De vulgari eloquentia/I. Buch – Achtzehntes Kapitel

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aus: De vulgari eloquentia
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Achtzehntes Kapitel.
Warum diese Mundart Angel-, Hof- und Rechtssprache genannt werde.


Nicht ohne Grund schmücken wir diese erlauchte Volkssprache mit dem zweiten Namen, sodaß wir sie Angelsprache nennen; denn wie die ganze Thür der Angel folgt, und wie die Angel sich dreht, sich selbst dreht, möge sie nach innen oder nach außen sich wenden: so wendet sich auch die ganze Schaar der städtischen Volkssprachen vorwärts und rückwärts, bewegt sich und hält inne nach ihrem Beispiel, sodaß sie wahrhaft die Mutter der Familie zu sein scheint. Rottet sie nicht täglich die dornigen Gestrüppe aus dem italischen Walde? Setzt sie nicht täglich Pflanzen ein oder bepflanzt die Pflanzungen? Was beginnen Anderes die Ackersleute, als daß sie hinzuthun und wegnehmen, wie gesagt ist? weshalb sie durchaus verdient, mit solchem Namen geschmückt zu werden. Daß wir sie aber Hofsprache nennen, davon ist dies die Ursache, daß, wenn wir Italer einen Hof hätten, sie die Sprache des Palastes sein würde: denn wenn der Hof das gemeinschaftliche Haus des ganzen Reichs ist und der hochheilige Verwalter aller Theile des Reichs, so ist es angemessen, das Alles, was von der Art ist, daß es Allen gemein ist, und keinem Einzelnen, in ihm zu verkehren und zu wohnen; und keine andre Wohnung ist eines solchen Wohners würdig. Eine solche aber scheint wahrhaft die Volkssprache zu sein, von welcher [126] wir reden, und daher kommt es, daß Diejenigen, welche in allen königlichen Häusern verkehren, immer die erlauchte Volkssprache sprechen. Daher kommt es auch, daß unsre erlauchte wie eine Fremde pilgert, und in niedrigen Freistätten herbergt, da wir eines Hofes ermangeln. Sie ist auch nach Verdienst Rechtssprache zu nennen, denn das Rechtswesen ist nichts Anderes als die erwogene Regel alles Dessen, was zu thun ist; und weil die Wage für solche Wägung nur in den vornehmsten Rechtshöfen zu sein pflegt, so kommt es daher, daß Alles, was in unsern Handlungen wohl erwogen ist, rechtlich genannt wird. Da sie nun an dem vornehmsten Rechtshofe der Italer erwogen ist, verdient sie Rechtssprache genannt zu werden. Aber zu sagen, daß sie an dem vornehmsten Rechtshofe der Italer erwogen sei, scheint Geschwätz, da wir eines Rechtshofes ermangeln: worauf leichtlich geantwortet wird; denn wenn gleich ein Rechtshof (wenn ein einzelner angenommen wird, wie der Rechtshof des Königs von Alemannien) in Italien nicht ist, fehlt doch das Glied desselben nicht, und wie die Glieder desselben durch einen Fürsten vereinigt werden, so sind deren Glieder durch das holde Licht der Vernunft vereinigt; weshalb es falsch wäre, zu sagen, daß die Italer des Rechtshofes ermangeln obgleich sie des Fürsten ermangeln, insofern wir einen Rechtshof haben, ob er gleich körperlich zerstreut ist.