Dem alten Jahr

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Dem alten Jahr
Untertitel:
aus: Die Neue Welt
Nr.9, S.217
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Goldhausen
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[217]

Dem alten Jahr.
Gedicht von Rudolf Lavant.

Noch eine flüchtig˶kurze Stunde,
So ist durchlaufen deine Bahn,
Und hundert Glocken in der Runde
Verkünden eines andern Nahn.

5
Schon winkt und nickt man ihm entgegen

Und füllt den Kelch und jubilirt,
Indes auf nebelvollen Wegen
Sich deine letzte Spur verliert.

So gehts auf Erden einem jeden,

10
Wie froh begrüßt es auch begann ―

Ich aber will mit dir noch reden,
So lang dein Ohr mich hören kann.
Doch fürchte Bitten nicht und Klagen,
Was auch in mir verglomm, versank,

15
Was ich auch litt an trüben Tagen ―

Ich bringe dir den letzten Dank!

Wohl hast du nicht erfüllen dürfen
Was ich zu bitten nicht gewagt,
Wohl hast den feurigsten Entwürfen

20
Die goldne Stunde du versagt,

Wohl fühlt’ ich oft die Kraft ermatten
Und meine Seele wurde voll
Vom Ziehn und Wallen grauer Schatten ―
Doch heg’ ich darum keinen Groll.

25
Das mußte sein und sei vergessen:

Des Schicksals wars, nicht deine Schuld ―
Doch laß die Hand dir innig pressen
Für jedes Zeichen deiner Huld,
Für jeden Blick, der süßverhohlen

30
Und scheu ins Auge mir getaucht,

Für jeden Kuß, den du verstohlen
Auf meine heiße Stirn gehaucht.

Ich danke dir für jedes Lächeln
Von rosig˶frischem Kindermund,

35
Für jedes kühlen Lüftchens Fächeln

Im bachdurchrauschten Wiesengrund;
Für jeder Blume stilles Düften,
Die sich in Mädchenlocken schmiegt,
Die über eingesunknen Grüften

40
Im Abendwind das Köpfchen wiegt.


Ich danke dir für jedes Rauschen
Im dämmergrünen, stillen Tann,
Das für mein ahnungsvolles Lauschen
Unsäglich tiefen Sinn gewann;

45
Für jedes Lied, das ins Gezitter

Der Blätter sanft ein Vöglein sang;
Für jedes Lied, ob süß, ob bitter,
Das sich der eignen Brust entrang.

Für jede Rast auf Berg und Dünen,

50
Für Sternenlicht und Mondenschein,

Für jeden Wandertag im Grünen,
Für jeden Becher Feuerwein,
Für jede Windsbraut, die mit Stöhnen
Die Wipfel bog in schwarzer Nacht,

55
Für jeden Blitzstrahl, jedes Dröhnen

Der Donner sei dir Dank gebracht.

Ich danke dir für jede Stunde,
Die mich auf lichte Höh’n geführt,
Da ich in meiner Seele Grunde

60
Verwandten Wesens Hauch gespürt,

Da ich, von Stolz und Freude trunken,
In schön’re Geisteslande drang;
Ich danke dir für jeden Funken
Des Zorns, der aus den Augen sprang.

65
Es wird mir schwer, von dir zu scheiden,

Viel schwerer noch, als ich gedacht:
Du hast durch Freuden und durch Leiden
Mich reifer, sinnender gemacht.
Du zeigtest mir das schlichte Echte,

70
Du zeigtest Gleißendes als hohl ―

Ich löse zaudernd meine Rechte
Aus deiner Rechten: fahr’ denn wohl!

Anmerkungen (Wikisource)[Bearbeiten]

Ebenfalls erschienen in:


Download der Sprachversion dieses Artikels Dieser Quellentext existiert auch als Audiodatei, gesprochen von Eva K. Kühn. (Mehr Informationen zum Projekt Gesprochene Wikisource)

Datei speichern | Lizenz | 3:47min (2,74MB)