Der Code Rural von Haiti

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Titel: Der Code Rural von Haiti
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aus: Das Ausland, Nr. 38. S. 151–152.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Code Rural von Haiti.


Eine Nation, die in einer so kurzen Zeit aus dem Zustande der größten menschengedenklichen Herabwürdigung und Rohheit in den eines, wenigstens in Vergleich mit ihrer früheren Lage, freien und civilisirten Volkes übergegangen ist, wie die schwarze Bevölkerung von Haiti, steht ohne Zweifel einzig in der Geschichte da. Jahrhunderte lang kultiviren die Europäer, wie sie behaupten, die Negerbevölkerung in den Colonien, aber man muß froh seyn, wenn die Neger-Bildung nur keine Rückschritte macht; kaum hat dagegen Haiti sich frei gemacht von seinen weißen Bedrückern, so blüht es zu einem Staat empor, der in innerem und äußerem Wachsthum sich bald mit jedem europäischen Lande wird vergleichen können.

Die Stufe der Bildung, auf welcher ein Volk steht, läßt sich aus keiner anderen einzelnen Erscheinung sicherer beurtheilen als aus seinen Gesetzen. Auf Haiti, wo Landbau und Handel, die beiden Hauptquellen alles Nationalreichthums, fast von gleicher Wichtigkeit sind, werden auch die Gesetze, welche die Verhältnisse der Stände anordnen, die diese Beschäftigungen treiben, das Leben dieses Volkes am anschaulichsten charakterisiren. Der im Juli 1826 in Port-au-Prince gedruckte Code Rural setzt uns in den Stand über die Verhältnisse der Landarbeiter zu den Landbesitzern, und die Behandlung der ersteren hier einiges mitzutheilen.

Das angeführte Gesetzbuch besteht aus 6 Gesetzen, die in Titel, Kapitel, und Artikel zerfallen. Aus dem letzten dieser Gesetze, von der Landpolizei (police rurale) heben wir einige Kapitel des dritten Titels aus.

Art. 172. Die Landpolizei wird besonders von den Communbeamten, die mit der Section des Landwesens beauftragt sind, unter Beistand der Feldwächter versehen.

Art. 173. Die Landpolizei hat zum Gegenstand:

1) Die Unterdrückung des Vagabundirens.
2) Ordnung und Fleiß bei den Feldarbeiten.
3) Die Zucht der Arbeiter.
4) Die Unterhaltung und Verbesserung der öffentlichen und Privatwege.

Erstes Kapitel. Von der Unterdrückung des Vagabondirens.

Art. 174. Alle Personen, die nicht Eigenthümer oder Pächter von den Ländereien sind, auf welchen sie wohnen, und auch keinen Contract mit einem Eigenthümer oder Pächter gemacht haben, sollen für Vagabonden angesehen, und von der Landpolizei der Section, in welcher sie betroffen werden, angehalten, und vor den Friedensrichter der Gemeinde geführt werden.

Art. 175. Nachdem der Friedensrichter die Person, welche vor ihn geführt ist, befragt und angehört hat, soll er ihr die Artikel des Gesetzes auseinandersetzten, die sie verbinden einen Contract zu machen, und den Landbau zu treiben. Nach dieser Erinnerung soll er sie ins Gefängniß schicken, bis sie den Bestimmungen des Gesetzes gemäß, einen Contract eingegangen hat.

[152] Art. 176. Der Friedensrichter hat dafür zu sorgen, daß der Gefangene mit einem Eigenthümer oder Pächter oder dem Vorsteher einer landbauenden Gesellschaft, wie es ihm selbst am besten gefällt, einen Contract abschließe.

Art. 177. Wenn der Gefangene nach Ablauf von acht Tagen noch keine ländliche Beschäftigung angefangen hat, so soll er zu öffentlichen Arbeiten in den Besitzungen der Stadt oder des Fleckens gebraucht, oder auch im Arresthause beschäftigt werden, bis er sich entschließt einen Contract einzugehen: Jeder der diese Gefangenen von öffentlichen Arbeiten abhält, um sie in seinen eigenen Geschäften zu gebrauchen, verfällt in eine Buße von 50 Gourdes, wovon die Hälfte dem Gefangenen anheim fällt, wenn er klagt.

Art. 178. Ist die verhaftete Person ein minderjähriges Kind, so soll der Friedensrichter die Eltern desselben zu erfahren suchen, und es diesen zuschicken.

Art. 180. Jedermann, der als Feldbauer auf dem Lande wohnt, und an einem Arbeitstage während der Arbeitsstunden unthätig ist und auf den Straßen herumläuft, wird als ein Müßiggänger angesehen, verhaftet und vor den Friedensrichter geführt, der ihn das erstemal 24 Stunden einsperrt, und im Wiederholungsfall zu den öffentlichen Arbeiten der Stadt verurtheilt.

Art. 181. Die Beamten der Landpolizei sollen Acht darauf haben, daß die Vagabunden und Müßiggänger sich nicht unter der Uniform der verschiedenen Truppencorps verbergen.

Art. 182. Die Beamten der Landpolizei sollen darüber wachen, daß in ihrem District niemand im Müßiggang lebt. Deshalb haben sie das Recht sich nach der Art der Beschäftigung von allen denen zu erkundigen, die sie nicht bei der Feldarbeit finden, und wenn diese nicht nachweisen können, daß sie arbeiten, so sollen sie wie Landstreicher und Vagabunden behandelt werden.