Das kluge Grethel (1819)
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Es war eine Köchin, die hieß Grethel, die trug Schuhe mit rothen Absätzen und wenn sie damit ausging, so drehte sie sich hin und her, war ganz fröhlich und dachte: du bist doch ein schönes Mädel. Und wenn sie nach Haus kam, so trank sie aus Fröhlichkeit einen Schluck Wein, und weil der Wein auch Lust zum Essen macht, so versuchte sie das beste, was sie kochte, so lang, bis sie satt war und sprach: „die Köchin muß wissen, wie’s Essen schmeckt.“
Es trug sich zu, daß der Herr einmal zu ihr sagte: „Grethel, heut Abend kommt ein Gast, richt mir zwei Hühner fein wohl zu.“ „ Wills schon machen, Herr,“ antwortete das Grethel. Nun stachs die Hühner ab, brühte sie, rupfte sie, steckte sie an den Spieß und brachte sie, wies gegen den Abend ging, zum Feuer, damit sie braten sollten. Die Hühner fingen an braun und gahr zu werden, aber der Gast war noch nicht gekommen. Da rief Grethel dem Herrn: „kommt der Gast nicht, muß ich die Hühner vom Feuer thun, ist aber Jammer und Schade wenn sie nicht bald gegessen werden, wo sie am besten in Saft sind.“ Sprach der Herr: „ei, so will ich selbst laufen und den Gast holen.“ Als der Herr den Rücken gekehrt hatte, legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits und dachte: „so lange da beim Feuer stehen, macht schwitzen und durstig, wer weiß, wann die kommen, derweil spring ich in den Keller und thu [399] einen Schluck.“ Lief hinab, setzte einen Krug an: „Gott gesegne’s dir, Grethel!“ und that einen guten Zug. „Der Wein hängt an einander, sprachs zu sich, und ist nicht gut davon abbrechen.“ Nun ging es wieder hinauf, stellte die Hühner wieder übers Feuer, strich sie mit Butter und trieb den Spieß lustig herum. Weil aber der Braten so gut roch, dachte es: „es könnte etwas fehlen, versucht muß er werden!“ schleckte mit dem Finger, und sprach: „ei, was sind die Hühner so gut! ist ja Sünd und Schand, daß man sie nicht gleich ißt!“ Lief zum Fenster, ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm, aber es sah niemand, stellte sich wieder zu den Hühnern, dachte: der eine Flügel verbrennt, besser ists, ich eß ihn weg. Also schnitt es ihn ab und aß ihn und er schmeckte ihm, und wie es fertig war, dachte es, der andere muß auch herab, sonst merkt der Herr, daß was fehlt. Wie die zwei Flügel verzehrt waren, ging es wieder und schaute nach dem Herrn und sah ihn nicht; „ei, fiel ihm ein, wer weiß, sie kommen wohl gar nicht und sind wo eingekehrt.“ Da sprachs: „hei, Grethel! sey guter Dinge, das eine ist doch angegriffen, thu noch einen frischen Trunk und iß es vollends dazu, wenn’s all ist, hast du Ruh! warum soll auch die Gottesgabe umkommen?“ Also lief es noch einmal in den Keller, that einen ehrbaren Trank und aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf. Wie es drunten war und der Herr noch immer nicht kam, sah es das andere Huhn an und sprach: „wo das eine ist muß auch das andere seyn, die zwei gehören zusammen, was dem einen Recht ist, das ist dem andern billig, ich glaube, wann ich noch einen Trunk [400] thue, so sollte mirs nicht schaden.“ Also that es noch einen frischen Trank, und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen.
Wie es so am besten aß, kam der Herr daher gegangen und rief: „nun, eil dich Grethel, der Gast kommt gleich nach.“ „Ja, Herr, wills schon zurichten,“ antwortete Grethel. Der Herr sah indessen, ob der Tisch wohl gedeckt war, nahm das große Messer womit er die Hühner zerschneiden wollte, und wetzte es auf dem Gang. Indem kam der Gast, klopfte sittlich und höflich an der Hausthüre; Grethel lief und schaute wer da war, und als es den Gast sah, hielt es den Finger an den Mund und sprach: „still! still! macht geschwind, daß ihr wieder fort kommt, denn wenn euch mein Herr erwischt, so seyd ihr unglücklich; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen, aber er hat nichts anders im Sinn als euch die beiden Ohren abzuschneiden. Hört nur, wie er das Messer dazu wetzt.“ Der Gast hörte das Wetzen und eilte was er konnte wieder die Stiegen hinab. Das Grethel war nicht faul, lief schreiend zu dem Herrn und sprach: „da habt ihr einen schönen Gast eingeladen!“ – „Ei, warum Grethel, was hast du?“ – „Ja, sagte es, der hat mir beide Hühner, die ich eben auftragen wollte, von der Schüssel genommen und ist damit fortgelaufen.“ „Das ist feine Weise! sprach der Herr, und war ihm leid um die schönen Hühner: „wann er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte, damit mir was zu essen geblieben wäre.“ Rief ihm zu, er sollt bleiben, aber der Gast that als hörte er es nicht; darum lief er ihm nach, das Messer noch immer in der [401] Hand und schrie: „nur eins! nur eins“ und meinte, der Gast sollte ihm nur ein Huhn lassen und nicht alle beide nehmen, dieser aber meinte nicht anders, als er sollte eins von seinen Ohren hergeben, und lief, als wenn Feuer unter ihm brennte, damit er sie beide heimbrächte.