Dem Mond
Ich flüchte aus dem Licht der Sonnen
In deine bleiche Schattenwelt;
Erquickung strömt, ein frischer Bronnen,
Dein Strahlenquell am Himmelszelt.
Du wandelst über fernen Gipfeln
Wie ein geheimes Sehnen hin.
Und über den verklärten Wipfeln
Schwebst du, der Blüthen Königin.
Aufdringlich ist des Tages Leuchte,
Die spähend in’s Verborg’ne schaut;
Dich grüßt die Flur, die thränenfeuchte,
Die dir ein stilles Weh vertraut.
Und wachgeküßt von nächt’gen Winden
Erschließt die scheue Blume sich;
Wenn Schatten sich zu Schatten finden,
Ergreift’s die Seele heimathlich.
Ja, leuchten mag den ewig Klaren
Das Taggestirn mit prächtigem Schein;
Ein ahnungsvolles Offenbaren
Quillt aus der Mondennacht allein.
Wenn zwischen Blumen unter Sternen
Der Falter durch den Dämmer schwebt,
Dann wirst du das Geheimniß lernen,
Das zwischen Erd’ und Himmel webt.
Dann schmilzt und löst sich alles Feste,
Und jede starre Schranke bricht;
Dann scheint das Schlimmste wie das Beste
Dir nur das gleiche Traumgesicht:
Der Mächt’gen Trotz, die Noth der Armen,
Der Tugend Qual, des Frevels Lust,
Und mit unendlichem Erbarmen
Erfüllt der Menschheit Loos die Brust.