Das alte Amt Scharzfeld

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Autor: Heinrich Morich
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Titel: Das alte Amt Scharzfeld
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aus: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Schaltjahr 1936
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Kurzbeschreibung: Über die Geschichte des Amtes Scharzfeld
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Das alte Amt Scharzfeld


[65]      Am Südrande des Harzes, zwischen diesem und dem Eichsfelde gleichsam eingeschoben, befindet sich ein schmaler Streifen fruchtbaren Landes, der sich von Osterode über Herzberg und Lauterberg bis an die Grenze der Provinz Sachsen bei Tettenborn und Bad Sachsa hinaufzieht, wo er von drei Seiten dieser Provinz umschlossen wird. Diese Landschaft ist ein Stück der Provinz Hannover, und seine Bewohner gehören zu den Niedersachsen, die sich ihre Eigenart durch die Berührung mit den benachbarten Obersachsen nicht haben nehmen lassen.

     Eine alte Heerstraße führt zwischen Osterode und Nordhausen am Harzrande entlang und vermittelte bis zur Erbauung der Eisenbahn im Jahre 1869 einen lebhaften Verkehr auf dieser Strecke, dem einzigen Verbindungswege des Südharzes von Westen nach Osten. Herrliche Landschaftsbilder erschließen sich dem Auge des Wanderers, wenn er seinen Blick über die Berge schweifen läßt, von deren Abhängen und Kuppen oft hohe pfeilerförmige Felspartien herniederchauen, während andererseits ihn die prächtigsten Fluren in der welligen Ebene des Harzvorlandes erfreuen. Kaum findet man eine zweite Landschaft unseres deutschen Vaterlandes, die solche Schönheit mit harmonischem Wechsel verbindet.

     Diese kleine Landschaft ist das alte Amt Scharzfeld, das aus der früheren Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg hervorgegangen ist. Die Grafen von Scharzfeld wurden im Jahre 1134 von Kaiser Lothar auf der Burg Scharzfels eingesetzt und standen im direkten Vasallenverhältnis zu Kaiser und Reich. Den Grafentitel führten sie wohl hauptsächlich deshalb, weil sie das Grafengericht im Burgbezirke ausübten. Zu ihrer Herrschaft gehörten die Dörfer Scharzfeld, Lutterberg, Barbis, Bartolfelde und Osterhagen, sowie die ausgegangenen Ortschaften Königshagen bei Barbis, Berengoze bei Bartolfelde und Mittagerode bei Osterhagen, die man als Wüstungen bezeichnete. Im Jahre 1157 gab Kaiser Friedrich Barbarossa die Grafschaft Scharzfeld (neben Herzberg und Pöhlde) seinem Vetter Heinrich dem Löwen gegen das Schloß Baden in Tausch, und die Grafen von Scharzfeld wurden damit Lehnsmannen der Welfen. So kam es, daß die Grafschaft später dem welfischen Teilfürstentum Grubenhagen zugeteilt wurde.

     Die genannten Dörfer und Wüstungen sind uralte Siedelungen, die schon lange vor der Erbauung der Burg Scharzfels, die zu Anfang des 12. Jahrhunderts zum Schutze des benachbarten Klosters Pöhlde erfolgt sein soll, bestanden haben müssen. Scharzfeld wird schon im Jahre 952 in einer Urkunde Kaiser Ottos Ⅰ. unter den Ortschaften aufgezählt, die dem Kloster Pöhlde Güter geschenkt hatten, während Bartolfelde erst in einer Walkenrieder Urkunde von 1260 genannt wird. Aber ein Ritter Hermann von Bartolfelde kommt schon in einer Urkunde von 1222 als Zeuge vor, und auf seine Bitten übertrugen die Grafen von Scharzfeld-Lauterberg 1240 eine Hufe in Königshagen, die Kadelan des Hoeffe genannt, dem Kloster Pöhlde. Es ist anzunehmen, daß die Ortschaften Barbis, Bartolfelde und Osterhagen etwa dasselbe Alter haben wie Scharzfeld.

     Auf das hohe Alter der Siedelungen in der Scharzfelder Gegend weisen auch die Nachrichten von der Einführung des Christentums hin. Wie die heidnischen Sachsen hier zu Christen geworden sind, erzählt uns die Sage von der Steinkirche bei Scharzfeld, dem ältesten Denkmal des Christentums in den Harzlanden. Danach soll Bonifatius († 755) den Heiden als sie auf dieser felsigen Höhe ihrem Wotan blutige Opfer brachten, in mächtig ergreifenden Worten die Ohnmacht ihres Götzen und die Allgewalt und Herrlichkeit des lebendigen Gottes geschildert haben. Um ihnen die Göttlichkeit seiner Sendung zu beweisen, ergriff er eine hölzerne Axt und begann mit derselben den Felsen auszuhöhlen. Und siehe da, das harte Gestein gab nach und wich unter dem schwachen Werkzeug wie weiches Wachs. Da fielen die trotzigen Sachsen anbetend auf ihre Knie und ließen sich in der nahen Oder taufen. Die Steinkirche stammt nach dem Urteile Sachverständiger aus dem 8., spätestens aus dem Anfange des 9. Jahrhunderts, und da diese Gegend seit alters zum Bistum Mainz gehörte, so ist es wahrscheinlich anzunehmen, daß schon zur Zeit des Bonifatius oder doch bald nach seinem Tode, jedenfalls noch vor den Sachsenkriegen Karls des Großen, von Mainz aus das Christentum in diese Gegenden gebracht worden ist.

     Wann die Ortschaften Königshagen und Berengoze aufgehoben sind, ist nicht festzustellen, insbesondere fehlt über Berengoze, von dem auch kein Flurname übrig geblieben ist, in Bartolfelde jegliche Erinnerung. Dagegen weiß man in Barbis von dem vorausgegangenen Königshagen noch viel zu erzählen, und die Erinnerung an [66] ein Dorf, das hier gestanden hat, ist in der Bevölkerung vorhanden. Es wird noch der Platz der ehemaligen Kirche und der Mühle bezeichnet, und nach unverbürgten Nachrichten soll hier sogar in alter Zeit ein Salzwert gewesen sein, worauf der Name „Salzberg“ hinzuweisen scheint. Auch die Bezeichnung „Kirchberg" läßt auf das Vorhandensein einer Kirche schließen.

     Die Bewohner von Wittagerode (im Volksmunde Wittgerode) am Walde von Krotenhagen zwischen Rüxei und Osterhagen siedelten nach dem Junkerndorfe Steina über. Hier standen zwei Junkern- oder Meyerhöfe mit mehreren Arbeiterwohnungen, die den Herren von Wattenrodt gehörten. Vom Jahre 1324 wird berichtet, daß der Knappe Heinrich Wattenrodt einige in jeder Gegend gelegene Hohnsteinsche Lehen, eine Wiese und einige Äcker zwischen den Dörfern Sacha und Tettenborn an das Kloster Walkenried gab, und vom Jahre 1492, daß die Knappen Heinrich und Friedrich von Wattenrodt den vierten Teil des Zehnten in Scharzfeld, den sie besaßen, an das Kloster Pöhlde verpfändeten. Noch im Jahre 1632 wurden die Erbherren von Wattenrodt mit dem Dorfe Steina beliehen. Der letzte Gerichtsherr und Erbsasse von Branderode und Steina, Hans Heinridh von Wattenrodt, starb am 16. März 1659 zu Sachsa im 84. Lebensjahre. Seitdem findet sich der Name dieses Geschlechts nur noch in den benachbarten Ortschaften als bürgerlicher Familienname.

     Vielfach ist die Ansicht verbreitet, daß diese ehemaligen Dörfer im Bauernkriege oder im dreißigjährigen Kriege zerstört worden seien. Aber die Wüstungen sind viel älter und brauchen auch nicht unbedingt durch frühere Kriege oder Fehden zerstört zu sein. Es ist nicht unwahrcheinlich, daß diese kleinen weilerartigen Ansiedelungen von ihren Bewohnern freiwillig aufgehoben worden sind; denn die wachsende Unsicherheit schon im 13. Jahrhundert, wie auch das Bedürfnis nach größerer Geselligkeit und Lebensgemeinschaft ließ es ihnen oft vorteilhaft erscheinen, sich benachbarten größeren Gemeinden anzuschließen. Nicht selten sind auch Ortschaften, die sich im Besitz von Klöstern[WS 1] befanden, von diesen aufgehoben, indem sie die Bewohner von dort in andere Dörfer versetzten, um die früheren Lathufen (Feldmarken) zu einem größeren Gute zusammenlegen zu können.

     Nachdem die Burg Lutterberg auf dem Hausberge um 1150 erbaut war, teilten sich die Grafen von Scharzfeld die ganze Grafschaft, und es zweigte sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts von ihnen die Nebenlinie der Grafen von Lutterberg ab, so daß es nun Grafen von Scharzfeld und Grafen von Lauterberg gab; doch bildeten beide Herrschaften einen geschlossenen Bezirk. Im Jahre 1295 starben die Grafen von Scharzfeld aus, und ein Jahrhundert später, im Jahre 1398 auch die Grafen von Lauterberg, womit das ganze Geschlecht erlosch.

     Nach dem Tode des letzten Grafen von Lauterberg, Heiso, der im Kloster Teistungenburg beigesetzt wurde, fiel die Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg 1398 an den Herzog Friedrich von Grubenhagen. Allein dieser versetzte dieselbe schon bald für 1100 Mark Silber an seinen Schwager, den Grafen von Hohenstein. Der Vetter Friedrichs, Herzog Erich von Grubenhagen, wollte die Grafschaft wieder einlösen, und da die Grafen von Hohnstein dieses verweigerten, entspann sich eine Fehde, bei der es 1415 in der sogenannten Bauke zwischen Bartolfelde und Osterhagen zu einem blutigen Treffen kam. Als Erichs Bundesgenossen kämpften hier Friedrich von Herzberg und Herzog Cocles von Göttingen, dem die Bürger von Northeim und Göttingen gefolgt waren. Auf der anderen Seite standen die Söhne des Grafen Heinrich zu Hohnstein, Heinrich der Stolze, Ernst und Günther mit ihren Mannen und den Verbündeten von Schwarzburg.

     Schon schien sich der Sieg auf die Seite der Hohnsteiner zu neigen, denn sie hatten viele Feinde von den Pferden gestochen und sie nach dem Städchen Ellrich als Gefangene abgeführt. Da plötzlich sinkt Graf Günther vom Pferde, großer Schrecken ergreift seine Schar, und in der allgemeinen Verwirrung besiegen die Verbündeten Erichs die Hohnsteiner. Die Grafen von Hohnstein wurden gefangen genommen und mußten sich mit 8000 Gulden loskaufen. Es wird erzählt, daß Graf Günther mit einigen Adeligen getötet und in der Klosterkirche von Walkenried beigesetzt sei, doch hat er noch 1416 eine Urkunde mit ausgestellt und 1418 mit seinen Brüdern eine Belehnung vorgenommen. Wie der Verlauf und Ausgang dieses Kampfes nicht völlig klar ist, so liegt auch der Ursprung desselben nicht einwandfrei vor. Aber bald darauf scheint eine friedliche Auseinandersebung stattgefunden zu haben, da die Grafen von Hohnstein in einer Urkunde vom 9. Juni 1417 bezeugen, daß ihnen die Herzöge von Grubenhagen gestattet haben, das Haus Lutterberg, das jedenfalls in der Fehde von 1415 zerstört war, wieder aufzubauen.

     Infolge dieses friedlichen Abschlusses blieben die Grafen von Hohnstein im Besiz der Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg, aus der mit der Zeit das Dorf Scharzfeld ausgeschieden wurde. Schon bald nach dem Jahre 1337 kam das Dorf [67] in den Besitz der Herzöge von Grubenhagen, die 1345 den vierten Teil und 1351 die Hälfte des Zehnten von Scharzfeld dem Kloster Pöhlde schenkten. Nachdem es dann um 1420 an die Grafen von Hohnstein verpfändet war, wurde es von diesen 1541 wieder an Grubenhagen zurückgegeben. Zugleich wurden die Grenzen zwischen Hohnstein und dem Dorfe, nachdem bereits 1512 und 1515 Streitigkeiten und Verhandlungen über die Grenzen zwischen Hohnstein und Grubenhagen stattgefunden, festgestellt. Seit dieser Zeit gehörte das Dorf Scharzfeld in das Gericht Herzberg, bei dem es auch in der Folge verblieben ist.

     Durch die früheren Grenzstreitigkeiten veranlaßt, entspann sich im Jahre 1500 wieder eine Fehde, die für die Ortschaften der Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg verhängnisvoll werden sollte. Herzog Philipp von Grubenhagen, der sonst still auf seinem Schlosse Herzberg lebte, zog in diesem Jahr infolge eines Streites über die Grenzen zwischen Herzberg und Scharzfeld gegen die Grafen von Hohnstein aus, steckte ihnen das Vorwerk Neuhof in Brand und ließ auch die Dörfer Barbis, Bartolfelde und Lauterberg in Flammen aufgehen. Dabei plünderten sie an allen Orten, bis die Fehde durch Vermittelung der benachbarten Herren zu Quedlinburg in Güte beigelegt wurde.

     Um das Jahr 1521 vollzog sich in der Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg ein wichtiges Ereignis, dem die Grafen von Hohnstein das größte Interesse entgegenbrachten. Der zur Herrschaft Lutterberg gehörende Teil des Oberharzes, der bis dahin fast nur als Jagdgebiet benutzt werden konnte, erschloß seine reichen unterirdischen Schätze, und es entstand, durch die Bergfreiheit von 1521 begünstigt, die Bergstadt St. Andreasberg, die sich so rasch entwickelte, daß schon innerhalb eines Jahrzehnts 300 Wohnhäuser vorhanden waren. Im 16. Jahrhundert umfaßte die Grafschaft die Bergstadt St. Andreasberg, den Flecken Lauterberg, das Pfarrdorf Bartolfelde mit Osterhagen, Steina und dem Weiler Nüxei, wo sich eine herrschaftliche Schäferei befand, und das Pfarrdorf Barbis mit dem Schlosse Scharzfeld und dem Vorwerk Neuhof, das auch „das neue Schloß" genannt wurde.

     Als im Bauernkriege 1525 die benachbarten Klöster Waltenried und Pöhlde zerstört wurden, nahmen daran auch die Bauern der Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg tätigen Anteil, ja einer derselben, Hans Arnold, Schäfer in Bartolfelde, wurde sogar an die Spiße der Aufrührer gestellt, die fich gegen das Kloster Walkenried und die Grafen don Hohnstein wandten. Aber der General im Schäferkittel hatte bald abgewirtschaftet, denn nach der Niederlage der Bauernheere bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 zerstreuten sich die Bauern und nahmen, als sei nichts vorgefallen, ihre Landarbeit wieder auf. Auf den klugen Rat des Nordhäuser Stadthauptmanns Balthasar von Sundhausen legte Graf Ernst von Hohnstein dem großen Haufen seiner irregeleiteten Bauern nur eine gelinde Geldstrafe auf, die Rädelsführer aber ließ er ergreifen und hinrichten.

     Dieser Graf Ernst von Hohnstein war ein eifriger Katholik und wollte von der neuen Lehre Luthers in seinem Lande nichts wissen. Seinen Hofprediger Winemann verfolgte er, weil dieser feine Zuneigung zum Luthertum nicht unterdrücken konnte, und dasselbe Schidsal drohte allen Geistlichen in seinem Lande, die sich etwa der neuen Lehre zuwenden wollten. Die evangelische Lehre konnte deshalb zu Lebzeiten des Grafen Ernst nur teilweise und in ganz geringem Umfange Eingang in seinem Lande finden.

     Das Dorf Scharzfeld, das seit 1541 wieder zu Grubenhagen gehörte, wird die Reformation noch in diesem Jahre eingeführt haben; denn die Herzöge von Grubenhagen standen von Anfang an auf der Seite der Evangelischen und nahmen an den Kämpfen gegen die katholischen Fürsten tätigen Anteil. Der erste evangelische Prediger in Scharzfeld hieß Gregorius Reiche, dessen Einfluß auf seine benachbarten Amtsbrüder nicht ohne Erfolg geblieben sein wird, denn auch in Barbis, Lauterberg und St. Andreasberg regte sichs, während von Bartolfelde in dieser Beziehung nichts bekannt geworden ist. Wie die Pfarrer Johannes König in Barbis und Ernst Schrader in Lauterberg im Sinne Luthers predigten, so trat auch der Pastor Küchenthal in St. Andreasberg, das bis zur Erbauung einer eigenen Kirche im Jahre 1536 in Lauterberg eingepfarrt gewesen war, entschieden auf die Seite der Evangelischen. Vor der Verfolgung des Grafen schützte sie wohl nur dessen Tod, der 1552 auf der Burg Scharzfels erfolgte. Vier Jahre darauf, am 27. März 1556 berief sein Sohn und Nachfolger, Graf Volkmar, im Einvernehmen mit seinen Brüdern sämtliche Prediger der Grafschaft nach Walkenried, wo mit Zustimmung der anwesenden Ritterschaft die Einführung der Reformation beschlossen wurde. Schon am folgenden Sonntage, Palmarum, feierte man das heilige Abendmahl in beiderlei Gestalt, und acht Tage später erklang die Osterbotschaft in deutscher Sprache. Eine neue Zeit war angebrochen, ein neuer Geist, der Geist Luthers zog durch das Land und predigte von der Gnade Gottes und der Rechtfertigung durch [68] den Glauben, aber auch von der Freiheit des Christenmenschen.

     Als im Jahre 1593 mit Ernst Ⅶ. das Geschlecht der Grafen von Hohnstein ausstarb, wurde die Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg, mit widerrechtlicher Übergehung der mitbelehnten Grafen von Stolberg und Schwarzburg, vom Herzog Wolfgang von Grubenhagen als eröffnetes Lehn eingezogen und ist seitdem beim Fürstentum geblieben. Die Bergwerke der Grafschaft kamen damals unter die Direktion des Bergamts zu Clausthal, während der andere Teil, nämlich die Ortschaften Lauterberg, Barbis, Bartolfelde, Osterhagen und Steina und der Weiler Nüxei, in das Amt Scharzfeld verwandelt wurden, das nun die Gerichtsbarkeit und die Verwaltung in dem kleinen Kreise ausübte.

     Das Dorf Steina war bis dahin in kirchlicher Beziehung als Filiale mit der Parochie Sachsa in dem gräflich Hohnsteinschen Amt Klettenberg verbunden. Als die Grafschaft Scharzfeld-Lauterberg 1593 an Grubenhagen zurückfiel, wurde Steina als Filial von Steina abgenommen und der Parochie Bartolfelde zugelegt. Sehr bald aber trat das frühere Verhältnis wieder ein, denn 1613 heißt es in einem Schreiben des Kgl. Archivs: „In Steina ist kein eigener Prediger, der zur Sachsa predigt da allsonntaglich und erhält von Wattenrodt (Erbherrn zu Steina) ein Salarium.“ Die Grubenhagensche Linie starb nämlich schon im Jahre 1596 mit Herzog Philipp Ⅱ. aus, und nun bemächtigte sich Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel, Schwager Philipps Ⅱ., des Fürstentums Grubenhagen trotz des besseren Rechts der Linie Lüneburg-Celle. Er war nach dem Tode des letzten Grafen von Hohnstein 1593 vom Stifte Halberstadt mit den Grafschaften Lohra und Klettenberg belehnt, und so kam es, daß er Steina wieder mit der Parochie Sachsa in dem gräflich Hohnsteinschen Amt Klettenberg verband. Aber sein Sohn Ulrich mußte das Fürstentum Grubenhagen auf den Spruch des Reichskammergerichts wieder herausgeben, und 1617 kam es durch Vergleich an die Cellesche Linie, an den Herzog Christian von Lüneburg. Da wird auch Steina wieder mit Bartolfelde verbunden worden sein, dem es wenigstens um die Mitte des 17. Jahrhunderts angehörte.

     Das alte Amt Scharzfeld blieb als solches bestehen bis 1859, in welchem Jahre es aufgehoben und mit dem Flecken Lauterberg, den Dörfern Barbis, Bartolfelde, Osterhagen und Steina und dem Hofe Nüxei zu dem Amte Herzberg gelegt wurde. Fast 400 Jahre hatte es bestanden und in dieser Zeit mit der gleichnamigen Burg vielfach Freud und Leid geteilt, letzteres namentlich in den schrecklichen Kriegen, die sich in früheren Jahrhunderten auf deutschem Boden abspielten. Lenkte doch die erwähnte Heerstraße auch gerade die Kriegsvölker auf ihren Durchmärschen an den Harz heran, so daß die Bewohner desselben das Kriegselend gründlich kennen lernten. Die Besaßung der Burg war viel zu schwach, um auch nur ihre nächste Umgebung schützen zu können.

     Im 30 jährigen Kriege hatte das Amt Scharzfeld viel von den Kaiserlichen, Bayern, Dänen und Schweden zu leiden, die sich auf ihren Durchmärschen ablösten. Im Sommer 1626 stand das Wallensteinsche Regiment Carboni bei Scharzfeld, bis es durch das Eintreffen der Dänen zum Rückzug veranlaßt wurde. Am dritten Weihnachtstage 1631 kam Oberstleutnant von Wurmb mit drei Kompagnien ins Land und nahm auf der Burg Quartier. Etwa 10 Jahre später am 1. März 1636, stellten sich schwedische Reiter ein und richteten in den Dörfern Barbis und Bartolfelde viel Unfug an.

     Im Siebenjährigen Kriege galt der Besuch der feindlichen Heere hauptsächlich dem Schlosse Scharzfels, wodurch natürlich auch die Ortschaften des Amtes in Mitleidenschaft gezogen wurden. Nachdem im Herbst 1757 das zügellose Heer des französischen Obersten Fischer die Burg vorübergehend besetzt hatte, zog 1761 der französische General Vaubecourt vor die Burg und belagerte sie längere Zeit, ohne die schwache Besatzung zur Übergabe zwingen zu können. Zu den Schanzarbeiten trieben die Franzosen die Bauern der ganzen Umgegend herbei, aber alle Drangsale und Bedrückungen vermochten der tapferen Besatzung nicht den Mut und der Bevölkerung nicht die Hoffnung auf ein gutes Ende zu nehmen. Endlich fand sich ein Verräter, der den Franzosen den Zugang zur Burg zeigte. Das Schloß wurde nun zerstört und ausgeräubert.

     Seit jener Zeit hat das alte Amt Scharzfeld unter Fehden oder Kriegsunruhen nicht mehr besonders zu leiden gehabt. Es konnte sich ruhig weiter entwickeln, wobei die Ortschaften mit der Zeit zu einer gewissen Wohlhabenheit gelangten, die in der niedersächsischen Behaglichkeit und Gemütlichkeit besonders zum Ausdruck kommt. Ackerbau und Viehzucht sind die Hauptbeschäftigungen der Bewohner, die durch eisernen Fleiß und Kunstvorrichtungen dem Boden abgewinnen, was er herzugeben vermag. Hervorragend ist der kräftige Pferdeschlag, den man weit und breit nicht besser findet, aber auch der übrige Viehbestand übertrifft oft alle Erwartungen. In früheren Zeiten hatten die Ortschaften in den [69] Harzwaldungen Hut und Weidegerechtsame, die aber später abgelöst sind. Damals gingen die Rinderherden den ganzen Sommer auf die Harzweide, die sie erst mit dem Eintritt des Herbstes wieder verließen. Jetzt ist man auf Stallfütterung angewiesen.

     Industrie ist im Amte Scharzfeld verhältnismäßig wenig vorhanden, doch bildet auch sie für eine Anzahl seiner Bewohner eine Nahrungsquelle. Vor allen Dingen ist es die Steinindustrie, die in dieser Gegend vielen Leuten Beschäftigung verschafft. Der feinkörnige Dolomit wird in zahlreichen Steinbrüchen, hauptsächlich bei Osterhagen, als Werkstein gewonnen. In den großen Steinbrüchen am Zoll, unterhalb der Ruine, verarbeitet man die Tanner Grauwacke zu Schottermaterial und Pflastersteinen, die weithin versandt werden, und in den Harzer Barytwerken wird der Schwerspat für Farben- und Papierfabriken, sowie zur Herstellung von Barytsalzen aufbereitet. Mit den Schwerspatgängen treten meist Eisenerze auf, die besonders am Großen Knollen bei Lauterberg abgebaut werden. Schließlich sind auch noch Stahl- und Blechfabriken vorhanden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. fehlendes n angefügt