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Der Baumeister unter den Thieren

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Textdaten
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Autor: Brehm
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Titel: Der Baumeister unter den Thieren
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 636–640
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Bilder aus dem Thiergarten Nr. 8
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Bilder aus dem Thiergarten.
Von Brehm.
Nr. 8. Der Baumeister unter den Thieren.


„Das Thier hat auch ein Schicksal. Es hängt dasselbe ab von seinem Verhältniß zur Natur und den natürlichen Umgebungen, zu dem Menschen, wenn es mit ihm in Verkehr kommt, zum Theil auch von sich selbst.“ So sagt Scheitlin, der warme Thierfreund, ich möchte sagen, der Thiere Bruder, zu dessen köstlichem Werke ich immer und immer wieder greife, wenn mich die öde Weisheit Derer geärgert, welche im Thiere nun einmal nur einen Gegenstand sehen. Gewiß hat das Thier ein Schicksal! Oder ist es kein solches, fort und fort befehdet zu werden von einem rücksichtslosen, unbarmherzigen, unmenschlichen Feinde, welcher sich aber gerade Mensch nennt; ist es kein Schicksal, alle Waffen und Mittel, auch die erbärmlichsten und niederträchtigsten, gegen sich angewendet zu sehen; nicht blos einen ehrlichen Kugeltod fürchten zu müssen, sondern auch feigen, gemeinen Meuchelmord, Giftmischerei z. B. oder die verrätherische Schlinge, die tückisch gestellte Falle?

Ich weiß, daß der Mensch ein Recht hat, sich gegen die Uebergriffe der Thiere zu wehren, bedauere aber doch alle, welche er verdrängte, und am innigsten eines von ihnen, welches mir, als ich noch ein vielfachen Unfug stiftender Knabe war, wegen der vortrefflichen Ausnutzung seines kleinen Gehirns, so oft zum Muster aufgestellt wurde. Ich meine den Biber, der mir in Raff’s Naturgeschichte seine Geschichte so erbaulich erzählte. Mit den Jahren lernte ich wohl auch die Quellen der erwähnten Naturgeschichte kennen – über den Biber und sein Leben aber doch recht wenig dazu. In der kaiserlichen Menagerie zu Schönbrunn sah ich einen Holzhaufen, unter welchem zwei Biber stecken sollten, im Berliner Thiergarten einen künstlichen Biberbau, welchen man auch für ein großes gemauertes Waschbecken hätte halten können; ein Freund in Dessau benachrichtigte mich, daß sich in der Nähe von Wörlitz ein natürlicher

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Die Biber-Burg im zoologischen Garten in Hamburg.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

[638] Biberbau befinde, und in Arendal in Norwegen wurde mir gesagt, daß Biber Dämme und Burgen erbaut hätten, diese jedoch bereits wieder vom Hochwasser weggeschwemmt worden seien. Dies war überhaupt Alles, was ich erfahren konnte, außer dem Einen, daß der Biber von Jahr zu Jahr seltener wird in Europa und in Amerika, daß er in Deutschland nur noch an höchst wenigen Stellen (bei Aaken an der Elbe, in Baiern, Oberösterreich und Böhmen) gefunden wird und auch hier nur durch die besondere Gnade der betreffenden Landesherren und strenge Jagdgesetze bisher vor der Ausrottung geschützt wurde, dieser aber trotzdem unaufhaltsam entgegengeht, obgleich der Waldfrevel, welchen er sich zu Schulden kommen läßt, so außerordentlich groß nicht ist und ihm eigentlich nur die leidige Gewinnsucht des Menschen zum Verderben gereicht.

Als ich meine Wirksamkeit am Hamburger Thiergarten begann, hatte ich noch keinen lebenden Biber gesehen, hatte auch wenig Hoffnung, einen Biber einst unter die Zahl meiner Pfleglinge aufnehmen zu können. Ein Versuch, das werthvolle Thier aus Anhalt zu erlangen, schlug, wie ich kaum anders erwartet, fehl, und auch die Bemühungen wohlwollender Freunde des Gartens, diesem Biber aus Amerika zuzuführen, wurden lange Zeit nicht von Erfolg gekrönt. Ich war wirklich überrascht, als mir einer unserer umsichtigsten Thierhändler telegraphisch meldete, daß „soeben“ vier amerikanische Biber mit dem Postschiffe in Bremen angekommen seien. Eine Stunde später waren die Thiere trotz ihres hohen Preises gekauft und am nächsten Tage schon in unserem Besitz. Wenige Wochen später wurden dem Garten noch zwei Stück von Herrn M. L. Marcus in Altona zum Geschenk gemacht. Zwei erlagen den Beschwerden der Reise, die übrigen vier vergaßen binnen Kurzem sie und die Freiheit.

Da saßen sie vor mir, die Langersehnten, sichtlich erfreut, dem engen, innen mit Zinkblech ausgeschlagenen Reisekasten entnommen zu sein, und anscheinend noch glücklicher darüber, wiederum eine frisch abgeschnittene, saftige Weidenruthe entrinden und die bittere Schale anstatt des widrigen Schiffszwiebacks genießen zu können. Wie zierlich hielten sie die kunstgerecht abgeschnittenen Aststücken; wie sauber schälten sie, wie behaglich kratzten sie sich nach dem zu allererst genommenen, weil zumeist entbehrten Bade; wie merkwürdig stöhnten sie, und wie hübsch zernagten sie sofort die funkelnagelneue Badewanne, welche doch zu ganz anderer Bestimmung von dem gewerbkundigen Böttcher gefertigt worden war! Sie durften thun, was sie wollten: es wurde Alles verziehen; ich fand selbst den abscheulichsten Mißbrauch der vortrefflichen dunkelbraungelben Zähne allerliebst, mindestens höchster Beachtung und Theilnahme werth; denn auch die Handlungen der Thiere werden mit ungleichem Maße gemessen.

Nun galt es, zunächst einen geeigneten Wohnraum für die vortrefflichen Thiere herzurichten. Derselbe sollte allen Anforderungen, welche ein gefangener Biber zu stellen berechtigt ist, entsprechen, dem erfinderischen Kopfe des geschickten Baumeisters aber doch auch noch ein genügendes Feld lassen. Ein Wasserbecken, tief genug, daß der Winter seine Eisdecke nicht bis zum Grunde herab versenken könne, mehrere von den tiefsten Stellen beginnende, nach oben führende und frei ausmündende Röhren oder „Geschleife“ und feste, den Bibernägeln trotzende Wände schienen Bedingungen zu sein, welche erfüllt werden mußten. Der Boden unseres Gartens ist sandig, die Wand des Beckens mußte also mit einer hinlänglich starken Lehmschicht gedichtet, diese aber durch Concret versichert werden. Für Zu- und Abfluß des Wassers wurde gesorgt, ein genügend großer Raum um das Becken freigelassen, derselbe mit einem Gitter umgeben, dessen eiserne Sprossen man drei Fuß tief in den Boden trieb; Quergitter theilten die Behausungen der einzelnen Familien ab, und das Ganze war fertig.

Zwei Biber, welche bis zur Vollendung des neuen Geheges im Seehundsbecken Herberge erhalten hatten, waren gleich vom ersten Tage an bemüht gewesen, jeden abgeschälten Weidenzweig zur Herstellung eines Schlaf, Ruhe- und Schmollwinkels zu verwenden, die übrigen hatten sich lässiger gezeigt; demgemäß erhielten jene den größten und vortheilhaftesten Raum des Neubaues angewiesen.

Der Tag des Einzuges brachte unseren Thieren unzweifelhaft große Freuden, gleichzeitig aber auch schwere Sorgen. Das Gewässer befriedigte, die Geschleife erwiesen sich als mühelos zu begehende Wege, mehrere zur Verherrlichung des Einzugs eigens gepflanzte, saftstrotzende, ast- und blätterreiche Weiden versprachen die Arbeit der Zähne zu lohnen: aber die eigentliche Krone des Ganzen, das wirkliche Wohnhaus, die Burg mit der Aller Blicken verborgenen Kemenate, in welcher es sich so herrlich ruhen und träumen läßt – sie fehlte; die Biber sollten sich eben besagte Burg erbauen, damit jeder wissensdurstige Besucher des Gartens Gelegenheit bekäme, einen wirklichen, echten, unverfälschten Biberbau zu sehen, und Leutemann Veranlassung, ihn so naturtreu zu zeichnen, wie er es gethan.[1]

Unser Pärchen ging, nachdem die erste umfassende Besichtigung vorüber war, mit folgenschweren Entschlüssen schwanger. Es sprang am ersten Tage wenigstens ein Dutzend Mal in’s Wasser, tauchte ebenso oft unter und kam regelmäßig durch das eine Geschleife wieder zum Vorschein: –– hier mußte gebaut, verändert, Versäumtes nachgeholt werden. Sechs Weiden, darunter solche, deren Stämme die Stärke eines Mannsarmes hatten, lagen am nächsten Morgen gefällt am Boden; große Aeste derselben Holzart, welche als Futter dienen sollten, waren hin und her geschleppt worden; unmittelbar hinter der Mündung eines Geschleifes sah man ein tiefes muldenförmiges Loch in dem Boden, und hier lagen die regsamen Thiere, wahrscheinlich ermüdet von so vieler Arbeit. Gegen Abend wurde zunächst ein wenig gefressen, dann aber eifrig weiter gearbeitet, und so ging’s fort, bis die Burg ihrer ersten Anlage nach vollendet und nothdürftig eingerichtet war. Am eifrigsten wurde kurz vor Eintritt der ersten Kälte gearbeitet; während des Winters aber gab’s anderweitig zu thun. Im darauf folgenden Sommer schien hauptsächlich die innere Einrichtung besorgt zu werden; gegen den Herbst hin begannen auch die äußeren Arbeiten wieder.

Der Biber, welcher uns durch Raff’s Vermittlung erzählt, daß der Ruderschwanz auch als Schaufel und Kelle beim Bauen der Burgen und Dämme benutzt werde, hat uns belogen oder doch falsch berichtet. Allerdings wird ein so ausgezeichneter Schwanz auch ausgezeichnet benutzt, als Kelle aber dient er nicht. Das Aufführen einer Burg, also das Aufschichten des Reisigs und das Dichtmachen desselben mit Erde wird mit den Händen und mit den Zähnen besorgt. Ich will versuchen, die Arbeiten der Biber zu schildern, muß aber zuvörderst Einiges über Betragen und Gewohnheiten, Ernährung und Nahrungserwerb, Bewegungen und Begabungen unserer Thiere vorausschicken, da der Bau einer Burg nur dann ganz verständlich werden dürfte.

Die Stellung der Biber ist verschieden, im Ganzen aber doch wenig wechselvoll. Im Sitzen sieht das Thier, abgesehen von seinem Schwanze, wie eine große, plumpe Maus aus. Der dicke kurze Leib ruht mit dem Bauche auf dem Boden; von den Beinen bemerkt man kaum Etwas; der Schwanz ruht leicht auf dem Grunde. Um sich aufzurichten, drückt der in dieser Stellung sitzende Biber die Schwanzspitze gegen den Boden und erhebt sich nun langsam oder rascher, wie er will, ohne dabei einen der Füße zu bewegen. Er kann sich beinahe, aber nicht ganz senkrecht stellen und ruht dann auf Hinterfüßen und Schwanz so sicher, daß es ihm leicht wird, beliebig lange diese Stellung beizubehalten. Bei ruhigem Liegen und beim Schlafen wird der Schwanz unter den Leib geklappt und so den Blicken vollständig entzogen; das Thier kann sich aber auch jetzt ohne Anstrengung oder Gliederbewegung erheben und in den verschiedensten Lagen erhalten, beispielsweise, um sich zu kratzen – eine Beschäftigung, welche oft und mit ersichtlicher Behaglichkeit, nie aber hastig ausgeführt wird. Wenn er auf dem Bauche liegt, streckt er sich lang aus; wenn er auf der Seite ruht, rollt er sich. Beim Gehen wird ein Bein um das andere bewegt – denn der fast auf der Erde schleifende Bauch läßt einen raschen, gleichmäßigen Wechsel nicht zu – bei größter Eile werden Sätze ausgeführt, welche an Plumpheit die aller übrigen uns bekannten Landsäugethiere übertreffen und ein wechselndes Aufwerfen des Vorder- und Hintertheils hervorbringen, aber doch fördern.

[639] In das Wasser fällt der Biber nur dann mit Geräusch, wenn er geängstigt wurde, bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge gleitet er lautlos in die Tiefe. Im Schwimmen taucht er das Hintertheil so tief ein, daß das Wasser die Schwanzwurzel überfluthet, Nasenlöcher, Augen und Ohren, der Mittelrücken bleiben über Wasser; die Schwanzspitze liegt oft auf der Oberfläche auf oder ragt über sie empor. Er liegt auf den Wellen, ohne ein Glied zu rühren. Die Fortbewegung geschieht durch gleichzeitige, selten durch wechselseitige Stöße der Hinterfüße, unter Steuerung mit dem Schwanze, welcher jedoch niemals senkrecht gestellt, sondern immer nur ein wenig schief gedreht, oft aber in entsprechender Richtung kräftig stoßweise bewegt wird. Die Vorderfüße bewegt das Thier beim Schwimmen nicht. Bei raschem Eintauchen stößt der Biber mit seinen breitruderigen Hinterfüßen kräftig nach oben aus und schlägt gleichzeitig den Schwanz klatschend auf die Oberfläche des Wassers; dadurch hebt und dreht er den Hintertheil seines Leibes zu gleicher Zeit, taucht den Kopf ein und versinkt hierauf rasch in senkrechter Richtung. Er kann zwei bis drei Minuten unter dem Wasser verweilen, bevor ihn die Athemnoth zum Auftauchen zwingt.

Die Stimme ist ein schwacher Laut, welcher am richtigsten ein Gestöhn genannt werden möchte. Man vernimmt sie bei jeder Erregung des Thieres und lernt bald die verschiedene Bedeutung der ausgestoßenen Laute verstehen, da ihre Betonung, Stärke etc. genügenden Anhalt hierzu bietet.

Unter den Sinnen scheinen Gehör und Geruch obenan zu stehen; die kleinen Augen sehen ziemlich blöde aus, der Geschmack aber ist keineswegs verkümmert, wie man wohl zuerst annehmen möchte, und auch Gefühl kann dem Thiere nicht abgesprochen werden.

Ueber den Verstand und das geistige Wesen des Bibers kann man verschiedener Meinung sein: so viel wird man zugestehen oder anerkennen müssen, daß er innerhalb seiner Ordnung die höchste Stelle einnimmt. Nach kurzer Zeit fügt er sich in veränderte Umstände und bald lernt er, aus ihnen bestens Vortheil zu ziehen. Seine Bauten sind nicht kunstvoller als die anderer Nager, stets aber mit richtigem Verständniß der entsprechenden Oertlichkeit angelegt. Sein Betragen andern Thieren gegenüber ist unfreundlich, dem Menschen gegenüber mindestens zurückhaltend, aber er gewöhnt sich rasch an eine ihm anfänglich unangenehme Nachbarschaft und fügt sich der Herrschaft seines Pflegers, ohne sich jedoch Unbilliges gefallen zu lassen. Er leidet, daß ihn sein Wärter liebkost, geht auch gern zu ihm hin, begrüßt ihn förmlich, widersetzt sich aber jeder Gewaltthat, indem er den Rücken krümmt und die Zähne weist, im Nothfalle auch angreift. Daß Frauen und Kinder milden Herzens sind, haben unsere Gefangenen bald in Erfahrung gebracht: jetzt betteln sie, „aufwartend“ und stöhnend, alle vorübergehenden Frauen und Kinder um Zucker, Nüsse, Aepfel, Brod etc. an, nehmen das ihnen Vorgehaltene zierlich aus der Hand, halten es geschickt mit ihren Händen fest und führen es zum Munde, schlagen aber Den, welcher zu geben vorgiebt, jedoch nichts reicht, oder den, welcher neckt, auf die Finger.

Unsere Biber erscheinen in den Nachmittagsstunden außerhalb ihres Baues. Sie schwimmen zunächst einige Male in ihrem Becken auf und nieder, steigen dann an’s Land und schleppen sich einige Zweige herbei oder weiden. Unter den Zweigen, welche ihnen vorgeworfen werden, suchen sie sich stets die der Weiden zuerst aus. Sie packen einen Schößling oder ein Stämmchen an seinem dickeren Ende mit den Zähnen, heben den Kopf hoch empor und gehen vorwärts. Manchmal sieht es aus, als wollten sie die Last über den Rücken werfen; es geschieht dies jedoch niemals wirklich. Ist der Schößling leicht, so trägt ihn der Biber ohne Aufenthalt dem Ziele zu; ist die Last schwerer, so bewegt er sich absatzweise, indem er den aufgeladenen Ast mit einem kräftigen Ruck des Kopfes vorwärts zu bringen sucht. Astreiche Schößlinge werden vor dem Wegschleppen genau besichtigt und unter Umständen zertheilt, kleine, hindernde Aststummel weggeschnitten. Eingepflanzte oder eingesetzte Bäume und grüne Schößlinge werden stets gefällt. Der Biber setzt sich neben dem betreffenden Bäumchen nieder und nagt so lange in einer bestimmten Höhe ringsherum, bis der Baum zu Boden stürzt. Das Abschneiden eines drei Zoll dicken Stämmchens erfordert eine fünf Minuten währende Arbeit. Alle Bäume oder Aeste werden zuerst an’s Wasser geschleppt und erst später weiter verarbeitet; gegen den Winter hin werden ihrer so viele, als zu beschaffen sind, hier aufgespeichert.

Die hauptsächlichste Nahrung der Biber bilden Rinde und Blattwerk der verschiedenen Weidenarten und ihrer Verwandten; die Thiere nehmen aber auch frisches Gras zu sich. Sie weiden, indem sie einen Grasbüschel mit den Händen packen, zusammendrücken und so den Zähnen etwas Körperhafteres als die einzelnen Halme bieten. Das Weiden geschieht in plumper, das Abschälen der Rinde in höchst zierlicher Weise. Der Biber ist im Stande, den feinsten Zweig mit seinen Händen zu halten und beständig herumzudrehen oder, wenn derselbe noch weich, bezüglich eßbar ist, allgemach in den Mund zu schieben, und er schält so sauber, daß man auf dem entrindeten Zweige keine Spur eines Zahneindruckes wahrnimmt.

Nachdem die Biber alles gefällte Zweigwerk in’s Wasser geschleppt und entweder schwimmend oder auf einer seichten Stelle sitzend stundenlang geschält und gefressen haben, suchen sie die entrindeten Knüppel zusammen und tragen sie nach der Baustelle, um sie zu verarbeiten. Höchst selten schleppen sie einen dahin, welcher noch Rinde hat; geschieht es doch, so ziehen sie ihn, selbst wenn er bereits verbaut worden sein sollte, gelegentlich wieder hervor und fressen ihn nachträglich ab – „auf daß nichts umkomme“!

Von einer regelmäßigen Anordnung der Knüppel, welche verbaut werden, habe ich nichts bemerkt. Dem nothwendigen Bedürfniß wird allerdings in überlegter Weise abgeholfen – an eine Ordnung oder regelrechte Schichtung der Baustoffe denkt der Biber aber nicht. Einzelne Knüppel ragen mit einem Ende weit über die Wandungen der Burg vor, andere sind gänzlich mit Erde überdeckt. Diese liegen wagrecht, jene schief, andere senkrecht; es wird auch fortwährend geändert, verbessert, vergrößert.

Das mit Vorliebe behandelte und solche Vorliebe verdienende Paar unseres Gartens schaute sich zunächst ein muldenförmiges Loch am Ende des Geschleifes aus, bildete aus der losgekratzten Erde ringsum einen vor dem Geschleife besonders festen, hohen und dichten Damm und kleidete den Boden der Mulde mit langen, feinen Spähnen aus, welche zu diesem Zwecke eigens zerschleißt wurden. Nunmehr erhielt die Mündung des Geschleifes eine Decke aus Astwerk, sodann der hintere Theil der Dämme größere Höhe und hieraus ebenfalls ein Knüppeldach. Als dieses fertig, d. h. haltbar schien, ging’s an die Dichtung des Daches mit Erde. Die Knüppel wurden oder werden entweder im Maule oder, wenn sie leichter, mit den Händen herbeigeschleppt – im letzteren Falle laufen die Thiere auf beiden Hinterfüßen allein –, die Erde wird in verschiedener Weise, jedoch immer nur mit dem Maule und den Händen bewegt und ausschließlich mit letzteren verarbeitet. Fettige, lehmige Erde oder Rasen bricht der Biber ballenweise los, packt sie mit den Zähnen, drückt unten die Hände (mit dem Handrücken nach oben) dagegen und watschelt nun, auf den Hinterfüßen gehend, zeitweilig mit der einen Vorderpfote sich stützend, bedächtig der Baustelle zu; losere Erde, Sand z. B. gräbt er auf, scharrt ihn auf ein Häufchen zusammen, setzt seine beiden Handflächen hinten an dasselbe an und schiebt es nun vorwärts, oft zehn Fuß weit. Der Schwanz wird, ich wiederhole es, niemals als Kelle benutzt. Das Weibchen ist der eigentliche Baukünstler, das Männchen mehr Handlanger. Ersteres baut ungemein eifrig, letzteres, wenn es sich überhaupt dazu entschließt, langsam, faul und liederlich. Nur ein Paar errichtet sich eine Burg – ein einzelnes Männchen schichtet sich höchstens einen wüsten Haufen zusammen.

In dieser Weise erbaut sich der vielgerühmte Biber seine Wohnung. Ich bin mit aller Absicht so ausgeführlich geworden; denn ich weiß, daß hiervon in keiner Naturgeschichte eine auf eigene Beobachtung gegründete Beschreibung zu finden ist. Noch habe ich von unseren Gefangenen bei weitem nicht Alles erzählt; ich denke aber, daß sie mir wohl noch Stoff genug zu einem zweiten Aufsatze liefern werden, und diesen Stoff will ich den Lesern der Gartenlaube gewiß nicht vorenthalten.




  1. Die beigegebene Abbildung entspricht der Wirklichkeit bis auf die absichtlich weggelassenen Trennungsgitter vollständig und stellt die Burg so dar, wie sie an dem Tage der Aufnahme war. Mit Ausnahme eines deutschen Reisewerkes ist uns keine nach der Natur aufgenommene Abbildung einer Biberburg bekannt; unser Holzschnitt verdient also eine besondere Beachtung. Im Vordergrunde sieht man einen Biber beschäftigt, einen Weidenast fortzuschleppen; im Mittelgrunde einen zweiten solchen Ast flößend weiterzuschaffen; der dritte die Burg erkletternde trägt entrindetes Bauholz herbei, der vierte im Hintergrunde arbeitet an der Fällung eines Baumes, dessen Bodenstumpf dann genau ebenso aussehen wird, wie der bereits entschälte links vor der Burg selbst. Alles Uebrige bedarf keiner besonderen Erläuterung.