Ein schöner Teil des Wesenitztales liegt zwischen Großharthau und Stolpen. Nachdem die Wesenitz die Grundmauern des uralten Schlosses zu Harthau umspült hat, nimmt sie ihren Lauf über eine Wegstunde durch ein von bewaldeten und steilen Bergabhängen eingeengtes Tal, das sich an einzelnen Stellen zu einer lieblichen Wiesenau erweitert. Eine Wanderung durch das Wesenitztal von Großharthau aus bis hinab nach Neudörfel und Rennersdorf am Nordfuße des Stolpener Berges gehört mit zu den schönsten und genußreichsten. Entweder betritt man das Wesenitztal schon in Großharthau in der Nähe des Schlosses, oder man wandert, vom Bahnhofe Großharthau kommend, einige Minuten durch den Wald und tritt dann, etwas unterhalb von Kleinharthau, nördlich von Bühlau in das Wesenitztal ein. Ein schöner Weg führt hier am rechten Ufer der Wesenitz abwärts bis zu der idyllisch gelegenen Buschmühle. Wir kommen an dem [96] schöngelegenen und von Bergen eingerahmten Kirchdorfe Bühlau vorüber und bemerken sogleich, wie die Wesenitz in den Dienst der Menschen treten muß. Mühle reiht sich an Mühle. Hie und da hat man an den Bergabhängen Steinbrüche angelegt. Schöner Granitstein wird hier gewonnen, den man zum Bau der Häuser und zum Beschütten der Straßen verwendet. Nach ½stündiger Wanderung im kühlen Grunde gelangen wir an das untere Ende von Schmiedefeld. Wir kreuzen den Weg, der vom Dorfe aus nach der Pappfabrik Schmiedefeld führt und wenden uns weiter talabwärts. Nach wenigen Minuten kommen wir an der Scheibenmühle vorbei. Unser Pfad führt an den dicht bewaldeten Abhängen des rechten Wesenitzufers bald auf-, bald abwärts und bringt uns in kurzer Zeit nach der vollständig im Wald versteckt liegenden Buschmühle, der Perle des mittleren Wesenitztales. Hier führt eine uralte Brücke hinüber auf das linke Ufer der Wesenitz. Wir betreten den Hofraum der vielbesuchten Buschmühle und lassen uns Stärkung reichen. Wie köstlich mundet hier in dieser Einsamkeit ein Glas Bier oder eine Tasse Kaffee! – Im Hofe der Buschmühle stehen hart am Ausgedinge zwei stattliche, orientalische Bäume, die im Jahre 1824 ein früherer Besitzer der Buschmühle von einer Orientreise als kleine Pflanzen mitbrachte und zur Erinnerung an seine Orientfahrt im Hofe der Buschmühle anpflanzte. – Einige hundert Schritte oberhalb der Buschmühle, am linken Wesenitzufer, befindet sich eine größere Höhle und vor dieser eine große Steinhalde. Hier haben wir eine Stätte vor uns, an der man noch im Anfange des 19. Jahrhunderts nach Gold das Erdreich eifrig durchsuchte, weshalb man diese Höhle als die Goldhöhle bezeichnet. Noch in den Jahren 1840–1850 verkehrte täglich in der Buschmühle ein „Steyermärker“, der nach Gold das Erdreich in der Goldhöhle und den Flußsand der Wesenitz durchforschte. – Von der Buschmühle aus führt ein schattiger Weg im Tale abwärts bis zur Stadtmühle oberhalb Neudörfels. Noch ehe man diese erreicht, grüßen herab in das Tal von einer steilen Felswand zur Linken die von uralten Linden und Eichen überschatteten Berghäuser. Wenige Schritte unterhalb der Stadtmühle wendet sich ein Weg links ab und bringt uns nach kurzer Wanderung und sanfter Steigung hinauf nach dem

Liebethal um das Jahr 1830.

[97] trauten Bergstädtchen Stolpen. Man hat einen schönen Blick hinab auf die Stadtmühle, das Wesenitztal, auf die Dörfer Neudörfel und Rennersdorf. – Unterhalb der Stadtmühle wird das Wesenitztal breiter. Die Berge treten zurück, und auch der Wald entweicht bis hinauf zu den fernsten Höhen. Erst unterhalb des Rennersdorfer Rittergutes treten steile Abhänge wieder an die Ufer heran und engen das Wesenitztal so ein, daß nur die Wesenitz und ein schmaler Fahrweg im Grunde noch Platz haben.

Die beiden Schulen zu Liebethal.

In ihrem weiteren Laufe von Altstadt aus bis zur Einmündung in die Elbe bei Pratzschwitz, hier und dort Nebenflüßchen aufnehmend, spendet die Wesenitz noch gegen 25 Fabriken und Mühlen ihre treibende Kraft und stellt sich bereitwilligst in deren Dienste. Von Altstadt bis Niederhelmsdorf bietet das Wesenitztal des Interessanten wenig, aber von Niederhelmsdorf an treten die landschaftlichen Schönheiten dieses Tales wieder auf. Die Talstrecke von der Helmsdorfer Papierfabrik bis abwärts zur Dittersbacher Papierfabrik ist eine Idylle. Auch von da bis zur Roten Mühle in Dürrröhrsdorf bietet das Wesenitztal, das auf diesem Teile von dem mächtigen Viadukt der Bahnlinie Arnsdorf–Pirna überspannt wird, einen besonderen Reiz. Eine Kahnfahrt auf dem Wehre der Roten Mühle ist unbeschreiblich schön. Romantischer wird das Wesenitztal bis zur Elbersdorfer Mühle, am Fuße der Schönen Höhe. Gewaltige Sandsteinfelsen rahmen das Tal ein, riesige Felsblöcke säumen die Ufer. Unter den letzteren befindet sich auch die Kanzel, die sich bis in das Flußbett drängt und den Lauf der Wesenitz hemmt. – Von Elbersdorf abwärts nach dem idyllisch gelegenen Porschendorf fließt die Wesenitz wieder ruhiger, und das Tal erweitert sich. Doch ohne Anmut ist auch dieser Teil nicht. Einen geradezu wundersamen Anblick gewährt es, wenn man den Fußweg an den Nixensteinen vorüber benutzt und von diesem aus in dem ruhigen Mühlwehre einen Teil Porschendorfs erblickt, welchen das Wasser im Spiegelbilde widergibt, das darübergespannte Himmelszelt als unergründliche Wassertiefe in geheimnisvoller Weise als Hintergrund. – Unterhalb der großen Pappfabrik in Porschendorf tritt die Wesenitz in das Felsgebiet ein, das sie

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Ansicht von Liebethal.


Ansicht von Porschendorf.

[96] schöngelegenen und von Bergen eingerahmten Kirchdorfe Bühlau vorüber und bemerken sogleich, wie die Wesenitz in den Dienst der Menschen treten muß. Mühle reiht sich an Mühle. Hie und da hat man an den Bergabhängen Steinbrüche angelegt. Schöner Granitstein wird hier gewonnen, den man zum Bau der Häuser und zum Beschütten der Straßen verwendet. Nach ½stündiger Wanderung im kühlen Grunde gelangen wir an das untere Ende von Schmiedefeld. Wir kreuzen den Weg, der vom Dorfe aus nach der Pappfabrik Schmiedefeld führt und wenden uns weiter talabwärts. Nach wenigen Minuten kommen wir an der Scheibenmühle vorbei. Unser Pfad führt an den dicht bewaldeten Abhängen des rechten Wesenitzufers bald auf-, bald abwärts und bringt uns in kurzer Zeit nach der vollständig im Wald versteckt liegenden Buschmühle, der Perle des mittleren Wesenitztales. Hier führt eine uralte Brücke hinüber auf das linke Ufer der Wesenitz. Wir betreten den Hofraum der vielbesuchten Buschmühle und lassen uns Stärkung reichen. Wie köstlich mundet hier in dieser Einsamkeit ein Glas Bier oder eine Tasse Kaffee! – Im Hofe der Buschmühle stehen hart am Ausgedinge zwei stattliche, orientalische Bäume, die im Jahre 1824 ein früherer Besitzer der Buschmühle von einer Orientreise als kleine Pflanzen mitbrachte und zur Erinnerung an seine Orientfahrt im Hofe der Buschmühle anpflanzte. – Einige hundert Schritte oberhalb der Buschmühle, am linken Wesenitzufer, befindet sich eine größere Höhle und vor dieser eine große Steinhalde. Hier haben wir eine Stätte vor uns, an der man noch im Anfange des 19. Jahrhunderts nach Gold das Erdreich eifrig durchsuchte, weshalb man diese Höhle als die Goldhöhle bezeichnet. Noch in den Jahren 1840–1850 verkehrte täglich in der Buschmühle ein „Steyermärker“, der nach Gold das Erdreich in der Goldhöhle und den Flußsand der Wesenitz durchforschte. – Von der Buschmühle aus führt ein schattiger Weg im Tale abwärts bis zur Stadtmühle oberhalb Neudörfels. Noch ehe man diese erreicht, grüßen herab in das Tal von einer steilen Felswand zur Linken die von uralten Linden und Eichen überschatteten Berghäuser. Wenige Schritte unterhalb der Stadtmühle wendet sich ein Weg links ab und bringt uns nach kurzer Wanderung und sanfter Steigung hinauf nach dem

Liebethal um das Jahr 1830.

[97] trauten Bergstädtchen Stolpen. Man hat einen schönen Blick hinab auf die Stadtmühle, das Wesenitztal, auf die Dörfer Neudörfel und Rennersdorf. – Unterhalb der Stadtmühle wird das Wesenitztal breiter. Die Berge treten zurück, und auch der Wald entweicht bis hinauf zu den fernsten Höhen. Erst unterhalb des Rennersdorfer Rittergutes treten steile Abhänge wieder an die Ufer heran und engen das Wesenitztal so ein, daß nur die Wesenitz und ein schmaler Fahrweg im Grunde noch Platz haben.

Die beiden Schulen zu Liebethal.

In ihrem weiteren Laufe von Altstadt aus bis zur Einmündung in die Elbe bei Pratzschwitz, hier und dort Nebenflüßchen aufnehmend, spendet die Wesenitz noch gegen 25 Fabriken und Mühlen ihre treibende Kraft und stellt sich bereitwilligst in deren Dienste. Von Altstadt bis Niederhelmsdorf bietet das Wesenitztal des Interessanten wenig, aber von Niederhelmsdorf an treten die landschaftlichen Schönheiten dieses Tales wieder auf. Die Talstrecke von der Helmsdorfer Papierfabrik bis abwärts zur Dittersbacher Papierfabrik ist eine Idylle. Auch von da bis zur Roten Mühle in Dürrröhrsdorf bietet das Wesenitztal, das auf diesem Teile von dem mächtigen Viadukt der Bahnlinie Arnsdorf–Pirna überspannt wird, einen besonderen Reiz. Eine Kahnfahrt auf dem Wehre der Roten Mühle ist unbeschreiblich schön. Romantischer wird das Wesenitztal bis zur Elbersdorfer Mühle, am Fuße der Schönen Höhe. Gewaltige Sandsteinfelsen rahmen das Tal ein, riesige Felsblöcke säumen die Ufer. Unter den letzteren befindet sich auch die Kanzel, die sich bis in das Flußbett drängt und den Lauf der Wesenitz hemmt. – Von Elbersdorf abwärts nach dem idyllisch gelegenen Porschendorf fließt die Wesenitz wieder ruhiger, und das Tal erweitert sich. Doch ohne Anmut ist auch dieser Teil nicht. Einen geradezu wundersamen Anblick gewährt es, wenn man den Fußweg an den Nixensteinen vorüber benutzt und von diesem aus in dem ruhigen Mühlwehre einen Teil Porschendorfs erblickt, welchen das Wasser im Spiegelbilde widergibt, das darübergespannte Himmelszelt als unergründliche Wassertiefe in geheimnisvoller Weise als Hintergrund. – Unterhalb der großen Pappfabrik in Porschendorf tritt die Wesenitz in das Felsgebiet ein, das sie [98] erst unterhalb Liebethals wieder verläßt. Eine Strecke des Wesenitztales führt hier den Namen Braußnitz, wohl darum, weil der Fluß, der oftmals durch die ihm hier entgegentretenden Felsen gleichsam gesperrt wird, oftmals mächtig schäumt und braust. In wildromantischer Schönheit liegt hier das Wesenitztal vor uns und erinnert lebhaft an die Edmundsklamm bei Herrnskretzschen. Das ist ganz besonders der Fall bei dem großen, kunstvoll angelegten Wehre von Nietzels Fabrik in Lohmen. Das 11 m hohe, mit steinerner Freitreppe versehene Wehr zeigt Wassertiefen von 9 bis 10 m. Dasselbe wurde s. Z. unter ganz erschwerenden Umständen erbaut, da man einem geheimen Abflusse des Wassers lange nicht auf die Spur kommen konnte. Nicht weniger als 5600 Zentner Cement fanden hier Verwendung. – Von hier aus windet sich die Wesenitz, hier und dort eine Mühle treibend, meist zwischen Felswänden und Steinbrüchen hindurch. Erst von der Thaumühle an, der jetzigen Holzstoffabrik in Mühlsdorf, kann man die Wanderung direkt am Wasser entlang wieder aufnehmen, was von Porschendorf nicht immer möglich ist. Bald gelangt man zu der vielbesuchten und weithin bekannten Lochmühle. Von hier aus führt ein schattiger Weg im engen Felsentale, Liebethaler Grund genannt, am Copitzer Elektrizitätswerke vorüber nach Liebethal. Unterhalb Liebethals und Jessens tritt die Wesenitz mehr in die Ebene ein und wird dann bei dem idyllischen Dörfchen Pratzschwitz mit offenen Armen von der Elbe aufgenommen.

Kirche und Schule nebst Schulscheune von Bühlau.

Eine Wanderung an der Wesenitz entlang bietet der Abwechselungen viele. Es ist das Wesenitztal von der Quelle an bis zur Mündung in das Elbtal so mannigfach an lieblichen Landschaftsbildern und so anregend für Auge und Herz, daß man wieder und immer wieder zu ihm sich hingezogen fühlt.