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Das rothe Jahr

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Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Das rothe Jahr.
Untertitel: Das Rothe Jahr 1903 (Gedenk-Festzeitung der Sozialdemokratie)
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Herausgeber: Buchhandlung Vorwärts
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1902
Verlag: Paul Singer & Co.
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Erscheinungsort: Berlin
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Das rothe Jahr.

Wenn einer Wahlschlacht Abend naht,
Und Licht auf Licht sich still entzündet,
Und wenn elektrisch dann der Draht
Dem Reiche unsre Siege kündet,

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Wenn sie verblüfft, bestürzt und blaß

Von Hand zu Hand das Blatt sich reichen,
Wenn sie mit einem: „Es ist kraß!“
Die schlimmen Ziffern stumm vergleichen,
Wenn man sich tief bekümmert sagt,

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Kopfschüttelnd und mit leisem Grauen,

Daß es nun doch mit Schrecken tagt
Auch in bisher „immunen“ Gauen,
Wenn man sich seufzend eingesteht,
Daß auf dem letzten Loch man blase,

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Da es rapid zu Ende geht

Mit der bewährten Macht der Phrase,
Wenn man sich sagt mit bleichem Mund,
Daß nirgends unser Vormarsch stocke,
Und daß vom Ofen keinen Hund

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Man länger mit Tiraden locke,

Dann schwillt das Herz uns in der Brust,
Als ob es keinen Platz mehr fände,
Dann drücken wir uns selbstbewußt
In frohem Stolz die Bruderhände,

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Dann nennen unser Kämpferloos,

Wennschon ein Tag für Tag bedrohtes,
Wir opferfreudig schön und groß,
Dann nennen wir das Jahr ― ein rothes.

Wir haben manches solche Jahr

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Und keine Zeit macht sie zu nichte,

Denn jedes dieser Jahre war
Ein Markstein in der Weltgeschichte.
Und ein gewaltig Echo fand
Der Donner jedes rothen Jahres

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Vom Rewa- und vom Dünastrand

Bis an den Strand des Manzanares,
Und in Sibiriens Wüsteneien
Erfüllte Herzen er mit Wonne,
Wie unterm goldnen Sonnenschein

40
Des Weingeländs an der Garonne.

Ein jeder Sieg der Vorderhut
Entzündet ja der Hoffnung Kerzen
Und füllt mit Zuversicht und Muth
Gebeugte und verzagte Herzen;

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Von Land zu Land, von Meer zu Meer

Berauschten, stählten und entzückten
Mit einem Schlage wir das Heer
Der Duldenden, der Unterdrückten.

Nicht uns allein galt unsre That,

50
Nicht eignes Heil war unser Trachten ―

Für’s ganze Proletariat
Schlug Deutschland die Befreiungsschlachten.
Und nun ― uns allen sei es klar! ―
Nun steht erwartungsvoll die Erde

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Und fragt, ob dieses nächste Jahr

Für alle Welt ein rothes werde.

Und was da mannhaft fühlt und frei,
Das hält den Blick auf uns gewendet,
Das will, daß neunzehnhundertdrei

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Ein prächt’ges Zorngewitter spendet,

Das hofft auf einen Siegestag,
Vor dem die frühern all verblassen,
Das hofft auf einen Keulenschlag
Von Seiten der empörten Massen,

65
In denen jeden Tropfen Blut

Der von der blinden Gier entfachte
Maßlose Junkerübermuth
Und Junkerhohn zum Sieden brachte.

Und soll das Volk für alle Welt

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Zum Gegenstand des Spottes werden,

Das zwischen Bodensee und Belt
Sich wappnet heut‘ mit Zorngeberden?
Soll’s etwa heißen immerdar
Bei allen Völkern in der Runde,

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Daß Deutschland doch nicht würdig war

Der unerhörten Gunst der Stunde?
Daß wir nicht so, wie wir gemußt,
Genutzt den ekelhaften Schacher,
Daß wir zu treffen nicht gewußt

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In’s Herz des Volkes Widersacher?


Doch nur getrost! Wir werden nicht
Die rothen Fahnen selbst zerfetzen;
Wir werden treu erkannter Pflicht
An Alles mannhaft Alles setzen;

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Wir wissen, daß zum Sieg es geht,

Daß wir die Junkersippe fällen
Und daß das rothe Banner weht
Am Abend von erstürmten Wällen.

Wohlauf denn, Landsturm der Partei!

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Ihr Kämpfer für des Volkes Rechte,

Zersprengt mit einem Racheschrei
Den Horst der Dränger und der Knechte,
Macht ihren räuberischen Troß,
Den alten Fluch der deutschen Lande,

95
Macht siegend ihn mit Mann und Roß

An einem Schicksalstag zu Schande,
Und sorgt, daß neunzehnhundertdrei
Für unsre kampferprobten Schaaren
Das glänzendste und schönste sei

100
Von all den stolzen rothen Jahren!

                                         R. Lavant.