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Ueber das natürliche Absterben der Neger-Sklaverei

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Titel: Ueber das natürliche Absterben der Neger-Sklaverei
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr. 39–40. S. 153–154, 160.
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Quelle: Scans bei Commons
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[153]

Ueber das natürliche Absterben der Neger-Sklaverei.


In Birmingham ist vor kurzem eine kleine Schrift[1] erschienen, welche die Grausamkeiten der Sklaverei, von der Einfangung der Negersklaven der afrikanischen Küste, bis zu der Behandlung, welcher sie in Westindien ausgesetzt sind, lebhaft schildert. Diese Gräuel sind theils bekannt genug,[2] theils empören sie jedes fühlende Herz zu sehr, als daß wir hier eine ähnliche Schilderung versuchen sollten. Aber der letzte Theil dieser Schrift wirft die Frage auf, ob sich die Sklaverei nicht durch Begünstigung freier Arbeiter auf den Pflanzungen allmählig und ohne gewaltsame Maßregeln ausrotten lasse? und entwickelt bei dieser Gelegenheit Ansichten, die, wenn auch nicht ganz neu, so doch auf eine so überzeugende Weise dargestellt sind, daß wir hoffen dürfen, man werde nicht ungern hier folgende Mittheilung darüber lesen.

Die Menschenfreunde, die so ruhmvoll für die Abschaffung des Sklavenhandels gekämpft haben, waren natürlicher Weise Feinde der Sklaverei im allgemeinen, und mußten nach der gänzlichen Ausrottung derselben, als der Vollendung ihres Systems, nach Kräften streben. Aber ihnen konnte auch der große Einfluß der Pflanzer in Westindien nicht entgehen, und sie fürchteten, daß ihr ganzer Plan scheitern möchte, wenn sie gleich Anfangs eine so umfassende Reformation in Vorschlag brächten. Sie beschränkten sich daher anfänglich auf die Abschaffung des schändlichen Handels selbst, und hofften, daß diese Maßregel den elenden Zustand der Sklaven verbessern und endlich das Institut selbst ganz aufheben sollte. Aber die Erfahrung hat schon gezeigt, wie wenig diese Hoffnungen begründet waren, denn die bestunterrichteten Vertheidiger der Neger sehen sich jetzt genöthigt die Verbesserung des Zustandes der Sklaven als das sicherste Mittel zur Unterdrückung des Sklavenhandels anzuempfehlen. Im 19ten Bericht der African Institution heißt es ausdrücklich: „Wie wir die Abschaffung des Sklavenhandels anfangs als ein Mittel betrachteten, den Zustand der Sklaven zu verbessern, so sind wir jetzt zu der Betrachtung genöthigt, ob uns etwas anderes übrig bleibt, als unser Verfahren umzukehren, d. h. ob wir jetzt nicht suchen müßen, die Sklaverei zu mildern und auszurotten, als das einzig sichere Mittel, den Sklavenhandel abzuschaffen. Wir können leider andere Nationen nicht zwingen denselben aufzugeben, und es scheint nur zu gewiß zu seyn, daß sie sich nicht überzeugen lassen. Würde man aber freie Arbeiter gehörig begünstigen, so könnten wir dahin kommen, daß wir jenes auch gar nicht nöthig hätten.“

Es ist wohl der Mühe werth den Fehler zu zeigen, den die ersten Kämpfer für die Verbesserung des Zustandes der Negersklaven begingen, denn wir fürchten, daß derselbe noch fortwährend den Gang der Politik in diesem wichtigen Punkte verwirrt. Diese Männer setzten nämlich voraus, daß der höhere Preis der Sklaven und die Unmöglichkeit sich durch Zufuhr neue zu verschaffen, die Pflanzer bestimmen werde diese besser zu halten; aber hätten sie das Wesen ihres Systems vorher gehörig durchdacht, so würden sie schwerlich diese Hoffnung gehegt haben. Denn der halhe Preis der Sklaven und ihrer Produkte (was in der That dasselbe ist), ist der eigentliche Grund der Negersklaverei, und macht außerdem das Uebel nur ärger, indem er den Herrn in den Stand setzt, die Wollust der Grausamkeit und Unterdrückung für Geld zu erkaufen; während im Gegentheil das allmählige Abnehmen dieser Sklaverei sich durch stete Verringerung des Werthes, sowohl der Sklaven als ihrer Produkte, ankündigen muß, bis sie dann nach und nach sich ganz in Freiheit auflöst. Die Menschen erhalten sich selbst immer weit wohlfeiler, als sie von andern erhalten werden können, denn ihres eigenen Vortheils wegen arbeiten sie in der Regel bei weitem mehr, als wenn sie für einen Herrn arbeiten. Kann man Arbeiter genug bekommen, und ist das Produkt der Arbeit im Preise so niedrig, als es seyn kann, so ist es unmöglich, daß man noch mit Vortheil Sklaven halten kann; nur ein übermäßig hoher Preis der Arbeit und der Produkte, der im Monopole seinen Grund hat, ist im Stande dieses unnatürliche und schändliche Institut aufrecht zu erhalten.

Diese Betrachtung, die hier sogleich etwas ausführlicher behandelt werden soll, scheint die einzige zu seyn, die je bewirken kann, daß man mit Zustimmung aller interessirten Theile und folglich ohne gewaltsame Maßregeln ein Institut aufhebt, gegen welches sich freilich jedes menschliche [154] Gefühl empört, dessen Fortbestehen aber im Interesse so vieler zu seyn scheint, daß man nicht wagt, deren vermeintliche Rechte zu kränken. Ihr Recht aber stützt sich blos auf ihr Interesse; zeigt man ihnen, daß dieses nicht leide oder daß es gar dabei gewinne, so lassen sie jenes von selbst fallen. Man muß daher ganz in die Ideen der Pflanzer eingehen, und ihnen nicht von Menschlichkeit und natürlichem Rechte, sondern vom Vortheile sprechen. Wir reden aus demselben Grunde hier zuvörderst von Sklaven nur wie von jedem andern Eigenthume.

In der Sklaverei wird der Mensch als Eigenthum angesehen, und dies setzt nothwendig voraus, daß mit seinem Besitz ein gewisser Werth verknüpft sey. Wie bei allem übrigen Eigenthume aber ändert sich sein Werth nach den Umständen; sind also solche Menschen selten, so steigen sie im Preise, sind sie im Ueberfluß, so sinkt ihr Preis. Waaren können nun aber im Vergleich mit der Nachfrage darnach, in solchem Ueberflusse vorhanden seyn, daß sie gar keinen austauschbaren Werth mehr behalten. Dies ist jetzt selbst mit den Menschen der Fall in Irland, wo sie, wegen ihrer übergroßen Menge nicht blos ihren Werth verloren haben, sondern auch dem Staate so lästig geworden sind, daß man darauf spekulirt, sie wegzuschicken, wenn es auch Millionen kosten sollte. Da nun, wo die Menschen keinen verkaufbaren Werth haben, ist es klar, daß keine Sklaverei mit Nutzen bestehen kann; aber da, wo die Menschen selten, und gutes Land im Ueberfluß und wohlfeil ist, oder die Produkte theuer sind, da kann ein Mensch durch seine Arbeit viel mehr verdienen, als er zu seinem Lebensunterhalte braucht. Unter diesen letzten Umständen nun werden die Leute, wenn sie ihre eigenen Herren sind, entweder ihr eigenes Land bauen, oder hohen Lohn für ihre Arbeit fordern. Nun liegt es in der menschlichen Natur, daß wenn die Einzelnen sich in einer angenehmen oder auch nur erträglichen Lage befinden, ihre Zahl sich vermehrt, mithin ihr Werth abnimmt, bis sie gar keinen Werth mehr haben, und dies ist das natürliche und sichere Absterben der Sklaverei, die allen Partheien vortheilhaft seyn muß. Wenn es daher wünschenswerth ist, daß sie so auf natürlichem Wege aussterbe, so kann man dagegen durchaus keinen Einwand vom iure quaesito hernehmen, denn man kann doch sicher nicht behaupten, daß, weil eine gewisse Art von Eigenthum einmal erlaubt sey, der Staat auch verbunden wäre dafür zu sorgen, daß in diesem Artikel für alle Zukunft gute Handels-Geschäfte gemacht werden.

[160] Es mag auf den ersten Anblick sonderbar scheinen, daß das gänzliche Aufhören des Preises bei einem Gegenstande des Eigenthums für den Eigenthümer solle vortheilhaft seyn können, aber man wird dieß leicht begreifen, wenn man bedenkt, daß die Sclaven fast bloß zur Bearbeitung des Bodens gebraucht werden, und daß Land und Sclaven demselben Herrn gehören. Nun aber erzeugen Land und Arbeit zusammen das Produkt; steigt der Preis des Produkts, so steigt natürlich auch der Werth von beiden; bleibt der Preis unverändert, so bleibt auch der Preis von Land und Arbeit zusammengenommen derselbe. Aber wenn auch der Werth der beiden Sachen, die das Produkt hervorbringen, zusammen unverändert bleibt, so können doch im Werth von jedem derselben große Veränderungen eintreten. Da die Menschen sich in der Regel vermehren, so sinkt ihr Werth und der Werth ihrer Arbeit; aber soviel gewinnt das Land an Werth, weil es gesuchter wird, denn das Land ist nur da gesucht, wo es viele Menschen gibt. Der Herr verliert daher bei diesem Absterben der Sclaverei nichts, wenn er nur eine hinreichende Anzahl von Arbeitern behält; und dieß wird der Fall seyn, denn der freie Arbeiter arbeitet, um etwas zu verdienen, mehr, als der Sclave aus Zwang arbeitet. Dieses Mehrarbeiten ist freilich anfangs blos Vortheil des freien Arbeiters; aber wenn wir annehmen, er arbeite noch einmal so viel, so ist dieß offenbar gerade so gut, als wenn die Zahl der Arbeiter verdoppelt wäre, was dann natürlich eine große Concurrenz und folglich eine Herabsetzung des Arbeitslohns veranlaßt, so wie den Werth des Landes und den Vortheil, den man aus demselben zieht, verhältnißmäßig steigert. Die Landbesitzer würden daher mit der Zeit einen großen Theil des Vortheils genießen, der aus dem Ueberfluß an Arbeitern hervorgeht. Diese Thatsachen sind historisch erwiesen, denn wir haben niemals gehört, daß der allmählige Uebergang von der Sclaverei zur Freiheit irgend einem Lande oder irgend einem Lande oder irgend einem Einzelnen schädlich gewesen sey.

Wir kommen jetzt zu der Betrachtung, was diesen natürlichen Uebergang hätte befördern können, oder was ihn verzögert hat, und warum dieser natürliche Lauf der Dinge so geringe Fortschritte in den brittischen Colonien und in den Vereinigten Staaten macht. Es ist gewiß, daß in den Vereinigten Staaten das Zunehmen der Sclavenbevölkerung in vollem Gange war, und längst die Arbeit wohlfeil und das Land theuer gemacht haben würde, wenn nicht ungeheure Strecken neuen und fruchtbaren Landes eine stete Gegenwirkung gewesen wären. So zogen die Virginier Sclaven zum Verkauf, als ihr Boden durch die von Sclaven betriebene Bearbeitung ausgemergelt war (denn wenn Menschen statt Vieh arbeiten, und wenig animalische Stoffe genießen, so muß der Boden nach und nach immer schlechter werden), weil sie sie nach den neuen südwestlichen Staaten mit Vortheil verkaufen konnten. Auf den englischen westindischen Inseln dagegen ist wenig Land, welches sich bebauen läßt, und wenn die Sclaven sich dort so vermehrt hätten, wie in den Vereinigten Staaten, und der Sclavenhandel der Colonien unter einander immer verboten gewesen, oder wirklich verhindert worden wäre, so hätte die Natur der Verhältnisse auf den meisten der Inseln die Sclaven bereits in freie Leute verwandeln müssen. Was die unbegränzten Strecken fruchtbaren Landes in den Vereinigten Staaten bewirkt haben, das haben Privilegien und Prohibitivgesetze in den brittischen Colonien gethan: denn es ist ganz einerlei, ob die Arbeit durch die Menge fruchtbaren Landes oder durch begünstigende Gesetz im Preise erhalten wird.

Wir haben bisher versucht, die Sclaven wie jedes andere Eigenthum zu betrachten, aber jetzt machen die Westindier selbst Einwürfe gegen diese Ansicht. Sie sagen, gehörige Preise setzen den Pflanzer allein in den Stand, seine Sclaven gut zu behandeln. Hiegegen wollen wir nur folgendes zum Beweise anführen. Die Zahl der mehr gestorbenen Sclaven auf den westindischen Inseln, betrug in den sechs Jahren von 1818–1824 nach dem Anti-Slavery Reporter, No. 26. – 28,000; während auf Hayti in derselben Zeit 11,000 mehr Neger geboren wurden. Hiernach ließe sich schon ungefähr beurtheilen, wie die Sclaven auf den brittischen Inseln behandelt werden, wenn man es auch sonst nicht wüßte. „Nicht eher wird die Grausamkeit und Mißhandlung der Sclaven aufhören, als bis der Vortheil aufhört, den die Pflanzer von ihnen beziehen!“ –

Es ist anerkannt, daß in Nord-Amerika die Sclaven in den nördlichen und mittlern Staaten, wo der Vortheil, den man von den Sclaven hat, geringer ist, am mildesten behandelt werden, in den südlichen dagegen, wo sie weit mehr Gewinn abwerfen, viel härter. Das Abnehmen der Anzahl der Sclaven in Demarari, der fruchtbarsten und einträglichsten brittischen Colonie, wo ein Sclave 86 Pfd. gilt, und das Zunehmen derselben auf den Bahamainseln, wo wie nur zu 21 Pfd. im Preise stehen, ist ebenfalls eine Bestätigung der aufgestellten Behauptung.

So sehr auch die Fortschritte in der intellectuellen Bildung das Wohl der Völker und der Menschheit im allgemeinen befördert haben, so fürchten wir doch, daß man in dieser Hinsicht nicht nur nicht weiter gekommen ist, sondern im Gegentheil Rückschritte gemacht hat. Die Sklaven im brittischen Westindien sind jetzt schlimmer daran, als vor zwei Jahrhunderten: und es läßt sich nicht läugnen, daß dieselben Maßregeln, die die Sklaverei dort aufrecht erhalten, sie auch in jedem Lande von Europa würden aufrecht erhalten haben: so daß, wenn dieser Boden stets nur durch den Sklaven mit dem Karst in der Hand bearbeitet worden wäre, dieser Zustand noch immer fortdauerte, wenn man auf dieselbe Weise wie in Westindien verhindert hätte, daß freie Arbeiter, Zugvieh und der Pflug zur Bearbeitung des Landes mitwirkten. Eben in dieser gewaltsamen Verhinderung liegt die stets wachsende Härte gegen die Sklaven; je länger sie fortdauert, desto unnatürlicher und desto drückender wird auch die Tyrannei.
Edinburgh-Review
  1. A short Review of the Slave Trade and Slavery, with considerations on the Benefit which would arise from cultivating Tropical Productions by Free Labour. Birmingham, Beilby, Knott and Beilby. 1827.
  2. Deutsche Leser, die sich über den furchtbaren Zustand der Sklaven im brittischen Westindien unterrichten wollen, verweisen wir auf die allg. politischen Annalen, Bd. XX. und XXI.