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Das im Zoologischen Garten zu Hannover geborene Gnu

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Textdaten
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Autor: Ernst Schäff
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Titel: Das im Zoologischen Garten zu Hannover geborene Gnu
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 180
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[180] Das im Zoologischen Garten zu Hannover geborene Gnu. Die untenstehende Abbildung verdanken wir dem Direktor des Zoologischen Gartens zu Hannover, Dr. Ernst Schäff. Derselbe hatte auch die Freundlichkeit, das Bild durch folgende Ausführungen näher zu erläutern: Von einem Transport afrikanischer Antilopen, welche der bekannte Tierhändler C. Reiche in Alfeld eingeführt hatte, erwarb der Hannoversche Zoologische Garten im Jahre 1893 außer einer mächtigen Pferde-Antilope und einem Hartebeest (Kuhantilope) auch ein Paar weißschwänziger Gnus, welche, bei ihrer Ankunft fast ganz ausgewachsen, sich zu wahren Musterexemplaren entwickelten. Die auf den ersten Blick häßlichen Tiere haben in ihrem Aeußeren für den Tierfreund und -kenner doch viel Anziehendes. Wenn auch der Kopf reichlich schwer und durch bürstenartige Haaransammlungen auf dem Nasenrücken sowie unter dem Kinn mehr verunstaltet äls geschmückt wird, wenn auch der Hals fast übermäßig kräftig entwickelt zu sein scheint, so ist doch der Rumpf nebst den Beinen so wohl proportioniert und besonders die Bewegungswerkzeuge sind so wunderbar zierlich und federnd, daß man diese Teile geradezu schön nennen darf. Zur Bewunderung aber wird der Beschauer hingerissen, wenn er die Gnus in voller Bewegung sieht, selbst in dem beschränkten Raum des Geheges in einem zoologischen Garten.

Das im Zoologischen Garten zu Hannover geborene Gnu.
Nach dem Leben gezeichnet von Dr. Ernst Schäff.

Während die meisten Gnus ziemlich bösartige und oft heimtückische Tiere sind, zeigten unsre Exemplare sich verhältnismäßig liebenswürdig, sowohl untereinander als auch gegen ihren Wärter. Nur während der Brunstzeit änderte sich das Benehmen und das Männchen war einigemal sehr ungalant gegen seine bessere Hälfte, brachte ihr sogar ein paarmal blutende Wunden, glücklicherweise auf die Haut beschränkt, bei. Später vertrugen sich dann die Tiere wieder gut und konnten Tag und Nacht in einem gemeinsamen Gehege und Stall untergebracht werden. Einige Zeit vor Weihnacht vorigen Jahres glaubte ich aus dem Aussehen des Weibchens schließen zu dürfen, daß unsre Gnus sich bald vermehren würden, eine Ansicht, in der ich mich nicht getäuscht hatte. Gerade als ich am Sylvesterabend mit den Vorbereitungen zum üblichen Sylvesterpunsch beschäftigt war, wurde mir gemeldet, daß ein junges Gnu geboren sei. Ein erfreuliches Neujahrsgeschenk für einen Tiergärtner!

Ich begab mich selbstverständlich sofort nach dem Antilopenhause, um meinen Besuch in der Wochenstube abzustatten, wo ich alles in bester Ordnung vorfand. Das junge Tierchen stand ganz munter neben der Mutter, suchte bald das Euter und schien sich auf diesem sogenannten Jammerthal ganz wohl zu fühlen. Es war das erste weißschwänzige Gnu, welches in einem deutschen zoologischen Garten das Licht der Welt erblickte und wird als solches vielleicht bei den Lesern der „Gartenlaube“ eben so viel Interesse erregen wie bei unsern Besuchern. Ich zeichnete das Tierchen etwa vier Tage nach der Geburt, als von den Hörnern nur bei scharfem Hinsehen zwischen der struppigen Stirnbehaarung ein winziges Knöpfchen zu bemerken war. Die Haarfarbe war fahl braungelb, an der Vorderseite des Kopfes, wo die Haarbürste schon angedeutet, dunkelbraun; ebenso zwischen den Vorderbeinen an der Brust. Der starke Hals mit kurzer aufrechter Mähne erschien fast dicker als der von zierlichen, hohen Beinen getragene Körper, an den sich ein demjenigen eines Hundes ähnlicher Schwanz ansetzte. Nach einigen Wochen änderte sich schon manches an dem Tierchen, die Hörner wurden deutlich sichtbar, die Mähne länger, der Schwanz ebenfalls, das ganze Tier wurde merklich größer. An einer Stelle, wo die Mutter das Junge so lange leckte, bis das Haar ausfiel, wuchs bald nachher neues, und zwar von derselben dunkelbraungrauen Farbe, wie es bei den Alten vorhanden ist. Zum Frühjahr wird jedenfalls das mehr gelbliche Säuglingshaar überhaupt verschwinden, um dem grauen Kleid der Erwachsenen Platz zu machen. In diesem Alter sehen dann die jungen Gnus sehr merkwürdig aus, da sie im allgemeinen Gestalt und Farbe der Alten, dabei aber anstatt der abwärts und dann wieder nach oben gekrümmten etwa fingerlange, ganz gerade aufragende Hörner tragen. Erst ganz allmählich nehmen die Hörner die charakteristische gekrümmte Form an. Das bräunlich gelbe Jugendkleid darf als Anpassung aufgefaßt werden, da das wenigstens in den ersten Tagen zu raschem andauerndem Lauf noch nicht genügend erstarkte junge Tier ohne Zweifel der Farbe des von der afrikanischen Sonne verdorrten und vergilbten Pflanzenwuchses der Steppen ähnlich gemacht wird und dadurch manchem Feind entgeht. Vor letzterem ist es bei uns völlig sicher, und so dürfen wir uns der Hoffnung hingeben, daß es sich zu einem normalen kräftigen Tier entwickeln wird.