Das Winnefeld
Das Winnefeld.
Dies ist die Wahlstatt! Hier im Sandgefilde
Sank von der Weltmacht wolkenhohem Schilde
Der Adler Rom’s zerschmettert in den Staub.
Hier trat vor Varus, seinen Bitten taub,
Sein sehnend Ang’, dem schon der Rettung Labe
Herüber winkte von Aliso’s Zinnen,
Das Hoffnung schon beflügelt wollt’ gewinnen,
Zurück ihm reißend zu dem engen Thale,
In Todesnacht die Legionen sanken.
„Siehst du den Qualm dort aus den Sümpfen dämmern?
Hörst du’s im Wald dort auf den Schädeln hämmern?
Ich will dich stützen; deine Kniee wanken.
Hält selbst der Wind entsetzt den Athem an.“
„„O meine Legionen““ – „Bleibe, Mann!
Du stehest hier in Wodan’s zorn’gem Bann.
Sein Wetterroß saust auf der Wolkenbahn,
Mit diesem Bilde donnernd schon nach Rom!
Dort mag Augustus sich die Haare raufen,
Wuth und Verzweiflung heulend dich verfluchen –
Du aber sollst in diesem Sandeshaufen
O eitle Ruhmgier, die, ein Volk zu knechten,
Sich mit der Freiheit, selbst mit Götterrechten
Und mit dem Tod zum Würfelspiele setzt –
Und wie sie rollen, ein Triumphlied jetzt,
Schau her, wie Varus seine Buhle freit!
In einer Hand das Schwert, auf’s Herz gezückt,
Reißt mit der andern er in wildem Wüthen
Von seinem Haupt vergeblich sich die Blüthen,
In heißer Luft: den Hohn, den Haß, den Fluch!
Den Fluch von Millionen! – Suche nicht
Dich länger ihrer Küsse zu erwehren:
Dort naht Armin, die Haide starrt von Speeren –
Du stolzes Hirn, hier liegst du nun im Sande,
Verlodert ist des Lebens eitler Trug;
Verweht ist hier im heißen Sonnenbrande
Bald auch dein Staub. Nichts bleibt von dir zurück,
Dein Bild in deiner Buhle! –
Aus der Erde
Blickt sie noch heut’ in bleichen Immortellen,
Und schaut voll Weh nach Roma’s Tiberwellen,
Der Sonne Strahl vom fernen, heißen Süden
Voll Mitleids küßt er ihr die Augenlider,
Bis, gluthversengt, zu ihrem alten, müden,
Ruhlosen Schläfer sie sich bettet wieder.
Ob auch zweitausend Jahre fast vergangen
Seit jener Schlacht – die deutschen Eichen prangen
Noch jugendfrisrh rings um des Blachfeld’s Gründen! –
Doch dort vom Lichte blendend überflossen,
Ein mächtig Bild, in Stein und Erz gegossen,
Seh triumphirend ich dort oben stehen.
Das ist Armin! – Er hält dort oben Wache
Durch alle Zeit für Deutschlands Herrlichkeit;
Dem Frevler an, der jemals sie entweiht.
Gespannten Blickes hebt er seine Augen;
Ist es nach Rom, ist es zum Seinestrand?
Sieht Nattern er am Mark des Volkes sangen?
Er scheint zu warnen, scheint sein Volk zu mahnen,
In Lässigkeit nicht Aug’ und Arm zu senken –:
„Rom schleichet stets auf nachtumhüllten Bahnen,
In jeder Form sucht es sein Gift zu schenken!
Und kann es sie nicht mit dem Schwerte lenken,
So wird es Fesseln für die Seelen planen,
Um sie in Nacht und Knechtschaft zu versenken.
Rom ist die Nacht, und Deutschland ist das Licht,
D’rum, eh’ die Freiheit nicht ihr Amen spricht,
Dürft eure Schwerter ihr nicht rosten lassen!“ –
Sanft sinkt der Tag. Die Stimme ist verhallt,
Die tönende dort aus dem erz’nen Munde;
Sich wundersam im sand’gen Sennegrunde.
Zum Winnefelde huscht er sacht heran,
Gespenstisch wallt er auf den dunklen Buchen,
Als wollte dort der alte Römersmann
Dort liegt Aliso! die zerrißnen Mauern
Umzuckt von fernher fahler Wetterschein –
So zuckt noch heute jener Weltschlacht Schauern
Um dieses Blachfelds ernsten Todtenschrein.
Der dürstend sucht nach frischen Bergesquellen,
Stört noch die Ruh dem modernden Gebein,
Zerstampfend seine Immortellen! –
Ernst Meyer-Detmold.